L 2 U 442/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 61/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 442/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 46/02 R
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einem nur sporadisch geringfügig Beschäftigten, wird zur Berechnung des Verletztengeldes das Regelentgelt bei der entsprechenden Anwendung des § 47 Abs.2 SGB V ausnahmsweise nach dem Lohnausfallsprinzip berechnet, nämlich durch die hypothetische Feststellung, wie viel Arbeitsentgelt infolge der Arbeitsunfähigkeit nicht eingenommen werden konnte.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 24.08.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Parteien streiten um die Berechnung des Verletztengeldes.

Der 1936 geborene Kläger war bis Ende 1995 als selbstständiger Fuhrunternehmer tätig. Anschließend war er weder Rentner noch ging er einer Beschäftigung nach. Er half jedoch nach Bedarf im Fuhrunternehmen seines Schwiegersohnes aus. So arbeitete er am 13., 14. und 21.05.1996 insgesamt 19 Stunden, am 12.06. 9 Stunden und am 24.06. 6 Stunden. Er erhielt jeweils DM 18,50 pro Stunde, die ohne gesetzliche Abzüge ausgezahlt wurden. Am 23.10.1996 begann er wieder eine solche Aushilfstätigkeit um 12.45 Uhr und erlitt um 13.15 Uhr dabei einen Unfall. Nach Auskunft des Unternehmers hätte der Kläger für etwa fünf Stunden zu einem Stundenlohn von DM 18,50 arbeiten sollen. Weitere Beschäftigungen wären in Betracht gekommen, soweit entsprechender Arbeitsanfall vorgelegen hätte.

Mit Bescheid vom 25.08.1998 gewährte die Beklagte dem Kläger Verletztengeld für die Zeit vom 23.10.1996 bis 28.10.1998. Zur Ermittlung des Regelentgelts teilte sie das für den Unfalltag vorgesehene Bruttoentgelt durch 30. Den anschließenden Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.1999 als unbegründet zurück.

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger ein Regelentgelt von täglich DM 10,11 geltend gemacht. Zu Grunde zu legen sei das in der Zeit vom 21.05. bis 24.06.1996 erzielte Arbeitsentgelt bei einer Arbeitszeit von 20,5 Stunden und einem Stundenlohn von DM 18,50.

Mit Urteil vom 24.08.2000 hat das Sozialgericht die Beklagte unter Abänderung der angefochtenen Bescheide verurteilt, bei der Feststellung des Verletztengeldes ein Regelentgelt von kalendertäglich DM 3,30 zu Grunde zu legen. Es ist dabei in Anlehnung an die Entscheidung BSG SozR 3-2200 § 561, Nr.2 davon ausgegangen, dass bei einer Aushilfstätigkeit, die nur gelegentlich und nicht in einem längeren zeitlichen Zusammenhang verrichtet wird, das für die jeweilige Aushilfstätigkeit vereinbarte Entgelt zu Grunde zu legen sei. Das tägliche Regelentgelt sei jedoch in der Weise zu ermitteln, dass der für die Beschäftigungszeit vereinbarte Lohn durch die Zahl der in vier Wochen enthaltenen Tage (28 Tage) zu teilen sei.

Der Kläger hat hiergegen Berufung eingelegt und beantragt, die Beklagte in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 24.08.2000 und des Bescheids vom 25.08.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.02.1999 zu verurteilen, bei der Feststellung des Verletztengeldes von einem Regelentgelt von kalendertäglich DM 10,11 auszugehen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung sind die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Die vom Sozialgericht vorgenommene Berechnung des Verletztengeldes ist rechtmäßig.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung sind auch im Berufungsverfahren die Vorschriften der RVO, weil der Versicherungsfall vor dem 01.01.1997 eingetreten ist und der Jahresarbeitsverdienst nicht nach dem Inkrafttreten des SGB VII erstmals oder auf Grund des § 90 SGB VII neu festgesetzt wurde (§§ 212, 214 Abs.2 SGB VII).

Das Verletztengeld war nach § 561 Abs.1 RVO in Verbindung mit § 47 Abs.1, 2 und 5 SGB V festzusetzen. Bei einer Anwendung des § 47 Abs.2 SGB V sind jedoch im vorliegenden Fall weder die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 noch die des Satz 3 erfüllt.

Es fehlt beim Kläger an einem Mindestabrechnungszeitraum von vier Wochen vor dem Eintritt des Versicherungsfalles. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger seine selbstständige Tätigkeit mit dem Ende des Jahres 1995 aufgegeben. Diese Tätigkeit kann nach § 47 Abs.1 SGB V nicht zur Berechnung des Regelentgelts herangezogen werden. In der Zeit von der Aufgabe der selbstständigen Tätigkeit bis zum Unfall ist der Kläger nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zusammenhängend je nach Bedarf nur tageweise beschäftigt worden. Dieser tageweisen Beschäftigung entsprach eine tageweise Entlohnung nach Stunden. Der letzte zusammenhängende Beschäftigungszeitraum waren die sechs Stunden des 24.06.1996. Es fehlt damit an dem nach § 47 Abs.2 Satz 1 und 2 SGB V erforderlichen Mindestabrechnungszeitraum von vier Wochen. Einen anderen zurückliegenden Abrechnungszeitraum von mindestens vier Wochen gibt es im Fall des Klägers nicht.

Es kann dahingestellt bleiben, ob grundsätzlich in solchen Fällen eine Hochrechnung aus den vorhandenen Abrechnungszeiträumen oder die Ermittlung des durchschnittlichen Verdiensts eines gleichartig Beschäftigten heranzuziehen ist (vgl. hierzu BSG SozR 3-2200 § 561 Nr.2; Höfler, Kasseler Kommentar, § 47 SGB V Rdnr.20). Auf eine Vergleichsperson kann im vorliegenden Fall nicht zurückgegriffen werden. Beim Kläger handelte es sich vielmehr um einen nur sporadisch geringfügig Beschäftigten, bei dem wie in der Entscheidung des Bundessozialgerichts a.a.O. das Regelentgelt bei der entsprechenden Anwendung des § 47 Abs.2 SGB V ausnahmsweise nach dem Lohnausfallsprinzip zu berechnen ist, nämlich durch die hypothetische Feststellung, wie viel Arbeitsentgelt infolge der Arbeitsunfähigkeit nicht eingenommen werden konnte. Dementsprechend ist auch die Teilung, die das Sozialgericht in Anlehnung an diese Entscheidung vorgenommen hat, zutreffend. Eine Anlehnung an den 24.06.1996 statt an den Tag des Arbeitsunfalles ist im vorliegenden Fall nicht zu begründen, weil die Unterschiede zwischen diesen beiden Tagen zufällig sind und es keinerlei Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Verhältnisse vom 24.06.1996 einen zuverlässigeren Schluss auf das durch die Arbeitsunfähigkeit entgangene Arbeitsentgelt zulassen. Die seltenen Fälle des Arbeitseinsatzes im Jahre 1996 und die lange Zeitspanne zwischen dem vorletzten und dem letzten Arbeitseinsatz legen vielmehr ein Abstellen auf die Verhältnisse am Unfalltag nahe.

Der Vergleich des vom Sozialgericht gefundenen Ergebnisses mit dem wirtschaftlichen Gewicht, das die versicherten Beschäftigungen für den Kläger bis dahin hatten, spricht dagegen, dass der Kläger im vorliegenden Fall unangemessen benachteiligt wird. Der Kläger hat im ersten Halbjahr 1996 aus seinen Aushilfstätigkeiten insgesamt DM 629,00 erlöst. Nach Umsetzung des angefochtenen Urteils fließt ihm für das erste halbe Jahr des Verletztengeldbezugs ein Betrag von insgesamt DM 475,20 zu. Hingegen würde ihm bei einem Erfolg seines Begehrens ein Betrag zu DM 1.454,40 zufließen. Dies würde mehr als das Doppelte des vorhergehenden Bruttoeinkommens darstellen und wäre unter dem Gesichtspunkt der Lohnersatzfunktion des Verletztengeldes völlig unangemessen.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger im Berufungsverfahren nicht weiter obsiegt hat.
Rechtskraft
Aus
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