L 6 U 2504/18

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 13 U 2910/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 2504/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Juni 2018 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Klägers sind von der Beklagten auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Er wurde 1959 in der Republik Türkei geboren und reiste erstmals 1976 in die Bundesrepublik Deutschland ein. 1979 kehrte er zur Ableistung des Militärdienstes in sein Heimatland zurück. 1986 reiste er dauerhaft in das Bundesgebiet ein. Ohne einen Beruf erlernt zu haben, arbeitete er von 1988 bis Mitte 1991 als Küchenhelfer. Ab August 1991 bis August 2017 bestand ein Arbeitsverhältnis mit MP in K., wobei er im Straßenbau eingesetzt war. Mitte Februar 2016 erkrankte er dauerhaft arbeitsunfähig. Mittlerweile hat er bei der Trägerin der gesetzlichen Rentenversicherung beantragt, ihm eine Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die K., wo der Kläger gegen Krankheit gesetzlich versichert war, zeigte der Beklagten im Juni 2016 den Verdacht auf eine Berufskrankheit an. Zudem übersandte sie ihr Leistungsverzeichnis. Im gleichen Monat teilte der Kläger der Beklagten mit, die Beschwerden der Wirbelsäule seien im unteren Abschnitt aufgetreten. Sie seien ständig vorhanden. Zudem machte er konkrete Angaben zu den Arbeitsvorgängen seiner beruflichen Tätigkeit bei MP.

Dr. Ki., Facharzt für Allgemeinmedizin, teilte im August 2016 mit, der Kläger habe ihn wegen Beschwerde der Wirbelsäule erstmals im Oktober 1998 kontaktiert. Er habe Schmerzen in der Hals- und Brustwirbelsäule geäußert. Festgestellt habe er multiple Blockierungen der Hals- und Lendenwirbelsäule.

Dr. Kr., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, diagnostizierte im Februar 2009 unter anderem einen lumbalen Bandscheibenvorfall im Segment L5/S1 (ICD-10 M51.2). Dr. Be., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, stellte bei seiner erstmaligen Konsultation im März 2016 eine akute und rezidivierende Lumbalgie (ICD-10 M54.5), eine Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule (ICD-10 M53.3), eine Blockierung im Illiosakralgelenk links (ICD-10 M99.84) sowie eine Beckenverwringung (ICD-10 M59.9) fest. Der Kläger habe über Rückenschmerzen seit einer Woche mit einer Bewegungseinschränkung geklagt. Er gehe von einer haltungsbedingten Problematik aus.

Dr. Hi., Facharzt für Radiologie und Neuroradiologie, berichtete über die Magnetresonanztomographie der Lendenwirbelsäule im April 2016, es hätten eine saumartige, etwa 5 mm tiefe und rechts mediolateral betonte breitbasige, subligamentäre Diskusprotrusion mit einer geringen Impression des weit abgrenzbaren Dursalsackes und einer Tangierung der abgehenden rechten L4-Nervenwurzel im Segment L3/4 vorgelegen. Zudem seien eine gering ausgeprägte, breitbasige subligamentäre Diskusprotrusion im Abschnitt L4/5 mit einer geringen Impression des Duralsackes festgestellt worden. Weiter sei eine breitbasige und links mediolateral betonte subligamentäre Diskusprotrusion bis kurz vor die abgehende linke S1-Nervenwurzel erkannt worden. Geringe Chondrosen mit einer beginnenden Höhenminderung im Bereich L3/4 bis L5/S1 seien gesehen worden. Die übrigen Wirbelkörper, die Bandscheibenfächer, die Facettengelenke und die umgebenden Weichteile seien unauffällig gewesen. Die Neuroforamina sei ausreichend weit gewesen.

Prof. Dr. Gl., Ärztlicher Direktor des Interdisziplinären Zentrums für Rheumatologie, Wirbelsäulenleiden und Neuromuskuläre Erkrankungen der S.-Klinik in B., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt des Klägers vom 1. bis 13. Juni 2016 ein Lumbalsyndrom sowie Bandscheibenvorfälle im Segment L4/5 breitbasig bis beidseits foraminal mit einem Wurzelreizsyndrom in L5 links und im Abschnitt L3/4 median rechts betont mit einem Wurzelreizsyndrom in L4 rechts. Der Kläger habe berichtet, vor ungefähr zehn Wochen beim Greifen nach einem Teller, der sich in der Spülmaschine befunden habe, einen plötzlich lumbal einschießenden Schmerz verspürt zu haben.

Der Leitende Arzt der Orthopädie, Da. M-Klinik in B., diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt des Klägers vom 21. Juni bis 12. Juli 2016 unter anderem chronische Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule bei einem Bandscheibenvorfall im Segment L3/4 mit einer Wurzeltangierung in L4 rechts (ICD-10 M51). Seine berufliche Tätigkeit umfasse das gesamte Spektrum des Straßenbaus. Er sei äußeren Einflüssen bezüglich des Klimas, der zu verarbeitenden Materialien sowie Lärm- und Rüttelbelastungen ausgesetzt. Oftmals müssten Zwangshaltungen eingenommen werden. Die Arbeitsbelastung werde vom Kläger als überwiegend schwer bis sehr schwer eingeschätzt. Das Unternehmen habe vier Mitarbeiter. Die tägliche Arbeitszeit betrage acht Stunden im Rahmen einer Vierzig-Stunden-Woche.

Die Beklagte holte von Dr. Wo., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, die beratungsärztliche Stellungnahme von September 2016 ein. Bei Bandscheibenprotrusionen in den Segmenten L4/5 und L5/S1 handele es sich nach den Konsensempfehlungen um die Konstellation D2. Hierfür sei eine Verlaufsbeurteilung angezeigt, weil ein belastungskonformes Schadensbild nicht vorliege. Bei einem Bandscheibenvorfall im Höhe L3/4 und einer fehlenden Begleitspondylose habe kein Konsens bestanden. Er empfehle eine Verlaufsbeobachtung. Wesentliche konkurrierende Ursachen ließen sich für die Krankheiten des Klägers nicht feststellen.

Das Regierungspräsidium Stuttgart teilte im Oktober 2016 der Beklagten mit, den Fall gewerbeärztlich nicht zu bearbeiten.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2016 lehnte die Beklagte die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV beim Kläger ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer Berufskrankheit entgegenzuwirken.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und übersandte das Gutachten von Dr. Sc.-R., Medizinischer Dienst der Krankenversicherung B., von September 2016. Aus sozialmedizinischer Sicht sei die Erwerbsfähigkeit des Klägers als Pflasterer im Straßenbau aufgrund der degenerativen Veränderungen im Bereich der Lendenwirbelsäule, insbesondere bezüglich schwerer Hebe- und Tragebelastungen, oder bei Tätigkeiten in Zwangshaltungen der Wirbelsäule unter einer Gewichtsbelastung, gemindert.

Dr. Wo. führt in seiner ergänzenden beratungsärztlichen Stellungahme von März 2017 aus, durch diese weitere Expertise sei lediglich eine chronische Symptomatik im Bereich der Lendenwirbelsäule belegt. Die Umbauveränderungen in der Wirbelsäule entsprächen jedoch keinem belastungskonformen Schadensbild.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 2017 zurückgewiesen.

Hiergegen hat der Kläger am 2. August 2017 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben, welches Dr. Sa., Facharzt für Orthopädie mit der Weiterbildung auf dem Gebiet der speziellen Schmerztherapie, schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt, der im Oktober 2017 geantwortet hat. Er habe ihn erstmals im Februar 2017 ambulant behandelt. Die Hauptproblematik habe nicht im körperlichen Bereich gelegen. Es hätten sich keine neurologischen Defizite gefunden, die für eine bandscheibenbedingte Erkrankung sprächen. Er hat unter anderem den Bericht des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Wi. von November 2016 vorgelegt, der eine Somatisierungsstörung, einen Tinnitus und eine Lumboischialgie links diagnostiziert hat. Der Kläger habe berichtet, der Tinnitus mache ihn wahnsinnig. Er schlafe deswegen nicht durch und leide unter Schmerzen.

Der Chefarzt Best der Abteilung Rehabilitation der Sc.-Klinik in A. diagnostizierte nach dem stationären Aufenthalt des Klägers vom 16. November bis 14. Dezember 2017 unter anderem eine mittelgradige depressive Episode (ICD-10 F32.1), eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung (ICD-10 F45.40), lumbale und sonstige Bandscheibenschäden mit einer Radikulopathie (ICD-10 M51.1), einen Tinnitus aurium (ICD-10 H33.1), ein Impingmentsyndrom der Schulter (ICD-10 M75.4) sowie Bandscheibenschäden, nicht näher bezeichnet, einen beidseitigen Hörverlust durch eine Schallempfindungsstörung, Lärmschädigungen des Innenohres und sonstige Meniskusschädigungen. Im psychotherapeutischen Aufnahmegespräch habe der Kläger erwähnt, seit zehn Jahren unter einem chronischen Tinnitus sowie Ein- und Durchschlafstörungen zu leiden. Es sei wie ein Sägewerk in seinem Kopf und bestünde Tag und Nacht. Deshalb habe er sich seit zwei Jahren in einer ambulanten psychiatrischen Behandlung befunden und Medikamente eingenommen. Somatisch habe er durch Bandscheibenvorfälle körperliche Schmerzen beklagt. In den letzten drei Monaten seien familiäre Belastungsfaktoren hinzugekommen. Seine Ehefrau, die zum Teil im Rollstuhl sitze, pflege er neben der Ausübung seines Berufes seit 2014. Zusätzlich müsse er den Haushalt bewältigen. Darüber hinaus seien Probleme wegen der Trennung und späteren Scheidung seiner Tochter von ihrem Ehemann hinzugekommen. Vor einem Jahr habe er 10 kg an Gewicht zugenommen. In seiner Freizeit unternehme er Sparziergänge und übe die Gartenarbeit aus. Er gehe zweimal wöchentlich zum Fitnesstraining und in ein Heilbad.

Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 12. Juni 2018 abgewiesen. Beim Kläger liege zwar eine bandscheibenbedingte Erkrankung im Bereich der Lendenwirbelsäule vor. Es bestünden Protrusionen in den Segmenten L3/4, L4/5 und L5/S1 mit einer Einengung des Spinalkanals. Diese Erkrankungen seien jedoch bei nicht vorhandenen wesentlich konkurrierenden Ursachenfaktoren und einer fehlenden Begleitspondylose nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit durch die ausgeübte Berufstätigkeit und die dortigen schädigenden Einwirkungen verursacht worden. Nach den Konsensempfehlungen liege beim Kläger die Konstellation D2 vor, wonach ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich sei. Lediglich bei Fortführung der belastenden Tätigkeit wäre möglicherweise eine erneute Begutachtung erforderlich, weil im weiteren Verlauf eine berufliche Verursachung noch erkennbar werden könnte. Der Kläger übe seine berufliche Tätigkeit derzeit jedoch nicht mehr aus.

Gegen die den vormaligen Bevollmächtigten des Klägers am 19. Juni 2018 zugestellte Entscheidung hat dieser am 17. Juli 2018 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist Prof. Dr. Schl., Chefarzt der Chirurgie, Unfall- und Wiederherstellungschirurgie sowie Kindertraumatologie des St. Josefskrankenhauses in Freiburg, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt worden. Nach seiner ambulanten Untersuchung am 6. Februar 2019 hat er ausgeführt, er leide im Bereich der Wirbelsäule an einer rezidivierenden Lumbago bei bekannten Bandscheibenvorfällen (ICD-10 M54.5) und einer Bewegungseinschränkung der Lendenwirbelsäule (ICD-10 M43.3). Unter Berücksichtigung des Berufsbildes des Klägers mit einer Tätigkeit von mehr als 25 Jahren im Straßenbau und der beschriebenen Belastung mit einem Tragen beziehungsweise Umsetzen von Bordsteinen, die zwischen 50 bis 80 kg und gelegentlich bis 120 kg wiegen würden, sowie der langjährigen, 2001 beginnenden Anamnese, seien die medizinischen Kriterien für die Anerkennung einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV gegeben. Warum Dr. Wo. in seinen beratungsärztlichen Stellungnahmen ein anderes Ergebnis angenommen habe, könne er nicht nachvollziehen.

Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, das aussagekräftige Gutachten von Prof. Dr. Schl. begründe nachvollziehbar, dass er an einer berufsbedingten Erkrankung nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV leide.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 12. Juni 2018 und den Bescheid vom 17. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2017 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, bei ihm eine Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Sie trägt im Wesentlichen vor, Prof. Dr. Schl. habe sein Gutachten nicht erkennbar nach Maßgabe der Konsensempfehlungen erstellt. Das von ihm in Bezug genommene Merkblatt zu der streitgegenständlichen Berufskrankheit enthalte zwar Kriterien für die Ärzteschaft zur Erstellung einer Verdachtsanzeige. Für die Beurteilung des Kausalzusammenhanges seien hingegen die Konsensempfehlungen einschlägig.

Der Kläger hat am 24. Juli 2019 und die Beklagte am Folgetag ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erteilt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 124 Abs. 2 SGG), ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 1 i. V. m. § 105 Abs. 1 Satz 3, Abs. 3 Halbsatz 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 12. Juni 2018, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1, § 56 SGG) erhobene Klage, mit welcher der Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2017 (§ 95 SGG) die Anerkennung der Listen-Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV ("Bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können") begehrte, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist für diese Klageart der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 (124); Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), ohne eine solche derjenige der Entscheidung.

Die Berufung ist mangels Begründetheit der Klage nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die behördliche Feststellung der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV aus § 102 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII; vgl. BSG, Urteil vom 27. März 2012 - B 2 U 7/11 R -, SozR 4-2700 § 2 Nr. 19, Rz. 8). Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Die Beklage ist passivlegitimiert, also richtige Anspruchsgegnerin. Die Zuständigkeit bei Berufs-krankheiten richtet sich, wenn die gefährdende Tätigkeit für mehrere Unternehmen ausgeübt wurde, für die verschiedene Trägerinnen der gesetzlichen Unfallversicherung zuständig sind, nach dem Unternehmen, in dem die gefährdende Tätigkeit zuletzt ausgeübt wurde, was sich mittlerweile aus § 134 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) ergibt, als ungeschriebener allgemeiner Rechtssatz aber bereits für Versicherungsfälle vor seinem Inkrafttreten galt (Bayerisches LSG, Urteil vom 25. November 2015 - L 2 U 526/11 -, juris, Rz. 37; Ricke, in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, Stand: Mai 2017, § 134 SGB VII, Rz. 1). Die Beklagte ist für MP, in denen der Kläger als Beschäftigter (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII) ab August 1991 beruflich tätig und damit versichert war, verbandszuständig (vgl. § 3 Abs. 1 ihrer Satzung). Allein hierauf führt er beruflich bedingten Einwirkungen auf die Lendenwirbelsäule zurück. Es bestand damit bereits keine Zuständigkeit einer anderen Berufsgenossenschaft.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach den am 1. Januar 1997 in Kraft getretenen Be-stimmungen des SGB VII, da die arbeitsmedizinische Unterlassungsnotwendigkeit ("Unterlassungszwang") bei der streitgegenständlichen Berufskrankheit Tatbestandsvoraussetzung (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 22. März 2011 - B 2 U 4/10 R -, SozR 4-5671 § 3 Nr. 5, Rz. 28) und vorliegend erst nach dem 31. Dezember 1996 erfüllt ist (vgl. § 212 SGB VII; Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz (UVEG), BGBl I 1996, S. 1254). Die im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV die Lendenwirbelsäule belastende Beschäftigung bei MP übte er bis Mitte Februar 2016 aus, bevor er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankte. Der Leistungsfall kann somit erst nach 1996 eingetreten sein.

Nach § 9 Abs. 1 SGB VII sind Berufskrankheiten Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als Berufskrankheiten bezeichnet (Listen-Berufskrankheiten) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den § 2, § 3 oder § 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden (Satz 1). Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann Berufskrankheiten auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung einer gefährdenden Tätigkeit versehen (Satz 2). Für die Feststellung einer Listen-Berufskrankheit ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung gegebenenfalls den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-Berufskrankheit. Dabei müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15. September 2011 - B 2 U 25/10 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4111 Nr. 3, Rz. 14 m. w. N.).

Die die Lendenwirbelsäule belastende berufliche Tätigkeit übte der Kläger zwar von August 1991 bis Mitte Februar 2016 aus, als er dauerhaft arbeitsunfähig erkrankte, weshalb sie langjährig im Sinne des Tatbestandes der Listen-Berufskrankheit, deren Feststellung der Kläger begehrt, erfolgten (vgl. BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 20/14 R -, BSGE 118, 267 (272) m. w. N.). Unabhängig der weiteren arbeitstechnischen Voraussetzungen, insbesondere der kumulativen Einwirkungsbelastung durch Hebe- und Tragevorgänge oder Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, liegen indes die gleichzeitig erforderlichen arbeitsmedizinischen nicht vor.

Für die Anerkennung einer Berufskrankheit ist neben der Kausalität zwischen der versicherten Tätigkeit und den schädigenden Einwirkungen, also der Einwirkungskausalität, ein Ursachenzusammenhang zwischen den Einwirkungen und der Erkrankung erforderlich. Für die Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV bedeutet dies, dass die Erkrankung der Lendenwirbelsäule des Klägers durch langjähriges schweres Heben und Tragen oder Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung im Rahmen seiner versicherten Tätigkeiten verursacht worden sein muss. Für den Ursachenzusammenhang zwischen Einwirkung und Erkrankung gilt im Recht der Berufskrankheiten, wie auch sonst in der gesetzlichen Unfallversicherung, die Theorie der wesentlichen Bedingung, die zunächst auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungs-theorie beruht, nach der jedes Ereignis Ursache eines Erfolgs ist, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (sog. "conditio-sine-qua-non"). Steht die versicherte Tätigkeit als eine der (Wirk-)Ursachen fest, muss auf der zweiten Stufe die Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr sein. Die Wesentlichkeit der (Wirk-)Ursache ist zusätzlich und eigenständig nach Maßgabe des Schutzzweckes der jeweils begründeten Versicherung zu beurteilen (BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, BSGE 118, 255 (258) m. w. N.).

Der Ursachenzusammenhang zwischen den gefährdenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV und der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers im Bereich der Lendenwirbelsäule besteht nicht. Die arbeitsmedizinischen Voraussetzungen betreffen zwei Aspekte der Anerkennungsvoraussetzungen, zum einen die tatbestandlich vorausgesetzte Krankheit und zum anderen das Schadensbild, welches mit der rechtlich-wesentlichen Verursachung dieser Krankheit durch die beruflichen Einwirkungen zumindest im Einklang steht (BSG, Urteil vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, BSGE 118, 255 (259 f.) m. w. N.). Die Konsensempfehlungen von 2005 (Bolm-Audorff et al., Medizinische Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule, Trauma und Berufskrankheit 2005/3, S. 211, 216 ff., 228 ff.) bilden hierfür weiterhin den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand ab (vgl. hierzu BSG, Urteile vom 9. Mai 2006 - B 2 U 1/05 R -, BSGE 96, 196 (200 f.) und vom 23. April 2015 - B 2 U 10/14 R -, BSGE 118, 255 (260 ff.) sowie vom 6. September 2018 - B 2 U 10/17 R -, SozR 4-5671 Anl. 1 zu Nr. 2108 Nr. 9, Rz. 25 und B 2 U 13/17 R – SozR 4-5671 Anl. 1 zu Nr. 2108 Nr. 10, Rz. 21), welcher wegen des für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage bei der vorliegenden Verpflichtungsklage maßgeblichen Zeitpunktes der Entscheidung, sofern keine mündliche Verhandlung durchgeführt wird, zu berücksichtigen ist.

Danach besteht der Ursachenzusammenhang zwischen den gefährdenden Einwirkungen im Sinne der Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage 1 zur BKV und der bandscheibenbedingten Erkrankung des Klägers im Bereich der Lendenwirbelsäule nicht. Zur Begründung nimmt der Senat auf die Ausführungen hierzu in der angefochtenen Entscheidung des SG Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Der Sachverständige Prof. Dr. Schl. kommt zwar zum gegenteiligen Ergebnis, ohne allerdings die Konsensempfehlungen zu berücksichtigen, weshalb sein Gutachten den Senat nicht überzeugte.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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