L 10 SF 371/20 E-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
10
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 2 SF 2248/19 E
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 SF 371/20 E-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Eine einseitige Erklärung der Beklagten, über § 44 SGB X zu entscheiden, eine übereinstimmende Erledigungserklärung oder eine Kostenaufhebung bei kostenfreiem Verfahren löst keine Einigungsgebühr aus.
Die Beschwerde des Erinnerungsführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Heilbronn vom 23.12.2019 (S 2 SF 2248/19 E) wird zurückgewiesen. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Über die Beschwerde entscheidet der Berichterstatter des alleine für Kostensachen zuständigen 10. Senats des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg als Einzelrichter ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter (§ 155 Abs. 4 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -, § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 1 und 3 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes - RVG -); die Streitsache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).

Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet. Das Sozialgericht Heilbronn (SG) hat die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss (gemeint: Vergütungsfestsetzungsbeschluss) der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Gerichts (UdG) vom 24.05.2019 mit Beschluss vom 23.12.2019 - jedenfalls im Ergebnis - zu Recht zurückgewiesen. Der Erinnerungsführer hat keinen Anspruch auf Vergütung der mit der Erinnerung alleine geltend gemachten Einigungs- bzw. Erledigungsgebühr aus der Staatskasse für seine Tätigkeit als nach dem Recht der Prozesskostenhilfe (PKH) beigeordneter Rechtsanwalt in dem Hauptsacheverfahren S 11 SO 2711/18.

Gemäß § 45 Abs. 1 RVG erhält der im Wege der PKH beigeordnete Rechtsanwalt in Verfahren vor den Gerichten eines Landes die gesetzliche Vergütung aus der Staatskasse. In den Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit, in denen das Gerichtskostengesetz (GKG) nicht anzuwenden ist, entstehen gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 RVG Betragsrahmengebühren. Da der Kläger des Ausgangsverfahrens S 11 SO 2711/18 kostenprivilegierter Beteiligter i.S.d. § 183 Satz 1 SGG war, scheidet die Anwendung des GKG aus (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG).

Nach § 2 Abs. 2 RVG bestimmt sich die Höhe der Vergütung nach dem Vergütungsverzeichnis (VV) der Anlage 1. Gemäß Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Nrn. 1005, 1006 VV RVG entsteht die Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis durch Abschluss eines Vertrags unter Mitwirkung des Rechtsanwalts beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig, sofern dies materiell-rechtlich nicht besonders vorgeschrieben ist (s. dazu nur Bundesgerichtshof - BGH -, Beschluss vom 11.12.2019, XII ZB 276/19, in juris, Rdnr. 22 m.w.N.).

Unter Zugrundelegung dessen vermag der Senat nicht zu erkennen, welchen Vertrag i.d.S. die seinerzeitigen Beteiligten im Verfahren S 11 SO 2711/18 geschlossen haben sollen.

Die bloße (einseitige) Erklärung des Beklagtenvertreters, dass der Beklagte über den Antrag des Klägers auf einen "Freizeitkostenzuschuss" erneut im Verwaltungsweg - nunmehr nach § 44 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) - entscheiden werde, lässt schon keine irgendwie geartete (vertragliche) "Einigung" mit dem Kläger erkennen.

Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Beteiligten des Verfahrens S 11 SO 2711/18 im Anschluss an diese (einseitige) Erklärung des Beklagtenvertreters den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärten. Auch diese Erklärungen beinhalteten keine vertragliche Einigung im obigen Sinne, sondern besagen als bloße Prozesshandlungen nur, dass die Beteiligten an einer Sachentscheidung des Gerichts kein Interesse mehr haben (Forbriger in: Hartmann/Toussaint, Kostenrecht, 49. Aufl. 2019, RVG VV 1000 Rdnr. 27 m.w.N.). Es handelt sich dabei auch dann um lediglich einseitige Erklärungen, wenn sie von beiden Seiten "übereinstimmend" abgegeben werden (s. nur Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 24. Aufl. 2019, VV 1000 Rdnr. 35 m.w.N.). Anderes würde vorliegend allenfalls dann gelten, wenn gleichzeitig eine sachlich-rechtliche Einigung über Ansprüche erzielt worden wäre (s. nur Oberverwaltungsgericht - OVG - Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.02.2019, 15 E 1130/18, in juris, Rdnr. 5; Bayerischer Verwaltungsgerichtshof - VGH -, Beschluss vom 05.04.2017, 19 C 15.1844, in juris, Rdnr. 22; Oberlandesgericht - OLG - Köln, Beschluss vom 15.08.2005, 4 WF 110/05, in juris, Rdnrn. 3 f., alle m.w.N.). Dies ist indes nicht der Fall, weil die - wie oben dargelegt - einseitige "Bereiterklärung" des Beklagtenvertreters gerade keine irgendwie geartete "Einigung" mit dem Kläger beinhaltete und auch ansonsten dem Protokoll nichts Dergleichen entnommen werden kann.

Der Umstand, dass sich die Beteiligten schließlich hinsichtlich der Kosten "einig" waren, dass außergerichtliche Kosten "gegeneinander aufgehoben werden", stellt ebenfalls keine "Einigung" im oben dargelegten Sinne dar, zumal die bloße Bezeichnung als "Einigung" oder "Vergleich" ohnehin unmaßgeblich ist (Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, a.a.O., Rdnr. 133 m.w.N.).

Zwar wird in Rechtsprechung und Literatur verbreitet vertreten, dass auch eine "Einigung" im Kostenpunkt - etwa ein (Teil-)Verzicht des Gegners auf einen Kostenerstattungsanspruch für den Fall der Rücknahme des Rechtsschutzbegehrens (s. dazu etwa OLG Hamm, Beschluss vom 04.08.1980, 23 W 286/80, in juris, Rdnr. 18) - eine Einigungsgebühr auslösen kann (z.B. OLG München, Beschluss vom 29.01.2019, 11 W 54/19, in juris, Rdnr. 9; OLG Rostock, Beschluss vom 10.07.2012, 5 W 35/12, in juris, Rdnr. 8; Forbriger in: Hartmann/Toussaint, a.a.O., Rdnr. 33; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, a.a.O., Rdnr. 104, jeweils m.w.N.).

Vorliegend ist indes zu berücksichtigen, dass der Beklagte als (Gebiets-)Körperschaft des öffentlichen Rechts im (gerichtskostenfreien) Verfahren S 11 SO 2711/18 ohnehin und von vornherein keine Erstattung seiner Aufwendungen verlangen konnte (§ 193 Abs. 4 i.V.m. § 184 Abs. 1 SGG). Demgemäß stellt sich die "Einigung" der Beteiligten der Sache nach als bloßer (einseitiger) Verzicht des Klägers auf Stellung eines Antrags auf gerichtliche Kostenentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG dar. Ein Verzicht löst indes nicht die Einigungsgebühr aus (vgl. Nr. 1000 Anm. Abs. 1 Satz 2 VV RVG).

Selbst wenn man die "Kosteneinigung" anders bewerten und als Verschonen des Beklagten von einer ihm möglicherweise nachteiligen gerichtlichen Kostenentscheidung ansehen wollte, ist vorliegend nicht ersichtlich, welcher "Streit" oder welche "Ungewissheit" i.S.d. Nr. 1000 Anm. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VV RVG zwischen den Beteiligten im Kostenpunkt beseitigt worden sein soll. Durch die Erledigungserklärung des Klägers - die sich im gerichtskostenfreien SGG-Verfahren der Sache nach als Klagerücknahme darstellt (Senatsbeschluss vom 15.07.2019, L 10 SF 1298/19 E-B, in juris, Rdnr. 15 m.w.N.) - erwuchsen die von ihm angefochtenen Bescheide in Bestandskraft (§ 77 SGG). In der Regel - Abweichendes ist vorliegend nicht ersichtlich - entspricht es der Billigkeit i.S.d. § 193 Abs. 1 SGG, denjenigen, der (durch Klagerücknahme) auf die Weiterführung des Rechtsstreits verzichtet, mit den Kosten zu belasten (Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 193 Rdnr. 13b m.w.N.), vorliegend also den Kläger, der seine außergerichtlichen Kosten mithin von Gesetzes wegen selbst zu tragen hatte. Nichts Anderes ist damit Gegenstand der "Kosteneinigung" gewesen (arg. ex § 195 SGG i.V.m. §§ 193 Abs. 4, 184 Abs. 1 SGG). "Vereinbaren" indes die Beteiligten etwas, was ohnehin der gesetzlichen Regelung entspricht, kann richtigerweise nicht von einem "Streit" oder einer "Ungewissheit" im obigen Sinne gesprochen werden (vgl. wie hier OLG München, Beschluss vom 16.01.2013, 11 W 1896/12, in juris, Rdnr. 14; auch Finanzgericht - FG - Hamburg, Beschluss vom 24.09.2013, 3 KO 172/13, in juris, Rdnr. 31), zumal vorliegend - anders als im Zivilprozess (§ 91a Abs. 1 Satz 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -) - eine gerichtliche Kostenentscheidung ohnehin nur auf Antrag ergangen wäre; ein Interesse daran hätte nur der Kläger gehabt (vgl. erneut § 193 Abs. 4 i.V.m. § 184 Abs. 1 SGG).

Selbst wenn man annehmen wollte, dass vorliegend eine (Teil-)Kostenerstattung der Beklagten im Falle einer gerichtlichen Kostengrundentscheidung jedenfalls nicht ausgeschlossen gewesen wäre - wofür indes hier schon nichts ersichtlich ist -, sodass es für eine Einigung im obigen Sinne ggf. genügen würde, wenn die Beteiligten ("klarstellend") vereinbaren, dass es bei der gesetzlichen Regelung (hier: keine Erstattung der außergerichtlichen Kosten des Klägers) verbleiben soll (vgl. dazu etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 26.08.2008, I-10 W 53/08, in juris, Rdnr. 4, zu Kosten der Nebenintervention im Zivilprozess), würde dies die Vergütung einer Einigungsgebühr ebenfalls nicht rechtfertigen. Denn eine Kostenvereinbarung, mit der eine mögliche (Teil-)Erstattung außergerichtlicher Kosten durch den Prozessgegner (der selbst keine Erstattung seiner Kosten verlangen kann, s.o.) mit diesem ohne Not "wegvereinbart" wird, widerspricht in Verfahren mit PKH-Bewilligung unter Anwaltsbeiordnung dem auch im Kostenrecht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben und stellt sich als rechtsmissbräuchliches Handeln zum Nachteil der Staatskasse dar, weil ein Rückgriff der Staatskasse gegen den Prozessgegner damit vereitelt wird (wie hier vgl. Landessozialgericht - LSG - Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 14.12.2018, L 2 AS 80/17 B, in juris, Rdnr. 43; Thüringer LSG, Beschluss vom 17.10.2018, L 1 SF 1571/16 B, in juris, Rdnr. 21; Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, a.a.O., § 55 Rdnr. 55, alle m.w.N.; s. auch LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.11.2008, L 20 B 59/08 SO, in juris, Rdnrn. 26 ff., das bereits das Rechtsschutzbedürfnis für eine Vergütungsfestsetzungsbeschwerde verneint). Hinzukommt, dass die Staatskasse andernfalls gerade wegen einer solchen "Einigung" - der sich der behördliche Prozessgegner, da für ihn nur vorteilhaft, nie verschließen wird - dann zusätzlich auch noch die Einigungsgebühr vergüten müsste.

Eine Erledigungsgebühr (Nr. 1002 i.V.m. Nrn. 1006, 1005 VV RVG) ist ebenfalls nicht angefallen. Ungeachtet des Umstands, dass vorliegend die Voraussetzungen der Anm. Satz 1 zu Nr. 1002 VV RVG schon nicht erfüllt sind - keine Erledigung "nach" ganz oder teilweiser Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts bzw. Erlass eines bisher abgelehnten Verwaltungsakts - stellt das bloße anwaltliche Einwirken auf den Mandanten, einen (noch) anhängigen Anspruch nicht weiterzuverfolgen, keine Erledigungsmitwirkung i.S.d. Gebührentatbestands dar (Senatsbeschluss vom 15.07.2019, L 10 SF 1298/19 E-B, in juris, Rdnrn. 17 ff., 22 m.w.N.).

Die Gebührenfreiheit des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 2 RVG; die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 3 RVG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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