L 7 R 3806/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 3952/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 3806/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. August 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren. Außergerichtliche Kosten des Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer höheren Rente an die Klägerin unter Berücksichtigung weiterer Kindererziehungszeiten streitig.

Die 1948 geborene, verheiratete Klägerin war vom 1. April 1964 bis 30. September 1970 in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Vom 1. Oktober 1970 bis 31. August 1975 lebte sie in Großbritannien. Ausweislich der Auskunft des Britischen Rentenversicherungsträgers war sie dort in der Zeit vom 9. November 1970 bis 6. Juni 1971 insgesamt zehn Wochen versicherungspflichtig beschäftigt. Am 28. November 1970 heiratete sie den Beigeladenen.

Vom 2. Februar 1976 bis 31. Mai 1976 war die Klägerin erneut in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt. Am 1977 wurde ihre Tochter C., am 1980 ihr Sohn C. geboren. Vom 16. November 1980 bis zum 30. September 1985 lebte die Klägerin mit ihrer Familie in Frankreich. In dieser Zeit übte sie keine Beschäftigung aus. Danach kehrte sie mit ihrer Familie in die Bundesrepublik Deutschland zurück und war hier erneut in der Zeit vom 1. September 1990 bis zum 31. Mai 2008 versicherungspflichtig beschäftigt.

Auf ihren Antrag auf Kontenklärung und auf Feststellung von Zeiten der Kindererziehung vom 12. Februar 1990, in welchem die Klägerin einen Auslandsaufenthalt in Frankreich nicht angegeben hatte, stellte der Beklagte mit Vormerkungsbescheid vom 22. März 1990 die bis zum 31. Dezember 1983 zurückgelegten Zeiten fest und berücksichtigte hierbei für das Kind C. die Zeit vom 1. April 1977 bis 31. März 1978 und für das Kind C. die Zeit vom 1. Juli 1980 bis 30. Juni 1981 als Versicherungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Kindererziehung.

Am 6. März 2003 stellte die Klägerin bei der Beklagten den Antrag auf Feststellung von Kinderziehungszeiten/Berücksichtigungszeiten wegen Kindererziehung und gab hierbei an, ihre Kinder von Dezember 1980 bis 1985 in Frankreich erzogen zu haben.

Auf Anfrage der Beklagten teilte der Arbeitgeber des zum Verfahren beigeladenen Ehemanns der Klägerin mit (Schreiben vom 2. September 2003 und 18. September 2003), dieser sei in der Zeit von Oktober 1980 bis September 1985 zur Tochtergesellschaft in Frankreich versetzt worden. Während der Dauer des Einsatzes habe ein ruhendes Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber in Deutschland und ein aktives Arbeitsverhältnis mit der Auslandstochtergesellschaft bestanden. Bei dem Einsatz sei von einer Befristung bzw. einer vorübergehenden Beschäftigung ausgegangen worden. Die betriebliche Altersversorgung sei während des Auslandseinsatzes aufrechterhalten worden. Aufgrund des ruhenden Arbeitsverhältnisses habe der Ehemann der Klägerin das Recht gehabt, nach der Rückkehr erneut einen Arbeitsplatz in Deutschland zu erhalten. Ein Rückrufrecht und eine zeitliche Befristung der Auslandstätigkeit seien schriftlich nicht vereinbart worden, jedoch seien beide Parteien davon ausgegangen, dass spätestens zur Schulpflicht der Kinder die Familie wieder nach Deutschland zurückkehre.

Mit Schreiben vom 14. Oktober 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, der Bescheid vom 22. März 1990 sei insoweit rechtswidrig, als die Zeit vom 1. Dezember 1980 bis 30. Juni 1981 als Erziehungszeit für die Erziehung des Sohnes C. anerkannt worden sei. Eine Rücknahme des Bescheides sei aus Fristgründen jedoch nicht mehr möglich. Die rechtswidrig anerkannten Zeiten würden bei künftigen Leistungsansprüchen berücksichtigt. Die sich daraus ergebende höhere Rente werde solange unverändert gezahlt, bis die aus den eigentlich zu berücksichtigenden Zeiten berechnete niedrigere Rente infolge der Rentenanpassungen diesen Betrag erreiche.

Mit Bescheid vom 19. November 2003 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Zeit vom 1. Juli 1980 bis 30. Juni 1981 werde als Kindererziehungszeit für den Sohn C. anerkannt. Mit Vormerkungsbescheid gleichfalls vom 19. November 2003 stellte der Beklagte nach § 149 Abs. 5 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) die Zeiten bis 31. Dezember 1996 verbindlich fest. Hierbei wurde u.a. die Zeit vom 1. Juli 1980 bis 30. Juni 1981 als Pflichtbeitragszeit für Kindererziehung festgestellt.

Mit Bescheid vom 28. November 2008 bewilligte die Beklagte der Klägerin auf deren Antrag Altersrente für Frauen ab dem 1. Juni 2008. Hierbei berücksichtigte sie für das Kind C. Pflichtbeitragszeiten für Kindererziehung lediglich für die Zeit vom 1. Juli 1980 bis 30. November 1980 (nicht jedoch für die Zeit vom 1. Dezember 1980 bis 30. Juni 1981). Die Beitragszeiten in Großbritannien wurden als Kleinstzeiten mit 0,1719 Entgeltpunkten bewertet. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 5. Februar 2014 stellte die Klägerin bei der Beklagten im Hinblick auf das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Leistungsverbesserungs-Gesetz) vom 23. Juni 2014 den Antrag auf erhöhte rentenrechtliche Bewertung der Kindererziehungszeiten.

Mit Bescheid vom 18. September 2014 stellte die Beklagte die Altersrente für Frauen der Klägerin ab 1. Juli 2014 neu fest unter Berücksichtigung eines Zuschlags an persönlichen Entgeltpunkten (PEP) für Kindererziehung für ein Kind von 1,0000. Eine innerstaatliche Berechnung ergebe 15,5092 persönliche Entgeltpunkte (darin 2,1612 PEP für Kindererziehungszeiten), eine zwischenstaatliche Berechnung ergebe 14,6486 persönliche Entgeltpunkte (darin 1,1612 PEP für Kindererziehungszeiten). Die Zeit vom 1. Dezember 1980 bis 30. Juni 1981 wurde nicht als Kindererziehungszeit berücksichtigt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit weiterem Rentenbescheid vom 2. Januar 2015 stellte die Beklagte die Altersrente für Frauen der Klägerin ab dem 1. Januar 2015 neu fest.

Mit Schreiben vom 16. Februar 2015, bei der Beklagten am 17. Februar 2015 eingegangen, beantragte die Klägerin die Überprüfung der Rentenbescheide vom 28. November 2008, 18. September 2014 und 2. Januar 2015 im Hinblick auf die Berücksichtigung von Erziehungszeiten für ihren Sohn C ...

Mit Bescheid vom 19. Juni 2015 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Weder die Klägerin noch ihr Ehemann hätten während der Zeit ab 1. Dezember 1980 im Ausland Pflichtbeiträge entrichtet. Auch habe ein sogenanntes Rumpf-Arbeitsverhältnis des Ehemannes zu seinem Arbeitgeber in Deutschland nicht vorgelegen, da der Aufenthalt nicht eindeutig befristet gewesen sei und eine schriftliche Befristung bzw. ein Rückrufrecht nicht vereinbart gewesen seien. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. November 2015, auf den Bezug genommen wird, zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 17. Dezember 2015 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) erhoben.

Mit Urteil vom 27. August 2018 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2015 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, die Bescheide vom 28. November 2008, 18. September 2014 und 2. Januar 2015 abzuändern und der Klägerin eine höhere Rente unter Berücksichtigung von weiteren Erziehungszeiten als Pflichtbeitragszeiten für die Zeit vom 1. Dezember 1980 bis 30. Juni 1981 ab 1. Januar 2011 zu gewähren. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Voraussetzungen für die Anerkennung von Kindererziehungszeiten nach § 56 SGB VI lägen zwar nicht vor. Die Anerkennung einer Kindererziehungszeit setze nach § 56 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB VI u.a. voraus, dass die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt sei oder einer solchen gleichstehe. Die Erziehung des Sohnes C. im streitigen Zeitraum sei nicht in der Bundesrepublik Deutschland erfolgt. Sie stehe einer solchen auch nicht gleich. Nach § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB VI stehe einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten habe und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten habe. Dies gelte bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten habe oder nur deshalb nicht habe, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehört habe oder von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei. Die Klägerin habe weder direkt vor der Geburt des Kindes C. noch während dessen Erziehung Pflichtbeitragszeiten gehabt. Auch ihr Ehemann habe für die Tätigkeit in Frankreich keine Beitragszeiten in Deutschland zurückgelegt. Es habe auch in der Person ihres Ehegatten keine hinreichenden Anknüpfungen an das inländische Arbeits- und Erwerbsleben bestanden. Insbesondere habe kein sogenanntes Rumpfarbeitsverhältnis zum inländischen Arbeitgeber vorgelegen. Ein solches liege dann vor, wenn das inländische Arbeitsverhältnis für die Dauer der Auslandsbeschäftigung teilweise - etwa im Blick auf die Hauptpflichten (Arbeitsleistung/Zahlung von Arbeitsentgelt) - zum Ruhen gebracht werde, aber aus ihm auch während der Auslandsbeschäftigung noch wechselseitige Rechte und Pflichten erwachsen würden. Darüber hinaus müsse die Auslandsbeschäftigung von vornherein zeitlich durch Vertrag begrenzt sein und das inländische Beschäftigungsverhältnis nach Beendigung der Auslandsbeschäftigung auch mit den Hauptpflichten in vollem Umfang wieder aufleben. Vorliegend fehle es bereits an einer von vornherein vereinbarten zeitlichen Befristung der Tätigkeit im Ausland. Eine Gleichstellung der Kindererziehung im Ausland mit einer solchen im Inland habe vorliegend jedoch auf europarechtlicher Grundlange zu erfolgen. Maßgeblich sei die im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides vom 28. November 2008 maßgebende Sach- und Rechtslage, so dass vorliegend nicht die mit Wirkung zum 1. Mai 2010 in Kraft getretene Verordnung Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) Nr. 987/2009), sondern die Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 des Rates vom 14. Juni 1971 zur Anwendung der Systeme der sozialen Sicherheit auf Arbeitnehmer und deren Familien, die innerhalb der Gemeinschaft zu- und abwandern (VO (EWG) Nr. 1408/71), anzuwenden sei. Abzustellen sei nämlich auf die erstmalige Feststellung der Kindererziehungszeiten im Jahr 2008. Die VO (EWG) 1408/71 enthalte selbst keine speziellen Regelungen zur Anrechnung von in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten im Rahmen einer Altersrente. Deshalb seien die Regelungen des Deutschen Rechts - entsprechend den Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs (EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - C-522/10 - juris Rdnrn. 30, 33) am Maßstab des Artikel 21 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) zu messen. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19. Juli 2012 - C-522/10 - juris, Rdnr. 32) könne der Anspruch auf Anrechnung von Kindererziehungszeiten nur auf den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats beruhen, dessen Recht die betroffene Person bei Geburt des Kindes unterlegen habe. Selbst für den Fall, dass der hier noch nicht anwendbare Artikel 13 Abs. 2 Buchst. f der VO (EWG) 1408/71 gelten sollte, sei die Bestimmung in dem Fall nicht relevant, in dem eine Person ausschließlich in ein und demselben Mitgliedstaat gearbeitet und Beiträge gezahlt habe, und zwar sowohl vor als auch nach der vorübergehenden Verlegung ihres Wohnsitzes aus rein familiären Gründen in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sie zu keiner Zeit gearbeitet oder Beiträge gezahlt habe, da dann davon auszugehen sei, dass zwischen den Kindererziehungszeiten und den Versicherungszeiten, die aufgrund einer Berufstätigkeit im ersten Mitgliedstaat zurückgelegt worden seien, eine hinreichende Verbindung bestehe. Bei der Geburt des Kindes C. habe die Klägerin deutschem Recht unterlegen. Sie habe ihren Wohnsitz aus rein familiären Gründen, nämlich wegen der Berufstätigkeit ihres Mannes, nach Frankreich verlegt und dort keine Beschäftigung ausgeübt oder Beiträge gezahlt, sondern allein ihre Kinder erzogen. Sie habe zwar nicht ausschließlich Beitragszeiten in Deutschland zurückgelegt, da sie auch drei Monate aus einer Beschäftigung in Großbritannien angerechnet bekomme. Eine solche kurzfristige Beschäftigung mit Zahlung von Beiträgen führe aber nicht zwangsläufig dazu, dass die vom EuGH geforderte hinreichende Verbindung zwischen den in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten und den in Frankreich zurückgelegten Kindererziehungszeiten entfalle. Eine solche hinreichende Verbindung sei vielmehr auch dann noch anzunehmen, wenn sich die im Ausland erworbenen Zeiten als äußerst geringfügig im Verhältnis zu den übrigen erworbenen Versicherungszeiten verhalte, also klar erkennbar sei, dass der überwiegende Schwerpunkt in Deutschland liege. Dies gelte umso mehr, wenn die Beschäftigung nicht in dem Land erfolgt sei, in dem die Kinder erzogen worden seien, sondern in einem weiteren Land. Gegenüber drei Monaten Pflichtbeitragszeiten in Großbritannien habe die Klägerin in der Zeit vom 1. April 1964 bis 30. September 1970, 2. Februar 1976 bis 31. Mai 1976 und September 1990 bis 31. Mai 2008 Pflichtbeitragszeiten in Deutschland zurückgelegt. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass die beiden Kinder in Deutschland geboren seien, was auch als ein Indiz für den Bezug zu Deutschland anzusehen sei. Diesem Ergebnis stehe die Rechtsprechung des Landessozialgerichts (LSG) Berlin-Brandenburg (Urteil vom 21. September 2017 - L 2 R 640/13 - juris) nicht entgegen, da sich der dortige Sachverhalt von dem vorliegenden insoweit unterscheide, als dort nach der Geburt des Kindes keine Beiträge mehr zur Deutschen Rentenversicherung, sondern vielmehr zur Rentenversicherung des Drittstaates entrichtet worden seien.

Gegen das ihr am 1. Oktober 2018 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 25. Oktober 2018 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Sie trägt vor, unstreitig sei, dass die Anrechnungsvoraussetzungen für die in Rede stehenden Zeiten weder nach innerstaatlichem noch nach überstaatlichem Recht erfüllt seien. Denn im streitbefangenen Zeitraum seien für die Klägerin oder ihren Ehegatten keine Pflichtbeiträge zur Deutschen Rentenversicherung für eine im Ausland ausgeübte Erwerbstätigkeit gezahlt worden (§ 56 Abs. 3 Sätze 2 und 3 SGB VI). Außerdem hätten während der Erziehungszeit in Frankreich für die Klägerin nicht die deutschen Rechtsvorschriften aufgrund der Ausübung einer Erwerbstätigkeit (Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004) gegolten, womit der Sachverhalt Kindererziehung in Frankreich nicht einer Erziehung in Deutschland gleichgestellt werden könne. Die Stichtagsvoraussetzung des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 sei ebenfalls nicht erfüllt, weil die Klägerin ihre letzte Erwerbstätigkeit in Deutschland bereits Jahre vor der Geburt ihrer Kinder C. und C. beendet gehabt habe. Zudem schließe die zuletzt vor der Geburt der Kinder in Großbritannien ausgeübte Erwerbstätigkeit die Anwendung des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 von vornherein aus (Art. 44 Abs. 3 VO (EG) Nr. 987/2009). Entgegen dem angefochtenen Urteil seien die in Frankreich zurückgelegten Erziehungszeiten auch nicht im Rahmen einer europarechtskonformen Auslegung des § 56 SGB VI so zu berücksichtigen, als ob sie im Inland zurückgelegt worden wären. Zwar hätten sich die deutschen Rentenversicherungsträger darauf verständigt, Kindererziehungszeiten in europarechtskonformer Auslegung des § 56 SGB VI in Verbindung mit dem EuGH-Urteil vom 19. Juli 2012 in der Rechtssache C-522/10 zu berücksichtigen. Dem liege jedoch ein anderer Sachverhalt zugrunde, der mit dem hiesigen nicht vergleichbar sei. Den bisherigen Entscheidungen des EuGH zu der Frage, welcher Mitgliedstaat nachrangig für die Anrechnung von in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Erziehungszeiten zuständig sei, wenn der Staat, in dem die Erziehung erfolgt sei, seinerseits diese Erziehungszeiten nicht anrechne, läge ein insoweit vergleichbarer Sachverhalt zugrunde, als die dortigen Klägerinnen Versicherungszeiten in nur einem Mitgliedstaat zurückgelegt hätten und der Mitgliedstaat, in dem die strittigen Erziehungszeiten zurückgelegt worden seien, seinerseits Erziehungszeiten nicht berücksichtige. In dieser Konstellation habe der EuGH (rein kollisionsrechtlich) festgestellt, dass die Zuständigkeit für die Anrechnung von Erziehungszeiten in den Beschäftigungsstaat falle, denn zwischen diesen (in einem einzigen Mitgliedstaat) zurückgelegten Versicherungszeiten und den Kindererziehungszeiten ließe sich eine enge Verbindung herstellen. Im Fall der Klägerin sei dagegen zu berücksichtigen, dass sie vor der Geburt ihrer Kinder C. und C. auch britische Beitragszeiten zurückgelegt habe. Es sei fraglich, weshalb im Fall der Klägerin nicht die vor der Geburt von C. und C. aufgrund einer Erwerbstätigkeit geltenden britischen Rechtsvorschriften fortgälten und damit eine enge Verbindung zu den britischen Versicherungszeiten geknüpft werden sollte. Hierbei sei es kollisionsrechtlich unerheblich, dass diese britischen Zeiten als äußerst geringfügig zu den in Deutschland zurückgelegten Versicherungszeiten seien. Denn das europäische Kollisionsrecht (Art. 13 ff. VO (EWG) Nr. 1408/71 bzw. Art. 11 ff. VO (EG) Nr. 883/2004) stelle für die Festlegung des anwendbaren Rechts nicht darauf ab, ob sich eine Erwerbstätigkeit in einem Mitgliedstaat als äußerst geringfügig gegenüber den im übrigen Versicherungsleben zurückgelegten Versicherungszeiten verhalte. Grundsätzlich löse also selbst eine im Umfang von beispielsweise nur einem Tag ausgeübte Erwerbstätigkeit die Zuständigkeit des betreffenden Mitgliedstaats aus. Diese Versicherungszeit von einem Tag wäre beispielsweise wiederum ausreichend, um die Anrechnung von Kindererziehungszeiten nach Maßgabe des Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 zu begründen und zwar selbst für den Fall, dass außer diesem Beitragstag beispielsweise 40 Versicherungsjahre in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegt worden seien. Das Kriterium "geringer Umfang" wäre auch dann nicht zielführend, wenn in mehreren Mitgliedstaaten nur jeweils Versicherungszeiten in "geringem Umfang" zurückgelegt worden seien, weil dann offen bliebe, welcher dieser Mitgliedstaaten für die Anrechnung von Erziehungszeiten zuständig sei. Deshalb sei auch ein Verweis auf die Regelung des Art. 57 VO (EG) Nr. 883/2004 (sog. Kleinstzeitenregelung für Versicherungszeiten unter einem Jahr) nicht geeignet, eine Verpflichtung der Beklagten zu begründen. Denn die Außerachtlassung von Kleinstzeiten nach Art. 57 VO (EG) Nr. 883/2004 bei der Frage, welcher Staat für die Anrechnung von Erziehungszeiten zuständig sei, würde zu keinem Ergebnis führen, wenn z.B. die Wartezeit für eine Leistung nur unter Zusammenrechnung von Kleinstzeiten in jeweils allen beteiligten Mitgliedstaaten erfüllt wäre und jeder dieser Mitgliedstaaten die Zuständigkeit für die Anrechnung von Kindererziehungszeiten mit dem Hinweis zurückweisen würde, dass in seinem System nur Kleinstzeiten anrechenbar seien. Auf den Umfang der in einem (weiteren) Mitgliedstaat zurückgelegten Versicherungszeit könne auch deshalb nicht abgestellt werden, weil eine rentenrechtliche Mehrfachberücksichtigung der Erziehung ein und desselben Kindes durch verschiedene Mitgliedstaaten lediglich durch die Art. 5 VO (EG) Nr. 883/2004 und Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 ausgeschlossen werde, die jeweils den für die Anrechnung zuständigen (einen) Mitgliedstaat festlegten. Da der Sachverhalt "Kindererziehung" grundsätzlich in allen Anwenderstaaten des Europarechts (mit Ausnahme von Dänemark) rentenrechtlich relevant sei, bedürfe es für die Frage der Anrechnung von Kindererziehungszeiten außerhalb der zuvor genannten Regelungen einer Koordinierung für den Fall, dass, wie im Falle der Klägerin, mehrere Mitgliedstaaten zuständig seien, um die mehrfache Berücksichtigung der Kindererziehungszeiten, die nach Art. 11 Abs. 1 VO (EG) Nr. 883/2004 (davor Art. 13 Abs. 1 VO (EWG) Nr. 1408/71) ausgeschlossen sei, zu vermeiden. Ein Rückgriff auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-522/10 sei jedenfalls vor dem Hintergrund der aufgrund der britischen Versicherungszeiten der Klägerin unterschiedlichen Sachlage weder sachlich noch rechtlich gerechtfertigt und damit nicht möglich.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 27. August 2018 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise das anhängige Verfahren auszusetzen und die Rechtsfrage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV dem EuGH vorzulegen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Beklagte führe in der Berufungsbegründung erneut Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 an, obwohl diese Verordnung vorliegend nicht anwendbar sei, sondern die VO (EWG) 1408/71. Nach Art. 13 Abs. 1 Satz 1 VO (EWG) 1408/71 unterlägen Personen den Rechtsvorschriften nur eines Mitgliedstaates. In Art. 13 Abs. 3 Buchst. a VO (EWG) 1408/71 sei geregelt, dass eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt sei, den Rechtsvorschriften dieses Staates unterliege, und zwar auch dann, wenn sie im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates wohne. Der EuGH habe im Urteil vom 7. Februar 2001 - C-28/00 - die Anwendung von Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO (EWG) 1408/71 bejaht, wenn eine hinreichende Verbindung zum Beschäftigungsstaat hergestellt werden könne, auch für den Fall, dass - wie vorliegend - die Beschäftigung schon einige Zeit vor der Geburt des Kindes aufgegeben worden sei. Danach unterlägen die Kindererziehungszeiten nicht dem Recht des Staates, in dem die Klägerin während der streitigen Zeit gewohnt habe (hier: Frankreich). Es sei zwar zutreffend, dass die Sachverhalte der drei einschlägigen Urteile des EuGH (Urteil vom 23. November 2000 - C-135/99 -; Urteil vom 7. Februar 2002 - C-28/00 - und Urteil vom 19. Juli 2012 - C-522/10 -) dadurch gekennzeichnet seien, dass die Klägerinnen der dortigen Verfahren Versicherungszeiten nur in einem Mitgliedstaat zurückgelegt hätten, wogegen die Klägerin vorliegend neben den Versicherungszeiten in Deutschland auch solche in Großbritannien zurückgelegt habe. Die Beklagte verkenne jedoch, dass die Klägerin vor der Geburt der Kinder C. und C. zuletzt nicht britische Beitragszeiten, sondern deutsche Beitragszeiten zurückgelegt habe. Der letzte Beschäftigungsstaat vor Geburt der Kinder sei also Deutschland und nicht Großbritannien gewesen. Eine hinreichende Verbindung zu Deutschland ergebe sich auch daraus, dass beide Kinder in Deutschland geboren seien. Im Übrigen bestimme Art. 48 VO (EWG) Nr. 1408/71, dass der Träger eines Mitgliedstaates nicht verpflichtet sei, Leistungen aus Zeiten zu gewähren, die nach den von ihm angewendeten Rechtsvorschriften zurückgelegt worden seien und im Zeitpunkt des Versicherungsfalls zu berücksichtigen seien, wenn die Dauer dieser Zeiten weniger als ein Jahr betrage. Diese Zeiten seien vom zuständigen Träger des anderen Mitgliedstaates (hier: der Beklagten) zu berücksichtigen. Bereits mit dieser Regelung komme die hinreichende Verbindung zum ersten Mitgliedstaat (hier: Deutschland) zum Ausdruck. Die kurzfristige Auslandsbeschäftigung längere Zeit vor Geburt der Kinder könne hier nicht zu einem Statuswechsel führen.

Mit Beschluss vom 25. Juni 2019 ist der Ehemann der Klägerin gem. § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum Verfahren beigeladen worden. Die Klägerin und der Beigeladene haben vorgetragen (Erklärung vom 27. Juli 2019), in der Zeit vom 16. November 1980 bis 1985 hätten sie ein Haus in L .../Frankreich gemietet. Der Beigeladene sei montags bis freitags von 7:30 Uhr bis 19:30 Uhr außer Haus bei der Arbeit gewesen. In dieser Zeit habe die Klägerin die Kinder versorgt und betreut. Am Abend habe der Beigeladene die Kinder kurz gesehen und ins Bett gebracht. Die Wochenenden und Urlaube seien gemeinsam verbracht worden. Eine Erziehung durch dritte Personen habe nicht stattgefunden. Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Beklagtenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die nach § 143 SGG statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie bedurfte insbesondere nicht der Zulassung, denn streitig sind laufende Leistungen für mehr als ein Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).

2. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 19. Juni 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. November 2015 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte die Änderung der Bescheide vom 28. November 2008, 18. September 2014 und 2. Januar 2015 sowie die Gewährung einer höheren Rente ab 1. Januar 2011 unter Berücksichtigung von weiteren Erziehungszeiten vom 1. Dezember 1980 bis 30. Juni 1981 als Pflichtbeitragszeiten abgelehnt hat. Dieses Begehren verfolgt die Klägerin zutreffend im Wege der kombinierten Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4, 56 SGG; vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 28. Februar 2013 - B 8 SO 4/12 R - juris Rdnr. 9).

3. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet.

Verfahrensrechtliche Grundlage für das Überprüfungsbegehren der Klägerin ist § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Hiernach ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zugenommen wird. Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).

Die 1948 geborene Klägerin hat in der danach streitigen Zeit - der Überprüfungsantrag wurde am 17. Februar 2015 gestellt - ab dem 1. Januar 2011 einen Anspruch auf (höhere) vorzeitige Altersrente für Frauen aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente gem. § 237a SGB VI lagen vor, denn die Klägerin ist vor dem 1. Januar 1952 geboren, hatte das 60. Lebensjahr vollendet, hatte nach Vollendung des 40. Lebensjahres mehr als zehn Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit (vom 1. September 1990 bis 31. Mai 2008) sowie die Wartezeit von 15 Jahren erfüllt.

a. Die Zeit vom 1. Dezember 1980 bis zum 30. Juni 1981 ist bei der Klägerin als Kindererziehungszeit zu berücksichtigen. Kinderziehungszeiten sind Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren, bei Geburten - wie hier - vor dem 1. Januar 1992 in den ersten zwölf Kalendermonaten nach Ablauf des Monats der Geburt (§ 56 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 SGB VI a.F.; § 249 Abs. 8 i.v.m. § 307d SGB VI (in der Fassung des RV-Leistungsverbesserungsgesetzes)). Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I)) wird gem. § 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VI eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn 1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, 2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und 3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

b. Bei der Klägerin liegt keiner der in § 56 Abs. 4 SGB VI aufgeführten Tatbestände vor, nach denen ein Elternteil von der Anrechnung ausgeschlossen ist.

c. Die streitige Erziehungszeit ist der Klägerin zuzuordnen. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VI ist eine Erziehungszeit dem Elternteil zuzuordnen, der sein Kind erzogen hat. Haben mehrere Elternteile das Kind gemeinsam erzogen, wird nach § 56 Abs. 2 Satz 2 SGB VI die Erziehungszeit einem Elternteil zugeordnet. Haben sie ihr Kind gemeinsam erzogen, können sie durch eine übereinstimmende Erklärung bestimmen, welchem Elternteil sie zuzuordnen ist (§ 56 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Haben die Eltern - wie vorliegend - eine übereinstimmende Erklärung nicht abgegeben, so ist die Erziehungszeit nach § 56 Abs. 2 Satz 8 SGB VI der Mutter zuzuordnen. Haben mehrere Elternteile das Kind erzogen, ist die Erziehungszeit demjenigen zuzuordnen, der das Kind überwiegend erzogen hat, soweit sich aus Satz 3 (übereinstimmende Erklärung) nicht etwas anderes ergibt (§ 56 Abs. 2 Satz 9 SGB VI). Überwiegend erzieht ein Elternteil, in dessen Haushalt sich das Kind vorwiegend aufhält oder der sich in größerem zeitlichem Umfang des Kindes annimmt; unerheblich ist hingegen, welcher Elternteil den erzieherisch größeren Einfluss ausübt (BSG SozR 4-2600 § 56 Nr. 5 – Rdnr. 15). Der Beigeladene war in der streitigen Zeit an Werktagen von 7:30 Uhr bis 19:30 Uhr außer Haus und ging seiner Arbeit nach. In dieser Zeit wurde der Sohn C. allein von der Klägerin versorgt und betreut. Nur jeweils am Abend erfolgte ein kurzer Kontakt des Sohnes mit dem Beigeladenen, der diesen auch zu Bett brachte. An den Wochenenden und in den Urlauben, die jeweils gemeinsam verbracht worden sind, teilten sich die Eltern die Erziehung des Sohnes C ... Eine Erziehung durch dritte Personen fand nicht statt. Der Senat stützt sich hierbei auf die Erklärung der Klägerin und des Beigeladenen vom 27. Juli 2019, die in sich schlüssig ist, mit den sonst vorliegenden Unterlagen übereinstimmt und die der Senat für zutreffend erachtet. Damit ist in der streitigen Zeit eine überwiegende Erziehung des Sohnes C. durch die Klägerin erfolgt, die den weit überwiegenden Anteil der Erziehung wahrgenommen hat.

d. Allerdings ist die Erziehung in der streitigen Zeit nicht im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt. Eine Erziehung ist nach § 56 Abs. 3 Satz 1 SGB VI im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt, wenn der erziehende Elternteil sich mit dem Kind dort gewöhnlich aufgehalten hat. Die Klägerin hatte jedoch ab dem 18. November 1980 mit ihren Kindern ihren gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) in Frankreich.

Die Erziehung des Sohnes C. in der Zeit vom 1. Dezember 1980 bis zum 30. Juni 1981 steht einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland auch nicht nach § 56 Abs. 3 Satz 2 SGB VI gleich. Danach steht einer Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland gleich, wenn der erziehende Elternteil sich mit seinem Kind im Ausland gewöhnlich aufgehalten hat und während der Erziehung oder unmittelbar vor der Geburt des Kindes wegen einer dort ausgeübten Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit Pflichtbeitragszeiten hat. Dies gilt nach § 56 Abs. 3 Satz 3 SGB VI bei einem gemeinsamen Aufenthalt von Ehegatten oder Lebenspartnern im Ausland auch, wenn der Ehegatte oder Lebenspartner des erziehenden Elternteils solche Pflichtbeitragszeiten hat oder nur deshalb nicht hat, weil er zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen gehörte oder von der Versicherungspflicht befreit war. Die Klägerin hatte weder direkt vor der Geburt des Kindes noch während der streitigen Zeiten entsprechende Pflichtbeitragszeiten. Auch ihr Ehemann gehörte nicht zu den in § 5 Abs. 1 und 4 SGB VI genannten Personen, er war nicht von der Versicherungspflicht befreit, er legte im streitigen Zeitraum keine Beitragszeiten in Deutschland zurück und es bestand kein Rumpfarbeitsverhältnis. Insoweit wird gem. § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

e. Das SG hat jedoch zutreffend festgestellt, dass eine Gleichstellung der Kindererziehungszeit im Ausland mit einer solchen im Inland auf europarechtlicher Grundlage zu erfolgen hat. Dies folgt aus Art. 21 Abs. 1 AEUV. Danach hat jeder Unionsbürger das Recht, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten vorbehaltlich der in den Verträgen und in den Durchführungsvorschriften vorgesehenen Beschränkungen und Bedingungen frei zu bewegen und aufzuhalten. Eine nationale Regelung, die bestimmte Inländer allein deshalb benachteiligt, weil sie von ihrem Recht Gebrauch gemacht haben, sich in einem anderen Mitgliedstaat frei zu bewegen und aufzuhalten, führt zu einer Ungleichbehandlung, die den Grundsätzen widerspricht, auf denen der Status eines Unionsbürgers beruht, nämlich der Garantie der gleichen rechtlichen Behandlung bei der Ausübung seiner Freizügigkeit.

aa. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 19. Juli 2012 - C-522/10 - juris Rdnrn. 24 ff.) ist die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 zur Festlegung der Modalitäten für die Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 über die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (VO (EG) Nr. 987/2009) auf Sachverhalte vor Inkrafttreten der Verordnung am 1. Mai 2010 nicht anzuwenden. Maßgeblich hierbei ist nicht der zu beurteilende Sachverhalt, sondern der Zeitpunkt der Bescheiderteilung (EuGH, a.a.O, juris Rdnr. 27). Nach der Rechtsprechung des BSG erfasst Art. 44 VO (EG) Nr. 987/2009 gem. Art. 87 Abs. 2 VO (EG) Nr. 883/2004 dagegen auch Versicherungssachverhalte vor dem Inkrafttreten der Verordnung (BSG, Beschluss vom 11. April 2018 - B 5 R 12/17 BH - juris Rdnr. 8). Welcher Auffassung zu folgen ist, kann jedoch dahingestellt bleiben, ebenso wie die Frage, ob unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des EuGH für die Anwendbarkeit des Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 987/2009 auf den Zeitpunkt des Erlasses der Rentenbescheide oder auf den erst am 19. Juni 2015 erlassenen Überprüfungsbescheid abzustellen ist. Denn vorliegend ist auch die Regelung in Art. 94 VO (EG) Nr. 987/2009 betreffend Art. 87 VO (EG) Nr. 883/2004 zu berücksichtigen, welcher die Übergangsvorschriften für Renten regelt und dessen Abs. 1 folgenden Wortlaut hat: "(1) Ist der Versicherungsfall vor dem Datum des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats eingetreten, ohne dass vor diesem Zeitpunkt für den Rentenantrag eine Feststellung erfolgt ist, und sind aufgrund dieses Versicherungsfalls Leistungen für eine Zeitspanne vor diesem Zeitpunkt zu gewähren, so hat dieser Antrag eine doppelte Feststellung zur Folge, und zwar a) für die Zeit vor dem Datum des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats nach der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 beziehungsweise nach Vereinbarungen zwischen den betreffenden Mitgliedstaaten sowie b) für die Zeit ab dem Datum des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung im Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats nach der Grundverordnung. Ergibt sich jedoch bei der Berechnung nach Buchstabe a ein höherer Betrag als bei der Berechnung nach Buchstabe b, so erhält die betreffende Person weiterhin den Betrag, der sich bei der Berechnung nach Buchstabe a ergibt."

Art. 94 Abs. 1 VO (EG) Nr. 987/2009 regelt danach einen besonderen Übergangsfall. Wird ein Rentenantrag schon vor dem Anwendungsbeginn der VO (EG) Nr. 883/2004 gestellt, somit vor dem 1. Mai 2010, und löst dieser Antrag auch an sich nach nationalem Recht einen Leistungsfall für einen Zeitraum vor diesem Anwendungsbeginn aus, so muss die Rentenberechnung in zwei Etappen erfolgen, und zwar bis zum 30. April 2010 nach der VO (EWG) Nr. 1408/71 und für die Zeit ab dem 1. Mai 2010 nach der VO (EG) 883/2004. Ist diese Rente jedoch niedriger als die Rente nach der VO (EWG) Nr. 1408/71 (z.B. weil Kindererziehungszeiten nach Art. 44 DVO nicht mehr angerechnet werden können), ist die nach der VO (EWG) Nr. 1408/71 berechnete Rente auch über den 1. Mai 2010 hinaus weiterhin zu gewähren (Spiegel in Fuchs, Europäisches Sozialrecht, 7. Aufl. 2018, VO (EG) Nr. 883/2004, Art. 87 und 87a Rdnr. 17).

Da vorliegend der früheste zur Überprüfung gestellte Rentenbescheid am 28. November 2008 ergangen ist, sind die Durchführungsverordnung VO (EG) Nr. 987/2009 und die Grundverordnung VO (EG) Nr. 883/2004 nicht anwendbar, wenn sich nach dem bis zum 30. April 2010 geltenden Recht ein höherer Anspruch ergibt.

bb. Weiter ist die deutsche und nicht die französische Rechtsordnung anzuwenden. Art. 13 Abs. 2 Buchst. f VO (EWG) Nr. 1408/71, der mit Wirkung ab 29. Juli 1991 durch die VO (EG) Nr. 2195/91 des Rates vom 25. Juni 1991 zur Änderung der Verordnung Nr. 1408/71 und der Verordnung (EWG) Nr. 574/72 über die Durchführung der Verordnung Nr. 1408/71 (ABl. L 206, S. 2) eingefügt wurde, bestimmt hierzu: "Eine Person, die den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht weiterhin unterliegt, ohne dass die Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedstaats gemäß einer der Vorschriften in den vorhergehenden Buchstaben oder einer der Ausnahmen bzw. Sonderregelungen der Art. 14 bis 17 auf sie anwendbar würden, unterliegt den Rechtsvorschriften des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet sie wohnt, nach Maßgabe allein dieser Rechtsvorschriften".

Der EuGH hat hierzu ausgeführt, selbst wenn das Bestehen von Art. 13 Abs. 2 Buchst. f VO (EWG) Nr. 1408/71, der durch die Verordnung Nr. 2195/91 - somit nach Zurücklegung der Zeiten für die Erziehung der Kinder sowohl im dortigen Verfahren als auch im vorliegenden Verfahren - in die Verordnung Nr. 1408/71 eingefügt worden ist, zu berücksichtigen sein sollte, wäre diese Bestimmung unter den Umständen des Ausgangsverfahrens für eine Berücksichtigung von Erziehungszeiten im Rahmen der Altersversicherung dennoch nicht relevant (EuGH, Urteil vom 19. Juli 2012 - C-522/10 - juris Rdnr. 34). Er hat sich hierzu auf das Urteil vom 7. Februar 2002 (C-28/00 - juris Rdnr. 32) bezogen. Dort wird unter Bezugnahme auf die Rechtssache C-135/99 (Urteil vom 23. November 2000) ausgeführt, aus letzterem Urteil ergebe sich, dass hinsichtlich der Anrechnung von Kindererziehungszeiten für die Altersversicherung aufgrund des Umstands, dass eine Person ausschließlich in einem Mitgliedstaat gearbeitet und dem Recht dieses Staates unterlegen habe, als das Kind geboren wurde, zwischen diesen Erziehungszeiten und den Versicherungszeiten, die aufgrund einer Berufstätigkeit in diesem Staat zurückgelegt wurden, eine hinreichende Verbindung hergestellt werden könne.

cc. Streitentscheidend ist danach die Frage, ob dies nur dann gilt, wenn Versicherungszeiten in nur einem Mitgliedstaat zurückgelegt worden sind. Der EuGH hat hierzu ausgeführt (Urteil vom 19. Juli 2012 - C-522/10 - juris Rdnr. 35): "Wenn eine Person ausschließlich in ein und demselben Mitgliedstaat gearbeitet und Beiträge gezahlt hat, und zwar sowohl vor als auch nach der vorübergehenden Verlegung ihres Wohnsitzes aus rein familiären Gründen in einen anderen Mitgliedstaat, in dem sie zu keiner Zeit gearbeitet oder Beiträge gezahlt hat, ist davon auszugehen, dass zwischen diesen Kindererziehungszeiten und den Versicherungszeiten, die aufgrund einer Berufstätigkeit im erstgenannten Mitgliedstaat zurückgelegt wurden, eine hinreichende Verbindung besteht".

Voraussetzung für die Anwendung des Rechts des Mitgliedstaats ist danach, dass 1. ausschließlich in ein und demselben Mitgliedstaat gearbeitet worden ist und Beiträge gezahlt worden sind, 2. sowohl vor als auch nach der Verlegung des Wohnsitzes nur in diesem Mitgliedstaat gearbeitet worden ist und Beiträge gezahlt worden sind, 3. es sich um eine vorübergehende Verlegung des Wohnsitzes handelt, 4. diese aus rein familiären Gründen erfolgt ist, 5. in dem anderen Mitgliedstaat zu keiner Zeit gearbeitet wurde oder Beiträge gezahlt wurden.

Nach diesen Kriterien ist zu prüfen, ob eine hinreichende Verbindung zwischen den Kindererziehungszeiten und den Versicherungszeiten, die aufgrund einer Berufstätigkeit im ersten Mitgliedstaat zurückgelegt wurden, besteht. Die Klägerin hat ihren Wohnsitz aus rein familiären Gründen vorübergehend nach Frankreich verlegt, um ihren Ehemann zu begleiten, der eine vorübergehende Beschäftigung in Frankreich bei der Auslandstochtergesellschaft seines Arbeitgebers aufgenommen hatte bei ruhendem Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitgeber in Deutschland. Die Klägerin hat auch zu keiner Zeit in Frankreich gearbeitet oder Beiträge entrichtet. Sie hat zudem zuletzt vor der Verlegung ihres Wohnsitzes nach Frankreich und nach ihrer Rückkehr nach Deutschland in Deutschland gearbeitet und Beiträge gezahlt. Die oben genannten Voraussetzungen sind vorliegend somit alle erfüllt mit Ausnahme dessen, dass ausschließlich in ein und demselben Mitgliedstaat gearbeitet worden ist, da die Klägerin in der Zeit vom 9. November 1970 bis 6. Juni 1971 in Großbritannien insgesamt zehn Wochen versicherungspflichtig beschäftigt gewesen ist. Gleichwohl erachtet der Senat eine hinreichende Verbindung zwischen den Versicherungszeiten der Klägerin in Deutschland und den in Frankreich zurückgelegten Kindererziehungszeiten als gegeben, die es rechtfertigt, die nationalen Regelungen der Bundesrepublik Deutschland anzuwenden. Hierfür sprechen folgende Gesichtspunkte:

- Das Kriterium, dass ausschließlich in ein und demselben Mitgliedstaat gearbeitet und Beiträge gezahlt worden sind, bezieht sich in der angeführten Entscheidung des EuGH ersichtlich allein auf den Umstand, dass nicht auch in dem Staat, in dem die Kindererziehungszeiten zurückgelegt worden sind, eine Beschäftigung ausgeübt worden ist.

- Zu berücksichtigen ist weiter, dass die Klägerin vor der Geburt ihrer Kinder zuletzt in der Bundesrepublik Deutschland versicherungspflichtig beschäftigt war und auch nach deren Geburt ausschließlich in der Bundesrepublik Deutschland Versicherungszeiten zurückgelegt hat. Nach der Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 23. November 2000 - C-135/99 - juris Rdnr. 28) bleibt für die Anrechnung von Erziehungszeiten für ein Kind, das geboren wurde, als der Elternteil in einem Mitgliedstaat berufstätig war und deshalb dessen Recht der sozialen Sicherheit unterlag, dieses Recht gemäß Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO (EWG) Nr. 1408/71 weiterhin anwendbar. Gleiches muss gelten, wenn - wie hier - die Berufstätigkeit bei der Geburt des Kindes zwar beendet war, die Geburt und anfängliche Erziehung des Kindes jedoch in dem Mitgliedstaat erfolgt ist, in dem zuletzt zuvor eine Berufstätigkeit ausgeübt worden ist.

- Entgegen der Auffassung der Beklagten kommt es auch auf den Umfang der in einem weiteren Mitgliedstaat ausgeübten Beschäftigung an. Jedenfalls dann, wenn diese Beitragszeiten nicht zu einem eigenständigen Rentenanspruch führen, sondern - wie hier - unter Berücksichtigung der Zeiten in einem Drittstaat eine zwischenstaatliche Rente gewährt wird, bei der diese Beitragszeiten als Kleinstzeiten mit 0,1701 PEP bewertet worden sind, ist die Zurücklegung weiterer Beitragszeiten in einem weiteren Mitgliedstaat unbeachtlich.

Die von der Klägerin in Großbritannien zurückgelegten Versicherungszeiten fallen unter die sog. Kleinstzeitenregelung des Art. 48 VO (EWG) Nr. 1408/71 bzw. Art. 57 VO (EG) Nr. 883/2004. Danach ist der Träger eines Mitgliedstaats nicht verpflichtet, Leistungen für Zeiten zu gewähren, die nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften zurückgelegt wurden und bei Eintritt des Versicherungsfalls zu berücksichtigen sind, wenn die Dauer dieser Zeiten weniger als ein Jahr beträgt, und aufgrund allein dieser Zeiten kein Leistungsanspruch nach diesen Rechtsvorschriften erworben wurde (Art. 57 Abs. 1 Satz 1 Art. 57 VO (EG) Nr. 883/2004).

Dem steht auch nicht das Argument entgegen, die Außerachtlassung von Kleinstzeiten nach Art. 57 VO (EG) Nr. 883/2004 bei der Frage, welcher Staat für die Anrechnung von Erziehungszeiten zuständig sei, würde zu keinem anderen Ergebnis führen, wenn (in den jeweiligen) Mitgliedstaaten nur Kleinstzeiten anrechenbar wären. Zum einen ist vorliegend diese Konstellation nicht gegeben. Zum anderen trifft Art. 57 Abs. 3 VO (EG) Nr. 883/2004 bzw. Art. 48 Abs. 3 VO (EWG) 1408/71 hierfür eine ausdrückliche Regelung. Würde danach die Anwendung des Absatzes 1 zur Befreiung aller Träger der betreffenden Mitgliedstaaten von der Leistungspflicht führen, so werden die Leistungen ausschließlich nach den Rechtsvorschriften des letzten dieser Mitgliedstaaten gewährt, dessen Voraussetzungen erfüllt sind, als ob alle zurückgelegten und nach Artikel 6 und Artikel 51 Absätze 1 und 2 berücksichtigten Versicherungs- und Wohnzeiten nach den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats zurückgelegt worden wären. Ob und in welcher Weise in dieser Konstellation Kindererziehungszeiten zu berücksichtigen wären, ist vorliegend nicht zu entscheiden.

Deshalb ist Art. 21 Abs. 1 AEUV in einer Situation, in der eine Person ihren Wohnsitz vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat als den ihrer Herkunft verlegt hat, dahin auszulegen, dass er die zuständige Einrichtung des Herkunftsstaates dazu verpflichtet, im Hinblick auf die Gewährung einer Altersrente Kindererziehungszeiten, die in einem anderen Mitgliedstaat von einer Person zurückgelegt wurde, die zur Zeit der Geburt ihrer Kinder ihre Berufstätigkeit vorübergehend eingestellt und ihren Wohnsitz aus rein familiären Gründen im Hoheitsgebiet des zweiten Mitgliedstaats begründet hatte, so zu berücksichtigen, als seien diese Kindererziehungszeiten im Inland zurückgelegt worden, wenn vor und nach der Geburt der Kinder eine berufliche Tätigkeit in dem ersten Staat und in dem zweiten Mitgliedstaat nicht ausgeübt worden ist, und zwar auch dann, wenn in einem dritten Mitgliedstaat eine berufliche Tätigkeit in einem so geringen Umfang ausgeübt worden ist, dass er zu keinem eigenständigen Rentenanspruch in diesem Mitgliedstaat führt (Art. 48 Abs. 1 VO (EWG) 1408/71).

f. Schließlich wird die Beklagte bei der Umsetzung des Urteils zu berücksichtigen haben, dass ein Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung gemäß § 307 d SGB VI für das Kind C. zu berücksichtigen ist.

g. Der Senat hat davon abgesehen, das Verfahren auszusetzen und die Rechtsfrage im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV dem EuGH vorzulegen. Zum einen besteht eine Verpflichtung zur Anrufung des EuGH gem. Art. 267 Satz 2 AEUV nur für Gerichte, deren Entscheidung selbst nicht mehr mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts - ordentliche Rechtsbehelfe - angefochten werden kann. Hierzu gehören Berufungsentscheidungen der Landessozialgerichte nicht, die mit der Revision bzw. der Nichtzulassungsbeschwerde anfechtbar sind. Eine Pflicht zur Vorlage besteht zudem nicht, wenn die gestellte Frage bereits in einem gleichgelagerten Fall Gegenstand einer Vorabentscheidung gewesen ist oder wenn bereits eine gesicherte Rechtsprechung des EuGH vorliegt, durch die die betreffende Rechtsfrage gelöst ist, gleich in welcher Art von Verfahren sich diese Rechtsprechung gebildet hat und selbst dann, wenn - wie vorliegend - die strittigen Fragen nicht vollkommen identisch sind (sog. "acte claire"; vgl. Schwarze/Wunderlich in Schwarze, EU-Kommentar, 4. Aufl. 2018, Art. 267 AEUV Rdnr. 48; EuGH - Rs. 283/81 Slg 1982, 3415 Rdnr. 14). Aufgrund der bereits vorliegenden Rechtsprechung des EuGH lässt sich auch die vorliegend strittige Frage, ob es der Berücksichtigung von in einem anderen Mitgliedstaat zurückgelegten Kindererziehungszeiten entgegensteht, wenn in einem weiteren Mitgliedstaat lediglich rentenrechtliche Kleinstzeiten zurückgelegt worden sind, die zu keinem eigenständigen Leistungsanspruch führe, beantworten.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Kosten des Beigeladenen waren nicht zu erstatten, da dieser keinen Antrag gestellt hat (vgl. Gutzler in Roos/Wahrendorf, SGG, 2014, § 193 Rdnr. 61 m.w.N.).

5. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen.
Rechtskraft
Aus
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