L 6 U 1306/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 760/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1306/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Ein Minderverdienst eines pflicht- oder freiwillig in der gesetzlichen Unfallversicherung versicherten Unternehmers ist im Rahmen der Gewährung von Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV nicht anzunehmen, wenn er trotz des Unterlassens der gefährdenden Tätigkeit Einkünfte erzielt, welche über der von ihm gewählten Versicherungssumme liegen.
2. Der Minderverdienst eines Unternehmers ist insbesondere dann ursächlich durch das Unterlassen einer gefährdenden Tätigkeit i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV bedingt, wenn er durch Personalausfälle verursachte Einbußen andernfalls durch seine persönliche Mitarbeit hätte ausgleichen oder zumindest abmildern können.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. März 2019 abgeändert und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 18. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. März 2017 verpflichtet, auch über die Gewährung von Übergangsleistungen ab dem 1. Januar 2018 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Im Übrigen wird die Berufung mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage im Übrigen abgewiesen wird.

Die Beklagte trägt 20 v.H. der außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren. Die Entscheidung über die Tragung der außergerichtlichen Kosten in erster Instanz bleibt unberührt.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Übergangsleistungen aufgrund einer Berufskrankheit (BK) nach der Nr. 5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV), mithin einer schweren oder wiederholt rückfälligen Hauterkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (im Weiteren: BK Nr. 5101).

Der 1979 geborene Kläger ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Er absolvierte nach Erreichen des Hauptschulabschlusses von 1994 bis 1997 eine Ausbildung zum Friseur und im Jahr 2001 die entsprechende Meisterschule. Seit dem Jahr 2003 ist er als Friseurmeister selbständig tätig und Inhaber von inzwischen drei Friseursalons. Ausweislich seiner Einkommensteuerbescheide erzielte er 2009 Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 17.815,00 Euro, 2010 von 12.752,00 Euro, 2011 von 7.626,00 Euro, 2012 von 13.676,00 Euro, 2013 von 17.540,00 Euro, 2014 von 39.192,00 Euro, 2015 von 24.686,00 Euro, 2016 von 23.407,00 Euro und 2017 von 23.449,00 Euro. Im Jahr 2018 betrug nach der diesbezüglichen betriebswirtschaftlichen Auswertung sein vorläufiges betriebswirtschaftliches Ergebnis 5.620,92 Euro. Bei der Beklagten war und ist er im Rahmen seiner Unternehmertätigkeit mit der Mindestversicherungssumme versichert.

Nachdem der Hautarzt Dr. Ko. erstmals am 28. Juni 2005 den Verdacht einer beruflich bedingten Hauterkrankung des Klägers anzeigte, bot die Beklagte diesem die Teilnahme an einem Hautschutzseminar an, was er jedoch ablehnte. Die Beklagte teilte ihm darauf mit, sie gehe davon aus, dass derzeit keine weiteren Behandlungsmaßnahmen erforderlich seien. Falls sein Hautleiden nicht abheile bzw. erneut auftrete, solle er die Erstellung eines weiteren Hautarztberichts veranlassen.

Mit Bericht vom 11. November 2013 teilte der Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten mit der Zusatzbezeichnung Allergologie Dr. Mu. der Beklagten mit, beim Kläger seien an beiden Händen mit Schuppungen, Keratosen und Einrissen infiltrierte Erytheme aufgetreten. Beruflich bestehe eine starke Hautbelastung, die Beschwerden besserten sich am Wochenende. Die Aufgabe der derzeit ausgeübten Tätigkeit erscheine nicht erforderlich.

Im Rahmen eines Hautschutzseminars der Beklagten am 15. Januar 2014 teilte der Kläger nach ihren diesbezüglichen Aufzeichnungen unter anderem mit, seit etwa einem Jahr extreme Hautprobleme zu haben. Er bereite sich auf den Ausstieg aus dem Beruf vor und klopfe überall ab, was er für Leistungen zu erwarten habe. An einer Umschulung sei er nicht interessiert. Er wolle die Salons seiner Frau überschreiben, welche Friseurin sei und finanziere einer Angestellten die Meisterschule, damit sie einen der (damals) zwei Salons führen könne.

Nachdem sich die Hauterkrankung im weiteren Verlauf zunehmend verschlechterte (Bericht des Dr. Mu. vom 10. November 2014; Gutachten des Prof. Dr. Ro., Universitäts-Hautklinik T., vom 31. März 2015 für die private Berufsunfähigkeitsversicherung des Klägers, der X AG, teilte der Kläger der Beklagten mit, seit dem 23. Mai 2015 nicht mehr am Kunden zu arbeiten, keine Friseurarbeiten mehr durch zu führen, sondern lediglich Verwaltungsarbeiten zu machen (Schreiben vom 5. Juni 2015).

Die Beklagte ließ den Kläger durch den Facharzt für Hautkrankheiten Dr. Le. begutachten, welcher nach Untersuchungen am 14., 16. und 17. September 2015 in seinem auf den 22. Juli 2015 datierten, bei der Beklagten am 8. Oktober 2015 eingegangenen Gutachten ausführte, dieser berichte, seit Frühjahr des Jahres nur noch administrativ in seinen Friseursalons tätig zu sein. Zum Untersuchungszeitpunkt bestehe kein Anhalt für ein aktives Hautekzem, der Befund sei jedoch mit einem Zustand nach Handekzem sowie einer Onychomykose (Nagelpilzerkrankung) gut zu vereinbaren. Eine berufsrelevante Typ-IV-Sensibilisierung gegen Ammoniumpersulfat bestehe. Auswärtig sei eine Typ-IV-Sensiblisierung gegen p-Phenylendiamin und Tolylendiamin nachgewiesen worden, welche nicht habe reproduziert werden können, aber ebenfalls im Kontext der Berufserkrankung als berufsrelevant angesehen werden müsse. Beim Kläger sei neben diesen Sensibilisierungen im Wesentlichen ein Mischtyp eines beruflich erworbenen chronischen Handekzems vom dyshidrosiformen Präsentationstyp sowie eines kontaktallergischen Handekzems bei atopischer Diathese. Hierbei handele es sich um eine schwere Hauterkrankung im Sinne der BK Nr. 5101. Die Reduktion von Nassarbeiten sei anzustreben und jeglicher Kontakt zu den Typ-IV-Sensibilisierungen sei unter allen Umständen zu vermeiden. Bei einer weiteren Berufsausübung sei von einer dauerhaften, richtunggebenden Verschlimmerung auszugehen.

Am 12. November 2015 gab der Kläger eine ausdrückliche Aufgabeerklärung hinsichtlich seiner beruflichen Tätigkeit als Friseur ab dem 23. Mai 2015 ab. Im Hinblick darauf, dass er mehrere Friseurgeschäfte betreibe, werde er das Gewerbe jedoch nicht abmelden.

Mit Bescheid vom 26. November 2015 erkannte die Beklagte das Vorliegen einer BK Nr. 5101 in Form eines Mischtyps eines subtoxisch-kumulativen sowie allergischen Kontaktekzems der Hände bei Sensibilisierung gegenüber Ammoniumpersulfat an. Tag des Versicherungsfalls sei der 23. Mai 2015, ab diesem Tag würden die Kosten der Heilbehandlung übernommen. Man werde ihm mitteilen, welche weiteren Leistungen (z.B. Verletztengeld, Übergangsleistungen, Rente) er erhalte. Der Bescheid wurde nach Rücknahme eines zunächst dagegen erhobenen Widerspruchs bestandskräftig.

Mit Schreiben 30. November 2015 informierte die Beklagte den Kläger, es werde davon ausgegangen werde, dass er seine Friseurbetriebe administrativ weiter betreuen wolle und nicht an qualifizierten beruflichen Reha-Maßnahmen interessiert sei. Die von ihm selbst gewählte Tätigkeit der administrativen Weiterbetreuung seiner Betriebe sei eine leidensgerechte Tätigkeit.

Nach dem der Kläger der Beklagten mitteilte, die Verwaltung seiner zwei Geschäfte nehme täglich zwei Stunden in Anspruch, er durchaus an beruflichen Reha-Maßnahmen interessiert und bemüht sei, eine leidensgerechte Tätigkeit aufzunehmen, wies ihn die Beklagte mit Schreiben vom 18. Dezember 2015 darauf hin, dass er grundsätzlich Anspruch auf 78 Wochen Verletztengeld habe und er sich umgehend bei der Arbeitsagentur arbeitssuchend melden solle. Dies sei Voraussetzung für den Anspruch auf Übergangsgeld. Im Nachgang bewilligte die Beklagte Verletztengeld für die Zeit vom 24. Mai 2015 bis zum 18. November 2016 in Höhe von 80 v.H. des zugrunde zulegenden Regelentgelts aufgrund der verbliebenen Arbeitstätigkeit des Klägers. Mit Bescheid vom 25. Oktober 2016 stellte die Beklagte die Zahlung des Verletztengeldes mit Ablauf des 18. November 2016 ein.

Vom 18. bis 29. Januar 2016 nahm der Kläger auf Veranlassung der Beklagten an einer Maßnahme zur Berufsfindung und Arbeitserprobung im Berufsförderungswerk B. teil. Nach dem dortigen Ergebnisbericht vom 10. Februar 2019 wolle er keine Umschulung oder Qualifizierungsmaßnahme absolvieren. Hierbei sehe er eine Gefährdung seiner Betriebe, die er weiter administrativ führen wollen. Diese Tätigkeit fülle ihn aus und bedeute eine existentielle Absicherung.

Im Weiteren lehnte die Beklagte die Gewährung einer Verletztenrente mit Bescheid vom 14. Dezember 2016 ab, da als Folge der BK Nr. 5101 ein abgeheiltes Handekzem bei Sensibilisierung gegenüber Ammoniumpersulfat bestehe, dies jedoch keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) begründe. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren beim Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage (S 6 U 761/17) ist nach der beklagtenseitigen Anerkennung der Sensibilisierung gegenüber p-Phenylendiamin/4-Phenylendiamin und p-Toluylendiamin als weiterer BK-Folgen im Vergleichswege übereinstimmend für erledigt erklärt worden.

Mit Bescheid vom 18. Januar 2017 lehnte die Beklagte die Gewährung von Übergangsleistungen ab. Nach den ärztlichen Feststellungen sei die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit als zur Vermeidung des Entstehens, Wiederauflebens oder sich Verschlimmerns der BK Nr. 5101 erforderlich gewesen. Ab dem Tag der Aufgabe der Tätigkeit bestehe grundsätzlich ein Anspruch auf Übergangsleistungen für längstens fünf Jahre. Voraussetzung sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der wegen der Erkrankung notwendigen Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit und dem hierdurch gegebenenfalls entstehenden Minderverdienst oder sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen. Seit der Aufgabe der Tätigkeit habe der Kläger sich weder bei der Agentur für Arbeit arbeitssuchend gemeldet, noch geeignete Schritte unternommen, um eine geeignete Erwerbstätigkeit zu erlangen. Für den Zeitraum des Anspruchs auf Verletztengeld vom 24. Mai 2015 bis zum 18. November 2016 bestehe wegen der Lohnersatzfunktion dieser Leistung kein Anspruch auf Übergangsleistungen.

Gegen diese Entscheidung legte der Kläger am 1. Februar 2017 Widerspruch ein. Es sei für einen Anspruch auf Übergangsleistungen unerheblich, ob sich der Aufgabe eine andere Tätigkeit anschließe oder nicht.

Mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2017 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine Minderung des Verdienstes liege nur dann vor, wenn der Kläger auch tatsächlich dem allgemeinen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehe. Dies geschehe durch Meldung beim Arbeitsamt als arbeitssuchend. Auch durch Vorlage von Bewerbungsschreiben bzw. Absagen könne er nachweisen, dass er sich tatsächlich um einen Arbeitsplatz bemüht habe. Das Verhalten des Versicherten sei bei der Prüfung, ob ein Minderverdienst noch auf einer Einstellung der gefährdenden Tätigkeit beruhe, zu berücksichtigen. Nach Ausübung des pflichtgemäßen Ermessens sei das Interesse der Allgemeinheit, dem Kläger keine Übergangsleistungen zu gewähren gegenüber seinem Interesse an einer Zahlung höher zu bewerten.

In seiner darauf beim SG am 29. März 2017 erhobenen Klage hat der Kläger vorgetragen, Übergangsleistungen hätten nicht den Zweck, die Entscheidung des jeweiligen Versicherte, ob und welche Tätigkeit er zukünftig aufnimmt, zu steuern. Durch die Übergangsleistung solle lediglich der finanzielle Nachteil durch die BK abgefedert werden. In der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2019 hat er ausgeführt, dass er am 1. September 2016 einen dritten Salon aufgemacht habe und mittlerweile sieben Angestellte habe. Er arbeite seit Eröffnung des dritten Salons ca. vier Stunden täglich. So sei er von 7:00 bis 9:00 Uhr in seinen zwei Salons in A. und von 17:30 bis ca. 21:00 Uhr in dem Salon in A.-O. tätig. Das schlechte Ergebnis des Jahres 2018 sei darauf zurückzuführen, dass die Geschäfte zeitweise wegen Personalmangels hätten geschlossen werden müssen. Nach der Aufgabe seiner Tätigkeit habe er eine Meisterin einstellen müssen, die 39,5 Stunden laut Tarifvertrag gearbeitet habe. Er selbst habe vor der Tätigkeitsaufgabe 13 bis 14 Stunden gearbeitet. Ein Vergleichsangebot über eine Einmalzahlung in Höhe von 6.000,00 Euro hat der Kläger abgelehnt.

Das SG hat die Beklagte auf den Hilfsantrag des Klägers mit Urteil vom 14. März 2019 verpflichtet, über die Gewährung von Übergangsleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden und ihr die Erstattung der Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers auferlegt. Ein durch die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit eingetretener Minderverdienst sei nachgewiesen. Hierbei werde von dem Durchschnittswert der Einkünfte aus den Jahren 2013 und 2014 in Höhe von 28.366,00 Euro ausgegangen. Der Kläger hätte ohne Aufgabe der schädigenden Tätigkeit ein höheres Einkommen erzielen können, denn er habe aus diesem Anlass einen Meister neu anstellen müssen und tatsächlich in den Jahren 2015 bis 2018 geringere Einkünfte aus Gewerbebetrieb nachgewiesen. Seine Entscheidung, seine Friseurbetriebe weiter zu betreiben, sei zu respektieren. Jedenfalls bis 2017 habe der Minderverdienst auf der Aufgabe der schädigenden Tätigkeit beruht. Es spreche einiges dafür, dass der Gewinneinbruch im Jahr 2018 nicht mehr ursächlich auf die krankheitsbedingte Aufgabe der persönlichen Mitarbeit in den Salons beruht habe. Der Kläger habe insoweit angegeben, es seien wegen Personalmangels zeitweise Geschäfte geschlossen gewesen. Im Rahmen des Ermessens sei die Beklagte nunmehr gehalten, auf den Einzelfall des Klägers bezogen zu entscheiden, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Übergangsleistung angemessen sei. Bei der Ermittlung des Minderverdienstes sei die Zahlung von Verletztengeld, die Leistungen der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung dagegen nicht zu berücksichtigen. Bei der Entscheidung könne der zunächst relativ geringe Minderverdienst und die Tatsache, dass der Kläger nicht seine volle Arbeitskraft in seinem Betrieb einsetze, dazu führen, dass eine einmalige Zahlung in der in der mündlichen Verhandlung angebotenen Höhe gewährt werde. Eine monatlich wiederkehrende Zahlung für die Dauer von fünf Jahren erscheine nicht geboten. Insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Gewinnentwicklung von zahlreichen Faktoren wie Arbeitsmarkt, Wettbewerbssituation und allgemeiner wirtschaftlicher Entwicklung abhänge. Angesichts der Gesamtumstände erscheine es auch möglich, im Rahmen des Ermessens die Übergangsleistung neben der Gewährung von Verletztengeld zu versagen.

Der Kläger hat am 15. April 2019 gegen diese ihm am 3. April 2019 zugegangene Entscheidung Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und vorgetragen, er sei ein bekannter Friseur, der über einen sehr guten Ruf verfüge. Es sei ein Umsatzeinbruch erfolgt, als sich herumgesprochen habe, dass er selbst nicht mehr als Friseur tätig sei. Die von ihm eingestellten Meister hätten sich erst über Jahre etablieren müssen. Es habe keineswegs nur ein Minderverdienst für einen abgrenzbaren Zeitraum bestanden. Daher bestehe ein Anspruch auf eine gestaffelte Leistung über einen Zeitraum von bis zu fünf Jahren. Ergänzend hat er seinen Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2017 und eine aktuelle betriebswirtschaftliche Auswertung seines Steuerberaters für das Jahr 2018 hereingereicht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 14. März 2019 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger anlässlich der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit am 23. Mai 2015 Übergangsleistungen zu gewähren, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, über die Gewährung von Übergangsleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat ausgeführt, ein Anspruch auf Übergangsleistungen habe dem Grunde nach lediglich vom 23. Mai 2015 bis zum 31. Dezember 2017 bestanden, da ab dem Jahr 2018 nicht die BK-Folgen für den Einkommensverlust ursächlich gewesen seien, sondern der zu diesem Zeitpunkt herrschende Personalmangel. Höchstgrenze für das fiktive Unternehmereinkommen sei die Versicherungssumme. Übersteige das tatsächliche Einkommen die Versicherungssumme, so könne kein Minderverdienst festgestellt werden.

Hierauf hat der Kläger repliziert, dass bei Zugrundelegung dieser Meinung der Unternehmer bessergestellt werde, der sich nach Aufgabe der Tätigkeit nicht wieder versichert und auch nicht freiwillig versichert habe.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Prozessakten beider Instanzen und die beigezogene Verfahrensakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz – SGG) und bedarf nicht der Zulassung, da sie auf eine laufende oder wiederkehrende Geldleistung für mehr als ein Jahr gerichtet ist (§ 144 Abs. 1 SGG).

Der Kläger ist auch durch die angegriffene Entscheidung des SG beschwert. Er ist mit seinem Hauptantrag auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Übergangsleistungen nicht durchgedrungen, wie sich zwar nicht unmittelbar aus dem Tenor des erstinstanzlichen Urteils in der Sache, jedoch aus den dortigen Entscheidungsgründen und insbesondere der Kostenentscheidung ergibt. Der Tenor des Urteils des SG war daher dahingehend zu fassen, dass die Klage - neben der Verpflichtung der Beklagten zur Neuverbescheidung – im Übrigen abgewiesen wird (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 138, Rz. 3c, 4a).

Hinsichtlich seines Hilfsantrages hat das SG diesem zwar in der Tenorierung entsprochen, dies aber auf eine von dem Kläger nicht geteilte Rechtsauffassung gestützt. Bei einem Bescheidungsurteil (§ 131 Abs. 3 SGG) genügt dies zur Annahme einer Beschwer als Zulässigkeitsvoraussetzung der Berufung, wenn hierdurch negative Auswirkungen auf den Kläger ausgelöst werden (vgl. Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., Vor § 143, Rz. 6 m.w.N.). Dies ist hier der Fall, denn das SG hat jedenfalls eine monatlich wiederkehrende Zahlung für die Dauer von fünf Jahren nicht für geboten erachtet, was der Kläger jedoch gerade begehrt hat. Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht erhoben (§ 151 Abs. 1 SGG).

Die Berufung des Klägers ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang lediglich teilweise begründet, denn seine zugrundeliegende Klage ist bereits teilweise unzulässig und im Übrigen nur teilweise begründet.

Die Klage ist in ihrem auf die Gewährung von Übergangsleistungen nach § 3 Abs. 2 BKV gerichteten Hauptantrag als kombinierte Anfechtungs- und sog. unechte Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und 4 SGG) als solches nicht zulässig, weil die Leistungsklage nicht statthaft ist (vgl. zu § 3 Abs. 1 BKV: BSG, Urteil vom 22. März 2011 – B 2 U 4/10 R –, SozR 4-5671 § 3 Nr. 5, Rz.19). Denn der Kläger hat hinsichtlich der Gewährung von Übergangsleistungen bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten gemäß § 39 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), da die Entscheidung über das "Ob", die Art, den Inhalt und die Dauer der Übergangsleistung im Ermessen des Beklagten steht (BSG, Urteil vom 22. März 2011 – B 2 U 12/10 R –, BSGE 108, 28-35, SozR 4-5670 § 3 Nr. 1, Rz. 21).

Im Weiteren ist die Klage zulässig, denn die richtige Klageart für eine Verpflichtung der Beklagten zur neuerlichen Bescheidung des Begehrens des Klägers auf Übergangleistungen unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 131 Abs. 3 SGG) ist die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG, vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2011 – B 2 U 12/10 R –, BSGE 108, 28-35, SozR 4-5670 § 3 Nr. 1, Rz. 12), wobei die Verpflichtungsklage zum einen von der unechten Leistungsklage umfasst ist (BSG, Urteil vom 22. März 2011 – B 2 U 4/10 R –, SozR 4-5671 § 3 Nr. 5, Rz. 19 m.w.N.) und zum anderen im hiesigen Fall ausdrücklich im Rahmen des Hilfsantrages erhoben worden ist.

Die Klage ist jedoch nur teilweise begründet, denn der Kläger hat lediglich für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2018 einen über die erstinstanzliche Entscheidung hinausgehenden Anspruch zur Verpflichtung der Beklagten auf Bescheidung seines Anspruchs unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts, nicht jedoch hinsichtlich des Zeitraums vom 23. Mai 2015 bis zum 31. Dezember 2018.

Nach § 3 Abs 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 und 2 BKV hat der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung einem Versicherten, der die gefährdende Tätigkeit unterlässt, weil die Gefahr, dass eine BK entsteht, wiederauflebt oder sich verschlimmert, nicht zu beseitigen ist, zum Ausgleich der hierdurch verursachten Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile eine Übergangsleistung zu gewähren. Liegen diese Voraussetzungen vor, besteht ein Anspruch auf Gewährung einer Übergangsleistung, deren Höhe, Dauer und Zahlungsart allerdings im Ermessen des Unfallversicherungsträgers steht. Insoweit hat der Versicherte gemäß § 39 Abs 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) ein Recht auf fehlerfreien Ermessensgebrauch. Als Übergangsleistung wird gemäß § 3 Abs 2 Satz 2 BKV ein einmaliger Betrag bis zur Höhe der Jahresvollrente oder eine monatlich wiederkehrende Zahlung bis zur Höhe eines Zwölftels der Vollrente längstens für die Dauer von fünf Jahren gezahlt (vgl. BSG, Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 1/03 R - BSGE 93, 164 = SozR 4-5671 § 3 Nr. 1 jeweils Rz. 6 m.w.N.).

BKen sind dabei Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung - die BKV (zuletzt geändert durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vom 10. Juli 2017 [BGBl. I S. 2299]) - mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII).

Erste Voraussetzung des Anspruchs auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Bewilligung eines Anspruchs auf eine Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKVO ist mithin das Bestehen einer aktuellen, konkret individuellen Gefahr der Entstehung, des Wiederauflebens oder der Verschlimmerung einer BK (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 - B 2 U 33/08 R –, juris, Rz.11 m.w.N.). Zweite Voraussetzung des Anspruchs ist die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit. Dritte Voraussetzung ist das (ggf. trotz Vorteilsausgleichs eingetretene) Vorliegen einer Minderung des Verdienstes oder sonstiger wirtschaftlicher Nachteile. Schließlich ist (viertens und fünftens) ein doppelter Kausalzusammenhang erforderlich. Er muss einerseits zwischen der - zumindest - drohenden BK und der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit und andererseits zwischen dieser Einstellung der Tätigkeit und der Minderung des Verdienstes oder den sonstigen wirtschaftlichen Nachteilen bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2011 – B 2 U 12/10 R –, BSGE 108, 28-35, SozR 4-5670 § 3 Nr 1, Rz. 16 ff. m.w.N.).

Der Kläger hat am 23. Mai 2015 seine Tätigkeit als Friseur, in welcher er als selbständiger Friseurmeister kraft Satzung bei der Beklagten versichert war und ist (vgl. § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII i.V.m. § 50 der Satzung der Beklagten), aufgrund der Gefahr des Wiederauflebens bzw. der Verschlimmerung der seitens der Beklagten bindend (§ 77 SGG) anerkannten BK Nr. 5101 aufgegeben, wie sich aus dem im Verwaltungsverfahrenen erhobenen und hier im Wege des Urkundenbeweises (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung – ZPO) verwertbaren Gutachten des Dr. Le. ergibt.

Der Kläger hat jedoch hinsichtlich des Zeitraums vom 23. Mai 2015 bis zum 31. Dezember 2017 keinen über den im Urteil vom 14. März 2019 zugesprochenen Umfang hinausgehenden Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Beklagten, da es in diesem Zeitraum bereits am Vorliegen eines Minderverdienstes im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV fehlt. Ein Zurückgehen hinter diese erstinstanzliche Entscheidung zu Lasten des Klägers kommt insoweit mangels Anschlussberufung der Beklagten (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 524 ZPO) gleichwohl nicht in Betracht (vgl. zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der reformatio in peius – Verböserung – auch im Berufungsverfahren: BSG, Urteil vom 29. Februar 1956 – 10 RV 75/55 –, BSGE 2, 225 (228f.)).

Bei der Ermittlung eines etwaigen Minderverdienstes ist im Falle von abhängig Beschäftigten von dem Unterschied zwischen den zu erwartenden künftigen Nettoverdiensten aus der bisherigen und den tatsächlichen Nettoeinkünften aus einer neuen Beschäftigung des Versicherten auszugehen (amtl. Begründung zur 7. BKVO, BR-Drucks. 128/68; BSG, Urteil vom 23. Juni 1983 – 2 RU 57/82 –, SozR 5677 § 3 Nr. 3, Rz. 13). Bezugspunkt für die Ermittlung der Verdienstminderung ist mithin grundsätzlich das Beschäftigungsverhältnis, in dem der Versicherte vor Aufgabe der Tätigkeit gestanden hat und das er aufgeben musste. Dem Versicherten wird für den Fall, dass er sich zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit entschließt und deshalb Verdienstminderungen oder sonstige wirtschaftliche Nachteile hinnehmen muss, grundsätzlich in Aussicht gestellt, dass diese annähernd, höchstens aber bis zu dem von § 3 Abs. 2 BKV vorgegebenen Umfang, ausgeglichen werden. Zwar wird der Übergangsleistung nach § 3 Abs. 2 BKV partiell die Funktion des Ausgleichs immaterieller Schäden zugeschrieben, sie ist aber keine Leistung mit Schadensersatzfunktion. Bereits in den Materialien zur BKV vom 31. Oktober 1997 (BR-Drucks 642/97) wurde vielmehr die präventive Zielrichtung der Leistung, nämlich das Vermeiden von Gesundheitsschäden, betont. Daneben folgt aus dem Wortlaut der Vorschrift, dass die Leistung auch Entgeltersatzfunktion hat. Deshalb wird die Übergangsleistung aus der Differenz zwischen früher erzielten und aktuellen Einkünften in der Art eines Vorteilsausgleichs berechnet. Bei der Ermittlung des Betrags sind grundsätzlich auch solche Vorteile zu berücksichtigen, die dem Versicherten durch die Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit entstehen (st. Rspr.; vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 18. September 2012 – B 2 U 15/11 R –, SozR 4-5671 § 3 Nr. 6, Rz. 22f.). Die Anrechnung eines wirtschaftlichen Vorteils im Wege der Vorteilsausgleichung ist dabei nur dann gerechtfertigt, wenn er seine Ursache in der Aufgabe der schädigenden Tätigkeit hat (Römer in: Hauck/Noftz, SGB, 05/13, § 3 BKV, Rz. 54). Lohnersatzleistungen, wie Krankengeld, Arbeitslosengeld I, Übergangsgeld und – wie hier - Verletztengeld treten dabei an die Stelle von Verdiensteinkommen und sind anzurechnen (vgl. BSG, a.a.O., Rz. 24).

Bei selbständiger Tätigkeit gelten dieselben Grundsätze (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, 1/18, G § 3 Rz. 5.3). Als Einkommen eines Unternehmers oder eines Selbstständigen ist nach § 15 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) grundsätzlich der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsgrundsätzen des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn heranzuziehen (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW), Urteil vom 23. Juni 1998, L 5 U 88/97, juris, Rz. 33). Einkünfte aus gewerblicher bzw. selbstständiger Tätigkeit stellen aber regelmäßig eine Mischung aus Einkünften aus eigener Arbeitsleistung und dem Ertrag des investierten Vermögens dar. Des Weiteren ist der nach dem Einkommensteuerrecht ermittelte Gewinn regelmäßig durch steuerliche Vergünstigungen und Gestaltungsmöglichkeiten verzerrt und gibt daher vielfach nicht die tatsächlich bestehende Einkommenssituation eines Geschäftsjahres wieder. So kann trotz guter Ertragslage der Gewinn eines Jahres gegen Null gehen, wenn z. B. steuerliche Sonderabschreibungsmöglichkeiten in Anspruch genommen werden. Eine Übersicht über den versteuerten Gewinn aus dem Betrieb wird zudem häufig erst Jahre nach der Aufgabe der schädigenden Tätigkeit zur Verfügung stehen (Römer, a.a.O., Rz. 59). Vergleichsmaßstab ist zudem nicht der letzte erwirtschaftete Gewinn, sondern der mutmaßliche Gewinn der Jahre nach der Aufgabe. Eine exakte Errechnung ist daher schwer möglich, es kann sich immer nur um Schätzungen handeln. Als Basis einer Schätzung kann der Durchschnittswert aus den Gewinnen der letzten Jahre gebildet und gegebenenfalls an die Branchenentwicklung angepasst werden (Römer, a.a.O., Rz. 61).

Höchstgrenze für das fiktive Unternehmer-Einkommen ist bei kraft Gesetzes oder Satzung pflichtversicherten Unternehmern der gemäß § 83 SGB VII in der Satzung festgelegte Jahresarbeitsverdienst (JAV), vorbehaltlich einer Höherversicherung, und bei freiwillig versicherten Unternehmern die im Zeitpunkt des Arbeitsplatzwechsels geltende Versicherungssumme (Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, 1/18, G § 3 Rz. 5.3). Übersteigt daher das tatsächliche Einkommen die Versicherungssumme, so kann kein Minderverdienst festgestellt werden. Dies ist die Konsequenz des Versicherungsprinzips, das insbesondere die Unternehmerversicherung prägt. Mit seinem Beitrag hat der Unternehmer seinen Verdienst nur in Höhe der gewählten Versicherungssumme "versichert" (Römer, a.a.O., Rz. 62 m.w.N.).

Der Gegenansicht, welche unabhängig von dem JAV bzw. der Versicherungssumme die tatsächlichen Einkünfte vor und nach dem Unterlassen der gefährdenden Tätigkeit als Maßstab des Minderverdienstes heranziehen will, da § 3 Abs. 2 BKV einen Ausgleich konkret eingetretener Schäden bewirken solle und andernfalls Unternehmer besser gestellt würden, welche sich bei erneuter unternehmerischer Betätigung nach Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit nicht erneut versicherten oder kraft Satzung nicht pflichtversichert seien (vgl. Becker in: Krasney/Becker/Heinz/Bieresborn, Gesetzliche Unfallversicherung (SGB VII), 151. Lfg. Januar 2006, § 9 Rz. 439), ist nicht zuzustimmen.

Denn im Rahmen der Unternehmerversicherung haben die – freiwillig oder pflichtversicherten – Unternehmer, anders als abhängig beschäftigte Versicherte, innerhalb des durch die jeweilige Satzung vorgegebenen Rahmens die Möglichkeit, über die Bestimmung der Versicherungssumme festzulegen, welchen potentiellen Schaden sie absichern wollen und welche Absicherung sie ggf. für entbehrlich erachten. Es ist nicht einsichtig, weswegen diese vom Unternehmer selbst getroffene Entscheidung im Rahmen der für die Leistungsgewährung nach § 3 Abs. 2 BKV maßgeblichen Tatbestandsvoraussetzungen unberücksichtigt bleiben sollte, zumal die Wahl einer niedrigeren Versicherungssumme mit einer niedrigeren Beitragshöhe einhergeht, der Versicherte hierdurch mithin begünstigt wird. Auch im Hinblick auf die Schadensausgleichsfunktion ist ein Verzicht auf die Versicherungssumme als begrenzendem Ermittlungsfaktor des Minderverdienstes nicht angezeigt, da auf der Rechtsfolgenseite die Leistungshöhe, welche ja den Minderverdienst gerade zumindest in Teilen ausgleichen soll, ebenfalls durch die Versicherungssumme bestimmt wird. Denn die Höhe der Übergangsleistung ist durch die Höhe der jeweiligen Vollrente begrenzt (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 BKV), welche wiederum im Rahmen der Unternehmerversicherung aus der Versicherungssumme zu ermitteln ist (vgl. § 48 der Satzung der Beklagten).

Schließlich genügt die Annahme einer Besserstellung von nach Aufgabe einer gefährdenden Tätigkeit erneut selbständig tätigen, jedoch nicht erneut gesetzlich unfallversicherten Unternehmern nicht als Begründung für einen Verzicht auf den Ansatz der Versicherungssumme im Rahmen der Ermittlung des Minderverdienstes. Denn Anlass für die Heranziehung der Versicherungssumme sind die Verhältnisse - einschließlich des durch Beitragsleistung erworbenen Versicherungsschutzes - im Zeitpunkt der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit. Sie ist bei erneuter unternehmerischer Betätigung daher unabhängig von den Versicherungsverhältnissen nach der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit i.S.d. § 3 Abs. 2 Satz 1 BKV als Grenze des fiktiven Unternehmereinkommens – angepasst an die weitere Entwicklung des JAV gem. § 83 SGB VII - heranzuziehen.

Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist im Falle des Klägers im gesamten Zeitraum ab der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit am 23. Mai 2015 bis zum 31. Dezember 2017 kein Minderverdienst nachgewiesen, denn der Kläger hat ausweislich der vorgelegten Einkommenssteuerbescheide im Jahr 2015 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 24.686,00 Euro, im Jahr 2016 von 23.407,00 Euro und im Jahr 2017 von 23.449,0 Euro erzielt. Die Satzung der Beklagten setzt in § 44 Abs. 1 für die kraft Gesetzes versicherten selbstständig Tätigen, die kraft Satzung versicherten Unternehmer und Unternehmerinnen sowie ihre im Unternehmen mitarbeitenden Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartner bzw. Lebenspartnerinnen im Sinne des Lebenspartnerschaftsgesetzes und die freiwillig Versicherten eine Mindestversicherungssumme von 60 v. H. der Bezugsgröße (§ 83 SGB VII, § 18 Abs. 1 SGB IV i.V.m. § 69 Abs. 2 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) i.V.m. der jeweiligen Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung (SozBezGrV)), aufgerundet auf volle 1.000 Euro, fest. Hieraus folgt für die Jahre 2015 und 2016 eine Mindestversicherungssumme von 21.000,00 Euro, für die Jahre 2017 und 2018 von 22.000,00 Euro. Da mithin die jeweiligen Mindestversicherungssummen in den Jahren 2015 bis 2017 sogar übertroffen worden sind, sind bereits die Tatbestandsvoraussetzungen der Gewährung von Übergangsleistungen gemäß § 3 Abs. 2 SGB VII nicht erfüllt. Es bestehen keine Anhaltspunkte für die Annahme, dass in den Einkünften aus Gewerbebetrieb andere, nicht auf das Friseurunternehmen des Klägers zurückführbare Beträge enthalten sein könnten. Dergleichen ist von ihm auch nicht vorgetragen worden.

Für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2018 ist auf der Grundlage des vorliegenden vorläufigen betriebswirtschaftlichen Ergebnisses des Jahres 2018 von 5.620,95 Euro dagegen ein Minderverdienst zu bejahen, wie sich aus dem Vergleich der jahresdurchschnittlichen Gewerbebetriebseinkünfte der Jahre 2013 und 2014 von 28.366,00 Euro nach Eröffnung des zweiten Salons, welche auch das SG zutreffend als Prognosegrundlage hinsichtlich der fiktiven weiteren Geschäftsentwicklung ohne Eintritt der BK Nr. 5101 angesetzt hat, und der weiteren tatsächlichen Geschäftsentwicklung unter Berücksichtigung der Begrenzung durch die Mindestversicherungssumme ergibt. Die bislang ermittelten Einkünfte des Jahres 2018, welche im Hinblick auf steuerrechtliche Begünstigungen und Gestaltungsmöglichkeiten im Vergleich zum den Einnahmen aus Gewerbebetrieb im steuerrechtlichen Sinne eher einen erhöhten Wert darstellen, liegen sowohl deutlich unter den Einkünften des Klägers in den zwei Kalenderjahren vor dem Leistungsfall, als auch unter den Einkünften der Folgejahre, selbst bei einer Begrenzung der zu berücksichtigenden Einkünfte auf die Mindestversicherungssumme, welche im Jahr 2018 22.000,00 Euro betragen hat.

Dieser Minderverdienst ist auch zumindest teilweise durch die Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit als Friseur bedingt worden.

Dabei sind die in der gesetzlichen Unfallversicherung üblichen Zurechnungskriterien anzuwenden und die präventive Ausrichtung von § 3 BKV zu beachten. Aus diesem Grund muss dieser Kausalzusammenhang auch zu jedem Zeitpunkt des Bezuges von Übergangsleistungen und nicht nur zu Anfang gegeben sein. Eine Zurechnung des Minderverdienstes scheidet nach diesen Grundsätzen aus, wenn der Schaden nicht rechtlich wesentlich auf dem Zwang zur Aufgabe beruht, sondern andere Gründe hierfür verantwortlich sind. Dies gilt immer dann, wenn der Minderverdienst auch ohne das Drohen der Berufskrankheit eingetreten wäre und bei einer rechtlichen Wertung die nicht mit der Berufskrankheit in Zusammenhang stehenden Gründe als allein wesentlich erscheinen. Dies ist z. B. bei Aufgabe der Tätigkeit wegen der Geburt eines Kindes und anschließendem Erziehungsurlaub, bei Erreichen der Altersgrenze der Rentenversicherung und Inanspruchnahme einer Altersrente oder bei Antritt einer Freiheitsstrafe der Fall (Römer, a.a.O., Rz. 41f. m.w.N.).

An einer Kausalität zwischen Schaden und der Gefahr einer Berufskrankheit fehlt es ebenfalls, wenn der Versicherte wegen Gesundheitsstörungen, die unabhängig von der drohenden Berufskrankheit sind, seine Tätigkeit nicht mehr weiterführen kann und deshalb eine Rente wegen Erwerbsminderung der Rentenversicherung in Anspruch nimmt (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., Rz. 5.1). Vielfach wird es an der Kausalität fehlen, wenn der Versicherte nach der Einstellung der Tätigkeit nicht bereit ist, eine neue Arbeit anzunehmen. Zwar ist es nicht Aufgabe von § 3 BKV, den Versicherten zur Aufnahme einer neuen Tätigkeit zu zwingen, jedoch ist stets zu prüfen, ob rechtlich wesentliche Ursache des Minderverdienstes tatsächlich die Aufgabe der schädigenden Tätigkeit ist, oder ob die Ursache nicht dem Verhalten des Versicherten zuzuordnen ist (Römer, a.a.O., Rz. 45). Zwar wird der Anspruch auf Übergangsleistungen nicht ohne Weiteres berührt, wenn der Versicherte nach Einstellung der gefährdenden Tätigkeit keine andere Erwerbstätigkeit ausübt, oder sie im Laufe des Fünfjahreszeitraumes aufgibt, obwohl eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit noch ausgeübt werden könnte. In solchen Fällen ist jeweils zu prüfen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Minderverdienst (noch) auf der Einstellung der gefährdenden Tätigkeit beruht (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O.). Der Einfluss des Verhaltens des Versicherten auf die Höhe des Minderverdienstes ist jedoch gegebenenfalls bei der Entscheidung über die Höhe der Übergangsleistung zu berücksichtigen (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 1975 – 5 RKnU 5/74 –, BSGE 40, 146-150, SozR 5677 § 3 Nr 1, Rz. 19).

Der Kläger hat nachvollziehbar dargestellt, dass der Gewinneinbruch im Jahr 2018 auf die zeitweise Schließung seiner Salons wegen Personalmangels zurückzuführen ist. Dies steht ersichtlich im Zusammenhang mit der krankheitsbedingten Tätigkeitsaufgabe, da der Kläger, welcher sich nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung erster Instanz auf ca. vier bis viereinhalb Stunden administrative Tätigkeit für seine Salons beschränkt, diesen Personalmangel zumindest teilweise durch eigene Arbeit am Kunden hätte ausgleichen und die Umsatzreduzierung somit jedenfalls hätte verringern können. Dies gilt unabhängig davon, ob man den Angaben des Klägers, er hätte vor Eintritt der BK täglich 13 oder 14 Stunden gearbeitet, folgt, oder das tarifliche Arbeitspensum der von ihm angestellten Friseurmeisterin mit 39,5 Stunden in der Woche als Vergleichswert heranzieht. An den Angaben des Klägers zu seinem nunmehrigen Arbeitsumfang, wie er ihn zuletzt in der mündlichen Verhandlung vom 14. März 2019 geschildert hat, hat der Senat keinen Anlass zu zweifeln. Zum einen stehen diese im Einklang mit der tatsächlichen Geschäftsentwicklung von zwei Salons und drei Angestellten zu mittlerweile drei Salons mit sieben Angestellten sowie den diesbezüglich zuvor getätigten Angaben des Klägers, welcher zunächst, als er noch zwei Salons betrieb, einen Umfang von zwei bis zweieinhalb Stunden täglich berichtet hat. Zum anderen hat die Beklagte ihre Ablehnung von Übergangsleistungen ganz wesentlich darauf gestützt, dass der Kläger sich in dem von ihm nicht für administrative Aufgaben genutzten Zeitraum dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stellen solle. Hinsichtlich dieser Argumentation wäre die Angabe eines größeren Zeitumfangs seiner Unternehmertätigkeit, welcher die Aufnahme einer (Teilzeit-)Beschäftigung von vorneherein ausschließen würde, verfahrensgünstiger für den Kläger gewesen, was zumindest tendenziell für die Richtigkeit der getätigten Angaben spricht.

Das Unterlassen der Aufnahme einer anderen Tätigkeit oder Beschäftigung, bzw. des Bemühens darum, steht im Falle des Klägers der Annahme des Kausalzusammenhangs zwischen der BK-bedingten Tätigkeitsaufgabe und dem Minderverdienst nicht entgegen. Zwar ist, wie dargestellt, das Verhalten des Versicherten im Hinblick auf die Vermeidung von Einkunftsverlusten durchaus zu berücksichtigen. Hieraus folgt jedoch keine Verpflichtung zur weitestreichenden Einkommensmaximierung, mithin auch zur Aufnahme weiterer Tätigkeiten, obwohl die ausgeübte Tätigkeit jedenfalls grundsätzlich bereits zu einer genügenden Sicherung des Lebensunterhalts und der Vermeidung von Minderverdiensten genügt. Der Kläger war im Rahmen seiner selbstständigen Tätigkeit durch die administrative Weiterbetreuung sowie Erweiterung seiner Betriebe ab dem 23. Mai 2015 und in den Jahren 2016 und 2017 in der Lage, seine Einkommenssituation auf einem solchen Niveau stabil zu halten, dass nach dem hier heranzuziehenden Maßstab der Versicherungssumme kein Minderverdienst eingetreten ist. Das Auftreten von Personalfluktuationen und ggf. auch –engpässen gehört dabei zum Wesen des selbstständigen Unternehmer- und Arbeitgebertums. Der Kläger war im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage seiner Salons nicht gehalten, ergänzend zu seiner Unternehmertätigkeit eine diese ggf. einschränkende weitere Tätigkeit oder Beschäftigung aufzunehmen, um möglicherweise im Verlauf auftretende Phasen wirtschaftlichen Abschwungs oder der Personalknappheit und dadurch potentiell auftretende Minderverdienste zu vermeiden; jedenfalls kann der Nichtaufnahme weiterer Tätigkeiten im hiesigen Fall kein derart überragendes Gewicht beigemessen werden, dass es die Auswirkungen der BK Nr. 5101 auf den Eintritt des Minderverdienstes 2018 als Kausalfaktor verdrängt. Vielmehr stellt die Aufgabe der eigentlichen Friseurtätigkeit jedenfalls eine rechtliche wesentliche Mitursache des Minderverdiensts dar (vgl. BSG, Urteil vom 22. August 1975 – 5 RKnU 5/74 –, BSGE 40, 146-150, SozR 5677 § 3 Nr 1, Rz. 18). Dies könnte anders zu beurteilen sein, wenn sich der Eintritt bedeutsamer wirtschaftlicher Schwierigkeiten - Personal– oder anderweitig bedingt – und der daraus folgende Minderverdienst bereits im Moment der Aufnahme oder Weiterführung eines Betriebes nach dem BK-Versicherungsfall aufgedrängt hätte. Hier war derartiges jedoch nicht der Fall.

Im Rahmen der von der Beklagten zu treffenden Ermessenentscheidung über das "Ob", die Art, den Inhalt und die Dauer der Gewährung von Übergangsleistungen ab dem 1. Januar 2018 wird die Beklagte das Ausmaß und den zeitlichen Umfang des Minderverdienstes zu berücksichtigen haben, ebenso, den vermutlichen Umfang, in welchem eine Mitarbeit des Klägers als Friseur am Kunden den Minderverdienst hätte vermeiden oder verringern können. Auch ist der Zeitpunkt des Eintritts des Minderverdienstes zu berücksichtigen, da nach dem Charakter der Übergangsleistungen gem. § 3 Abs. 2 BKV als Unterstützungsleistungen für eine wirtschaftliche Umstellung mit einer maximalen Leistungsdauer von fünf Jahren von einer typischerweise schon durch den Zeitablauf bedingten, abnehmenden Bedeutung der BK-Gefährdung bzw. der Aufgabe der gefährdenden Tätigkeit für die Einkommenssituation auszugehen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten im Verhältnis zu den von ihnen gestellten Anträgen im Berufungsverfahren sowie den Ausgang des erstinstanzlichen Verfahren. Hierbei war insbesondere zu beachten, dass der Kläger im Berufungsverfahren mit seinem Leistungsantrag auf Gewährung von Übergangsleistungen nicht durchgedrungen ist und hinsichtlich des Zeitraums ab dem 23. Mai 2015 bis zum 31. Dezember 2017 keine ihn besserstellende Rechtsposition erreicht hat, nachdem der Senat diesbezüglich zu keiner ihm günstigeren und von der Beklagten zu beachtenden Rechtsauffassung gelangt ist.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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