L 3 AS 2726/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 20 AS 1276/19
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 2726/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wenn außerhalb der Monatsfrist des § 87 Abs. 1 SGG Klage gegen einen Bescheid erhoben worden ist, sind prozessökonomische Gründe, die für eine Aussetzung des Gerichtsverfahrens zur Nachholung des Vorverfahrens analog § 114 SGG sprechen könnten, nicht gegeben.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 06.08.2019 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der im Jahr 1958 geborene Kläger steht beim Beklagten im Leistungsbezug. Der Beklagte lehnte zunächst mit Bescheid vom 24.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2017 die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II ab. Die hiergegen erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) Freiburg mit Urteil vom 13.04.2017 (S 19 AS 363/17) ab. Nachdem der Beklagte mit Bescheid vom 31.05.2017 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 409,00 EUR für die Zeit vom 01.05.2017 bis zum 30.04.2018 bewilligt hatte, wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg die gegen das Urteil des SG Freiburg erhobene und auf die Gewährung höherer Leistungen ab 01.05.2017 gerichtete Berufung mit Beschluss vom 21.08.2017 (L 3 AS 1822/17) zurück. Der Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 19.04.2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 416,00 EUR für die Zeit vom 01.05.2018 bis zum 31.12.2018 und monatlich 424,00 EUR für die Zeit vom 01.01.2019 bis zum 30.04.2019, sicherte mit Bescheid vom 04.10.2018 die Übernahme der Aufwendungen für den Umzug in eine neue Unterkunft in Höhe von 325,00 EUR zu und bewilligte mit Bescheid vom 12.04.2019 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 424,00 EUR für die Zeit vom 01.05.2019 bis zum 30.04.2020.

Der Kläger hat sich bereits am 22.03.2019 an das SG Freiburg gewandt und ausgeführt, "seit 2017 beziehe ich Hilfe zum Lebensunterhalt nach SGB Jobcenter die mir zustehende Mietzahlungen in Höhe von derzeit Kaltmiete 404 Euro wurden seit der Bewilligung ALG 2 durch das Jobcenter nicht geleistet verweigert solange man Bezieher in Obdachlosigkeit hält spart man Mietzahlungen diese Praxis wird von Jobcenter und Stadt absichtlich so gehalten reguliert dies ist Sozialbetrug ein Verstoß gegen Artikel 1 GG seit März 2017 bis dato belaufen sich die vorenthaltenen Mietzahlungen auf 10100 Euro das Jobcenter wird diesbezüglich zur sofortigen Begleichung der mir gesetzlich zustehenden Mietzahlungen aufgefordert überweisen Sie den Betrag umgehend auf mein Konto".

In seiner Klageerwiderung hat der Beklagte dargelegt, in der Sache dürfte es wohl um Schadensersatzansprüche gehen. Im Übrigen dürfte die Klage auch alternativ mangels durchgeführter Widerspruchsverfahren unzulässig sein. Die gegenüber dem Kläger ergangenen Bewilligungsbescheide seien zudem zwischenzeitlich bestandskräftig.

Auf die Bitte des SG Freiburg hin, klarzustellen was er genau mit der vorliegenden Klage begehre, hat der Kläger mit E-Mail vom 25.06.2019 ausgeführt, "Untätigkeit seitens der Jobcenter werte ich als Rechtsbeugung ! das willkürliche Vorenthalten von Mietzahlungen Sanktionen regulieren in Wohnungslosigkeit Obdachlosigkeit ein krimineller Akt der Behörde der Gesetzgebung ! die feudale klassenspezifische Arbeitsweise staatlicher Installationen muss für Beteiligte verständlich dargestellt werden ! erkennen Sie das eigennützige Unrecht und begleichen Sie umgehend meine Forderungen !"

Das SG Freiburg hat mit Gerichtsbescheid vom 06.08.2019 die Klage abgewiesen. Die Klage sei bereits unzulässig. Der Kläger habe trotz Aufforderung nicht dargelegt, gegen welchen Bescheid er habe Klage erheben wollen. Ein vor Klageerhebung durchzuführendes Widerspruchsverfahren sei ebenfalls nicht durchgeführt worden. Vielmehr seien alle erlassenen Bescheide bereits bestandskräftig.

Mit E-Mail vom 13.08.2019 hat der Kläger hiergegen Berufung zum LSG Baden-Württemberg erhoben. Er hat ausgeführt, "wie aus der Anzeige vom 22.03.2019 Sozialgericht Freiburg ersichtlich verweigert das Jobcenter nach der Rassensozialgesetzgebung zustehende Mietzahlungen in Höhe derzeit 404 Euro eine Stellungnahme seitens des Jobcenters liegt trotz mehrmaliger Anfrage bis dato nicht vor meine Klage ist zulässig ! die Klage richtet sich gg. die fehlenden Mietzahlungen in den bereits genehmigten Bewilligungsbescheiden wie bereits aus früher geführten Verfahren bekannt werden bei der Sozialjustiz Urteile unter Unterstellung falscher Tatsachen Verleumdungen und Lügen herbeigeführt ein Akt der Rechtsbeugung Justizwillkür Rechthaberei und Platzhirschgehabe die gravierende Rechtsverletzungen insbesondere Schwierigkeiten tatsächlicher und rechtlicher Art aufweisen überweisen Sie die geforderten Mietzahlungen umgehend auf mein Konto". Der Kläger hat sodann am 16.08.2019 seine mit seiner Unterschrift versehene E-Mail vom 25.06.2019 vorgelegt.

Der Kläger hat keinen Antrag gestellt.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Ausführungen des SG Freiburg im angegriffenen Gerichtsbescheid seien überzeugend.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte und auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist in nach § 123 SGG in Verbindung mit §§ 133, 157 BGB erfolgter Auslegung der gegenüber dem SG Freiburg und dem Senat abgegebenen Erklärungen des Klägers die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung für die Zeit seit März 2017 in Höhe von monatlich 404,00 EUR.

Die hierauf gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG in Verbindung mit § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG ist unzulässig.

Dem auf die Zeit vom 01.03.2017 bis zum 30.04.2017 gerichteten Begehren steht die Bestandskraft des Bescheides vom 24.01.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.02.2017 entgegen. Dieser Bescheid ist ausweislich des die Klage abweisenden Urteils vom 13.04.2017 (S 19 AS 363/17) und des die Berufung zurückweisenden Beschlusses vom 21.08.2017 (L 3 AS 1822/17) bestandskräftig geworden.

Für das auf die Zeit ab 01.05.2017 gerichtete Begehren fehlt es an dem vor Erhebung der Klage zwingend durchzuführenden Vorverfahren.

Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden (§ 54 Abs. 4 SGG). Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen (§ 78 Abs. 1 Satz 1 SGG). Das Vorverfahren beginnt mit der Erhebung des Widerspruchs (§ 83 SGG). Der Widerspruch ist binnen eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, bei der Stelle einzureichen, die den Verwaltungsakt erlassen hat (§ 84 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Vorliegend fehlt es an dem vor Erhebung der Anfechtungsklage durchzuführenden und mit einem Widerspruchsbescheid zum Abschluss zu bringenden Vorverfahren. Denn der Kläger hat gegen die, die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II und damit auch die (Nicht-) Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II für die Zeit vom 01.05.2017 bis zum 30.04.2020 regelnden Bescheide vom 31.05.2017, vom 19.04.2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 und vom 12.04.2019 keinen Widerspruch erhoben. Selbst wenn man in der am 22.03.2019 erhobenen Klage einen Widerspruch sehen wollte (vergleiche Hk-SGG/Binder, § 78 Rn. 8; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leiterer, SGG, 12. Auflage, § 78 Rn. 3b) wäre dieser in Bezug auf die Bescheide vom 31.05.2017 und vom 19.04.2018 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 24.11.2018 verfristet. Dasselbe gilt für den im Klageverfahren abgegebenen Schriftsatz des Klägers vom 08.07.2019 in Bezug auf den Bescheid vom 12.04.2019. Prozessökonomische Gründe, die für eine Aussetzung des Gerichtsverfahrens zur Nachholung des Vorverfahrens analog § 114 SGG sprächen, sind daher nicht gegeben, zumal vorliegend die Klage nicht nur wegen des Fehlens eines abgeschlossenen Widerspruchsverfahrens, sondern auch wegen Versäumung der Klagefrist im Sinne des § 87 Abs. 1 SGG unzulässig ist (vergleiche BSG, Urteil vom 02.03.2010 - B 5 R 104/07 R, juris Rn. 14, 15, BSG, Urteil vom 27.07.2004 - B 4 RA 1/04 R, juris Rn. 18; BSG, Urteil vom 28.11.1979 - 3 RK 90/78, juris Rn. 15).

Nach alledem ist die Klage unzulässig und die Berufung daher unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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