L 5 KR 4515/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 KR 780/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4515/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine die Krankenversicherungspflicht begründende Beschäftigung liegt nicht vor, wenn die Umstände des Falles ein missbräuchliches Verhalten oder eine Manipulation zu Lasten der Krankenkasse nahelegen. Liegen weiter Umstände vor, etwa eine familiäre oder verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Arbeitsvertragsparteien, eine offensichtlich vom üblichen Rahmen abweichende Lohnhöhe oder der Verlust eines anderweitigen Versicherungsschutzes, kann von einer Versicherungspflicht nur ausgegangen werden, wenn weitere Tatsachen diese Verdachtsmomente entkräften. Die Feststellungslast für die Tatsachen, die Versicherungspflicht begründen, trägt derjenige, der sich auf sie beruft.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.07.2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Krankengeld über den 18.12.2015 hinaus bis zum 14.11.2016.

Der im Jahr 1968 geborene Kläger, der mindestens seit 2013 an Depressionen leidet und sich wegen dieser Erkrankung in der Zeit vom 24.09. bis 19.11.2014 in stationärer Behandlung befand, wo er den ebenfalls als Patient in der Klinik befindlichen H. P. (im Folgenden P.) kennenlernte, war bei der Beklagten vom 01.10.2012 bis zum 31.03.2015 als Bezieher von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) pflichtversichert.

Am 01.12.2014, 06.01.2015 und 07.01.2015 erkundigte sich der Kläger bei der Beklagten für den Fall der Aufnahme einer Beschäftigung nach der Beitragsbemessungsgrenze und der Höhe des Krankengelds. Darüber hinaus wollte er wissen, wie es aussehe, wenn er im Januar eine Beschäftigung beginne und diese nach sechs bis acht Monaten aufgrund seiner psychischen Beeinträchtigung wieder einstellen müsse. Er informierte die Beklagte auch darüber, dass er bei mehreren Gehaltsrechnern sein evtl. Nettoentgelt und sein Krankengeld errechnet habe.

Am 01.04.2015 ging bei der Beklagten ein Dauerbeitragsnachweis von P. ein, mit welchem unter Angabe "privat" als Rechtsform der Firma die Beschäftigung eines Arbeitnehmers angezeigt wurde. Am 10.06. und 18.06.2015 erhielt die Beklagte die Formulare "Entgeltbescheinigung" bzw. "Angaben des Mitglieds zum Krankengeldbezug". P. bestätigte darin die Beschäftigung des Klägers ab 01.04.2015 zu einem Bruttogehalt von 4.600,00 EUR. Weiter heißt es, dass der Kläger ab 18.05.2015 arbeitsunfähig sei, das Arbeitsentgelt werde bis 30.06.2015 weitergezahlt. Der Kläger gab als berufliche Tätigkeit "Projekt-Management" an, als eventuelle Ursache der Erkrankung bezeichnete er "Jobcenter VS".

Die Beklagte zahlte dem Kläger, den sie aufgrund des Einkommens oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze als freiwilliges Mitglied führte, ab 01.07.2015 Krankengeld. P. erstattete die Beklagte 70 % des fortgezahlten Arbeitsentgelts (4.830,00 EUR).

Am 07.12.2015 teilte P. in einer von der Beklagten angeforderten Arbeitsplatzbeschreibung mit, dass der Kläger als "Projekt Manager" tätig gewesen sei. Die Tätigkeit sei im Wechsel von Stehen, Gehen und Sitzen verrichtet worden. Das Heben und Tragen von Lasten sei zu keiner Zeit erforderlich gewesen. Es habe sich um eine Tätigkeit in Vollzeit (regelmäßig 35 Stunden/Woche) gehandelt. Das Vorhandensein äußerer Einflüsse und sonstiger Besonderheiten sowie das Fahren von Kraftfahrzeugen wurde verneint.

Mit Schreiben vom 15.12.2015 bat die Beklagte den Kläger um Vorlage des der Beschäftigung zugrundeliegenden Arbeitsvertrags. Sie führte aus, im Rahmen eines routinemäßigen Fallaufgriffs seien Begleitumstände aufgefallen, die eine Überprüfung des rechtmäßigen Zustandekommens des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich machten. Bis zur abschließenden Prüfung könne keine weitere Krankengeldzahlung mehr erfolgen. Hierauf legte der Kläger der Beklagten ein an ihn gerichtetes Schreiben des P. vom 17.12.2015 vor, wonach ihm dieser untersagte, der Beklagten oder dem Jobcenter Sch.-B.-Kreis Auskünfte über das Arbeitsverhältnis oder den Inhalt des Arbeitsvertrags zu erteilen. Bereits am 16.12.2015 hatte der Kläger der Beklagten in einem Telefongespräch mitgeteilt, dass er bei P. im Garten arbeite und sich um den Haushalt und dessen Leben kümmere.

Mit Bescheid vom 28.12.2015 stellte die Beklagte das Ende der Krankgengeldzahlung fest. Sie begründete dies mit der Nichtvorlage des Arbeitsvertrags und einer Tätigkeitsbeschreibung.

Hiergegen erhob der Kläger am 21.01.2016 Widerspruch.

Bereits am 18.01.2016 hatte der Kläger beim Sozialgericht Reutlingen (SG) den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Zahlung von Krankengeld beantragt (S 6 KR 160/16 ER) und in diesem Zusammenhang den mit P. geschlossenen Arbeitsvertrag vom 27.03. (ohne Jahreszahl) vorgelegt. Mit Beschluss vom 21.03.2016 lehnte das SG den Antrag ab. Ein Anspruch auf Krankengeld bestehe nicht, da ein Beschäftigungsverhältnis nicht wirksam zustande gekommen sei. Es bestehe der Verdacht auf Manipulationen zu Lasten der Beklagten. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landessozialgericht Baden-Württemberg ((LSG); L 11 KR 1485/16 ER-B) mit Beschluss vom 04.07.2016 zurück. Das LSG führte aus, dass es wie das SG davon ausgehe, dass der Kläger mangels eines wirksamen Beschäftigungsverhältnisses über die hier allein in Betracht kommende obligatorische Anschlussversicherung nach § 188 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) nicht mit Anspruch auf Krankengeld freiwillig versichert sei.

Am 11.02.2016 legte der Kläger der Beklagten den Arbeitsvertrag, ergänzt mit der Jahreszahl 2015, vor. Nach dem Arbeitsvertrag wurde er ab 01.04.2015 befristet bis voraussichtlich 31.12.2016 als Projekt-Manager zu einem Bruttoentgelt von 4.600,00 EUR bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 35 Stunden eingestellt. Ausweislich des Arbeitsvertrags ist der Arbeitgeber auch berechtigt, dem Mitarbeiter bei gleichbleibender Vergütung vorübergehend oder dauerhaft auch andere, seinen Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechende oder ggf. auch weniger qualifizierte Tätigkeiten zuzuweisen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis mit P. fingiert, um missbräuchlich Leistungen in Form der Krankengeldzahlungen zu erhalten.

Am 24.03.2016 hat der Kläger Klage beim SG erhoben und zur Begründung vorgetragen, er und P. hätten das Arbeitsverhältnis nicht vorgetäuscht. P., der über 4.000,00 EUR netto verdient habe, habe aufgrund eigener Erfahrung und länger andauernder Erkrankung (Depressionen und posttraumatische Störungen) schon einige Zeit vor, sich nach dem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis bei der Firma S. (am 30.06.2016) gemeinnützig zu betätigen. Im Zusammenhang mit dem Ausscheiden werde er von seinem Arbeitgeber eine erhebliche Sozialabfindung (zzgl. Freistellungsvergütung 261.000,00 EUR) erhalten. Mit einem Teil der Abfindung wolle er einen gemeinnützigen Verein oder eine gemeinnützige GmbH gründen, der bzw. die die Lebensgestaltung von im Leben benachteiligten oder sexuell missbrauchten Menschen erleichtern solle. Im Vorfeld habe P. den Entschluss gefasst, ihn, den Kläger, mit den Vorarbeiten zu betrauen. Er sei dazu bereit gewesen, da er unbedingt wieder habe arbeiten wollen. Ab dem 20.12.2014 sei er wieder arbeitsfähig gewesen. Aufgrund seiner umfangreichen Erfahrung als Inhaber und Geschäftsführer verschiedener Firmen sowie als Teamleiter sei er für die Tätigkeit auch geeignet gewesen. Nach Auffassung des P. habe "alles gepasst". Vorgeschaltet gewesen sei dann ein Termin beim Jobcenter in V.-Sch., bei dem P. einen Eingliederungszuschuss für ihn, den Kläger, beantragt habe. Man habe sich dann auf den Arbeitsvertrag geeinigt und ihn in der Praxis umgesetzt. P. sei seinen Arbeitgeberpflichten nachgekommen (Arbeitsvertrag, Anmeldung des Klägers bei der Sozialversicherung sowie des Betriebs bei der Berufsgenossenschaft, Bezahlung des Gehalts und Abführung der Sozialversicherungsbeiträge). Er, der Kläger, habe die notwendigen Leistungen erbracht, ab 07.04.2015 habe er tatsächlich gearbeitet; ein zunächst geplanter früherer Start sei wegen Erkrankung des P. verschoben worden. Er habe teilweise in V.-Sch. in seinem Home-Office gearbeitet, teilweise habe er P. in K. aufgesucht und ihm in Projektbesprechungen die Einzelheiten vorgestellt und erläutert. Dabei sei es um die Ermittlung des Finanzierungsbedarfs, die Erarbeitung von Finanzierungsmöglichkeiten bis hin zu Refinanzierungsmöglichkeiten durch Veranstaltungen, Bewerbung von Zielgruppen, Örtlichkeiten für durchzuführende Veranstaltungen und die Sondierung von Sicherheitsmaßnahmen gegangen. Es hätten auch Vorgespräche über die Errichtung von Geschäftskonten, Zuschussmöglichkeiten durch das Land Baden-Württemberg und die mögliche Gestaltung als Gesellschaft oder Verein und die Möglichkeiten des Geschäftsaufbaus sowie Gespräche über Werbemittel und die Gestaltung des Internetauftritts mit dem Graphik-Designer stattgefunden. Am 24.04.2015 habe er einen Termin beim Jobcenter vorbereitet, den er für P. wahrnehmen sollte. Mit P. habe er auch Besprechungen wegen des Eingliederungszuschusses durchgeführt. Mit den Aktivitäten habe er tragfähige Strukturen schaffen und Kontakte herstellen sollen, damit ab 01.07.2016 mit der Umsetzung des gemeinnützigen Objektes in die Praxis hätte begonnen werden können. Infolge einer Depression, die durch eine erhebliche Konfliktsituation im familiären Bereich ausgelöst worden sei, sei er Mitte Mai 2015 erneut arbeitsunfähig geworden. Dies sei Ende 2014 nicht vorauszusehen gewesen. Vorab erkundigt habe er sich bei der Beklagten nur deshalb, weil er einen Kassenwechsel erwogen habe. P. sei auch in der Lage gewesen, ihm das Gehalt zu zahlen. Er habe über Geldmittel von nahezu 200.00,00 EUR verfügt. Bei einer Kalkulation von 21 Monaten (zunächst befristeter Arbeitsvertrag) à 5.600,00 EUR brutto hätte er rund 118.000,00 EUR bezahlen müssen, so dass ihm immer noch ca. 80.527,00 EUR verblieben wären (auf die Berechnung Bl. 123 der SG-Akte wird insoweit verwiesen). Außerdem habe die Absicht und Hoffnung bestanden, dass er sich bald selbst trage. Im weiteren Verlauf hat der Kläger bezügl. der Geldmittel des P. ergänzend vorgetragen, dass P. eine Abfindungssumme von über 160.000,00 EUR und aus einem anderen rechtlichen Zusammenhang einen Betrag von ca. 22.500,00 EUR erhalten werde; eine gemeinnützige GmbH sei am 10.11.2016 beim Notariat R. gegründet worden. Zur Untermauerung seiner vorübergehenden Arbeitsfähigkeit und des Wiedereintritts der Arbeitsunfähigkeit hat der Kläger Atteste des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. W. vom 09.06.2016 sowie der Psychologischen Psychotherapeutin B.-H. vom 25.08.2015 vorgelegt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.

Das SG hat den Entlassungsbericht der L. Bad D. über die stationäre Rehabilitationsmaßnahme des Klägers vom 01.03. bis 05.04.2016 beigezogen (Diagnosen: rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome; Zustand nach Infekt der oberen Luftwege/CK Erhöhung und Leberwerterhöhung). Seinen Arbeitsplatz hat der Kläger ausweislich des Berichts u.a. wie folgt beschrieben: Projekt- und Objektanalyse, statistischer Aufbau und Betreuung des Projekts "Recovery", Organisation (Büro, Schriftverkehr, Terminplanung), Öffentlichkeitsarbeit, Werbung, private Serviceleistungen für seinen Arbeitgeber, Analysen von sozialen Leistungsträgern. Er sei in Vollzeit in temperierten Räumen beschäftigt. Bei der Arbeit sei er Lärm, beruflichen PKW-Fahrten, Mitarbeiterführung, Bildschirmarbeit und langen Anfahrtszeiten ausgesetzt; zu 80 % verrichte er die Tätigkeit im Raum V.-Sch., er fahre durchschnittlich nur einmal pro Woche nach K ... Außerdem hat das SG die nicht rechtskräftigen Strafbefehlsanträge der Staatsanwaltschaft K. an das Amtsgericht V.-Sch. vom 25.11.2016 (gemeinschaftlicher tateinheitlicher Betrug durch den Kläger bzw. P.) zur Akte genommen (6 Cs 34 Js 2 /16).

Das SG hat am 17.07.2017 eine mündliche Verhandlung durchgeführt und hierbei den Kläger angehört und P. als Zeugen einvernommen. P. gab an, dass er eine Abfindung in der Größenordnung von 180.00,00 EUR erwartet habe. Seit Oktober 2016 sei er selbst bei Frau S. E., (richtig W.) die ebenfalls depressiv sei und ähnliche Dienstleistungen wie er selbst benötige, angestellt; vom 01.12.2015 bis 31.12.2016 habe er - wie schon im Jahr 2012 - seine Sohn K. P., der Gaphikdesigner sei, angestellt gehabt; wegen der weiteren Einzelheiten der Anhörung und der Einvernahme wird auf Bl. 119/121 der SG-Akte verwiesen.

Mit Urteil vom 17.07.2017 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei nicht zu einer freiwilligen Versicherung des Klägers mit Anspruch auf Krankengeld gekommen. Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ab 01.04.2015 zwischen dem Kläger und P. sei nicht begründet worden. Die wesentlichen Merkmale einer Beschäftigung gemäß § 7 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) fehlten. Die gemeinsamen Aktivitäten des Klägers und P.`s entsprächen nicht einer fremdbestimmten Arbeit im Interesse des P. Vielmehr hätten der Kläger und P. den Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses für ihre gegenseitigen Beziehungen lediglich deshalb gewählt, um den Kläger für den Krankheitsfall abzusichern. Der Kläger sei nicht, und schon gar nicht vollschichtig, in den "Betrieb" des P. eingegliedert gewesen. Aus der Akte S 2 AS 1888/15 des SG ergebe sich, dass der Kläger aus ärztlicher Sicht auch gar nicht für fähig gehalten worden sei, vollschichtig zu arbeiten. Hieraus folgend entspreche auch die Beschreibung der entfalteten Aktivitäten nicht einer vollschichtigen Tätigkeit. Hinzu komme, dass es wirtschaftlich keinen Sinn gebe, den Kläger bereits bei der Vorbereitung des Projekts als Projektmanager zu einem monatlichen Gehalt oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze einzustellen. Abgesehen davon schließe es, so das SG begründend weiter, auch aus, dass P. die Absicht gehabt habe, das Arbeitsentgelt des Klägers bis 31.12.2016 aus eigener Tasche zu zahlen. Er habe sich im Arbeitsvertrag vorbehalten, den Vertrag zu beenden, sofern seine finanziellen Mittel nicht mehr ausreichten. Außerdem habe der Kläger beim Jobcenter angegeben, der Abschluss des Arbeitsvertrags hänge von der Genehmigung eines Eingliederungszuschusses ab. Auch dieser Umstand spreche dafür, dass der Kläger und P. die Form des Arbeitsvertrags gewählt hätten, um in den Genuss von Zahlungen verschiedener Leistungsträger zu kommen. Nachdem der Eingliederungszuschuss abgelehnt worden sei, habe der Kläger nur sechs Wochen "gearbeitet", bevor er arbeitsunfähig geschrieben worden sei. Eindeutiger Beleg dafür, dass es dem Kläger darum gegangen sei, die Voraussetzungen für einen Krankengeldanspruch zu schaffen, sei auch seine bereits im Januar 2015 bei der Beklagten erfolgte Nachfrage nach der Höhe des Krankengelds. Aufgrund des gemeinsamen Klinikaufenthalts sei P. das Krankheitsbild des Klägers auch sehr gut bekannt gewesen. Letztlich habe der Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, dass kein "normales" Arbeitsverhältnis vorgelegen habe. Zur Überzeugung des Gerichts stehe somit fest, dass ein missbräuchliches Verhalten vorliege, das nicht zur Anerkennung eines Beschäftigungsverhältnisses führe.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 14.08.2017 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12.09.2017 Berufung eingelegt. Unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens hat er zur Begründung zunächst ergänzend vorgetragen, dass er im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses auf Anweisungen des P. die Tätigkeiten ausgeübt habe, die P. gewünscht bzw. vorgegeben habe. Anhaltspunkte für ein missbräuchliches Verhalten oder eine Manipulation gebe es nicht. Darauf ob er vollschichtig tätig gewesen sei oder nicht, komme es nicht an. Ebenso irrelevant sei, ob der Einsatz des Geldes von P. wirtschaftlich sinnvoll gewesen sei. Im Übrigen sei er (und auch P.) vom Amtsgericht V.-Sch. vom Vorwurf des Betrugs freigesprochen worden.

Nachdem eine Übersendung der Strafakten zunächst nicht möglich war, hat der Senat auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten durch Beschluss vom 12.06.2018 das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Nachdem die Akte 6 Cs 34 Js 2 /16 dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (dem 9. Senat zum Az.: L 9 AS 865/16) vorgelegt worden ist, hat der Kläger am 14.12.2018 das Verfahren wieder angerufen.

Er trägt weiter vor, dass er bei Aufnahme der Tätigkeit nicht nur arbeitsfähig, sondern auch arbeitswillig gewesen sei. Er habe tatsächlich gearbeitet. Dies könne zum einen sowohl Dr. W. als auch seine Psychotherapeutin B.-H. und zum anderen die Lebensgefährtin des P., Frau W., und dessen Sohn K. P. bestätigen. P. habe zum Zeitpunkt der Arbeitsaufnahme über liquide Geldmittel i.H.v. ca. 280.000,00 EUR verfügt und die beabsichtigte gemeinnützige gGmbH mittlerweile auch gegründet. Geplant gewesen sei die Arbeitsaufnahme seinerseits schon am 01.02.2015. Nachdem die Sachbearbeiter beim sozialrechtlichen Leistungsträger nicht gewusst hätten, dass auch ein Privathaushalt einen sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer einstellen könne, habe sich der Beginn des Arbeitsverhältnisses auf den 01.04.2015 verschoben. Tatsächlich sei das Arbeitsverhältnis aber schon zuvor praktiziert worden. Dass P. im Zusammenhang mit der Beantragung des Eingliederungszuschusses eine andere Begründung hinsichtlich der von ihm zu verrichtenden Tätigkeiten abgegeben habe, beruhe auf dessen mangelnder Kenntnis und darauf, dass er keine sachgerechte Beratung erfahren habe. Zu einem späteren Zeitpunkt habe er die Einzelheiten dann aber geklärt und richtig gestellt. Die Anmietung einer größeren Wohnung sei auch nur deshalb erfolgt, weil er ein Arbeitsverhältnis gehabt habe.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 17.07.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Krankengeld über den 18.12.2015 hinaus bis zum 14.11.2016 in gesetzlicher Höhe zu gewähren,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Berufung entgegengetreten. Wie das SG im angefochtenen Urteil zu Recht ausgeführt habe, sei ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht begründet worden. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die zwischen dem Kläger und P. abgesprochenen Tätigkeiten ernsthaft im Rahmen einer gegenseitigen rechtlichen Verpflichtung ausgeübt worden seien. Auf Anfrage des Senats hat die Beklagte mitgeteilt, dass der Leistungsanspruch am 14.11.2016 erschöpft wäre, sich das Krankengeld des Klägers auf 79,07 EUR täglich brutto und 69,56 EUR täglich netto belaufe und dass der Kläger Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen bis zum 18.12.2017 (lückenlos) vorgelegt habe.

Der Senat hat eine Kopie der Akte 6 Cs 34 Js 2 /16 zur Akte genommen und die Akte des LSG L 9 AS 865/16 zur Einsicht beigezogen. Aus letztgenannter Akte hat der Senat den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe (S 15 AS 3158/15), mit dem die Klage des P. auf Gewährung eines Eingliederungszuschusses für den Kläger abgewiesen wurde, kopiert und ebenfalls zur Akte genommen.

In einem am 27.06.2019 durchgeführten Erörterungstermin hat der Kläger, der, nachdem er im Anschluss an den Krankengeldbezug zunächst wieder Leistungen nach dem SGB II bezogen hatte, seit 01.04.2017 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch bezieht, noch einmal betont, dass erneut aufgetretene familienrechtliche Probleme zu seiner neuerlichen Arbeitsunfähigkeit im Mai 2015 geführt hätten. P. habe eine Abfindung i.H.v. 231.000,00 EUR erhalten.

In der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020 hat der Senat den in die Sitzung gestellten Zeugen P. als Zeugen gehört. Wegen des Inhalts der Zeugenaussage wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG, die Vorprozessakte des LSG L 11 KR 1485/16 ER-B und die Akte des Senats sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22.01.2020 verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; der erforderliche Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750,00 EUR) ist bei mit der Berufung begehrtem Krankengeld für die Zeit vom 19.12.2015 bis 14.11.2016 i.H.v. kalendertäglich 69,56 EUR netto überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig. Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Bescheid vom 28.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.02.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Krankengeld über den 18.12.2015 hinaus (bis zum 14.11.2016).

Nach § 44 Abs. 1 SGB V in der seit 01.01.2009 unverändert geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG) vom 26.03.2007 (BGBl. I, S. 378) haben "Versicherte" Anspruch auf Krankengeld, wenn die Krankheit sie arbeitsunfähig macht oder sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus, einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden. Für den geltend gemachten Krankengeldanspruch ist dabei an den jeweils in Betracht kommenden Entstehenstatbestand anzuknüpfen. Das in diesem Zeitpunkt vorliegende Versicherungsverhältnis bestimmt, ob und in welchem Umfang der "Versicherte" Krankengeld beanspruchen kann (ständige Rechtsprechung, z.B. BSG, Urteil 11.05.2017 - B 3 KR 22/15 R -, in juris, Rn. 15; BSG, Urteil 16.12.2014 - B 1 KR 25/14 R -, in juris, Rn. 9; BSG, Urteil 16.12.2014 - B 1 KR 37/14 R -, in juris, Rn. 8; jeweils m.w.N.).

Zutreffend geht das SG davon aus, dass dem Kläger ein Anspruch auf Krankengeld nach § 44 Abs. 1 SGB V nur zusteht, wenn er bei Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 18.05.2015 in einem die Krankenversicherungspflicht begründenden Beschäftigungsverhältnis gem. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V gestanden hat. Das bis 31.03.2015 bestehende Versicherungsverhältnis als Bezieher von Leistungen nach dem SGB II und eine sich daran anschließende obligatorische Weiterversicherung gem. § 188 Abs. 4 SGB V vermögen keine Berechtigung zum Bezug von Krankengeld zu begründen, wie sich aus §§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, 188 Abs. 4, 44 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB V ergibt.

Wie das SG in seinem Urteil vom 17.07.2017 ebenfalls zutreffend dargelegt hat, kommt es darauf an, ob der Kläger und P. ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V bzw. § 7 Abs. 1 SGB IV begründet haben.

Hiervon vermochte sich der Senat nicht zu überzeugen. Dass durch den Arbeitsvertrag mit P. ein entgeltliches Beschäftigungsverhältnis i.S.d. § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V begründet worden ist, vermochte der Kläger nicht nachzuweisen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 19.09.2019 - B 12 R 25/18 R - sowie vom 07.06.2019 - B 12 R 6/18 R -, jew. m.w.N., beide in juris). Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht (BSG, Urteil vom 19.09.2019 - B 12 R 25/18 R - und Urteil vom 08.08.1990 - 11 RAr 77/89 -, beide in juris). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 29.08.2012 - B 12 KR 25/10 R -, in juris).

Ob ein Beschäftigungsverhältnis begründet wurde, richtet sich nicht nur nach den Angaben oder Erklärungen der Betroffenen, sondern danach, ob die tatsächlichen Verhältnisse insgesamt den Schluss auf die ernstliche Absicht rechtfertigen, die mit einer Tätigkeit in einem Arbeitsverhältnis verbundenen gegenseitigen rechtlichen Verpflichtungen einzugehen. Ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ist abgesehen von den Fällen einer rechtlich unverbindlichen familienhaften Mithilfe, einer selbstständigen Tätigkeit oder einer geringfügigen Beschäftigung insbesondere dann zu verneinen, wenn ein Scheingeschäft vorliegt, mit dem ein Beschäftigungsverhältnis lediglich vorgetäuscht werden soll, um Leistungen der Krankenversicherung zu erlangen. Versicherungspflicht tritt ferner nicht ein, wenn ein Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis von vornherein mit der Absicht eingeht, die Tätigkeit unter Berufung auf die ihm bekannte Arbeitsunfähigkeit nicht anzutreten oder alsbald wieder aufzugeben. Legen die Umstände des Falles ein missbräuchliches Verhalten oder eine Manipulation zu Lasten der Krankenkasse nahe, so bedarf es einer sorgfältigen Aufklärung dieser Umstände und der von den Arbeitsvertragsparteien wirklich verfolgten Absichten. Soweit sich die Tatsachengrundlage objektiv nicht aufklären lässt, trägt derjenige den rechtlichen Nachteil, der sich auf sie beruft (BSG, Urteil vom 29.09.1998 - B 1 KR 10/96 R -, in juris).

In Anwendung dieser Grundsätze liegt ein Scheingeschäft im Sinne von § 117 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) hier nicht vor. Ein Scheinarbeitsverhältnis in diesem Sinn ist nämlich nur gegeben, wenn der Arbeitsvertrag nur zum Schein geschlossen wurde, um einer Person Zugang zur gesetzlichen Renten- oder Krankenversicherung zu ermöglichen. Dies ist etwa dann der Fall, wenn die Vertragsparteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen wollen, die mit dem Vertrag verbundenen Rechtswirkungen jedoch nicht eintreten lassen wollen (BSG, Urteil vom 24.01.1995 - 8 Rkn 3/93 -, in juris). Im vorliegenden Fall aber sind der Kläger und P. durchaus daran interessiert gewesen, einen wirksamen Arbeitsvertrag zu begründen, mit dessen Hilfe auch ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis begründet werden sollte.

Allein das Vorliegen eines Arbeitsvertrags genügt zur Begründung des Anspruchs auf Krankengeld jedoch nicht. Durch den Arbeitsvertrag muss darüber hinaus ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V begründet worden sein. Dafür genügt es nicht, dass die Beschäftigung ernstlich vereinbart und entlohnt worden ist. Die Annahme eines Beschäftigungsverhältnisses darf nicht nur bei einem Beschäftigungsverhältnis zwischen Ehegatten, sondern auch wie hier vorliegend zwischen Bekannten, zusätzlich davon abhängig gemacht werden, dass die Beschäftigung auch tatsächlich im vereinbarten - vollschichtigen - Umfang ausgeübt (erfüllt) worden ist (Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 07.05.1995 – 2 BvR 802/90 -, in juris zum Steuerrecht im Zusammenhang mit einem Beschäftigungsverhältnis zwischen Ehegatten). Dies ist zur Überzeugung des Senats hier nicht nachgewiesen. Der Senat verkennt insoweit nicht, dass Dr. W. als letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit des Klägers den 20.11.2014 angegeben hat und auch die Psychotherapeutin B.-H. von wiedereingetretener Arbeitsfähigkeit ausgegangen ist, der Kläger mithin wieder vollschichtig hätte arbeiten können. Der Senat ist aber davon überzeugt, dass der Kläger ab dem 01.04.2015 zu keinem Zeitpunkt vollschichtig gearbeitet hat. Dies belegen die Angaben des Klägers zu seinen Tätigkeiten, die entgegen des geschlossenen Arbeitsvertrags auch nicht ab 01.04.2015, sondern erst ab 07.04.2015 durchgeführt wurden. Die Beschreibung der Tätigkeiten entspricht – worauf bereits das SG hingewiesen hat – nicht einer vollschichtigen Tätigkeit.

Ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis ab 01.04.2015 ist aber unabhängig davon auch aus einem anderen Grund nicht begründet worden. Denn nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 29.09.1998 - B 1 KR 10/06 R -, in juris) tritt Versicherungspflicht ferner nicht ein, wenn die Umstände des Falles ein missbräuchliches Verhalten oder eine Manipulation zu Lasten der Krankenkasse nahelegen. Beispiele hierfür sind u.a., wenn ein Arbeitnehmer ein Arbeitsverhältnis von vornherein mit der Absicht eingeht, die Tätigkeit unter Berufung auf die ihm bekannte Arbeitsunfähigkeit nicht anzutreten oder alsbald wieder aufzugeben. Liegen weitere Umstände vor, etwa eine familiäre oder verwandtschaftliche Beziehung zwischen den Arbeitsvertragsparteien, das Fehlen eines schriftlichen Arbeitsvertrags, eine offensichtlich vom üblichen Rahmen abweichende Lohnhöhe, der Verlust eines anderweitigen Versicherungsschutzes oder eine rückwirkende Anmeldung bei der Krankenkasse nach zwischenzeitlichem Auftreten einer kostenaufwändigen Erkrankung, kann von einer Versicherungspflicht nur ausgegangen werden, wenn weitere Tatsachen diese Verdachtsmomente entkräften.

Im vorliegenden Fall liegen gravierende und nicht hinreichend entkräftete Verdachtsmomente vor, die nahelegen, dass hier eine Manipulation zu Lasten der Krankenkasse vorgenommen werden sollte. Dies ergibt sich aus Folgendem:

• Nachdem sich der Kläger, der mindestens seit dem Jahr 2013 an Depressionen litt, und P. im Herbst 2014 bei einem gemeinsam absolvierten psychiatrischen Krankenhausaufenthalt kennengelernt hatten und ein zukünftiges Beschäftigungsverhältnis vereinbart haben wollen, fragte der Kläger zeitnah nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus im Dezember 2014/Januar 2015 bei der Beklagten mehrfach telefonisch wegen der Höhe der Beitragsbemessungsgrenze und der Höhe des Krankengeldes bei einer möglichen Arbeitsaufnahme nach. Er erkundigte sich hierbei auch danach, was passiere, wenn er im Januar eine Beschäftigung beginne und diese nach sechs bis acht Monaten wegen seiner psychischen Erkrankung wieder einstellen müsse. Am 20.01.2015 beantragte P. bei dem Jobcenter Schwarzwald-Baar-Kreis für eine Tätigkeit des Klägers einen Eingliederungszuschuss, der mit Bescheid vom 18.05.2015 abgelehnt wurde. Zuvor hatte der Kläger gegenüber dem Jobcenter Sch.-B.-Kreis angegeben, dass der Abschluss des Arbeitsvertrags von der Genehmigung eines Eingliederungszuschusses abhänge. Die behauptete Tätigkeit dauerte dann nur vom 07.04.2015 bis 17.05.2015. Ab 18.05.2015 war er arbeitsunfähig. Aufgrund der sechswöchigen Beschäftigungsdauer konnte der Kläger Lohnfortzahlung geltend machen (§ 3 Abs. 3 Entgeltfortzahlungsgesetz - vier Wochen -), was nach § 44 Abs. 2 Nr. 3 SGB V Voraussetzung für den Anspruch auf Krankengeld ist. Die geleistete Lohnfortzahlung wurde P. in der Folge von der Beklagten in Höhe von 70 % erstattet. Diese Zusammenhänge waren dem Kläger und P. offensichtlich bewusst. Nach diesem Ablauf scheint die Form des Arbeitsvertrags gewählt worden zu sein, um in den Genuss von Zahlungen verschiedener Leistungsträger zu kommen. Als Indiz dafür kann auch herangezogen werden, dass bei P. - was auch bei seiner Zeugeneinvernahme vor dem Senat zu Tage trat - offensichtlich eine negative und problembehaftete Einstellung gegenüber sozialen Leistungsträgern vorherrscht.

• Hinzukommt, dass sich der Kläger und auch P. in der Folge der Beklagten gegenüber weigerten, den Arbeitsvertrag vorzulegen bzw. Auskunft über den Inhalt des Arbeitsvertrags zu erteilen. Vorgelegt wurde der Arbeitsvertrag vom 27.03., der zunächst keine Jahreszahl trug, dem SG erst während des Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes im Jahr 2016.

• Unklar bleibt auch, welche Tätigkeit der Kläger tatsächlich verrichten sollte. Nach dem Arbeitsvertrag wurde der Kläger ab 01.04.2015 als "Projektmanager" eingestellt. Im Zusammenhang mit der Gewährung des Eingliederungszuschusses hat P. gegenüber dem Sozialgericht Karlsruhe (S 15 AS 3158/15) geltend gemacht, er benötige eine Person mit einem sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis in seinem Haushalt zum Erledigen persönlicher Angelegenheiten (Wäschewaschen, Bepflanzung des Gartens etc.). Der Berufsgenossenschaft gegenüber hat P. den Kläger am 18.05.2015 für eine Tätigkeit im Privathaushalt als "persönlicher Assistent/Projektleiter für meine Schonung. Zum Zwecke der Wiederherstellung meiner Arbeitsfähigkeit (Projektrecovery)" angemeldet. Bei seiner Vernehmung vor dem Amtsgericht V.-Sch. gab P. u.a. an, der Kläger hätte seine Abfindung, von der er auf Dauer nicht leben könne, vermehren sollen. Er habe ihm z.B. im Garten geholfen und alles für ihn getan, wozu er durch den Ausfall seiner Gesundheit nicht in der Lage gewesen sei. Der Kläger selbst hat der Beklagten gegenüber ausweislich eines Aktenvermerks am 16.12.2015 telefonisch angegeben, dass er im Garten und im Haushalt arbeite und sich um das Leben von P. kümmere. Auf der anderen Seite gab der Kläger in seinem Verfahren beim SG (S 2 AS 1888/15) an, dass er eine Wohnung mit Arbeitszimmer/Homeoffice benötige, was Voraussetzung für die Zusage des Arbeitsplatzes gewesen sei. In der von der Beklagten angeforderten Arbeitsplatzbeschreibung beschrieb er seine Tätigkeit als eine solche ohne Heben und Tragen von Lasten. All dies berücksichtigend erscheint eine Tätigkeit des Klägers im Haushalt von P. schon angesichts der Entfernung zwischen V.-Sch. (Wohnort des Klägers) und K. (Wohnort von P.) von rund 160 km nicht ansatzweise plausibel. Gegen eine Tätigkeit im Garten spricht auch, dass P. eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus bewohnte. Die Wohnung verfügte zwar über einen Gartenanteil, nach den in den strafrechtlichen Akten befindlichen Photographien dürfte der zeitliche Aufwand insoweit aber gering gewesen sein. Sowohl bei einer Tätigkeit im Haushalt als auch im Garten dürfte auch das Heben und Tragen von Lasten nicht zu vermeiden sein. Zweifel an der Vereinbarung einer Tätigkeit im Haushalt/Garten kommen auch deshalb auf, weil mit einer solchen Tätigkeit ein Bruttogehalt von 4.600,00 EUR nicht vereinbar wäre. Bezüglich einer Tätigkeit im Projektmanagement waren die Angaben zu den beabsichtigten Projekten nicht einheitlich. Die vorgelegte Übersicht über die vom Kläger im April und Mai 2015 verrichteten Tätigkeiten ist eine Aufzählung von Besprechungen zwischen dem Kläger und P. und über vom Kläger durchgeführte Internetrecherchen. Im Übrigen erschließt sich dem Senat auch nicht die Sinnhaftigkeit dieser Tätigkeiten im April/Mai 2015 im Hinblick auf eine erst im Sommer des Folgejahres geplante Gründung einer GmbH bzw. eines Vereins. Sie wären zu diesem Zeitpunkt bereits wieder "überholt" gewesen.

• Nicht nachvollziehbar ist dem Senat auch die Höhe des Gehalts für die vom Kläger zu verrichtenden Tätigkeiten, nachdem der Kläger als Projektmanager nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen letztmals im Jahr 2012 tätig war und er zuvor vom 01.10.2012 bis 31.03.2015 Arbeitslosengeld II bezog. Unklar ist dem Senat auch, wie eine solche Gehaltshöhe von P. im Jahr 2015 finanziert werden sollte, nachdem P. selbst nach den nunmehrigen Angaben im am 27.06.2019 durchgeführten Erörterungstermin zum damaligen Zeitpunkt nur über ein Gehalt in Höhe von 4.830,86 EUR netto verfügte und Abfindungszahlungen erst für das Jahr 2016 im Raum standen. Außerdem ergibt sich aus den Akten, dass auch P. zuvor in der Zeit vom 01.12.2011 bis 31.05.2012 Arbeitslosengeld II bezog und Streit wegen einer teilweisen Rückforderung dieser Leistungen bestand. Auch mit einem Kontokorrent in Höhe von 15.000,00 EUR hätte er sich Gehaltszahlungen in dieser Höhe nicht leisten können. Nicht im Einklang mit den nunmehrigen Angaben steht auch, dass P. vor dem Amtsgericht V.-Sch. am 23.08.2017 angegeben hatte, dass er selbst in der Zeit, in der der Kläger für ihn gearbeitet habe, Krankengeld in Höhe von 2.200,00 EUR erhalten habe. Augenblicklich sei, so P. dort weiter, nicht geklärt, ob er ALG I oder ALG II erhalten werde, derzeit beziehe er ALG II und habe Schulden in Höhe von ca. 35.000,00 EUR. Insbesondere Letzteres lässt den Schluss zu, dass die Abfindungszahlungen nicht für die Finanzierung des Gehalts des Klägers zur Verfügung gestanden haben. Bei der Vernehmung durch den Senat bestätigte P., dass er seit 01.04.2017 entweder Arbeitslosengeld I oder Arbeitslosengeld II bezieht.

• Bei P. handelte es sich zudem nicht um einen fremden Arbeitgeber, sondern um einen Bekannten. Kennengelernt haben sich der Kläger und P. während eines stationären Krankenhausaufenthalts, bei dem sie das Zimmer teilten. Dass ein fremder Arbeitgeber den Kläger für die nach den Angaben der Beteiligten verrichteten Tätigkeiten eingestellt hätte, ist höchst unwahrscheinlich. Allein die Bekanntschaft dürfte hierfür maßgeblich gewesen sein. Auffällig ist zudem das prozessuale Gebaren des Klägers und von P. P. hat sich, obgleich er nicht am Verfahren beteiligt ist und auch nicht zu beteiligen war, da die Voraussetzungen für eine Beiladung nach § 75 SGG nicht vorliegen, immer wieder ins Verfahren eingeschaltet und dem Kläger zunächst auch die Vorlage des Arbeitsvertrags untersagt. Im Gegenzug war der Kläger stets über die Verfahren des P. vor dem Sozialgericht Karlsruhe genauestens unterrichtet. Er legte sogar Kopien entsprechenden Schriftverkehrs vor.

• Zum Zeitpunkt der nach dem Arbeitsvertrag erfolgten Arbeitsaufnahme bei P. am 01.04.2015 verfügte der Kläger des Weiteren über keinen Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld. Im Hinblick auf die seit 2013 bestehende Depression hinsichtlich derer unklar war, wann sie wieder zur Arbeitsunfähigkeit führen wird, bestand ein Bedürfnis für einen Krankenversicherungsschutz mit Anspruch auf Krankengeld.

• Entgegen der Angabe im Arbeitsvertrag hat der Kläger die Tätigkeit nach seiner Aufstellung auch erst am 07.04.2015 aufgenommen. Auswirkungen auf die Gehaltszahlung hatte dies jedoch nicht. Auf der anderen Seite hat der Kläger zuletzt auch angegeben, dass das Arbeitsverhältnis schon vor dem 01.04.2015 praktiziert worden sei. Beide Punkte stellen ein starkes Indiz dafür dar, dass die Tätigkeiten nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses verrichtet wurden. Hierfür spricht auch, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem SG selbst angab, dass kein "normales" Arbeitsverhältnis vorgelegen hätte.

• Finanziert werden sollte die Tätigkeit des Klägers über den Eingliederungszuschuss. Nachdem es insoweit Probleme gab, hat sich der Beginn der Arbeitsaufnahme auf den 01. bzw. 07.04.2015 verschoben. Beendet hat der Kläger die Tätigkeit nach sechs Wochen, zu diesem Zeitpunkt war ein Anspruch auf Lohnfortzahlung gerade entstanden. Die Lohnfortzahlung wurde P. in der Folge zu 70 % von der Beklagten erstattet.

• Besondere Bedeutung ist letztlich auch der Tatsache beizumessen, dass P. im weiteren Verlauf für eine ähnliche Tätigkeit wie der Kläger für ihn, selbst bei seiner Lebensgefährtin angestellt wurde. Im Streit war nach Beendigung der Anstellung ausweislich der Angaben des P. in der öffentlichen Sitzung des Amtsgerichts V.-Sch. vom 23.08.2017 insoweit, ob er, P., Anspruch auf Arbeitslosengeld I hat (vgl. Protokoll des Amtsgerichts V.-Sch. vom 23.08.2017). Begonnen wurde das Beschäftigungsverhältnis mit Frau W. zu einem Zeitpunkt als P. - wie bereits in der Vergangenheit - noch seinen Sohn beschäftigt hatte. Insoweit wurden jeweils auch Eingliederungszuschüsse beantragt. Dieses im Grunde identische Vorgehen in allen Fällen wertet der Senat als Indiz dafür, dass hier ein Modell praktiziert wurde, um Leistungen der Sozialleistungsträger zu generieren.

Aufgrund einer Gesamtabwägung aller hier genannten Umstände ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass das Verhalten insbesondere des P. aber auch des Klägers missbräuchlich war, sodass der Senat von einer Manipulation zu Lasten der Beklagten ausgeht.

Tatsachen, die die oben genannten Verdachtsmomente entkräften könnten, liegen nicht vor. Weder die im November 2016 erfolgte Gründung der gGmbH noch der Freispruch des Klägers und von P. vom Vorwurf des Betrugs durch das Amtsgericht V.-Sch. vermögen die genannten Verdachtsmomente zu entkräften. Abgesehen davon, dass die gGmbH zu keiner Zeit wirlich aktiv war und nunmehr schon längere Zeit, so P. in seiner Vernehmung vor dem Senat, ruht, gilt dies vor allem deshalb, weil eine eineinhalb Jahre nach der hier nach dem Vortrag der Beteiligten stattgefundene Tätigkeit des Klägers im April und Mai 2015 erfolgte Gründung einer gGmbH keinen Rückschluss auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis des Klägers ab April 2015 zulässt. Der Freispruch erfolgte, weil die Betrugsabsicht nicht nachweisbar war. Hierauf kommt es in diesem Verfahren nicht an.

Insgesamt begründen die oben genannten Umstände zur Überzeugung des Senats somit den Verdacht einer Manipulation zu Lasten der Beklagten. Deshalb sind an den Nachweis der Tatsachen, die Versicherungspflicht begründen, strenge Anforderungen zu stellen. Die Feststellungslast für die Tatsachen, die Versicherungspflicht begründen, trägt derjenige, der sich auf sie beruft (BSG, Urteil vom 04.12.1997- 12 RK 3/97 -, in juris). Die Nichterweislichkeit von Tatsachen geht zu Lasten des Klägers. Der Nachweis des Vorliegens eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses gelingt dem Kläger – wie ausgeführt – nicht.

Vor diesem Hintergrund war der Senat auch nicht verpflichtet, Dr. W. und die Psychotherapeutin B.-H. als Zeugen zu vernehmen. Diesem schriftsätzlichen Antrag des Klägers vom 10.12.2019, den dieser in der mündlichen Verhandlung bereits nicht mehr aufrechterhalten hat, musste der Senat nicht folgen. Es kann als wahr unterstellt werden, dass der Kläger am 01.04.2015 arbeitsfähig war. Auch an der Arbeitswilligkeit zweifelt der Senat nicht. Dasselbe gilt bzgl. der schriftsätzlich beantragten, in der mündlichen Verhandlung aber ebenfalls nicht mehr aufrechterhaltenen Vernehmung des K. P. und von Frau W ... Auch dazu, ob der Kläger die in der Aufstellung angegebene Tätigkeit erbracht hat, ist keine Vernehmung der genannten Personen erforderlich. Dass der Kläger in K. – nur dies könnten die genannten Personen bezeugen – P. Projekte vorgestellt hat und mit dem Sohn des P. in dessen Eigenschaft als Graphikdesigner gesprochen hat, unterstellt der Senat ebenfalls als wahr.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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