L 11 AL 275/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 8 AL 171/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 11 AL 275/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 16.05.2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Konkursausfallgeld (Kaug) vom 15.06.1996 bis 13.09.1996.

Der am 1968 geborene Kläger war bis zum 13.09.1996 bei der V. Vertriebs- und Vermittlungsgesellschaft mbH in J. beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung der Arbeitgeberin.

Am 18.01.2000 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld (InsG) und gab im Antrag ua an, dass der Geschäftsbetrieb seiner ehemaligen Arbeitgeberin Anfang 1998 eingestellt worden sei. Die Nichtzahlung seines Arbeitsentgeltes wurde mit der Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin begründet.

Mit Bescheid vom 25.01.2000 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Das Gesamtvollstreckungsverfahren über das Vermögen der V. GmbH sei mit Beschluss des Amtsgerichtes G. vom 29.09.1998 - N 540/98 mangels Masse abgewiesen worden (Insolvenztag). InsG könne jedoch nur gewährt werden, wenn die zugrunde liegenden Arbeitsentgeltansprüche im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verjährt seien. Die vom Kläger geltend gemachten Entgeltansprüche vom 01.06.1996 bis 14.06.1996 seien bereits am 31.12.1998 verjährt gewesen, da er keine die Verjährungsfrist unterbrechende Lohnklage beim zuständigen Arbeitsgericht erhoben habe.

Hiergegen legte der Kläger am 01.02.2000 Widerspruch ein. Er habe erst durch ein Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 12.01.2000, mit dem ihm die Gewerbeamtsauskunft vom 22.12.1999 zugeleitet worden sei, vom Konkursfall erfahren und sofort InsG beantragt. Seine Lohnansprüche seien nicht verjährt, da der Geschäftsführer der V. GmbH, Herr E. , mit Schreiben vom 17.12.1997, 07.07.1998 und 18.01.2000 diese anerkannt habe.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2000 als unbegründet zurück.

Dagegen hat der Kläger am 06.04.2000 Klage zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhoben.

Mit Änderungsbescheid vom 10.05.2000 änderte die Beklagte ihre bisherigen Bescheide insoweit ab, als sie nun davon ausging, dass nicht die Vorschriften der §§ 183 ff Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) sondern die Bestimmungen der §§ 141 a ff des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) anzuwenden seien, da das Insolvenzereignis bereits am 29.09.1998 stattgefunden habe. Ein Anspruch des Klägers auf Kaug bestünde gleichwohl nicht, da er die Antragsfrist des § 141 e Abs 1 Satz 2 AFG versäumt habe. Diese Frist habe mit dem Tag nach dem Konkursereignis, also dem 30.09.1998 zu laufen begonnen und am 29.11.1998 geendet. Der Kläger habe seinen Antrag jedoch erst am 18.01.2000 gestellt. Auch eine Nachfrist nach § 141 e Abs 1 Satz 3 AFG könne ihm nicht gewährt werden, da er die Geltendmachung des Kaug nicht unverschuldet versäumt habe. Er sei bereits mit Schreiben vom 07.07.1998 an die Rechtsanwälte G. und S. auf die Zahlungsunfähigkeit der V. GmbH hingewiesen worden und habe es zumindestens fahrlässig unterlassen, rechtzeitig einen Kaug-Antrag zu stellen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.05.2002 abgewiesen. Auf den vorliegenden Fall seien gem § 430 Abs 5 SGB III weiterhin die Vorschriften der §§ 141 a ff AFG anwendbar, weil das relevante Insolvenzereignis, die Abweisung der Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse durch Beschluss des Amtsgerichtes Gera vom 29.09.1998, noch vor In-Kraft-Treten der Neuregelungen der §§ 183 ff SGB III am 01.01.1999 eingetreten sei. Gem § 141 a iVm § 141 b AFG habe ein Arbeitnehmer Anspruch auf Kaug, wenn er bei Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen seines Arbeitgebers für die letzten der Eröffnung des Konkursverfahrens vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt habe. Der Eröffnung des Konkursverfahrens im Sinne des § 141 b Abs 1 AFG stehe dabei gem § 141 b Abs 3 AFG die Abweisung des Antrages auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse sowie die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit gleich. Im Falle der Kündigung des Arbeitsverhältnisses bereits vor Eintritt des Konkursfalles sei bezüglich des relevanten Kaug-Zeitraumes auf die letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses abzustellen. Das Arbeitsverhältnis des Klägers sei durch die arbeitgeberseitige Kündigung mit Wirkung zum 13.09.1996 und damit vor Eintritt des Kaug-Ereignisses am 29.09.1998 beendet worden. Der Kaug-Zeitraum belaufe sich deshalb auf die Zeit der letzten drei Monate des Arbeitsverhältnisses, mithin vom 14.06.1996 bis 13.09.1996. Soweit der Kläger für die Zeit vom 01.06. bis 13.06.1996 Entgeltansprüche geltend mache, habe er bereits aus diesem Grunde keinen Anspruch auf Kaug. Auch für den Zeitraum danach habe der Kläger keinen Anspruch auf Kaug, weil er die Ausschlussfrist des § 141 e Abs 1 Satz 2 AFG versäumt habe und ihm keine Nachfrist gem § 141 e Abs 1 Satz 3 und 4 AFG gewährt werden könne. Gem § 141 e Abs 1 Satz 1 AFG werde Kaug nur auf Antrag gewährt, der innerhalb der Ausschlussfrist von zwei Monaten nach Eröffnung des Konkursverfahrens gestellt werden müsse (§ 141 e Abs 1 Satz 2 AFG). Da gem § 141 b Abs 3 AFG der Eröffnung des Konkursverfahrens die Abweisung des Konkursantrages mangels Masse und die endgültige Beendigung der Betriebstätigkeit gleichstünden, sei die zweimonatige Ausschlussfrist des § 141 e Abs 1 Satz 2 AFG im Falle des Klägers vom 30.09.1998 bis 29.11.1998 gelaufen. Der Kläger habe den Kaug-Antrag jedoch erst am 18.01.2000 gestellt. Dabei komme es nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (BSG) nicht darauf an, ob der Arbeitnehmer positive Kenntnis vom Kaug-Ereignis gehabt habe oder nicht. Die materiell-rechtliche Ausschlusswirkung des § 141 e Abs 1 Satz 2 AFG trete nur dann nicht ein, wenn der Arbeitnehmer die Fristversäumung nicht zu vertreten habe. In diesem Falle gewähre das Gesetz ihm eine sogenannte Nachfrist von zwei Monaten zur Geltendmachung seiner Ansprüche auf Kaug (§ 141 e Abs 1 Satz 3 AFG). Nach § 141 e Abs 1 Satz 4 AFG sei von einem Verschulden des Arbeitnehmers auszugehen, wenn er sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht habe. Dabei müsse er sich ein Verschulden des von ihm mit der Durchsetzung seiner Arbeitsentgeltansprüche beauftragen Bevollmächtigten und in diesem Rahmen auch dessen Kenntnis vom Kaug-Ereignis bzw dessen Kennenmüssen zurechnen lassen. Das BSG stelle in seiner ständigen Rechtsprechung darauf ab, wann der Arbeitnehmer bei Anwendung der ihm zumutbaren Sorgfalt unter Wertung aller ihm bekannten Tatsachen vom Eintritt des Kaug-Ereignisses hätte Kenntnis haben können. Da der ehemalige Geschäftsführer der Arbeitgeberin des Klägers im Schreiben vom 07.07.1998 erklärt habe, dass Zahlungsunfähigkeit der V. GmbH vorliege und vor dem Amtsgericht Jena eine eidesstattliche Versicherung habe abgegeben werden müssen, hätte dies zumindestens für den Bevollmächtigten des Klägers Anlass genug zu weiteren Nachforschungen bezüglich des Eintritts eines Konkursereignisses oder anderer Forderungen sichernder Maßnahmen sein müssen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätten sich für seinen Bevollmächtigten weitere Nachforschungen aufdrängen müssen, etwa die Nachfrage beim Amtsgericht J. über noch vorhandene Vermögenswerte der Arbeitgeberin, zumal das Arbeitsverhältnis des Klägers bereits seit zwei Jahren mit der Begründung beendet war, dass die V. GmbH zahlungsunfähig sei und er seither auf die Befriedigung seiner Arbeitsentgeltansprüche gewartet habe. Für den Bevollmächtigten habe deshalb eine Informationspflicht gegenüber dem Kläger bestanden, ihn bei Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit und möglichen Betriebseinstellung der V. GmbH vorsorglich auf die Stellung eines Antrages auf Kaug hinzuweisen. Die Verletzung dieser Informationspflicht müsse sich der Kläger im Rahmen der Prüfung des § 141 e Abs 1 Satz 3 und 4 AFG wie eigenes Verschulden zurechnen lassen. Da dem Kläger eine Nachfrist gem § 141 e Abs 1 Satz 3 und 4 AFG nicht gewährt werden könne, sei sein Kaug-Antrag vom 18.01.2000 verspätet.

Gegen das ihm am 19.06.2002 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 17.07.2002 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.

Soweit das SG die Klageabweisung für den Zeitraum vom 01.06.1996 bis 14.06.1996 damit begründet habe, dass diese Zeiten außerhalb des Dreimonatszeitraumes lägen, werde das Urteil nicht angegriffen. Bei der Antragstellung vom 18.01.2000 sei die zweimonatige Ausschlussfrist des § 141 e Abs 1 Satz 2 AFG tatsächlich verstrichen gewesen. Dem Kläger sei jedoch eine Nachfrist zu gewähren, da er positive Kenntnis von der Zurückweisung des Konkurseröffnungsantrages erst aus der Anlage zum Schriftsatz der Beklagten vom 11.12.2000 im erstinstanzlichen Klageverfahren erhalten habe, das am 05.01.2001 in der Kanzlei seines Bevollmächtigten eingegangen sei. Vorher habe der Kläger aus der Gewerbeauskunft des Gewerbsamtes J. vom 22.12.1999 lediglich die offenbar unzutreffende Information gehabt, dass der Geschäftsbetrieb der V. GmbH im Frühjahr 1999 eingestellt worden sei. Soweit das SG darauf abstelle, dass der Kläger bereits im Schreiben vom 07.07.1998 auf die Zahlungsunfähigkeit der V. GmbH und die Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vor dem AG J. hingewiesen worden sei, begründe dies kein dem Kläger zurechenbares Verschulden, das die Gewährung einer Nachfrist ausschließe. Wenn ihm weitere Nachforschungen über den Eintritt eines Tatbestandes nach § 141 b AFG abverlangt würden, seien diese Anforderungen überzogen. Darüberhinaus habe auch für seinen damaligen Bevollmächtigten auf Grund der Formulierung des Schreibens keine Veranlassung bestanden, statt von einer vorübergehenden Krise von einer andauernden Zahlungsunfähigkeit im Sinne einer Verpflichtung zur unverzüglichen Konkursantragstellung auszugehen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG Bayreuth vom 16.05.2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm Kaug für den Zeitraum vom 14.06.1996 bis 13.09.1996 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum weiteren Sachverhalt wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten und der Prozessakten des SG und des BayLSG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

In der Sache erweist sich die Berufung jedoch als unbegründet, denn das SG hat im Urteil vom 16.05.2002 zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 25.01.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.03.2000 und den Änderungsbescheid vom 10.05.2000 abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Kaug hat.

In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das SG im angefochtenen Urteil von der Anwendbarkeit der Bestimmungen der §§ 141 a ff AFG auf Grund des Konkursereignisses vom 29.09.1998 ausgegangen. Soweit das SG das Nichtbestehen eines Kaug-Anspruches des Klägers für die Zeit vom 01.06.1996 bis 14.06.1996 angenommen hat, wird dies mit der Berufung nicht angegriffen. Unstreitig ist zwischen den Beteiligten ferner, dass der Kläger die zweimonatige Ausschlussfrist des § 141 e Abs 1 Satz 2 AFG versäumt hat. Dem Kläger kann jedoch eine Nachfrist gem § 141 e Abs 1 Satz 4 AFG nicht gewährt werden, denn er hat sich nicht mit der erforderlichen Sorgfalt um die Durchsetzung seiner Ansprüche bemüht. Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 16.05.2002 dazu zutreffend ausgeführt, dass sich der Kläger dabei das Verschulden seines damaligen Bevollmächtigten zurechnen lassen muss. Der Senat nimmt auf die Gründe des Urteils des SG im Übrigen Bezug (§ 153 Abs 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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