L 11 KR 3621/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 KR 1182/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 3621/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner
(KVdR) tritt kraft Gesetzes ein, einer förmlichen Entscheidung
bedarf es nicht. Dies hindert die Verwaltung aber nicht,
Mitgliedschaft und Versicherungspflicht im Einzelfall durch
Verwaltungsakt festzustellen. Beantragt eine Versicherte
ausdrücklich, dass ihre Mitgliedschaft bei der Krankenkasse
nicht auf einer freiwilligen Versicherung beruht, sondern auf
einer Versicherungspflicht in der KVdR, ist für die Entscheidung
über diesen Antrag die Krankenkasse zuständig.
Die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit, mit der die
Rahmenfrist des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V beginnt, kann auch
eine Tätigkeit als Beamtin auf Probe sein. Dem steht nicht
entgegen, dass diese Tätigkeit später wieder aufgegeben wird.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22.08.2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Pflichtversicherung in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR).

Die am 01.03.1951 geborene Klägerin, die kein Kind, Stiefkind oder Pflegekind hat, war zuletzt vom 01.04. bis zum 31.07.2016 als Arbeitnehmerin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit dem 01.04.2016 ist sie Mitglied der beklagten Krankenkasse; zuvor war sie bei der I. C. krankenversichert.

Am 01.08.2016 beantragte die Klägerin bei der beigeladenen DRV Bund die Regelaltersrente. Mit Schreiben vom 24.08.2016 übersandte ihr die Beigeladene ua das Formular R0810 (Meldung zur Krankenversicherung der Rentner (KVdR) nach § 201 Absatz 1 SGB V) mit der Bitte um Weiterleitung an die Krankenkasse, damit von dieser die Meldung an die Beklagte erfolgen könne. Am 26.09.2016 ging das ausgefüllte Formular bei der Beklagten ein. Im Oktober 2016 gingen bei der Beklagten per Fax Nachweise über Versicherungszeiten der Klägerin bei der D., I. C. und ein Versicherungsverlauf der DRV Bund ein. Mit E-Mail vom 28.10.2016 übermittelte die Beklagte der Klägerin drei Vorversicherungszeitenberechnungen. Hieraus ergab sich ausgehend von einer ersten Aufnahme der Erwerbstätigkeit am 01.12.1971, dass die Vorversicherungszeit bei einer Bestätigung des Rentenantrags am 16.09.2020 oder zum 22.07.2020 unter näher bezeichneten Voraussetzungen erfüllt werden könne, bei einer Bestätigung des Rentenantrags zum 01.08.2016 hingegen nicht erfüllt wäre.

Mit Bescheid vom 16.11.2016 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie sei als freiwilliges Mitglied versichert. Die Voraussetzungen für eine Pflichtversicherung als Rentenantragsteller oder Rentner seien nicht erfüllt, weil die Klägerin in der zweiten Hälfte ihres Berufslebens nicht mit mindestens 9/10 der Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert gewesen sei.

Mit Bescheid vom 14.12.2016 bewilligte die Beigeladene der Klägerin eine Altersrente für Frauen gemäß § 237a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Rechtsbehelfe gegen diesen Rentenbescheid wurden nicht eingelegt.

Die Klägerin erhob am 23.12.2016 Widerspruch gegen den Bescheid der Beklagten vom 16.11.2016. Zur Begründung führte sie aus, dass das Gesetz ungerecht sei. Während ihres von der Beklagten unterstellten 44,8 Jahre dauernden Erwerbslebens sei sie 41,22 Jahre Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung gewesen und nur 3,58 Jahre privat krankenversichert. Nur weil diese Zeit zufällig zu Beginn der zweiten Hälfte des Erwerbslebens liege, werde sie nicht in die Krankenversicherung der Rentner aufgenommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2017 hielt die Beklagte an ihrer Entscheidung fest. Die Klägerin habe erstmalig am 01.12.1971 eine Erwerbstätigkeit aufgenommen. In der zweiten Hälfte des Erwerbslebens, auf die es ankomme und die am 01.04.1994 beginne, seien nur 6.467 Tage mit Zeiten der Mitgliedschaft bei gesetzlichen Krankenkassen vorhanden. Die für eine 9/10-Belegung erforderlichen 7.240 Tage seien nicht erreicht. Die Klägerin habe folgende anrechenbare Versicherungszeiten zurückgelegt:

01.04.1995 – 01.09.1996 D. G. 151 Tage 01.10.1997 – 30.11.1997 D. G. 60 Tage 01.07.1998 – 28.02.1999 D. G. 240 Tage 01.01.2000 – 30.04.2010 D. G. 3.770 Tage 01.05.2010 – 31.03.2016 I. C. 2.155 Tage 01.04.2016 – 01.08.2016 M. BKK 121 Tage

Am 22.03.2017 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Mit der Klage hat sie auch einen von ihr verfassten Lebenslauf eingereicht. Danach hat sie von 1957 bis 1968 die Schule (Grund, Haupt- und Realschule) besucht, anschließend war sie bis 1971 am Pädagogischen Fachinstitut P ... Ferner hat sie angegeben: 01.12.1971 bis 30.11.1972 Praktikum als Fachlehrerin P. und 01.01.1973 bis 30.06.1975 Abitur. Am 21.02.2018 hat sie dem SG ein "Zeugnis über die Zweite Prüfung als Fachlehrer an Schulen" (in Kopie) vorgelegt. Darin heißt es ua, dass die Klägerin "die Praktikantenzeit im Rahmen der Ausbildung zum Fachlehrer an Schulen vom 1.12.1971 bis 30.11.1972 abgeleistet" hat und sich am 05.12.1972 der Zweiten Prüfung als Fachlehrer an Schulen unterzogen und diese Prüfung bestanden habe.

In rechtlicher Hinsicht hat sie eine Verfassungswidrigkeit der gesetzlichen Regelung geltend gemacht, da diese nicht auf das gesamte Erwerbsleben abstelle. Das Gesetz bevorzuge ohne Rechtfertigungsgrund lang Studierende, deren Erwerbsleben viel später beginne, wodurch auch die zweite Hälfte des Erwerbslebens viel kürzer ausfalle, die mit 9/10 an Mitgliedschaftszeiten in der gesetzlichen Krankenversicherung belegt sein müsste, um in die Krankenversicherung der Rentner zu kommen. Auch stimmten die Zeiten nicht. Sie sei nicht am 01.12.1971 ins Erwerbsleben eingetreten. Sie habe vom 01.12.1971 bis 30.11.1972 im Rahmen ihrer 1968 nach Absolvierung der Realschule begonnenen Ausbildung zur Fachlehrerin das vorgeschriebene Schulpraktikum als Fachlehrerin absolviert. Die Ausbildung habe vier Jahre gedauert, drei Jahre Schulbesuch und ein Jahr Praktikum. Konkret hätten die Schüler unter Aufsicht eines Betreuers unterrichten dürfen. Die Klägerin habe nach Ausbildung keine (erstmalige) Anstellung angestrebt, sondern noch Abitur gemacht und anschließend ein Studium der Forstwissenschaft und ein Medizinstudium absolviert. Erst zum 01.06.1990 habe sie erstmals eine vollschichtige Erwerbstätigkeit aufgenommen. Außerdem seien die ausländischen Versicherungszeiten nicht berücksichtigt worden.

Das SG hat eine Auskunft der Beigeladenen eingeholt, die eine Verbeamtung beim Land N.-W. vom 01.12.1971 bis 31.01.1973 als Schulpraktikanten/Referendarin bestätigt hat. Nach dem Ausscheiden sei die Klägerin durch das Landesamt für Besoldung und Versorgung N.-W. am 26.11.1982 nachversichert worden. Das maßgebende Entgelt für den Dezember 1971 habe 579 DM betragen. Nachversicherte Personen stünden versicherungspflichtigen Personen gleich.

Mit Urteil vom 22.08.2018 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass die Beklagte zu Recht von einer erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zum 01.12.1971 ausgehe. Die Klägerin sei bereits Beamtin auf Probe gewesen und habe im Dezember 1971 auch eine Vergütung erhalten. Später sei sie in der gesetzlichen Rentenversicherung für diese Zeit nachversichert worden. Damit habe eine Erwerbstätigkeit vorgelegen und keine bloße Ausbildungszeit. Die gesetzliche Regelung sei auch nicht verfassungswidrig.

Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 28.08.2018 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28.09.2018 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass das Bundessozialgericht (BSG) für den Beginn der Rahmenfrist offengelassen habe, ob eine geringfügige Beschäftigung genüge. Nicht ausreichend seien wohl nur gelegentlich und kurzfristig ausgeübte Tätigkeiten während der schulischen (Berufs-)Ausbildung oder neben einem Studium. Die Fachlehrerausbildung der Klägerin habe seinerzeit ausschließlich aus einem einjährigen Praktikum und nicht wie heutzutage dem Referendariat bestanden, strukturell habe sich die Aus- und Weiterbildung zum Fachlehrer zwischenzeitlich zur vollwertigen beruflichen Tätigkeit gewandelt. Die Klägerin sei insbesondere nicht in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf übernommen worden. Die Klägerin sei frühestens als Ärztin im Praktikum ins Erwerbsleben eingetreten. Für die Ausübung der auf Erwerb gerichteten Fachlehrer-Beschäftigung sei das Praktikum bzw das Prüfungsverfahren davor lediglich notwendige Zulassungsvoraussetzung. Dass die Klägerin auch für diese Fortbildungszeiten eine Vergütung erhalten haben sollte, ändere an deren mangelnden Qualifizierung als Erwerbstätigkeit nichts. Die Rahmenfrist ende am Tag vor der Rentenantragstellung. Die beruflich veranlassten Aufenthalte der Klägerin in England während der zweiten Hälfte ihres Erwerbslebens habe das SG nicht berücksichtigt.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist insbesondere auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von 22.02.1996 mit dem Aktenzeichen 12 RK 33/94 hin. Danach liege die erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit auch in einer Beschäftigung als Praktikant, dh eine Beschäftigung zur wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf, wenn sie gegen Entgelt ausgeübt werde.

Die Berichterstatterin hat die Sache mit dem Beteiligten am 16.05.2019 ausführlich erörtert.

Mit Beschluss vom 21.06.2019 ist die DRV Bund beigeladen worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 22.08.2018 und den Bescheid der Beklagten vom 16.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.02.2017 aufzuheben und festzustellen, dass die Klägerin ab 01.08.2016 pflichtversichertes Mitglied der Beklagten in der Krankenversicherung der Rentner ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und zulässig, in der Sache aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 16.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.02.2017 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Feststellung der Versicherungspflicht in der KVdR gemäß § 5 Abs 1 Nr 11 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V).

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die von der Klägerin beantragte und von der Beklagten mit Bescheid vom 16.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2017 abgelehnte Feststellung der Versicherungspflicht in der KVdR. Nur darüber hat die Beklagte eine verbindliche Regelung getroffen. Mit dem Anfangssatz im Bescheid vom 16.11.2016 "Sie sind als freiwilliges Mitglied bei der M. BKK versichert." trifft die Beklagte keine Regelung über das Bestehen einer freiwilligen Mitgliedschaft der Klägerin bei der Beklagten. Damit wird nur ein aus Sicht der Beklagten schon länger bestehender Sachverhalt wiedergegeben. Dies wird auch dadurch deutlich, dass im Widerspruchsbescheid nur Ausführungen zur KVdR gemacht werden und bei der Sachverhaltsschilderung angegeben wird, die Beklagte habe mit Bescheid vom 16.11.2016 die Aufnahme in die KVdR abgelehnt. Der Senat hat deshalb nicht darüber zu entscheiden, ob die Klägerin tatsächlich freiwilliges Mitglied der Beklagten ist.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage gemäß §§ 54 Abs 1 Satz 1, 55 Abs 1 Nr 1 SGG zulässig, da die Aufhebung der angefochtenen Bescheide und die Feststellung der Erfüllung der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zur KVdR begehrt wird (vgl auch BSG, 12.01.2011, B 12 KR 11/09 R, juris Rn 9).

Für die Entscheidung über den Antrag der Klägerin auf Feststellung der Mitgliedschaft in der KVdR ist die (sachliche) Zuständigkeit der Beklagten gegeben. Zwar tritt der Sozialversicherungsschutz grundsätzlich kraft Gesetzes ein, sobald die Tatbestandsvoraussetzungen der Versicherungspflicht erfüllt sind, und er endet dementsprechend auch, sobald kein Versicherungstatbestand mehr vorliegt. Einer Umsetzung durch Verwaltungsakt, der jeweils nur deklaratorische Bedeutung hätte und nur das umschreibt, was ohnehin im Gesetzt steht, bedarf es im Regelfall nicht. Es kommt weder auf die Kenntnis des Betroffenen noch die des Beitragszahlungspflichtigen noch die des leistungspflichtigen Versicherungsträgers an. Der Gesetzgeber konnte im Interesse eines effektiven Verwaltungsvollzugs auf die Umsetzung durch Verwaltungsakt verzichten, weil die Versicherungspflicht an einzelne, leicht erkennbare Merkmale anknüpft und so den Belangen der Massenverwaltung Rechnung getragen wird. Diese grundsätzliche Regelung hindert die Verwaltung aber nicht, auf der Ebene des Verwaltungsverfahrensrechts Mitgliedschaft und Versicherungspflicht sowie die Rechte und Pflichten aus der Mitgliedschaft durch Verwaltungsakt festzustellen, auch wenn sie dazu nicht verpflichtet ist. Der Versicherungsträger kann aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit von seiner Wahlmöglichkeit Gebrauch machen und auf der Ebene des Verwaltungsverfahrensrechts mit einem förmlichen Bescheid durch Verwaltungsakt mit Dauerwirkung die Versicherungs- und Beitragspflicht (zB in der KVdR) feststellen. Zur Beendigung der Mitgliedschaft und für das Erlöschen der Versicherungspflicht muss er dann aber die damit geschaffene Rechtsposition (die einen Vertrauenstatbestand darstellt) durch einen Verwaltungsakt - gestützt auf § 48 SGB X - zurücknehmen (BSG 27.08.1998, B 10 KR 5/97 R, BSGE 82, 283-295, SozR 3-5420 § 24 Nr 1). Eine Entscheidung durch förmlichen Verwaltungsakt kommt auch dann in Betracht, wenn ein Versicherter dies ausdrücklich beantragt.

Gemäß § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V (idF vom 21.07.2014, BGBl I 1133) sind versicherungspflichtig Personen, die die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung erfüllen und diese Rente beantragt haben, wenn sie seit der erstmaligen Aufnahme einer Erwerbstätigkeit bis zur Stellung des Rentenantrags mindestens neun Zehntel der zweiten Hälfte des Zeitraums Mitglied oder nach § 10 versichert waren. Die Voraussetzungen dieser sog 9/10-Belegung erfüllt die Klägerin nicht. In der maßgeblichen Rahmenfrist vom 01.12.1971 (erstmalige Aufnahme einer Erwerbstätigkeit) bis zum 31.07.2016 (Tag vor Rentenantragstellung) war die Klägerin nicht zu 9/10 der zweiten Hälfte des Zeitraums gesetzlich krankenversichert.

Die Rahmenfrist des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V umfasst das gesamte Erwerbsleben von der erstmaligen Aufnahme einer entgeltlichen Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit bis zum Rentenantrag. Der Tag der Aufnahme der Erwerbstätigkeit ist mitzurechnen; der Tag der Rentenantragstellung bleibt unberücksichtigt (Krauskopf/Baier, 102. EL Februar 2019, SGB V § 5 Rn 58). Dieser Tag ist für das Ende der Rahmenfrist auch dann maßgebend, wenn über den Zeitpunkt der Rentenantragstellung hinaus eine nach § 5 Abs 8 SGB V vorrangige Versicherung bestand, zwischen Rentenantragstellung und Rentenbeginn weitere anrechenbare Versicherungszeiten in Form einer Pflichtversicherung wegen abhängiger Beschäftigung zurückgelegt werden und daher Versicherungspflicht nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt (BSG 4.6.2009, B 12 KR 26/07 R, SozR 4-2500 § 5 Nr 8 = BeckRS 2009, 72856 = juris Rn 17). Es kommt daher nicht darauf an, ob die Klägerin nach Rentenantragstellung noch einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist.

Die Rahmenfrist begann im Falle der Klägerin am 01.12.1971, denn an diesem Tag hat die Klägerin erstmals eine entgeltliche Beschäftigung aufgenommen. Dabei ändert es nichts, dass es sich um eine Praktikantenzeit im Rahmen der Ausbildung zum Fachlehrer an Schulen handelte.

Eine Erwerbstätigkeit ist jede entgeltliche Beschäftigung oder Tätigkeit (BSG 17.05.2001, B 12 KR 33/00 R, SozR 3-2500 § 5 Nr 45 zu § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V; 22.02.1996, 12 RK 33/94, SozR 3-2200 § 165 Nr 15 = SozR 3-2500 § 5 Nr 25 = juris Rn 17 f zu § 165 Abs 1 Nr 3 Buchst a RVO). Unerheblich ist, ob die konkrete Beschäftigung nach dem jeweils geltenden Recht in allen oder in einzelnen Zweigen der Sozialversicherung versicherungsfrei ist, denn die Vorschriften über die Versicherungsfreiheit wären überflüssig, wenn nicht die in Rede stehende Tätigkeit in abhängiger und entgeltlicher Beschäftigung seit jeher dem Grunde nach als versicherungspflichtige Beschäftigung und damit auch als Erwerbstätigkeit angesehen worden wäre (vgl BSG 22.02.1996, 12 RK 33/94, SozR 3-2200 § 165 Nr 15 = SozR 3-2500 § 5 Nr 25 = juris Rn 19 zur Beschäftigung im Rahmen der wissenschaftlichen Ausbildung für den zukünftigen Beruf ( Praktikant )). Ob eine Beschäftigung, die nicht aufgrund ihrer Art, sondern wegen Geringfügigkeit nach § 8 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) oder vorher nach § 168 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der bis zum Inkrafttreten des SGB IV am 01.07.1977 geltenden Fassung versicherungsfrei war, als Erwerbstätigkeit in Betracht kommt, hat das Bundessozialgericht bisher offen gelassen (BSG 17.05.2001, B 12 KR 33/00 R, SozR 3-2500 § 5 Nr 45, BSG 22.02.1996, 12 RK 33/94, SozR 3-2200 § 165 Nr 15 = SozR 3-2500 § 5 Nr 25 = juris Rn 17). Die Frage bedarf auch vorliegend keiner Klärung, weil die Tätigkeit der Klägerin im Dezember 1971 und der nachfolgenden Zeit ihrer Art nach versicherungsfrei war.

Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen stellt die Tätigkeit der Klägerin in der Form der Ausbildung für einen künftigen Beruf eine Erwerbstätigkeit dar. Die Klägerin hat hierfür ein Entgelt erhalten. Dass die Tätigkeit als Beamtin auf Probe versicherungsfrei war, anschließend jedoch nachversichert worden ist, ändert hieran nichts. Die Tätigkeit als Beamter ist aufgrund besonderer Vorschriften in den einzelnen Zweigen zur Sozialversicherung versicherungsfrei. Dass es später zu einer Nachversicherung kam, zeigt gerade, dass die Tätigkeit als solche gerade als Erwerbstätigkeit angesehen wird. Ob die Klägerin ihren Angaben zufolge keine Kenntnis von der Nachversicherung hatte, spielt keine Rolle. Wesentlich ist, dass eine Erwerbstätigkeit ausgeübt worden ist. Im Übrigen hat sich die Klägerin gegenüber der Beigeladenen selbst dafür eingesetzt, dass die von ihr sog "Referendarzeit" vom 01.12.1971 bis 30.11.1972 (vgl Bl 139, Band I der Akten der Beigeladenen, Schreiben der Klägerin vom 24.01.2002), berücksichtigt wird, da "Pflichtbeiträge in die BFA vom Gehalt abgezogen" worden seien.

Dass die Klägerin nach Beendigung des Praktikums zwei Studiengänge absolviert und erst einige Jahre später wieder eine Erwerbstätigkeit aufgenommen hat, ist unerheblich. Mit der erstmaligen Aufnahme der Erwerbstätigkeit beginnt die Rahmenfrist, eine Dauerhaftigkeit dieser Aufnahme erfordert der Wortlaut nicht. Innerhalb dieser Rahmenfrist muss in der zweiten Hälfte eine bestimmte Mindestversicherungszeit zurückgelegt sein, um in die beitragsbegünstigte KVdR zu gelangen. Die Gründe für das Fehlen einer ausreichenden Versicherung nach Aufnahme der Erwerbstätigkeit sind nach dem Gesetz unerheblich. Insofern hat das BSG ausgeführt, es wäre widersprüchlich, die Rahmenfrist nicht beginnen zu lassen, weil eine nur vorübergehende Erwerbstätigkeit aufgenommen wurde, und damit im Ergebnis nach dem Grund für die Aufnahme der Erwerbstätigkeit zu fragen. Diejenigen, die wie die Klägerin vor dem Studium vorübergehend eine Erwerbstätigkeit aufgenommen haben, sind dadurch geschützt, dass es zur Erfüllung der 9/10-Belegung als Voraussetzung für den Beitritt zur KVdR lediglich auf die zweite Hälfte des Erwerbslebens ankommt (vgl BSG 22.02.1996, 12 RK 33/94, SozR 3-2200 § 165 Nr 15 = SozR 3-2500 § 5 Nr 25 = juris Rn 21).

Die Rahmenfrist endete mit Ablauf des 31.07.2016 und umfasste daher insgesamt 44 Jahre und 8 Monate. In der zweiten Hälfte dieses Zeitraums sind nicht 9/10 mit Mitgliedschaften belegt. Der Senat schließt sich insoweit der Berechnung der Beklagten im Widerspruchsbescheid an (§ 136 Abs 3 SGG) und sieht von einer weiteren Darstellung ab. Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch die Angabe für die Zeit vom 01.04.1995 bis 01.09.1996 mit 151 Tagen zutreffend ist. Für diesen Zeitraum hat die D. G. keine durchgängige Mitgliedschaft bescheinigt, sondern lediglich für die Zeit vom 01.04.1995 bis 31.05.1995 und 01.06.1996 bis 01.09.1996, mithin 151 Tage. Auslandsaufenthalte für die zweite Hälfte des Erwerbslebens lassen sich dem Lebenslauf der Klägerin, den diese mit Schriftsatz vom 20.09.2017 zu den erstinstanzlichen Akten gereicht hat, nicht entnehmen, sodass nicht erkennbar ist, wie diese das Ergebnis beeinflussen sollten.

Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen gegen die Regelung des § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die mit der Versicherung in der KVdR einhergehenden beitragsrechtlichen Vorteile sollen nur solchen Rentnern zukommen, die in jüngeren Jahren in besonders enger Weise der gesetzlichen Krankenversicherung verbunden waren. Die Klägerin wird hierdurch nicht in verfassungswidriger Weise belastet. Hinsichtlich des Erfordernisses der sog Halbbelegung hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter dem Gesichtspunkt des Art 14 Grundgesetz (GG) keine verfassungsrechtlichen Bedenken erhoben (vgl hierzu BVerfG 25.03.1986, 1 BvL 5/80, SozR 2200 § 165 Nr 87 = BVerfGE 72, 84 sowie 16.07.1985, 1 BvL 5/80, SozR 2200 § 165 Nr 81 = BVerfGE 69, 272). Das BVerfG hat in seiner Rechtsprechung ausgeführt, dass für die verfassungsrechtliche Bewertung von Gewicht sei, dass Personengruppen wie die Klägerin beim Ausschluss von der KVdR nicht ohne Krankenversicherungsschutz seien, sondern den Versicherungsschutz im Rahmen des freiwilligen Beitrittsrechts fortführen könnten. Zwar werde eine Gruppe von Mitgliedern der Krankenversicherung der Rentner gegenüber der anderen benachteiligt, welche die Halbbelegung durch Beitragszeiten erfüllt habe. Dafür gebe es jedoch rechtfertigende Gründe. Das Ziel des Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetzes, mit welchem die Halbbelegung als Voraussetzung für die beitragsfreie Krankenversicherung der Rentner eingeführt worden ist, bestehe vor allem darin, den ständig steigenden Ausgaben im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung zu begegnen (vgl BT-Drucks 8/166, S 22). Im Rahmen dieser Zielsetzung liege auch die Einschränkung der vordem für alle Rentner beitragsfreien Krankenversicherung. Sie gehe von dem Grundsatz aus, dass nur Personen, die eine angemessene Zeit in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert und damit am Solidarausgleich für die Krankenversicherung der Rentner ausreichend beteiligt waren, in dieser versichert werden sollten (vgl dazu BT-Drucks 8/166, S 24, zu Art 1 § 1 Nr 1). Diese Zielsetzung sei grundsätzlich als verfassungsgemäß zu billigen.

Spätere Änderungen der Vorschrift betrafen nicht mehr die Anknüpfungspunkte für die Rahmenfrist, sondern nur noch die Art der Versicherungszeiten, die für die Vorversicherung anrechenbar waren und zu einer Erweiterung geführt haben (vgl dazu ausführlich BSG 25.04.2017, B 12 KR 102/16 B, juris Rn 9), sodass sich eine andere verfassungsrechtliche Beurteilung nicht ergibt. Bezüglich der beitragsrechtlichen Vorteile der KVdR erfolgte in den letzten Jahren eine zunehmende Angleichung an die freiwillige Krankenversicherung (vgl LSG Berlin-Brandenburg, 22.03.2011, L 1 KR 353/09, juris unter Verweis auf BSG 18.07.2007, B 12 R 21/06 R, SozR 4-2500 § 241a Nr 1 sowie 10.05.2006, B 12 KR 7/05 R, juris). Das Bundessozialgericht hat sich wiederholt in unterschiedlichen Zusammenhängen mit den Zugangsvoraussetzungen zur KVdR befasst, diese am Maßstab des Gleichheitssatzes geprüft und für verfassungsgemäß befunden (BSG 04.06.2009, B 12 KR 26/07 R, BSGE 103, 235 = SozR 4-2500 § 5 Nr 8 mwN). Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Gesetzgeber bei der zugrundeliegenden, verfassungsrechtlich grundsätzlich zulässigen Systemabgrenzung der gesetzlichen Krankenversicherung nach der Zugehörigkeit während des Berufslebens generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen treffen darf, ohne allein wegen der damit unvermeidlich verbundenen Härten gegen Art 3 Abs 1 GG zu verstoßen. Der Senat sieht daher keine Anhaltspunkte, die Verfassungsmäßigkeit des Zugangs zur KVdR nach § 5 Abs 1 Nr 11 SGB V in Zweifel zu ziehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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