L 10 AL 209/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 AL 663/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 209/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 11.04.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um den Eintritt einer Sperrzeit, die Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) und Rückforderung erbrachter Leistungen.

Der am 1960 geborene Kläger ist gelernter Datenverarbeitungskaufmann und war zuletzt als Vertriebsbeauftragter/Vertriebsmitarbeiter bei der Fa. J. AG tätig. Am 03.12.1997 meldete er sich arbeitslos und bezog nach Erschöpfung des Anspruches auf Arbeitslosengeld (Alg) ab 01.01.1998 zuletzt aufgrund des Bewilligungsbescheides vom 15.01.2001 ab 26.10.2000 Alhi. Nebenbei war der Kläger selbstständig tätig (Vermittlung und Beratung von Geschäftspartnern, Veräußerung von Druckmaschinen in den asiatischen Raum; zeitlicher Aufwand nach seinen Angaben weniger als 10 Stunden wöchentlich).

Am 16.01.2001 erhielt er von der Beklagten einen Vermittlungsvorschlag für eine Tätigkeit als Bürokaufmann in der Fa. W. Elektrotechnik GmbH (Fa. W.) in S ... Ausweislich der Stellenbeschreibung handelte es sich dabei um Einkaufssachbearbeitung, Auftragsbearbeitung und Materialdisposition. Vorausgesetzt wurden eine kaufmännische Ausbildung, PC-Kenntnisse und perfektes Deutsch.

Die Fa. W. teilte am 05.02.2001 der Beklagten mit, der Kläger habe sich nicht gemeldet. Hierzu angehört, erklärte der Kläger mit Schreiben vom 24.03.2001, der Arbeitsplatz sei zu weit von seiner Wohnung entfernt.

Mit Bescheid vom 08.05.2001 stellte die Beklagte daraufhin den Eintritt einer Sperrzeit von 12 Wochen für die Zeit vom 20.01.2001 bis 13.04.2001 fest, hob die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für die Vergangenheit ab 20.01.2001 auf, forderte die überzahlte Alhi in Höhe von 3.963,22 DM zurück und erklärte gleichzeitig die Aufrechnung gemäß § 51 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) iVm § 333 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Die erforderliche Pendelzeit sei dem Kläger zumutbar.

Den dagegen eingelegten Widerspruch begründete der Kläger damit, er sei nicht im Besitz eines eigenen Fahrzeuges, er benötige allein für den Weg von seiner Wohnung nach S. mit öffentlichen Verkehrmitteln 1 Stunde und 8 Minuten. Hinzu komme noch ein Fußweg in S. bis zum Arbeitsplatz. Auch entspräche die angegebene Tätigkeit nicht dem Gebot einer sachgerechten Arbeitsvermittlung, er sei gelernter Datenverarbeitungskaufmann.

Die Beklagte holte eine Fahrplanauskunft der VGN ein. Diese ergab eine reine Fahrzeit von der dem Wohnsitz des Klägers nächstgelegenen Haltestelle nach S. von 1 Stunde 1 Minute bzw 1 Stunde 2 Minuten.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.07.2001 zurückgewiesen. Der Vermittlungsvorschlag für die Fa. W. sei sowohl aufgrund der erforderlichen Pendelzeiten als auch aufgrund des beruflichen Werdeganges und der Dauer der Arbeitslosigkeit dem Kläger zumutbar. Die Voraussetzungen zur Festsetzung einer Sperrzeit, Aufhebung der Bewilligung von Alhi und deren Rückforderung seien gegeben.

Zur Begründung der dagegen zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage nimmt der Kläger auf sein bisheriges Vorbringen Bezug. Das SG hat mit Urteil vom 11.04.2002 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zutreffend eine 12-wöchige Sperrzeit festgesetzt, denn der Kläger habe ohne wichtigen Grund eine angebotene Arbeit nicht angenommen. Eine besondere Härte liege nicht vor. Das unterbreitete Arbeitsangebot mit Rechtsfolgenbelehrung genüge den gesetzlichen Anforderungen. Es sei im Rahmen sachgerechter Arbeitvermittlung unterbreitet worden und nicht für einen Berufsanfänger gedacht gewesen. Der Kläger erfülle die vorausgesetzten Anforderungen. Zudem müsse sich der Kläger wegen der Dauer seiner Arbeitslosigkeit auf Tätigkeiten unterhalb seines erlernten Berufes verweisen lassen (§ 121 Abs 3 SGB III). Auch die erforderliche Pendelzeit sei zumutbar (§ 121 Abs 4 SGB III). Das Verhalten des Klägers sei kausal für das Nichtzustandekommen des Arbeitsverhältnisses. Dies werde nach der Rechtsprechung unterstellt. Die Aufhebung der Bewilligung von Alhi sei gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm § 330 Abs 3 SGB III rechtmäßig. Der Kläger habe zumindest grob fahrlässig nicht gewusst, dass sein Anspruch auf Alhi zum Ruhen gekommen sei. Die weiteren Voraussetzungen zur Aufhebung des Bewilligungsbescheides seien eingehalten. Die Rückforderung sei zu Recht erfolgt.

Dagegen hat der Kläger Berufung zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung stützt er sich im Wesentlichen auf seinen bisherigen Vortrag. Ergänzend führt er aus, bei einer anzunehmenden Gehgeschwindigkeit von 3 km/h für die Strecke vom Arbeitsort zu öffentlichen Verkehrsmitteln benötige er zumindest 13 Minuten. Damit sei die zumutbare Gesamtpendelzeit überschritten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Nürnberg vom 11.04.2002 sowie den Bescheid vom 08.05.2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2001 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Die Gehgeschwindigkeit sei mit 5 km/h anzusetzen (vgl KG Berlin, Urteil vom 21.03.1991 - 12 U 7443/89 - veröffentlicht in juris). Es sei eine Rechtsfolgenbelehrung (R1) erteilt worden.

Auf Nachfrage des Senats hat die Fa. W. mitgeteilt, ihr Betrieb sei von der nächsten Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel ca 600 m entfernt; der Bruttoarbeitsverdienst des Klägers hatte 4.000.00 DM betragen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG), jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Klage abgewiesen. Der Bescheid vom 08.05.2001 idG des Widerspruchsbescheides vom 10.07.2001 ist rechtmäßig, der Anspruch auf Alhi ruhte für die Zeit vom 20.01.2001 bis 13.04.2001 aufgrund der zu Recht verhängten Sperrzeit. Die Aufhebung der Bewilligung von Alhi und die Erstattungsforderung bezüglich der überzahlten Leistungen ist rechtmäßig.

Nach der hier allein heranzuziehenden Regelung des § 144 Abs 1 Nr 2 SGB III in der bis 30.06.2001 geltenden Fassung iVm § 198 SGB III tritt eine Sperrzeit von 12 Wochen ein, wenn der Arbeitslose trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt unter Benennung des Arbeitgebers und der Art der Tätigkeit angebotene Beschäftigung nicht angenommen oder nicht angetreten hat (Sperrzeit wegen Arbeitsablehnung), ohne für sein Verhalten einen wichtigen Grund zu haben. Die Sperrzeit beginnt mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründet. Während der Sperrzeit ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 144 Abs 2 SGB III).

Die Voraussetzungen für die Verhängung einer Sperrzeit von 12 Wochen waren ab dem 20.01.2001 gegeben. Der Vermittlungsvorschlag war mit Schreiben vom 16.01.2001 dem Kläger per Post übermittelt worden. Gemäß § 37 Abs 2 SGB X, der hier entsprechend heranzuziehen ist, gilt der Vermittlungsvorschlag am 3. Tag nach Aufgabe zur Post, hier also am 19.01.2001, als bekanntgegeben. Damit ist der Beginn der Sperrzeit gemäß § 144 Abs 2 Satz 1 1. Alt. SGB III zutreffend auf den 20.01.2001 festgesetzt worden.

Dem Kläger wurde ein hinreichend bestimmtes Arbeitsangebot unterbreitet. Eine ordnungsgemäße Belehrung über die Rechtsfolgen einer Arbeitsablehnung wurde erteilt. Dies ergibt sich aus der Erklärung des Klägers über das Nichtzustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses und aus einer Auskunft der Beklagten.

Der Kläger hat diese Beschäftigung nicht angenommen, weil er sie aufgrund seiner Ausbildung und der erforderlichen Pendelzeit für unzumutbar hielt. Er hat sich deshalb nicht an die Fa. W. gewandt. Dies stellt eine Nichtannahme einer angebotenen Beschäftigung dar. Ein wichtiger Grund zur Ablehnung des Beschäftigungsverhältnisses ist nicht ersichtlich, denn die angebotene Beschäftigung war dem Kläger zumutbar. Der wichtige Grund muss dabei objektiv vorliegen (vgl BSG SozR 3-4100 § 119 Nr 11).

Die angebotene Tätigkeit entsprach den Grundsätzen sachgerechter Arbeitsvermittlung. Gemäß § 35 Abs 2 SGB III hat das Arbeitsamt durch die Vermittlung darauf hinzuwirken, dass Arbeitssuchende eine Arbeitsstelle und Arbeitgeber geeignete Arbeitnehmer erhalten. Es hat dabei die Neigung, Eignung und Leistungsfähigkeit des Arbeitssuchenden sowie die Anforderungen der angebotenen Stellen zu berücksichtigen. Die Zumutbarkeit einer angebotenen Beschäftigung ist in § 121 SGB III geregelt. Hiernach sind einem Arbeitslosen alle seiner Arbeitsfähigkeit entsprechenden Beschäftigungen zumutbar, so weit allgemeine oder personenbezogene Gründe der Zumutbarkeit einer Beschäftigung nicht entgegenstehen (§ 121 Abs 1 SGB III). Gemäß § 121 Abs 5 SGB III ist eine Beschäftigung nicht schon deshalb unzumutbar, weil sie ua nicht zum Kreis der Beschäftigungen gehört, für die der Arbeitnehmer ausgebildet ist (Datenverarbeitungskaufmann) oder die er bisher ausgeübt hat (Vertriebsmitarbeiter). Vom 7. Monat der Arbeitslosigkeit an ist dem Arbeitslosen eine Beschäftigung nur dann nicht zumutbar, wenn das daraus erzielbare Nettoeinkommen unter Berücksichtigung der mit der Beschäftigung zusammmenhängenden Aufwendungen niedriger ist als das Alg (§ 121 Abs 3 Satz 3 SGB III). Dabei wäre hier auf die Alhi abzustellen (§ 198 SGB III).

Einstellungsvoraussetzungen sollten nach der Stellenbeschreibung eine kaufmännische Ausbildung, Berufserfahrung, PC-Kenntnisse und perfektes Deutsch sein. Der Kläger war gelernter Datenverarbeitungskaufmann, er hatte im kaufmännischen Bereich - wie sich aus seinem beruflichen Vorleben ergibt - bereits Erfahrungen gesammelt und verfügte über PC-Kenntnisse. Er hat nämlich angegeben, die von ihm nebenbei ausgeübte selbstständige Tätigkeit ua per E-Mail zu erledigen, so dass er mit einer Tätigkeit am PC vertraut ist. Nach den von ihm gefertigten Schriftsätzen ist auch vom Vorhandensein entsprechender Deutschkenntnisse auszugehen. I. Ü. gibt er selbst an, die Anforderung des Arbeitsangebotes hätte er erfüllt. Auf die weiteren Ausführungen im Urteil des SG hierzu wird gemäß § 153 Abs 2 SGG Bezug genommen. Allgemeine oder personenbezogene Gründe, die gegen eine Zumutbarkeit der angebotenen Tätigkeit sprechen (§ 121 Abs 1 SGB III) finden sich nicht. Vielmehr wurde eine Ausbildung und vorhandene Berufserfahrung gefordert. Es handelte sich damit nicht um eine Einsteigertätigkeit, für die der Kläger überqualifiziert wäre. Die Art der angebotenen Tätigkeit ist ihm auch unter Berücksichtigung der Verdienstmöglichkeiten (§ 121 Abs 3 Satz 3 SGB III) zumutbar. Laut Auskunft der Fa. W. hätte er einen monatlichen Bruttoverdienst in Höhe von 4000,00 DM erzielen können. Für die streitgegenständliche Zeit hatte der Kläger Anspruch auf Alhi in Höhe von 390,74 DM wöchentlich gehabt.

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die angebotene Beschäftigung auch unter Berücksichtigung der erforderlichen Pendelzeiten zumutbar. Gemäß § 121 Abs 4 Satz 1 ist einem Arbeitslosen eine Beschäftigung nicht zumutbar, wenn die täglichen Pendelzeiten zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte im Vergleich zur Arbeitszeit unverhältnismäßig lang sind. Als unverhältnismäßig lang anzusehen sind im Regelfall Pendelzeiten von insgesamt mehr als 2 1/2 Stunden bei einer Arbeitszeit - wie hier - von mehr als 6 Stunden (§ 121 Abs 4 Satz 2 SGB III). Unstreitig ist, dass der Kläger für den Weg von seiner Wohnung bis zur Endhaltestelle in S. 1 Stunde und 8 Minuten benötigt. Dies ergibt sich aufgrund der eingeholten Fahrplanauskünfte durch die Beklagte sowie den Angaben des Klägers. In S. hat der Kläger nach Auskunft der Fa. W. noch eine Strecke von ca 600 m zur Arbeitsstätte zurückzulegen. Für diese Strecke benötigt der Kläger nach Auffassung des Senates bei einer anzusetzenden Gehgeschwindigkeit von 5 bis 6 km pro Stunde höchstens 7 Minuten. Es kommt dabei nicht auf die vom Kläger gemessene tatsächliche Zeit an, vielmehr muss ein objektivierbarer Maßstab zugrunde gelegt werden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSGE 62, 273; BSG SozR 3-3870 § 4 Nr 20) wird eine erhebliche Gehbehinderung ua dann angenommen, wenn eine Strecke von 2.000 m nicht innerhalb von 30 Minuten zurückgelegt werden kann. Eine erhebliche Gehbehinderung ist somit dann gegeben, wenn eine Gehgeschwindigkeit von 4 km/h unterschritten wird. Hieraus schließt der Senat, dass es für einen nicht erheblich gehbehinderten Menschen - wie dem Kläger - möglich ist, schneller als 4 km pro Stunde zu gehen. Es ist somit von einer Gehgeschwindigkeit von mindestens 5 bis 6 km/h auszugehen, insbesondere weil hier keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass beim Kläger aufgrund seines Alters, seines gesundheitlichen Zustandes und seiner Angaben in der mündlichen Verhandlung Anzeichen einer Gehbehinderung vorliegen. Auch ist die Strecke nicht so lange, dass eine höhere Gehgeschwindigkeit als 4 km/h eine besondere Ausdauer erforderliche machen würde. Bei einer somit erreichbaren Gehgeschwindigkeit im Mittel von zumindest 5,5 km/h kann der Kläger die Strecke von der Bushaltestelle in S. bis zur Arbeitsstätte in weniger als 7 Minuten zurücklegen. Somit ergibt sich eine einfache Pendelzeit von höchstens 1 Stunde 15 Minuten und eine Gesamtpendelzeit von höchstens 2 Stunden 30 Minuten. Diese ist dem Kläger zumutbar; unzumutbar ist lediglich eine Pendelzeit von mehr als 2 Stunden 30 Minuten.

Somit war gemäß § 144 Abs 1 Nr 2 SGB III eine Sperrzeit von 12 Wochen, beginnend ab 20.01.2001, eingetreten.

Eine besondere Härte im Sinne des § 144 Abs 3 Satz 1 SGB III lag nicht vor. Dabei ist auf eine Bewertung der Gesamtumstände des Einzelfalles abzustellen. Der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Härte kann nur dann angenommen werden, wenn nach den Umständen des Einzelfalles der Eintritt einer Sperrzeit mit der Regeldauer im Hinblick auf die für den Eintritt maßgebenden Tatsachen objektiv als unverhältnismäßig anzusehen ist (vgl BSG aaO mwN). Anhaltspunkte hierfür fehlen aber: Der Kläger hat sich nicht unverschuldet über die Zumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung geirrt. Zumindest wäre von ihm zu erwarten gewesen, dass er sich wegen seiner Fragen zur angebotenen Beschäftigung und der Pendelzeit an die Beklagte oder zunächst einmal an den Arbeitgeber wendet. Er verließ sich hier jedoch auf seinen eigenen Eindruck - wobei er die erforderliche Pendelzeit damals noch nicht gekannt haben kann, denn er ist erst im Laufe des Berufungsverfahrens die Strecke vom Arbeitsort zur nächsten Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel abgegangen - und handelte somit bewusst auf eigene Gefahr (vgl BSG aaO). Das Vorliegen einer besonderen Härte - persönliche und wirtschaftliche Umstände sind hierbei nicht zu berücksichtigen (vgl Niesel, SGB III, 2. Auflage, § 144 RdNr 107) - ist somit zutreffend von der Beklagten verneint und eine Sperrzeit von 12 Wochen verhängt worden.

Infolge des Eintritts einer Sperrzeit ruhte der Anspruch auf Alhi für die Zeit vom 20.01.2001 bis 13.04.2001. Es ist somit gegenüber der Bewilligung von Alhi (zuletzt mit Bescheid vom 11.01.2001) in den tatsächlichen und rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung - um einen solchen handelt es sich bei dem Bewilligungsbescheid vom 11.01.2001 - vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten. Gemäß § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X, der hier allein in Betracht kommt, soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist. Der Kläger wusste aufgrund der ausgehändigten Merkblätter, deren Erhalt er in seinem Fortzahlungsantrag vom 13.12.2000 bestätigt hat, dass eine Sperrzeit eintritt, wenn er eine zumutbare Beschäftigung ohne wichtigen Grund nicht annimmt (Bl 43 des Merkblattes, Stand April 2000). Sollte der Kläger weder das Merkblatt noch die Rechtsfolgenbelehrung des Vermittlungsangebotes gelesen haben, so hat er dann zumindest grob fahrlässig gehandelt. Die Nichtbeachtung eines nachweislich ausgehändigten Merkblattes zu einem konkreten Leistungstatbestand wird im Allgemeinen grobe Fahrlässigkeit begründen (vgl hierzu von Wulffen/Wiesner, SGB X, 4. Auflage, § 45, RdNr 24; Niesel, SGB III, 2. Auflage, § 330 RdNr 32; BSG SozR 3-4100 § 103 Nr 9).

Dem Kläger musste somit ohne Weiteres einleuchten, dass er den Anspruch auf Arbeitslosenhilfe verliert, wenn er keinerlei Kontakt mit der Fa. W. aufnimmt und nicht unmittelbar Rücksprache mit der Beklagten wegen der Zumutbarkeit der angebotenen Beschäftigung nimmt. Letzteres hat er aber erst auf Anhörung der Beklagten vom 13.03.2001 mit Schreiben vom 24.03.2001 getan.

Anhaltspunkte dafür, dass er persönlich dazu nicht in der Lage gewesen wäre zu erkennen, dass ihm kein weiterer Anspruch auf Alhi nach der Ablehnung der angebotenen Beschäftigung zustehe, fehlen (subjektiver Maßstab). Insbesondere ist der Kläger, wie sich aus seinen Schriftsätzen ergibt, in der Lage, den Inhalt von Merkblättern und behördlichen Schreiben zutreffend zur Kenntnis zu nehmen. Er besitzt die geistigen Fähigkeiten, die Folgen seines Handelns aufgrund der ihm vorliegenden Merkblätter und Rechtsfolgenbelehrungen zu erkennen.

Die weiteren Voraussetzungen zur Aufhebung der Bewilligung von Arbeitslosengeld für die Vergangenheit (Anhörung, Einjahresfrist gemäß § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X) liegen vor. Bei der Entscheidung über die Aufhebung hat die Beklagte kein Ermessen auszuüben, § 330 Abs 3 SGB X.

Die Erstattungsforderung selbst findet ihre Rechtsgrundlage in § 50 Abs 1 SGB X. Bezüglich der Höhe der Rückforderung bestehen keine Zweifel.

Die Aufrechnung ist gemäß § 51 Abs 2 SGB I iVm § 333 Abs 1 SGB III rechtmäßig.


Die Berufung ist nach alledem als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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