L 8 U 1267/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4905/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 1267/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19.03.2018 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung einer Verletztenrente wegen einer anerkannten Berufskrankheit der Lendenwirbelsäule (BK Nr. 2108 der Anlage Berufskrankheiten Verordnung - BKV -).

Der 1946 geborene Kläger war von 1961 bis 2002 (mit Unterbrechung vom Mai 1972 bis November 1972) als Lagerarbeiter bei einem Mitgliedsunternehmen der Beklagten beschäftigt (Auskunft der Firma G. AG, G.-B., vom 28.02.2007). Er beantragte bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten am 24.11.2006 die Gewährung von Leistungen nach dem SGB VII wegen einer BK nach Ziffern 2108 bis 2110 BKV.

Die Beklagte leitete ein Feststellungsverfahren ein. Sie veranlasste den Bericht des technischen Aufsichtsbeamten H. vom 17.04.2007, indem der Aufsichtsbeamte zu dem Ergebnis gelangte, dass aufgrund der lange zurückliegenden Beschäftigungszeiträume, der ungenauen Angaben des Klägers und des Betriebes und der ständig wechselnden Gewichte eine Dosisberechnung nicht möglich sei.

Mit Bescheid vom 24.05.2007 verneinte die Beklagte eine BK nach den Nr. 2108, 2109 und 2110 der BKV sowie Ansprüche auf Leistungen, da der Kläger während seiner Berufstätigkeit keinen Einwirkungen ausgesetzt gewesen sei, die geeignet seien, eine Berufskrankheit zu verursachen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Klägers vom 22.06.2007 wurde nach Einholung des weiteren Berichtes des technischen Aufsichtsbeamten H. vom 16.01.2008 zur Arbeitsplatzexposition und der Beiziehung des radiologischen Berichtes des Instituts für diagnostische Radiologie F. vom 17.01.2003 mit Widerspruchsbescheid vom 18.12.2008 zurückgewiesen, da die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nicht hätten gesichert werden können. Hiergegen erhob der Kläger beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klagen (S 14 U 340 betreffend BK 2108 BKV und S 14 U 368/09 betreffend BK 2109 BKV), die vom SG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden wurden (Beschluss vom 11.03.2009). Das SG nahm aus dem Rentenrechtsstreit des Klägers (S 11 3304/06) medizinische Unterlagen zu den Akten (insbesondere ärztliches Gutachten für die gesetzliche Rentenversicherung des Dr. R. vom 07.03.2006, orthopädisches Gutachten des Prof. Dr. S. vom 27.07.2007, Gutachten des Facharztes für Neurologie Dr. C. vom 26.01.2008) und holte das Gutachten des Arztes für Orthopädie, Unfallchirurgie, Physikalische und Rehabilitative Medizin Prof. Dr. C. vom 15.07.2009 mit ergänzender Stellungnahme vom 02.12.2009 ein. Prof. Dr. C. gelangte zu dem Ergebnis, zusammenfassend sprechen alle Gründe für einen Zusammenhang zwischen der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule mit Zwang zur Aufgabe der Tätigkeit und der beruflichen Belastung des Klägers und schätzte die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 10 v.H. ein. Die Beklagte legte die weitere Stellungnahme des Präventionsdienstes zur Arbeitsblatts Exposition - Berufskrankheit Nr. 2108 - des Aufsichtsbeamten Hetmank vom 21.09.2009 zu den Orientierungswerten des Mainz-Dortmunder Basismodells (Gesamtdosis 16,8 MNh) vor. Nachdem der Kläger ein Teilanerkenntnis der Beklagten (Bereitschaft eine BK Nr. 2108 BKV dem Grunde nach anzuerkennen), nicht annahm, verurteilte das SG mit Gerichtsbescheid vom 17.09.2010 (S 20 U 340/09) die Beklagte, beim Kläger eine BK Nr. 2108 der BKV anzuerkennen. Im Übrigen wies es die Klage bezüglich eines Anspruches auf Verletztenrente ab. Die hiergegen vom Kläger beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegte Berufung (L 2 U 4866/10) wurde - nach Einholung des Gutachtens des Prof. Dr. B.-A. vom 12.01.2012, der das Vorliegen einer BK Nr. 2108 BKV bestätigte und die MdE auf 10 v.H. einschätzte, und des Zusatzgutachtens des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie K. vom 14.12.2011, der neurologische Ausfälle mit Funktionsbehinderung verneinte, jeweils auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG - mit Urteil vom 13.06.2012 mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass unter Abänderung des Bescheides vom 24.05.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008 eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anl. 1 zur BKV festgestellt wird. Die vom Kläger beim Bundessozialgericht eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde (B 2 U 240/12 B) nahm der Kläger zurück (Schriftsatz vom 27.09.2012).

Mit Bescheid vom 29.10.2012 stellte die Beklagte beim Kläger das Bestehen einer BK nach Nr. 2108 der BKV (unter Rücknahme des Bescheides vom 24.05.2007 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.12.2008) mit Eintritt des Versicherungsfalles am 01.07.1999 fest. Ein Anspruch auf Rente wurde verneint. Als BK-Folgen wurden anerkannt: Bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS mit Nachweis einer Begleitspondylose ohne neurologische Ausfallerscheinungen, vornehmlich das Segment L4/5 betreffend.

Das Begehren des Klägers auf Gewährung von Übergangsleistungen blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28.08.2014, Gerichtsbescheid des SG vom 08.09.2017 - S 9 U 4301/14 - und Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 23.02.2018 - L 1 U 3924/17 -).

Die Beklagte leitete im Hinblick auf Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 10.07.2014, über einen Verschlechterungsantrag zu entscheiden, ein Feststellungsverfahren zur Prüfung einer Verschlimmerung der Folgen der anerkannten BK ein (Schreiben vom 24.07.2014). Die Beklagte holte auf Vorschlag des Klägers (Schriftsatz vom 21.12.2015) das Gutachten von Prof. Dr. C. vom 19.04.2016 ein. Prof. Dr. C. beschrieb an Erkrankungsfolgen eine Bewegungseinschränkung und Belastungsminderung der Lendenwirbelsäule ohne motorische oder sensible Nervenwurzelreizerscheinungen aufgrund einer bandscheibenbedingten Erkrankung der unteren Lendenwirbelsäule in den Segmenten L4/L5 und L5/S1. Eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung oder Verbesserung sei im Vergleich zu den im Gutachten vom 12.01.2012 erhobenen Befunden nicht eingetreten. Prof. Dr. C. schätzte die MdE weiterhin mit 10 v.H. ein. Von einem Dauerzustand sei auszugehen.

Mit Bescheid vom 07.06.2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass nach Überprüfung ein Anspruch auf Rente weiterhin nicht bestehe.

Gegen den Bescheid vom 07.06.2016 legte der Kläger am 11.07.2016 Widerspruch ein. Der Kläger trug zur Begründung vor (Schriftsatz vom 27.07.2016), eine Verschlechterung sei insofern eingetreten, als degenerative Veränderungen im Segment L5/S1 zugenommen hätten. Aufgrund der Beschwerdeschilderungen dränge sich der Eindruck einer Psychosomatisierung auf. Die psychosomatische Seite sei bisher nicht abgeklärt worden. Es liege eine Fehlverarbeitung von Schmerz vor. Dies sei unmittelbare Folge der Berufskrankheit. Ein psychosomatisches Gutachten sei einzuholen.

Zum Widerspruchsvorbringen des Klägers holte die Beklagte die ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. C. vom 05.08.2016 ein, in der er eine Fehlverarbeitung von Schmerz verneint und ein psychosomatisches Gutachten nicht für zwingend erforderlich hielt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 29.11.2016 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 07.06.2016 zurück. Eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlechterung oder Verbesserung sei nicht eingetreten. Hinweise für eine psychosomatische Erkrankung im Sinne einer Fehlverarbeitung von Schmerzen hätte nicht festgestellt werden können. Es ergäbe sich keine Änderung zum Vorliegen einer rentenberechtigenden MdE.

Hiergegen erhob der Kläger am 08.12.2016 Klage beim SG. Er trug zur Begründung vor, Prof. Dr. C. habe das Vorliegen eines sensiblen oder motorischen Wurzelreizsyndroms abgelehnt. Solche Symptome lägen jedoch vor. Deshalb sei davon auszugehen, dass eine psychosomatische Überlagerung vorliege, unter Umständen eine Schmerzfehlverarbeitung, die zu berücksichtigen sei. Sie sei in der bisherigen MdE nicht berücksichtigt. Er habe gegenüber Prof. Dr. C. Gefühlsstörungen und eine motorische Schwäche im Bereich der unteren Extremitäten in Form von schweren Beinen und Kleinschrittigkeit geschildert. Signifikant sei, dass eine Verschlechterung insoweit geschildert werde, als die degenerativen Veränderungen von Prof. Dr. C. als zugenommen bezeichnet würden. Warum Prof. Dr. C. trotz deutlicher Anzeichen für eine entsprechende psychische Überlagerung dem in seiner ergänzenden Stellungnahme nicht habe folgen können, verbleibe im Unklaren. Um Anberaumung eines Erörterungstermins werde gebeten.

Mit Gerichtsbescheid vom 19.03.2018 wies das SG die Klage ab.

Gegen den dem Kläger am 22.03.2018 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die vom Kläger am 06.04.2018 beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegte Berufung. Der Kläger hat zur Begründung vorgetragen (Schriftsatz vom 14.01.2019), die Symptome sensibler oder motorischer Wurzelreizsyndrome lägen vor. Er habe wegen Schmerzen einen kleinschrittigen Gang. Gefühlsstörungen und motorische Schwäche im Bereich der unteren Extremitäten in Form von schweren Beinen und Kleinschrittigkeit lägen vor. Prof. Dr. C. bezeichne die degenerativen Veränderungen als zugenommen. Natürlich verschlechterten sich anerkannte Berufskrankheiten im Lauf der Jahre. Es lägen klare Indizien aufgrund der anamnestischen eigenen Schilderungen vor, dass er eine Verschlechterung der anerkannten Berufskrankheit aufzuweisen habe, die in den entschädigungspflichtigen Bereich hineinrage. Das SG habe sich geweigert, entsprechende Amtsermittlung zu tätigen und einen wesentlichen Verfahrensmangel begangen. Für einen Antrag nach § 109 SGG habe keine Veranlassung bestanden. Es sei auch konkludent ein Gerichtsbescheid abgelehnt worden, weil ja die Durchführung eines Erörterungstermins erbeten bzw. beantragt worden sei. Das SG meine, eigene medizinische Sachkunde aufweisen und das Gutachten des Professors Dr. C. überprüfen zu können. Diese Vorgehensweise verstoße eindeutig gegen Grundsätze des sozialgerichtlichen Verfahrens. Da das Gericht keine eigene medizinische Sachkunde habe, müsse es sich medizinischer Sachverständiger behelfen. Es sei klar und unabdingbar gewesen, dass das beantragte neurologisch-psychiatrische Gutachten von Amts wegen einzuholen sei. Wäre das SG den entsprechenden Anträgen gefolgt, wäre das Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens anders gewesen. Er erlaube sich den Hinweis, dass Prof. Dr. C. neuerdings noch immer nicht die sensiblen, motorischen und neurologischen Ausfallerscheinungen feststellen könne und neuerdings immer auf eine MdE von 10 v.H. komme. Eine derartige Verhaltensweise und gutachtliche Feststellungsweise sei zwischenzeitlich mehr als auffällig. Prof. Dr. C. sei Orthopäde und kein Psychologe. Die psychosomatischen, chronischen Schmerzen seien mit zu entschädigen, weil sie Bestandteil und Folge der BK seien. Darüber gebe es keine gutachtlichen Stellungnahmen und keine fachkompetente Aussage. Das SG könne nicht durch eigene vermeintliche Sachkunde, die es nicht habe, Gutachter und ärztliche Befundberichte ersetzen. Die Verfahrensfehlerhaftigkeit im Vorgehen müsse zu einer Zurückverweisung führen.

Der Kläger beantragt:

1. Es wird beantragt, den Bescheid vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2016 aufzuheben und die Beklagte dazu zu verurteilen, ihm eine Verletztenrente aufgrund Vorliegens der anerkannten Berufskrankheit 2108 BKVO nach einer MdE von wenigstens 20 % zu zahlen.

2. Es wird beantragt, über den Kläger ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Amts wegen einzuholen, soweit die Sache nicht an das Sozialgericht zurückverwiesen wird.

3. Es wird beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 19.03.2018 aufzuheben und die Sache an das Sozialgericht zurückzuweisen, weil das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leide.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte hat zur Begründung vorgetragen, die Ausführungen von Prof. Dr. C. im Gutachten vom 19.04.2016 seien schlüssig und nachvollziehbar. Eine Verschlimmerung in den Berufskrankheitsfolgen sei nicht zu erkennen. Vom Bevollmächtigten angegebene sensible oder motorischer Wurzelreizsyndrome könnten offensichtlich medizinisch nicht untermauert werden, da entsprechende Befunde nicht vorgelegt würden.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung zugestimmt (Schriftsätze der Beklagten vom 15.07.2019 und des Klägerbevollmächtigten vom 08.08.2019).

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die angefallenen Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie auf einen Band Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 07.06.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.11.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Dem Kläger steht gegen die Beklagte weiterhin kein Anspruch auf Verletztenrente wegen der anerkannten BK Nr. 2108 BKV zu. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Verletztenrente (seit der Antragstellung am 22.01.2013). Eine Verschlimmerung der Folgen der von der Beklagten anerkannten BK 2108 BKV ist nicht eingetreten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden (1.) Anlass, ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Amts wegen einzuholen (2.) oder den Rechtsstreit an das SG zurückzuverweisen, besteht nicht (3.).

Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreites ist, ob dem Kläger wegen der mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.10.2012 anerkannten BK Nr. 2108 BKV wegen einer eingetretenen Verschlimmerung der Berufskrankheitsfolgen (nunmehr) Verletztenrente zu zahlen ist. Nicht Streitgegenstand ist der Bescheid vom 29.10.2012 im Zugunstenverfahren. Einen Antrag auf Überprüfung des Bescheides vom 29.10.2012 gemäß § 44 SGB X hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht gestellt und im Übrigen im Verlaufe des Rechtsstreites auch nicht geltend gemacht, weshalb im vorliegenden Rechtsstreit nicht zu prüfen ist, ob der Bescheid vom 29.10.2012 insbesondere hinsichtlich der Ablehnung von Verletztenrente rechtswidrig ist. Dafür hat der Senat auch keine Anhaltspunkte (siehe unten).

1. Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist nicht § 48 SGB X. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 29.10.2012 wurde Verletztenrente abgelehnt. Einen Dauerverwaltungsakt stellt die für den Zeitpunkt des Bescheiderlasses wirksam werdende Ablehnung einer Leistung nicht dar. Der Kläger verfolgt eine Anfechtungs- und Leistungsklage. Eine prozessuale Feststellung von – neu aufgetretenen oder verschlimmerten – Unfallfolgen ist nicht beantragt worden.

Der geltend gemachte Anspruch auf Verletztenrente ist daher nach den Grundsätzen einer Erstbewilligung zu prüfen.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 vom Hundert gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente. Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 vom Hundert mindern (§ 56 Abs. 1 SGB VII). Bei Verlust der Erwerbsfähigkeit wird die Vollrente geleistet, bei einer MdE wird eine Teilrente geleistet, die in der Höhe des Vomhundertsatzes der Vollrente festgesetzt wird, der der MdE entspricht (§ 56 Abs. 3 SGB VII). Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII).

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 SGB VII). Die Bemessung der MdE ist die Feststellung von Tatsachen, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft. Dies gilt für die Feststellung der Beeinträchtigung des Leistungsvermögens des Versicherten ebenso wie für die auf der Grundlage medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen zu treffende Feststellung der ihm verbliebenen Erwerbsmöglichkeiten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2; BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8, S 36 m.w.N.). Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind (BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22, 23; BSGE 82, 212 = SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher oder seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE geschätzt werden (BSG SozR 3-2200 § 581 Nr. 8). Die zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind deshalb bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der tägliche Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel (BSG a.a.O.; zuletzt BSG 22.06.2004 - B 2 U 14/03 R - SozR 4-2700 § 56 Nr. 1).

Derzeit ist im Hinblick auf den Wandel durch geänderte Anforderungen des Arbeitsmarkts und den medizinisch-therapeutischen Fortschritt eine wissenschaftliche Diskussion darüber in Gang, inwieweit die teilweise über Jahrzehnte alten MdE-Erfahrungswerte in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur diesem Wandel noch gerecht werden (vgl. Ludolph/Schürmann, Neubewertung der MdE bei unfallchirurgisch-orthopädischen Arbeitsunfall- und BK-Folgen in der gesetzlichen Unfallversicherung, Medizinische Sachverständige 2016, 60-71 - Diskussionsentwurf -). Zur Diskussion gestellt sind mittlerweile die Vorschläge der Kommission "Gutachten" der medizinischen Fachgesellschaft der Unfallchirurgie, der Deutschen Gesellschaft für Unfallchirurgie, die von Ausnahmen abgesehen die bisherigen MdE-Bewertungsansätze mit niedrigeren MdE-Sätzen versieht bzw. neue Bewertungsgrundsätze in die wissenschaftliche Auseinandersetzung einführt (vgl. Ludolph/Schürmann a.a.O.). Ebenfalls in der wissenschaftlichen Diskussion sind mittlerweile auch die erarbeiteten Vorschläge der MdE-Arbeitsgruppe der DGUV (MdE-Eckwerteempfehlung; vgl. Wich, Scholtysik: Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in der gesetzlichen Unfallversicherung, Trauma und Berufskrankheit, Sonderheft 4/2018). Vor dem Hintergrund, dass die wissenschaftliche Diskussion um die MdE-Erfahrungswerte in der gesetzlichen Unfallversicherung noch ergebnisoffen und noch nicht abgeschlossen ist, hält der Senat im Wege der Einzelfallprüfung an den bislang in der unfallversicherungsrechtlichen Literatur dargestellten MdE-Bewertungskriterien fest. Ergibt sich im Einzelfall, dass eine der zur Diskussion gestellte, abweichende MdE-Wertung für die zu bewertende gesundheitliche Folge eines Versicherungsfalls bei gesicherter empirischer Datenlage überzeugender ist, sieht sich der Senat nicht gehindert, diese seiner Entscheidung zugrunde zu legen, nachdem allgemeiner Konsens jedenfalls darüber herrscht, dass die bisherigen MdE-Bewertungskriterien überarbeitungsbedürftig sind (vgl. Senatsurteile vom 25.01.2019 – L 8 U 3677/16 –, unveröffentlicht, und vom 22.07.2016 - L 8 U 475/15 -, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de; im Ergebnis ebenso BSG, Urteil 20.12.2016 - B 2 U 11/15 R -). Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, entsprach es schon bisheriger Rechtsprechung (vgl. BSG Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R -, juris Rn. 17 mit Hinweis auf BSG SozR Nr 33 zu § 128 SGG), dass in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden kann.

Neben diesen auf tatsächlichem Gebiet liegenden Umständen für die Bemessung der MdE sind aus der gesetzlichen Definition der MdE sowie den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung fließende rechtliche Vorgaben zu beachten (BSG SozR 4-2700 § 56 Nr. 2). Bestanden bei dem Versicherten vor dem Versicherungsfall bereits gesundheitliche, auch altersbedingte Beeinträchtigungen der Erwerbsfähigkeit (sog. Vorschäden), werden diese nach der ständigen Rechtsprechung des BSG und der einhelligen Auffassung in der Literatur für die Bemessung der MdE berücksichtigt, wenn die Folgen des Versicherungsfalles durch die Vorschäden beeinflusst werden. Denn Versicherte unterliegen mit ihrem individuellen Gesundheitszustand vor Eintritt des Versicherungsfalls dem Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung (BSG, a.a.O. m.H.a.: BSGE 63, 207, 211, 212 = SozR 2200 § 581 Nr. 28; Bereiter-Hahn/Mehrtens, SGB VII, Stand: 2006, § 56 RdNr 10.5; Kranig in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand: 2006, K § 56 RdNr 42 m.w.N.). Dies verlangt § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 SGB VII, wonach die "infolge" des Versicherungsfalls eingetretene Beeinträchtigung des Leistungsvermögens und die dadurch verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens maßgeblich sind.

Grundsätzlich ist der Grad der MdE aus den festgestellten Funktionsbehinderungen abzuleiten, wobei hinsichtlich knöchernen Verletzungen als Maßstab die Einschränkungen der Bewegungsmaße und durch neurologische Ausfälle bedingte funktionelle Beeinträchtigungen in Betracht kommen.

In den am 04.08.2005 veröffentlichten Konsensempfehlungen der interdisziplinären Arbeitsgruppe "Medizinische Beurteilungskriterien bei den Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" (Trauma und Berufskrankheit 3, 2005, S. 211 ff - Konsensempfehlungen -) entsprechen die im vollen Konsens aller Teilnehmer verabschiedeten Kriterien zur Überzeugung des Senats der gegenwärtigen herrschenden Meinung der Wissenschaft, welche der Senat daher in ständiger Rechtsprechung (vgl. stellvertretend Urteil des Senats vom 28.01.2011 - L 8 U 4946/08 -, Juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de) seiner Entscheidung zugrunde legt. Die Konsensempfehlungen sind nach wie vor eine geeignete Grundlage, um den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand bezüglich bandscheibenbedingten Erkrankungen der LWS zu bestimmen (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2015 - B 2 U 20/14 R -, juris, Rn. 22). In Teil II Nr. 4.5 der Konsensempfehlungen sind in Tabelle 15 durch die Mehrheitsmeinung der Arbeitsgruppe die Bewertungskriterien zur Bemessung der MdE festgelegt. Soweit lediglich eine Teilnehmerin der Arbeitsgruppe (Prof. Dr. Elsner) eine hiervon abweichende Auffassung geäußert hat, sieht sich der Senat nicht gehindert, die nur mit einer Gegenstimme verabschiedeten Bewertungskriterien als Ausdruck der herrschenden wissenschaftlichen Lehrmeinung einzustufen (vgl. Urteil des Senats vom 25.04.2014 - L 8 U 1614/12 - unveröffentlicht). Die Auffassung von Prof. Dr. Elsner ist nur eine vereinzelt gebliebene Mindermeinung, die sich nicht als herrschende wissenschaftliche Lehrmeinung etabliert hat. Vielmehr sind in den nachfolgenden Auflagen der Standardwerke der unfallversicherungsrechtlichen und unfallmedizinischen Literatur die Bewertungsgrundsätze der Mehrheitsmeinung der Arbeitsgruppe übernommen worden (vergleiche unten).

Nach Tabelle 15 in Teil II der Konsensempfehlungen liegt eine nach Stufe 1 zu bewertende Berufskrankheit mit einer MdE von 10 v.H. vor bei einem lokalen LWS-Syndrom oder lumbalen Wurzelkompressionssyndrom mit leichten (auch anamnestischen) belastungsabhängigen Beschwerden und leichten Funktionseinschränkungen, auch nach gegebenenfalls operiertem Prolaps. Eine MdE um 20 v.H. wird bei Stufe 2 durch ein lokales LWS-Syndrom oder lumbales Wurzelkompressionssyndrom mit mittelgradigen belastungsabhängigen Beschwerden, bei Lumboischialgie mit belastungsabhängigen Beschwerden, deutlichen Funktionseinschränkungen und bei mittelgradigen Funktionseinschränkungen und Beschwerden nach einer Operation begründet. In Stufe 3 wird eine MdE um 30 bis 40 v.H. durch ein lumbales Wurzelkompressionssyndrom mit starken belastungsabhängigen Beschwerden und motorischen Störungen funktionell wichtiger Muskeln, durch starke Funktionseinschränkungen und Beschwerden nach Operation begründet. Dies steht auch im Einklang mit der nach Bekanntgabe der Konsensempfehlungen im Jahr 2005 publizierten unfallmedizinischen Literatur, die diese Bewertungskriterien übernommen hat. Auch danach kann eine MdE von 20 v.H. angenommen werden, bei einem lokalen LWS-Syndrom oder einem lumbalen Wurzelkompressionssyndrom mit mittelgradigen belastungsabhängigen Beschwerden; einer Lumboischialgie mit belastungsabhängigen Beschwerden, deutliche Funktionseinschränkungen; mittelgradige Funktionseinschränkungen und Beschwerden nach Operation (vgl. auch Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 2017, 9. Auflage, Nr. 8.3,5.6.7, Seite 548, wie schon die Vorauflage: 2009, 8. Auflage, Nr. 8.3.6.6.7, Seite 511; Mehrtens/Brandenburg, BKV Kommentar, M 2108 Rnr.8).

Bei der Schätzung der MdE bezüglich einer BK Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ist der zu berücksichtigende Schaden auf den dort genannten Wirbelsäulenabschnitt, also die LWS, begrenzt. Die Bewegungssegmente in den Übergangsbereichen sind komplett einzubeziehen (Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, Seite 548). Dabei kann nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 23.11.2012 - L 8 U 5789/11 -) von einer MdE von 20 v.H. ausgegangen werden, wenn hinsichtlich der Diagnose - ein lokales Wirbelsäulensyndrom oder lumbales Wurzelkompressionssyndrom mit mittelgradigen belastungsabhängigen Beschwerden; - eine Lumboischialgie mit belastungsabhängigen Beschwerden, deutliche Funktionseinschränkungen oder - mittelgradige Funktionseinschränkungen und Beschwerden nach einer Operation eingetreten sind (so auch vgl. Ludolph/Schürmann a.a.O. 67). Hinsichtlich der Einschränkungen möglicher Belastungen muss der Versicherte dauerhafte Zwangshaltungen im Sitzen oder im Stehen sowie mehr als gelegentliches Arbeiten in gebückter Haltung und Handhaben schwerer Lasten nicht mehr ausüben können. Eine MdE von 30 bis 40 v.H. ist erst anzunehmen, wenn ein lumbales Wurzelkompressionssyndrom mit starken belastungsabhängigen Beschwerden und motorischen Störungen funktionell wichtiger Muskeln eingetreten ist, das dazu führt, dass auch gelegentliches Arbeiten in gebückter Haltung und ein gelegentliches Handhaben schwerer Lasten nicht mehr möglich ist (Schönberger u.a., a.a.O.).

Hiervon ausgehend kann beim Kläger - entgegen seiner Ansicht - nicht festgestellt werden, dass nach Ergehen des Bescheides vom 29.10.2012 jetzt die Gewährung einer Verletztenrente (ab Antragstellung) aufgrund der BK-bedingten Einschränkungen gerechtfertigt ist.

Nach dem Gutachten von Prof. Dr. C. vom 19.04.2016 bestehen an Berufskrankheitsfolgen eine Bewegungseinschränkung und Belastungsminderung der Lendenwirbelsäule ohne motorische oder sensible Nervenwurzelreizerscheinungen aufgrund der bandscheibenbedingten Erkrankung der unteren Lendenwirbelsäule in den Segmenten L4/L5 und L5/S1. Nach den Beschreibungen von Prof. Dr. C. im Gutachten vom 19.04.2016 besteht in der Ansicht von hinten ein Beckenkammgradstand. Die Schulterkonturen und Taillendreiecke sind seitengleich. Die Dornfortsatzlinie ist im Verlauf lotgerecht. In der seitlichen Ansicht ist die Schwingungsform der Hals-, Brust- und Lendenwirbelsäule physiologisch. Der Finger-Boden-Abstand beträgt 13 cm, das Zeichen nach Ott 30/31 cm und das Zeichen nach Schober 10/13,5 cm. Bei der Vorneigung bestehen kein Rippenbuckel und kein Lendenwulst. Die kräftig entwickelte paravertebrale Muskulatur der Lendenwirbelsäule zeigt deutliche Verspannungen. Es besteht eine Klopfschmerzangabe über den Dornfortsätzen der unteren Lendenwirbelsäule. Die Seitneigung und die Seitdrehung sind endgradig schmerzhaft eingeschränkt. Der Kläger gibt Schmerzen im Lenden-Kreuzbein-Übergang bei Rückneigung sowie Druckschmerz über den beiden Kreuz-Darmbein-Fugen an. Ein Vorlaufphänomen bestehen nicht. Der Zehenspitzen- sowie der Fersengang sind seitengleich frei durchführbar und der Einbeinstand gelingt beidseits sicher. Bei der äußerlichen Betrachtung besteht eine seitengleiche Bemuskelung der Ober- und Unterschenkel. Die Berührungsempfindlichkeit der Beine ist seitengleich unauffällig. Die grob-neurologische Untersuchung ergibt keine Hinweise auf motorische Schwächen im Bereich der unteren Extremitäten. Das Lasèguesche Zeichen ist beidseits negativ.

Nach den von Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 19.04.2016 beschriebenen Befunden kann im Vergleich zu den dem Bescheid vom 29.10.2012 zu Grunde liegenden Berufskrankheitsfolgen eine relevante Verschlimmerung nicht festgestellt werden. Vielmehr beschreibt Prof. Dr. C. im Vergleich zu seinem vom SG im Klageverfahren S 14 U 340/09 eingeholten Gutachten vom 15.07.2009 im Wesentlichen unveränderte klinische Befunde einer endgradigen Einschränkung der Beweglichkeit insbesondere hinsichtlich der Vor- und Rückneigung der Lendenwirbelsäule sowie eine Klopfschmerzangabe über den Dornfortsätzen, hinsichtlich der Index nach Schober und Ott, des Finger-Boden-Abstandes, des Fehlens eines sensiblen oder motorischen Wurzelreizsyndroms sowie des Fehlens von Hinweisen auf Gefühlstörungen oder motorische Schwächen im Bereich der unteren Extremitäten. Hiervon geht auch Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 19.04.2016 aus, der im Vergleich zum Vorgutachten weitgehend identische Befunde bestätigt. Entsprechendes gilt auch für die von Prof. Dr. B.-A. im vom Landessozialgericht Baden-Württemberg in seinem im Berufungsverfahren L 2 U 4866/10 gemäß § 109 SGG eingeholten Gutachten vom 12.01.2012 beschriebenen Befunden der Lendenwirbelsäule. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. B.-A. bestanden geringgradige Funktionsstörungen in Form einer Entfaltungsstörung (Zeichen nach Ott 30/31 cm, Zeichen nach Schober 10/13 cm), sowie einer eingeschränkten Fähigkeit zur Ventralflexion. Nach der Beschreibung von Prof. Dr. B.-A. betrug der Finger-Fußspitzen-Abstand 15 cm im Langsitz, 20 cm im Stehen. Rotation und Seitneigung der Lendenwirbelsäule waren unauffällig. In Übereinstimmung mit dem neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten von Dr. K. vom 14.12.2011 hat Prof. Dr. B.-A. Hinweise für ein sensibles oder motorisches Wurzelsyndrom sowie eine eigenständige MdE auf neurologischem Gebiet verneint und im Einklang mit dem damaligen Gutachten von Prof Dr. C. vom 19.04.2009 die MdE abschließend ebenfalls mit 10 v.H. bewertet.

Soweit Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 19.04.2016 im Vergleich zum kernspintomografischen Vorbefund vom 16.01.2003 eine Zunahme degenerative Veränderungen im Segment L5/S1 in Form von Modic-Veränderungen im 5. Lendenwirbelkörper sowie im Bereich der Wirbelbogengelenke beschreibt, worauf sich der Kläger beruft, lässt sich hieraus eine relevante Verschlimmerung, die nunmehr eine MdE von mindestens 20 v.H. rechtfertigt, nicht ableiten. Prof. Dr. C. wertet in seinem Gutachten den radiologischen Befund als weitgehend unverändert. Außerdem ist nicht festzustellen, dass es durch eine Zunahme degenerative Veränderungen zu einer Verschlechterung der für die Bemessung der MdE relevanten Funktion der Lendenwirbelsäule des Klägers gekommen ist.

Aus der vom Kläger als BK-Folge geltend gemachten psychosomatischen Überlagerung bzw. Schmerzfehlverarbeitung ergibt sich keine höhere MdE. Eine pathologische Schmerzverarbeitung hat der Senat nicht feststellen können.

Dr. K. hat in dem gemäß § 109 SGG vom Landessozialgericht Baden-Württemberg im Berufungsverfahren L 2 U 4866/10 eingeholten neurologisch-psychiatrischen Zusatzgutachten vom 14.12.2011 ein chronisches Schmerzsyndrom infolge der Erkrankung der Lendenwirbelsäule und der Halswirbelsäule diagnostiziert, aber Hinweise auf eine somatoforme Schmerzverarbeitungsstörung verneint. Nach dem vom SG im Klageverfahren S 14 U 340/09 eingeholten Gutachten von Prof. Dr. C. vom 15.07.2009 hat der Kläger nach der beschriebenen speziellen Anamnese über Rückenschmerzen praktisch von oben bis unten geklagt, mit Ziehen in beide Beine, bis über den Oberschenkel zu den Kniegelenken, mit einer freien Gehstrecke für 30 Minuten. Dem entspricht auch die Beschwerdebeschreibung des Klägers in dem im Berufungsverfahren L 2 U 4866/10 eingeholten Gutachten von Prof. Dr. B.-A. vom 12.01.2012. Danach hat der Kläger über ständige Schmerzen im Bereich der gesamten Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in die Vorderseite der Oberschenkel beidseits mit einem Schweregrad von 6 bis 10 auf einer 10-stufigen Skala geklagt. Nach der Beschwerdeschilderung des im Berufungsverfahren L 2 U 4866/10 eingeholten Zusatzgutachtens von Dr. K. vom 14.12.2011 hat der Kläger über mehr als 30 Jahre bestehende chronische Rückenschmerzen mit Ausstrahlung entlang der gesamten Wirbelsäule in den Hinterkopf, in die Oberschenkel bis zu den Knien, in die Rippen betont auf der rechten Seite sowie auf die vordere Rumpfseite mit Brust und Bauch mit Schmerzverstärkung beim Liegen geklagt. Somit sind Schmerzen der HWS und auch des oberen Bereichs der LWS, der nicht den BK-bedingten Veränderungen in den unteren drei LWS Segmenten zuzurechnen ist, in der geschilderten Schmerzsymptomatik einbezogen. Dies und die von Prof. Dr. C. wie auch von Prof Dr. B.-A. in den Gutachten beschriebenen Diskrepanzen zwischen Beschwerdevorbringen und gutachtlich ermittelter geringfügiger funktioneller Beeinträchtigung hat Anlass gegeben, nur ein lokales Schmerzsyndrom als BK-bedingt zu berücksichtigen, was die MdE von 10 v.H. nach den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen rechtfertigt.

Eine andere Beurteilung ist auch aufgrund derzeitiger Befundlage nicht geboten. Nach dem Gutachten von Prof. Dr. C. vom 19.04.2016 lässt sich eine Intensivierung der Schmerzen nicht feststellen. Er ist eher von einer Besserung auszugehen. Nach der beschriebenen Beschwerdeschilderung des Klägers kommt es nur manchmal zu einer Ausstrahlung in die Vorderseiten beider Oberschenkel. Das Auftreten von Schmerzen schildert der Kläger im Zusammenhang mit einer freiwilligen Hausmeistertätigkeit, die von ihm ausgeübt wird, und damit belastungsabhängig. Eine Physiotherapie findet nicht statt.

Nach dem im Gutachten von Prof. Dr. C. vom 19.04.2016 beschriebenen Lendenwirbelsäulen Befunden kann damit weiterhin nicht festgestellt werden, dass beim Kläger wegen der Folgen der anerkannten BK 2108 BKV wenigstens ein lokales Wirbelsäulensyndrom oder lumbales Wurzelkompressionssyndrom mit mittelgradigen belastungsabhängigen Beschwerden; eine Lumboischialgie mit belastungsabhängigen Beschwerden, deutliche Funktionseinschränkungen oder mittelgradige Funktionseinschränkungen und Beschwerden nach einer Operation eingetreten sind oder der Kläger hinsichtlich der Einschränkungen möglicher Belastungen wenigstens dauerhafte Zwangshaltungen im Sitzen oder im Stehen sowie mehr als gelegentliches Arbeiten in gebückter Haltung und Handhaben schwerer Lasten nicht mehr ausüben kann, so dass nach den oben dargestellten Grundsätzen weiterhin von einer MdE von 10 v.H. wegen der Berufskrankheitsfolgen auszugehen ist. Hiervon geht auch Prof. Dr. C. in seinem Gutachten vom 19.04.2016 aus, der - nach wie vor - die MdE mit 10 v.H. bemisst. Dieser überzeugenden Bewertung, die in Übereinstimmung mit den genannten, allgemein anerkannten Bewertungsgrundsätzen steht, schließt sich der Senat an.

Ein Stützrententatbestand ist nicht ersichtlich und wird vom Kläger auch nicht geltend gemacht. Der Kläger hat auch einen solchen nicht geltend gemacht und eine Stützrente, auch nicht hilfsweise, beantragt. Aus der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten ist ein anderer, rentenstützender Versicherungsfall nicht ersichtlich. Ein Anspruch auf Verletztenrente besteht somit weiterhin nicht.

2. Anlass von Amts wegen ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten einzuholen besteht nicht. Dafür, dass beim Kläger hinsichtlich der Folgen der anerkannten BK 2108 BKV eine unmittelbare oder mittelbare Verschlimmerung auf neurologischem und/oder psychiatrischem Fachgebiet eingetreten ist, ist nichts ersichtlich.

Hinweise auf (neurologische) Nervenwurzelreizerscheinungen hat Prof. Dr. C. bei der Untersuchung des Klägers im April 2016 nicht finden können. Objektiv medizinische Befundunterlagen, die darauf hindeuten, dass beim Kläger Nervenwurzelreizerscheinungen als Folge der anerkannten BK 2108 BKV bestehen, fehlen und sind - trotz entsprechender Nachfragen der Beklagten beim Prozessbevollmächtigten des Klägers - im Verwaltungsverfahren sowie auch im gerichtlichen Verfahren nicht vorgelegt worden. Allein das durch objektiv medizinischen Befundunterlagen nicht bestätigte subjektive Vorbringen des Klägers, gibt keinen Anlass zu den beantragten weiteren Ermittlungen von Amts wegen. Die vom Kläger beschriebenen Symptome von Gefühlstörungen und von motorischer Schwäche im Bereich der unteren Extremitäten (schwere Beine, Kleinschrittigkeit) sind nicht belegt. Nach den Beschreibungen von Prof. Dr. C. in seinen Gutachten vom 15.07.2009 und vom 19.04.2016 ist das Gangbild des Klägers zu ebener Erde in den Untersuchungsräumlichkeiten vielmehr zügig, sicher und raumgreifend. Auch Prof. Dr. B.-A. beschreibt in seinem Gutachten vom 12.01.2012 ein unauffälliges Gangbild des Klägers. Soweit Dr. K. in seinem Gutachten vom 14.12.2011 ein verlangsamtes Gangbild beschreibt, ist dies im Hinblick auf die Beschreibungen in den Gutachten von Prof. Dr. C. und Prof. Dr. B.-A. für den Senat nicht erwiesen. Außerdem geht Prof. Dr. B.-A. in seinem Gutachten beim Kläger davon aus, dass deutliche Diskrepanzen zwischen den vom Kläger angegebenen hochgradigen Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule auf der einen Seite und dem unauffälligen Gangbild und den nur leichten Funktionsstörungen auf der anderen Seite bestehen, weshalb der Senat allein dem Vorbringen des Klägers keinen Beweiswert beizumessen vermag.

Hinweise für eine psychosomatische Überlagerung, wie der Kläger weiter geltend macht, bestehen nicht. Nach den Ausführungen von Prof. Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.08.2016 sind die vom Kläger geschilderten Beschwerden völlig zwanglos mit den zu erhebenden klinischen und radiologischen Befunden zu erklären, was dagegen spricht, dass beim Kläger ein Fehlverarbeitung von Schmerz vorliegt, wie Prof. Dr. C. in seiner ergänzenden Stellungnahme überzeugend ausgeführt hat, zumal nicht ersichtlich ist, dass sich der Kläger wegen einer psychosomatischen Fehlverarbeitung von Schmerz in fachärztlicher Behandlung befindet. Auch in den sonst zu den Akten gelangten medizinischen Unterlagen finden sich keine Hinweise einer psychosomatischen Fehlverarbeitung von Schmerz. Die Einholung eines psychosomatischen Gutachtens hat Prof. Dr. C. für nicht zwingend erforderlich erachtet.

Der Beweisantrag des Klägers ist damit auf eine Ausforschung gerichtet, die weder von Amts wegen noch auf Antrag durch den sozialgerichtlichen Untersuchungsgrundsatz geboten ist, weshalb der Beweisantrag des Klägers abgelehnt wird. Außerdem musste der Senat dem Beweisantrag aus formalen Gründen nicht folgen. Denn insoweit handelt es sich nicht um einen ordnungsgemäßen Beweisantrag, da eine entscheidungsrelevante hinreichende Beweisfrage nicht formuliert wurde, sondern der Beweisantrag als Beweisanregung zu werten ist.

Zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen sieht sich der Senat nicht gedrängt. Der Sachverhalt ist durch die durchgeführten Ermittlungen und die zu den Akten gelangten medizinischen Befundunterlagen vollständig aufgeklärt und vermitteln dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende rechtliche Bewertung einer Verschlimmerung der Folgen der anerkannten BK Nr. 2108 BKV.

3. Für eine Aufhebung des Gerichtsbescheids und Zurückverweisung an das SG gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG besteht keine Veranlassung. Nach dieser Regelung kann die angefochtene Entscheidung vom Landessozialgericht aufgehoben und an das Sozialgericht zurückverwiesen werden, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Ein wesentlicher Verfahrensmangel liegt grundsätzlich vor, wenn die absoluten Revisionsgründe nach § 547 ZPO erfüllt sind (Keller in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. § 159 Rn. 3a). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es bedarf bereits keiner für die Zurückverweisung erforderlichen aufwändigen Beweisaufnahme, da der Senat auch in der Sache ohne weitere Ermittlungen hat entscheiden können. Außerdem liegt der vom Kläger gerügte Verfahrensfehler einer vom SG unterlassener Amtsermittlung nach dem Ausgeführten nicht vor. Soweit der Kläger als Verfahrensmangel rügt, das SG habe konkludent einen Gerichtsbescheid abgelehnt, ist darauf hinzuweisen, dass das SG die Klage des Klägers mit Gerichtsbescheid abgewiesen hat. Dem Kläger kann auch nicht darin gefolgt werden, das SG habe ohne eigene medizinische Sachkunde aufzuweisen das Gutachten des Prof. Dr. C. nicht überprüfen könne. Die "Überprüfung" des Gutachtens von Prof. Dr. C. ist im Rahmen der vorzunehmenden Beweiswürdigung erfolgt, ohne dass das SG dabei eigene, nicht vorhandene, medizinische Sachkunde seiner Entscheidung zu Grunde gelegt hat. Unabhängig davon hält der Senat eine Zurückverweisung im Rahmen seiner Ermessensausübung auch nicht für angezeigt.

4. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Der Senat hält weitere Ermittlungen, nicht für erforderlich. Die von der Beklagten durchgeführten Ermittlungen sowie die vorliegenden ärztlichen Unterlagen und Unterlagen haben mit den Gutachten des Verwaltungsverfahrens die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Denn der medizinische festgestellte Sachverhalt bietet die Basis für die alleine vom Senat vorzunehmende Feststellung der beim Kläger bestehenden BK-Folgen sowie des Eintritts einer Verschlimmerung und der Bewertung der MdE.

Vor diesem Hintergrund hat die Berufung des Klägers keinen Erfolg.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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