L 10 U 528/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 254/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 528/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 07.12.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer erektilen Dysfunktion als (weitere) Unfallfolge streitig.

Der am.1966 geborene Kläger war als gelernter Straßen- und Erhaltungsarbeiter in der Betriebsstelle der Straßenmeisterei K. beschäftigt, als er am 28.09.2012 im Rahmen dieser bei der Beklagten unfallversicherten Tätigkeit von einer Lkw-Ladefläche aus 1,7 m Höhe rückwärts auf die linke Hüfte und das linke Handgelenk stürzte. Er wurde notärztlich in das Krankenhaus Nürtingen eingeliefert, wo nach Anfertigung von CT-Aufnahmen die Diagnosen einer distalen Radiusfraktur links und einer Acetabulumfraktur links vorderer Pfeiler mit Quereinstrahlung gestellt wurden (D-Arztbericht, Bl. 1 VA I). Noch am selben Tag wurde der Kläger in die BG-Klinik T. verlegt und am 04. und 17.10.2012 an der Hüfte operiert, wobei sich der Verlauf komplikationslos gestaltete (Befund- und Entlassungsbericht, Bl. 38 VA I). In der anschließenden stationären Rehabilitationsmaßnahme berichtete der Kläger am 15.11.2012 u.a. von einer Harnblasenfunktionsstörung und einer erektilen Dysfunktion (Zwischenbericht, Bl. 117 f. VA I). In seiner daraufhin von der BG-Klinik T. veranlassten Untersuchung konnte der Neurologe und Psychiater Prof. Dr. S. keine Nervenschädigung feststellen (Bl. 156 VA I).

Die Beklagte zog das Vorerkrankungsverzeichnis (Bl. 403 ff. VA II) von der Krankenkasse des Klägers bei, das keine Eintragungen hinsichtlich einer erektilen Dysfunktion, wohl allerdings in Bezug auf psychische Störungen (u.a. depressive Episoden) schon in der Zeit vor dem Unfall enthielt.

Der Ärztliche Direktor im Klinikum L. Prof. Dr. E. erstattete auf Veranlassung der Beklagten zur Frage neurologischer Schäden in Bezug auf das linke Bein und des Vorliegens psychischer Unfallfolgen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten (Diagnose: Dysthymie, die nicht ursächlich auf das Unfallereignis zurückzuführen sei, Bl. 976 VA III), bei dem der Kläger in der Untersuchung am 16.10.2013 auch angab, die erektile Dysfunktion sei unter Viagra gebessert (Bl. 968 VA III). In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme führte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. , dem Gutachten zustimmend, aus, dass weder eine seelische Erkrankung noch ein neurologischer Schaden vorliegen würden, die auf den Unfall zurückgeführt werden könnten (Bl. 1003 VA III).

Für die Beklagte erstattete dann der Ärztlichen Direktor der Klinik und Poliklinik für Urologie der E. -Universität T. Prof. Dr. S. ein Gutachten nach Aktenlage. Er kam zu dem Ergebnis, dass sich auf urologischem Fachgebiet u.a. eine leichtgradige erektile Dysfunktion als mögliche und angesichts der Beckenringverletzung auch wahrscheinliche Unfallfolge zeige (Bl. 1591 f. VA V). Gemäß der Anamnese sei die Erektionsfähigkeit vor dem Unfall unauffällig gewesen. Somit gebe es keine Hinweise für eine schon vor dem Unfall bestehende Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch vorbestehende Krankheiten oder Gebrechen. In der Medikamentenanamnese fänden sich zentral wirksame Psychopharmaka, die sich sowohl auf die Libido als auch die Erektion ungünstig auswirkten (Bl. 1592 VA V). Eine vaskuläre Ursache zeige sich nicht. Neben einer neurogenen Ursache sei eine psychogene Genese und eine Nebenwirkung der einzelnen Medikamente möglich (Bl. 1593 VA V).

In seiner unfallchirurgisch-orthopädischen beratungsärztlichen Stellungnahme hierzu führte Prof. Dr. H. vom Institut für medizinische Begutachtung und Beratung aus, dass die allein auf Angaben des Patienten beruhende Diagnose einer erektilen Dysfunktion schwerlich auf die Acetabulumfraktur und den illioinguinalen Zugang zurückzuführen sei. Eine solche Beeinträchtigung der Sexualfunktion werde eher bei schweren Beckenringverletzungen, insbesondere mit hinteren Beckenringverletzungen in Zusammenhang gebracht. Solche Beckenringverletzungen könnten vielschichtige Schäden des Plexus lumbosacralis verursachen. Eine solche Verletzung habe beim Kläger aber nicht vorgelegen (Bl. 1801 VA VI). Die erektile Dysfunktion passe viel eher zur Diagnose der Dysthymie, wie sie im psychiatrischen Gutachten gestellt worden sei (Bl. 1802 VA VI).

Die Beklagte beauftragte sodann den Facharzt für Urologie Dr. L. mit der Begutachtung, der nach Untersuchung des Klägers im Juli 2015 ausführte, der Testosteronspiegel sei optimal und das Blutbild normal. Der Kläger habe berichtet, dass er eine SKAT-Therapie (Schwellkörper-Autoinjektion, vgl. Bl. 42 SG-Akte) durchgeführt habe, die funktioniere. Er habe jedoch die Genitalfunktion inzwischen abgeschrieben (Bl. 2202 VA VII). Sinngemäß ging er von einem Kausalzusammenhang aus, da die Störung seit dem Unfall bestehe.

Mit Bescheid vom 17.09.2015 (Bl. 2268 ff. VA VII) bewilligte die Beklagte ab 01.08.2015 anstelle der mit Bescheid vom 17.03.2015 (Bl. 2031 ff. VA VI) bewilligten bisherigen Rente als vorläufige Entschädigung eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 30 v.H. und erkannte als Folgen des Arbeitsunfalls diskrete Zeichen einer posttraumatischen Arthrose im linken Handgelenk mit Bewegungseinschränkungen, Zeichen einer posttraumatischen Hüftgelenksarthrose mit deutlicher Bewegungseinschränkung des linken Hüftgelenks und eine neuromuskulär bedingte Harnblasenfunktionsstörung mit Belastungsinkontinenz Grad I bis II an. Die Anerkennung u.a. einer erektilen Dysfunktion und Beschwerden auf psychologisch-psychiatrischem Fachgebiet als Folgen des Arbeitsunfalls lehnte sie ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.12.2015 (Bl. 2360 f. VA VII) wies die Beklagte den ohne Begründung erhobenen Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger am 21.01.2016 zum Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben und beantragt, ihm eine Rente nach einer MdE um mindestens 40 v.H. zu bewilligen und festzustellen, dass die psychischen Erkrankungen und die erektile Dysfunktion Folgen des Arbeitsunfalls seien.

Der Kläger hat das von seiner privaten Unfallversicherung eingeholte urologische Gutachten des ärztlichen Direktors des Bundeswehrkrankenhauses U. Prof. Dr. S. vorgelegt, der nach klinischer Untersuchung im September 2015 ausführte, es könne zu einer Nervenschädigung gekommen sein. Eine vaskuläre Ursache sei auf Grund des Ergebnisses eines SKIT-Tests (Schwellkörper-Injektionstest, vgl. Bl. 45 SG-Akte) ausgeschlossen; die aktuellen Laborwerte würden eine Stoffwechselstörung im Sinne einer Hypothyreose, eines Diabetes mellitus oder auch einen Testosteronmangel als Ursache unwahrscheinlich erscheinen lassen. Der Kläger habe glaubhaft geäußert, dass die erektile Dysfunktion erst seit dem Unfall bestehe. Daher sei diese unfallbedingt entstanden (Bl. 46 f. SG-Akte).

Das SG hat sodann das Gutachten des ärztlichen Direktors der Klinik für Urologie und Kinderurologie des Universitätsklinikums U. Prof. Dr. B. eingeholt, der den Kläger im November 2016 untersucht hat. Der Sachverständige ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine erektile Dysfunktion bestehe (Bl. 79 SG-Akte). Ob diese in wesentlicher Weise durch den Arbeitsunfall verursacht worden sei, könne nicht eindeutig geklärt werden (Bl. 82 SG-Akte). Die Ursachen könnten vielfältig sein. Eine venöse Okklusionsstörung und hormonelle Ursachen seien ausgeschlossen worden. Die psychischen Erkrankungen sowie die psychiatrische Medikation könnten hingegen eine Ursache der erektilen Dysfunktion darstellen. Zudem liege beim Kläger eine arterielle Hypertonie sowie eine geringgradige Fettstoffwechselstörung vor, was ebenfalls eine Ursache der erektilen Dysfunktion sein könne, ebenso wie eine Beckenringfraktur (Bl. 80 ff. SG-Akte). Da der Kläger vor dem Unfall insoweit gesund gewesen sei, sei die erektile Dysfunktion unfallbedingt (Bl. 83 SG-Akte).

Mit Urteil vom 07.12.2017 hat das SG die Klage abgewiesen. Gestützt auf die Feststellungen in den Gutachten von Dr. L. und des Sachverständigen Prof. Dr. B. , der letztlich nur von einer "möglichen" Verursachung ausgegangen sei und nicht den Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit als gegeben angesehen habe, hat es die erektile Dysfunktion nicht als wahrscheinliche Unfallfolge gewertet. Das für die private Unfallversicherung erstellte Gutachten des Prof. Dr. S. sei nicht zu berücksichtigen, denn im Rahmen der privaten Unfallversicherung würden im Hinblick auf die Kausalitätseinschätzung andere Beweisgrundsätze gelten.

Gegen das seinen Bevollmächtigten am 15.01.2018 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.02.2018 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) Berufung eingelegt und diese allein auf die Feststellung der erektilen Dysfunktion als Folge des Arbeitsunfalles beschränkt. Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis und der erektilen Dysfunktion werde von Prof. Dr. S. und Prof. Dr. B. bestätigt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 07.12.2017 abzuändern und unter Abänderung des Bescheides vom 17.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2015 als weitere Folge des Arbeitsunfalls vom 28.09.2012 die erektile Dysfunktion festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Der Kläger begehrt in der Berufung nur noch, nachdem die Beklagte diesen Schaden in den angefochtenen Bescheiden als nicht unfallbedingt feststellte, die gerichtliche Feststellung einer erektilen Dysfunktion als Gesundheitsschaden im Gefolge des Arbeitsunfalles vom 28.09.2012, was als Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Nr. 3 SGG statthaft ist.

Die zulässige Feststellungsklage ist allerdings unbegründet. Denn soweit die Beklagte es mit Bescheid vom 17.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.12.2015 ablehnte, die erektile Dysfunktion als Unfallfolge anzuerkennen, ist dies rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Entsprechend hat das SG die Klage zu Recht abgewiesen. Auch nach Auffassung des Senats führte das angeschuldigte Ereignis vom 28.09.2012 nicht zur nachfolgend objektivierten erektilen Dysfunktion.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht für den ursächlichen Zusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben der versicherten Ursache weitere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinn (erste Stufe) zum Gesundheitsschaden beitrugen. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O. auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.

Der Senat hält es nicht für wahrscheinlich, dass das Ereignis vom 28.09.2012 naturwissenschaftliche Ursache des vom Kläger zur Feststellung begehrten Gesundheitsschadens war.

Die Ursachen einer erektilen Dysfunktion können vielfältig sein (so ausdrücklich der Sachverständige Prof. Dr. B. , Bl. 80 SG-Akte). Wie vorangehend dargestellt ist es zur Annahme eines Unfallzusammenhangs aber notwendig, gerade den Unfall als Ursache positiv festzustellen, während der bloße Ausschluss anderer möglicher Ursachen nicht genügend ist. Dass also keine vaskuläre Ursache ausgemacht werden konnte (Prof. Dr. S., Bl. 1593 VA V; und im Hinblick auf das Ergebnis der SKIT-Testung Prof. Dr. S., Bl. 46 f. SG-Akte) und die Laboruntersuchungen eine Stoffwechselstörung im Sinne einer Hypothyreose, eines Diabetes mellitus oder auch einen Testosteronmangel als Ursache unwahrscheinlich erscheinen lassen (Prof. Dr. S., Bl. 46 f. SG-Akte) ist zur Annahme eines Unfallzusammenhangs als Umkehrschluss nicht ausreichend.

Als mögliche Ursache der erektilen Dysfunktion beziehen sich Prof. Dr. S. und der Sachverständige Prof. Dr. B. hingegen auf eine denkbare Nervenschädigung durch die Acetabulumfraktur selbst oder die nachfolgende osteosynthetische Versorgung. Eine entsprechende Verletzung der Nerven durch die Fraktur oder die nachfolgende operative Versorgung ist aber gerade nicht belegt, vielmehr stellte Prof. Dr. S. in seiner Untersuchung im Zusammenhang mit der Harninkontinenz knapp zwei Monate nach dem Unfall gerade keine Nervenschäden fest (Bl. 155 f. VA I). Dem entsprechend bestätigte Dr. H. , dass kein neurologischer Schaden vorliegt, der auf den Unfall zurückgeführt werden kann (Bl. 1003 VA III). Darüber hinaus legte Prof. Dr. H. im Gegenteil nachvollziehbar dar, dass die allein auf Angaben des Klägers beruhende Diagnose einer erektilen Dysfunktion nicht auf die Acetabulumfraktur und den illioinguinalen Zugang zurückzuführen ist. Denn - so Prof. Dr. H. - eine solche Beeinträchtigung der Sexualfunktion wird eher bei schweren Beckenringverletzungen, insbesondere mit hinteren Beckenringverletzungen in Zusammenhang gebracht. Solche Beckenringverletzungen können vielschichtige Schäden des Plexus lumbosacralis verursachen. Eine solche Verletzung hat beim Kläger aber gerade nicht vorgelegen, wie Prof. Dr. H. ausdrücklich feststellte (Bl. 1801 VA VI).

Als weitere mögliche Ursachen der erektilen Dysfunktion kommt - so u.a. Prof. Dr. S. und Prof. Dr. B. - auch die beim Kläger bestehende psychische Erkrankung als solche in Betracht. Dabei steht auf Grund des insoweit bestandskräftig (§ 177 SGG) gewordenen Bescheides vom 17.09.2015 fest, dass - so der einschlägige Verfügungssatz des Bescheides - die "Beschwerden auf psychologisch-psychiatrischem Fachgebiet", wobei dies als "Angststörung, rezidivierende depressive Störung, Dysthymie" näher konkretisiert wurde, keine Folgen des in Rede stehenden Arbeitsunfalls sind. Insoweit bedarf es - weil der Bescheid insoweit für die Beteiligten und den Senat verbindlich ist - keiner weiteren Darlegung, dass das Sozialgericht in seiner Entscheidung zu Recht von der Rechtmäßigkeit dieser Verwaltungsentscheidung ausgegangen ist. Gerade zu der von Prof. Dr. E. (als nicht unfallbedingt) diagnostizierten Dysthymie lässt sich die erektile Dysfunktion passend einordnen, wie Prof. Dr. H. ausführte (Bl. 1802 VA VI).

Schließlich kommt als weiter mögliche eigenständige Ursache die verordnete Medikation von Psychopharmaka in Betracht. Prof. Dr. S. führte hierzu zentral wirksame Psychopharmaka an, die sich sowohl auf die Libido als auch die Erektion ungünstig auswirken (Bl. 1592 VA V), weshalb er als Ursache auch eine Nebenwirkung der einzelnen Medikamente für möglich hielt (Bl. 1593 VA V). Der Sachverständige Prof. Dr. B. hat ebenfalls auf die psychiatrische Medikation als mögliche Ursache der erektilen Dysfunktion hingewiesen (Bl. 81 f. LSG-Akte) und darüber hinaus u.a. auch die beim Kläger bestehende arterielle Hypertonie als mögliche Ursache angeführt.

Kommen aber sowohl die genannten und tatsächlich bestehenden psychischen Störungen als auch die deswegen verordneten Medikamente und schließlich die arterielle Hypertonie als Ursache der erektilen Dysfunktion in Betracht, lässt dies die Annahme eines wahrscheinlichen Kausalzusammenhangs der erektilen Dysfunktion mit einer nur postulierten aber nicht bewiesenen Nervenschädigung anlässlich des Arbeitsunfalls bzw. der nachfolgenden Versorgung nicht zu. Prof. Dr. B. ist daher zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht eindeutig geklärt werden kann, ob die erektile Dysfunktion in wesentlicher Weise durch den Arbeitsunfall verursacht wurde (Bl. 82 LSG-Akte). Dies geht nach den oben dargestellten Beweisgrundsätzen zu Lasten des Klägers.

Zuzugeben ist dem Kläger zwar, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall und dem angegebenen Beginn der Beschwerden besteht. Der ursächliche Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinn kann jedoch nicht rein zeitlich begründet werden, sondern muss sachlich-inhaltlich nachvollziehbar sein. Dem entsprechend kann im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung auch nicht im Sinne eines Anscheinsbeweises aus dem Vorliegen einer bestimmten Einwirkung auf die berufliche Verursachung der Erkrankung geschlossen werden (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R). Dabei ist - wie bereits oben ausgeführt - zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Unfallfolgen positiv festgestellt werden muss und es nicht genügt, Alternativursachen auszuschließen, was vorliegend aber noch nicht einmal gelungen ist.

Vor diesem Hintergrund machen weder die Ausführungen von Prof. Dr. S. noch von Prof. Dr. S. oder diejenigen des Sachverständigen Prof. Dr. B. und auch nicht die Annahme von Dr. L. einen Ursachenzusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne hinreichend wahrscheinlich. Denn sie stützen sich alle für die Bewertung des Ursachenzusammenhangs letztlich maßgeblich nur auf den Aspekt, dass der Kläger für die Zeit vor dem Unfall über keine erektile Dysfunktion berichtete. So führte Prof. Dr. S. aus, dass gemäß der Anamnese die Erektionsfähigkeit vor dem Unfall unauffällig gewesen sei und es somit keine Hinweise für eine schon vor dem Unfall bestehende Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit durch vorbestehende Krankheiten oder Gebrechen gebe (Bl. 1592 VA V). Ebenso folgerte Prof. Dr. S. aus der für ihn glaubhaften Äußerung des Klägers, die erektile Dysfunktion bestehe erst seit dem Unfall, dass diese auch unfallbedingt entstanden sei (Bl. 46 f. SG-Akte). Der Sachverständige Prof. Dr. B. - der selbst zu dem Ergebnis gekommen ist, dass nicht eindeutig geklärt werden kann, ob die erektile Dysfunktion in wesentlicher Weise durch den Arbeitsunfall verursacht wurde (Bl. 82 LSG-Akte) - hat die erektile Dysfunktion dann gleichwohl als unfallbedingt angesehen, weil der Kläger vor dem Unfall insoweit gesund gewesen sei (Bl. 83 LSG-Akte). Dies entspricht jedoch, wie vorangehend dargestellt, nicht den Grundsätzen der Kausalitätsbewertung im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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