L 3 AS 4066/19

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 AS 1424/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 4066/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1.     Bei einer Berufung, die sich gegen die Feststellung des SG, ein Verfahren sei erledigt, wendet und auf die Fortsetzung eines infolge Klagerücknahmefiktion beendeten Verfahrens gerichtet ist, bestimmt sich der Wert des Beschwerdegegenstandes nach dem Streitgegenstand des ursprünglichen Klageverfahrens (Anschluss an Urteil des BSG vom 10.10.2017 - B 12 KR 3/16, juris Rn. 12).

2.     Auf mehrere Bewilligungszeiträume entfallende Leistungen nach dem SGB II sind keine „wiederkehrenden oder laufenden Leistungen“ im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG (Anschluss an BSG, Beschluss vom 22.07.2010 - B 4 AS 77/10, juris Rn. 7 und Bayerisches LSG, Urteil vom 18.03.2015 - L 11 AS 761/14, juris Rn. 15 ff.). Das gilt auch nach Verbindung mehrerer ursprünglich gesondert erhobener Klagen.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.08.2018 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Klageverfahren S 12 AS 512/17 im Wege der Fiktion einer Klagerücknahme (§ 102 Abs. 2 SGG) beendet worden ist.

Die Klägerin bezog laufend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II vom Beklagten. Für die von ihr bewohnte Mietwohnung schuldete sie dem Vermieter monatlich insgesamt 450 EUR (330 EUR Kaltmiete zzgl. 120 EUR Nebenkosten). Der Beklagte bewilligte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II mit Bescheid vom 05.09.2013 für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.03.2014 i.H.v. 755 EUR monatlich (345 EUR Regelbedarf, 410 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung [KdU]), mit Bescheid vom 06.03.2014 für die Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 i.H.v. 773 EUR monatlich (353 EUR Regelbedarf, 420 EUR KdU) und mit Bescheid vom 09.09.2014 für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.03.2015 i.H.v. 773 EUR monatlich (353 EUR Regelbedarf, 420 EUR KdU). Gegen diese Bewilligungsbescheide hat die Klägerin nicht Widerspruch eingelegt.

Mit anwaltlichen Schriftsätzen vom 21.04.2015 wurde die Überprüfung der drei oben genannten Bewilligungsbescheide gemäß § 44 SGB X beantragt und geltend gemacht, der Beklagte hätte der mit ihrem Ehemann nicht in Bedarfsgemeinschaft zusammenlebenden Klägerin einen Regelbedarf i.H.v. 391 EUR sowie einen Mehrbedarf wegen der für regelmäßige Fahrten zu ihrem Ehemann anfallenden Kosten gewähren müssen und außerdem habe der Beklagte "die Kosten der Unterkunft nicht in der rechtmäßigen Höhe berücksichtigt".

Über diese Anträge nach § 44 SGB X entschied der Beklagte wie folgt:

Mit Bescheiden vom 29.04.2015 gewährte der Beklagte der Klägerin monatlich höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines Regelbedarfs i.H.v. 391 EUR monatlich und ab 01.01.2015 i.H.v. 399 EUR monatlich und lehnte mit weiterem Bescheid vom 29.04.2015 die Gewährung eines Mehrbedarfs ab. Die hiergegen eingelegten Widersprüche vom 28.05.2015 führte der Beklagte unter den Az. W 1170/15, W 1171/15 und W 1172/15 und wies sie durch drei Widerspruchsbescheide vom 19.01.2017 jeweils als unbegründet zurück. Die hiergegen am 20.02.2017 beim Sozialgericht Mannheim (SG) erhobenen Klagen (S 12 AS 513/17, S 12 AS 515/17 und S 12 AS 518/17) wurden nach Verbindung unter einem gemeinsamen Aktenzeichen durch Gerichtsbescheid vom 11.03.2019 abgewiesen und die hiergegen beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegte Berufung (L 3 AS 1516/19) wurde am 18.12.2019 durch gerichtlichen Vergleich erledigt.

Betreffend die Bedarfe für Unterkunft und Heizung lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 29.04.2015 die Überprüfungsanträge (§ 44 SGB X) betreffend die Bescheide vom 05.09.2013, 06.03.2014 und 09.09.2014 ab, da bei deren Erlass das Recht nicht falsch angewandt und von der Klägerin kein neuer Sachverhalt dargelegt worden sei. Die hiergegen mit anwaltlichen Schrift-sätzen vom 28.05.2015 eingelegten Widersprüche führte der Beklagte unter den Aktenzeichen W 1163/15, W 1165/15 und W 1166/15 und wies diese mit einem Widerspruchsbescheid vom 19.01.2017 als unbegründet zurück, da die Klägerin im August 2009 ohne Zusicherung umgezogen sei und seither stets nur die angemessenen Wohnkosten erhalte.

Gegen diesen Widerspruchsbescheid vom 19.01.2017 hat die Klägerin am 20.02.2017 beim SG drei Klagen (je eine Klage für jeden Bewilligungszeitraum) erhoben. Das SG hat diese zunächst unter den getrennten Aktenzeichen S 12 AS 512/17, S 12 514/17 und S 12 AS 516/17 geführt und durch Beschluss vom 12.09.2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem Aktenzeichen S 12 AS 512/17 verbunden. Mit Verfügung vom 12.09.2017 hat das SG die Klägerin aufgefordert, substantiiert vorzutragen und Beweis anzutreten zum Pflege- und Betreuungsbedarf von Ehemann und Sohn in den Zeiträumen von Januar 2014 bis März 2015 und auch zur jeweiligen Sicherstellung der Pflege und Betreuung während der Abwesenheit der Klägerin. Nachdem die Klägerin diese Verfügung trotz Erinnerung vom 03.11.2017 nicht beantwortet hatte, hat das SG mit an ihren Bevollmächtigten am 13.12.2017 zugestellter Verfügung vom 11.12.2017 darauf hingewiesen, dass gemäß § 102 Abs. 2 SGG eine Klage als zurückgenommen gelte, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als drei Monate nicht betreibe. Falls die Klägerin sich in den nächsten drei Monaten nach Erhalt dieses Schreibens gegenüber dem Gericht nicht mehr äußere, sei das Klageverfahren abgeschlossen und die von ihr angefochtenen Entscheidungen des Beklagten seien bestandskräftig und nicht mehr anfechtbar. Nachdem für den Bevollmächtigten der Klägerin ab dem 12.12.2017 durch Anordnung der Rechtsanwaltskammer des Landes Brandenburg eine Vertreterin bestellt worden war, hat diese dem SG mit Schreiben vom 12.01.2018 mitgeteilt, sie habe derzeit keinen Zugriff auf die ausschließlich elektronisch geführten Akten und eine Beantwortung von Schreiben sei ihr daher derzeit nicht möglich. Das SG hat den Rechtsstreit am 15.03.2018 wegen Zurücknahme (§ 102 SGG) für erledigt erklärt.

Am 22.05.2018 hat die Klägerin beim SG die Fortführung des Verfahrens S 12 AS 512/17 begehrt (neues Aktenzeichen: S 12 AS 1424/18) und die Auffassung vertreten, das Verfahren sei nicht durch fiktive Klagerücknahme beendet worden. Das Gericht habe aufgrund des Ausbleibens der Stellungnahme der Vertreterin ihres Bevollmächtigten nicht auf den Wegfall ihres Rechtsschutzinteresses schließen dürfen, zumal dem Gericht die besondere Situation des Bevollmächtigten der Klägerin bekannt gewesen sei. Hinzu komme, dass wegen des Amtsermittlungsgrundsatzes eine Stellungnahme zu Rechtsansichten ohnehin nicht geschuldet sei.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 30.08.2018 abgewiesen und ausgeführt, der Rechtsstreit S 12 AS 512/17 sei in der Hauptsache erledigt. Auch vorübergehende technische Schwierigkeiten beim Zugriff auf die Akten des Bevollmächtigten der Klägerin hätten die von der Rechtsanwaltskammer bestellte Vertreterin nicht daran gehindert, binnen der gesetzten Frist von drei Monaten, also bis spätestens zum 13.03.2018, das Verfahren weiter zu betreiben, wenn die Klägerin dies denn gewollt hätte. In der beigefügten Rechtsmittelbelehrung hat das SG darauf hingewiesen, der Gerichtsbescheid könne mit der Berufung angefochten werden.

Gegen den ihr am 04.09.2018 zugestellten Gerichtsbescheid vom 30.08.2018 richtet sich die am 30.09.2018 eingelegte Berufung der Klägerin, die zunächst unter dem Aktenzeichen L 3 AS 3629/18 geführt worden ist und nach zwischenzeitlichem Ruhen des Verfahrens (vgl. Beschluss vom 09.01.2019) sowie nach Wiederanrufung vom 26.11.2019 nunmehr unter dem Aktenzeichen L 3 AS 4066/19 geführt wird. Die Klägerin weist darauf hin, dass erstinstanzlich nur die Höhe der KdU streitig gewesen sei, da der Beklagte in dem angefochtenen Widerspruchsbescheid allein hierüber eine Entscheidung getroffen habe. Über die Frage des Mehrbedarfes hätte der Beklagte in separaten Widerspruchsbescheiden entschieden, die anderweitig anhängig seien.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 30.08.2018 und den Bescheid des Beklagten vom 29.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2017 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 05.09.2013, 06.03.2014 und 09.09.2014 zu verurteilen, der Klägerin im Zeitraum vom 01.01.2014 bis 31.03.2014 weitere Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 40 EUR monatlich und im Zeitraum vom 01.04.2014 bis 31.03.2015 in Höhe von 30 EUR monatlich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Mit Verfügung vom 10.01.2020 ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass ihre Berufung nicht statthaft sein dürfte, da der Streitgegenstand des Klageverfahrens S 12 AS 512/17 750 EUR nicht überstiegen hätte, so dass der Berufungsstreitwert (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) nicht erreicht worden sei. Dieser Streitwert gelte auch in dem auf Feststellung, dass das Verfahren S 12 AS 512/17 nicht beendet worden sei, gerichteten Verfahren S 12 AS 1424/18, so dass die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 30.08.2018 nur dann statthaft sei, wenn diese zugelassen worden wäre, was hier jedoch nicht der Fall gewesen sei. Auf die Anfrage, ob daher die Berufung zurückgenommen werde, hat die Klägerin nicht geantwortet.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Beklagten vom 28.01.2020 und Schriftsatz der Klägerin vom 05.02.2020).

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG).

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist nicht statthaft und damit nicht zulässig.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil oder in einem Gerichtsbescheid (§ 105 Abs. 1 Satz 3 SGG) des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Das gilt nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

Vorliegend übersteigt die Beschwer der Klägerin nicht den Betrag von 750 EUR. Der Beschwerdegegenstand ist danach zu bestimmen, was das Sozialgericht einem Kläger versagt hat und was von diesem mit seinem Berufungsantrag weiterverfolgt wird (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage, § 144 Rn. 14). Ausgehend von ihrem Begehren, den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29.04.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2017 zu verurteilen, ihr für die Zeiträume vom 01.01.2014 bis 31.03.2014, 01.04.2014 bis 30.09.2014 und 01.10.2014 bis 31.03.2015 höhere Leistungen für Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu gewähren, waren Streitgegenstände des Klageverfahrens S 12 AS 512/17 (nach dem Verbindungsbeschluss vom 12.09.2017) die Höhe der mit den Bescheiden vom 05.09.2013, 06.03.2014 und 09.09.2014 (alle in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2017) bewilligten KdU betreffend die Zeiträume vom 01.01.2014 bis 31.03.2014, 01.04.2014 bis 30.09.2014 und 01.10.2014 bis 31.03.2015. Nicht Streitgegenstand waren indes die Höhe der auf diese Zeiträume entfallenden Regelbedarfe und Ansprüche auf Mehrbedarfe der Klägerin. Denn der Beklagte hat in zulässiger Weise (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 04.06.2014 - B 14 AS 42/13 R, juris) in getrennten Verwaltungsverfahren gesondert über Regelbedarf und Mehrbedarf einerseits und über KdU andererseits entschieden. Im gesamten streitigen Zeitraum schuldete die Klägerin ihrem Vermieter laut Mietbescheinigung vom 03.03.2014 monatlich jeweils 450 EUR (330 EUR Kaltmiete zzgl. 120 EUR Nebenkosten). Mit den oben genannten streitigen Bescheiden hatte der Beklagte der Klägerin KdU in folgender Höhe bewilligt: Für die Zeit vom 01.01.2014 bis 31.03.2014 monatlich 410 EUR; für die Zeit vom 01.04.2014 bis 30.09.2014 monatlich 420 EUR; für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.03.2015 monatlich 420 EUR. Die Differenz zwischen den insgesamt bewilligten KdU (6.270 EUR) und den tatsächlich von der Klägerin geschuldeten KdU (6.750 EUR) beläuft sich damit auf 480 EUR, so dass der Berufungsstreitwert (§ 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG) nicht erreicht wird und die Berufung nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig ist.

Die Berufung ist auch nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässig. Nach dieser Vorschrift gilt die Zulassungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG nicht, wenn eine Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Obwohl hier Leistungen nach dem SGB II für die Zeiträume vom 01.01.2014 bis 31.03.2014, 01.04.2014 bis 30.09.2014 und 01.10.2014 bis 31.03.2015 und damit für insgesamt 15 Monate im Streit stehen, ist ein Fall des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht gegeben. Denn Leistungen nach dem SGB II sind keine "wiederkehrenden" oder "laufenden" Leistungen im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 3 SGB II, da dem Leistungsanspruch nach dem SGB II kein einheitliches Stammrecht (wie etwa im abweichend zu beurteilenden Fall eines mehr als ein Jahr dauernden Bezuges von Arbeitslosengeld I nach dem SGB III oder einer Rente) zugrunde liegt, sondern Ansprüche aus verschiedenen Bewilligungszeiträumen (§ 41 Abs. 3 SGB II), die - auch bei Verbindung (§ 113 SGG) oder objektiver Klagehäufung (§ 56 SGG) - jeweils rechtlich selbständig und hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzungen voneinander unabhängig sind (BSG, Beschluss vom 22.07.2010 - B 4 AS 77/10, Rn. 7, juris; Wehrhahn in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, Stand 01.10.2019, § 144, Rn. 27; Bayerisches LSG, Urteil vom 18.03.2015 - L 11 AS 761/14, juris; Leitherer, a.a.O., § 144, Rn. 24). Dies gilt insbesondere auch dann, wenn - wie hier - ein Fall von Überprüfungsanträgen (§ 44 SGB X) vorliegt (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2018 - L 7 SO 2772/16, mit zahlreichen weiteren Nachweisen; juris). Damit ist die Berufung der Klägerin auch nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässig.

Die Berufung ist auch nicht durch das SG zugelassen worden (§ 144 Abs. 2 SGG), denn eine solche Zulassung der Berufung ist weder im Tenor noch in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides vom 30.08.2018 erfolgt. Damit liegt keine den Senat bindende Zulassung der Berufung im Sinne des § 144 Abs. 3 SGG vor, denn die dort genannte Bindungswirkung tritt nicht durch eine fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung ein, sondern nur durch Berufungszulassung in der Urteilsformel oder ausnahmsweise durch eine eindeutig ausgesprochene Zulassung in den Entscheidungsgründen (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. Urteil vom 02.06.2004 - B 7 AL 10/04 B; Beschluss vom 22.07.2010 a.a.O.), was hier nicht erfolgt ist.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Klage im Verfahren S 12 AS 1424/18 auf die Feststellung, dass der Rechtsstreit S 12 AS 512/15 nicht nach § 102 Abs. 2 SGG erledigt sei, und auf die Fortsetzung jenes Verfahrens gerichtet gewesen ist. Denn auch bei Verfahren, die zunächst auf die Fortsetzung eines infolge einer Klagerücknahmefiktion nach § 102 Abs. 2 Satz 1 SGG beendeten Verfahrens gerichtet sind, bestimmt sich der Wert des Beschwerdegegenstandes im Sinne des § 144 Abs. 1 SGG nach dem Streitgegenstand des ursprünglichen Klageverfahrens, denn dies ist das eigentliche Begehren des Klägers (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28.12.2016 - L 14 AS 745/18; Sächsisches LSG, Beschluss vom 01.12.2010 - L 7 AS 524/09; Bayerisches LSG, Beschluss vom 01.03.2016 - L 16 AS 27/16 RG; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 07.08.2012 - L 11 AL 170/09; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 13.10.2015 - L 6 AS 432/14; alle in juris). Soweit diesbezüglich in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise die gegenteilige Auffassung vertreten und angenommen worden ist, im Verfahren betreffend die Wirksamkeit der Klagerücknahmefiktion bemesse sich der Streitwert nicht nach dem streitigen Anspruch in der Sache (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.04.2013 - L 5 KR 605/12, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21.08.2012 - L 3 AS 133/12, juris; zur Darstellung des Streitstandes vgl. auch Burkiczak in Schlegel/Voelzke, a.a.O., § 102, Rn.99 ff.), folgt der Senat dem nicht. Das BSG hat mit Urteil vom 10.10.2017 (B 12 KR 3/16, juris) entschieden, dass die Berufungsbeschränkung des § 144 Abs. 1 SGG auf Berufungen anzuwenden ist, die sich gegen die Feststellung des SG wenden, ein Verfahren sei erledigt. Das BSG hat hierzu ausgeführt: "Bei einem Verfahren, das mit dem Ziel fortgesetzt wird, die (Nicht-)Erledigung der zunächst erhobenen Klage feststellen zu lassen, ist vielmehr auf diese ursprüngliche Klage abzustellen. Andernfalls hinge der Gegenstandswert von der Entscheidung des SG über das Feststellungsbegehren ab: Stellte dieses die Erledigung des Verfahrens fest, wäre nach der Gegenansicht die Berufung ohne Zulassung statthaft. Würde es das Verfahren als nicht erledigt ansehen und daher über den Anspruch in der Sache entscheiden, hinge die Statthaftigkeit der Berufung dagegen vom Gegenstandswert der Klage ab. Nichts anderes gilt, wenn eine Klage als unzulässig abgewiesen wird. Weshalb für die Feststellung, dass ein Verfahren erledigt sei, andere Maßstäbe gelten sollen als für sonstige Prozessurteile ( ), ist nicht ersichtlich. Die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) gebietet keine andere Auslegung." Der Senat folgt dieser überzeugenden Argumentation des BSG.

Die nicht statthafte und somit unzulässige Berufung war zu verwerfen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved