Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 RH 77/01 SB 76 KO
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 B 119/02 SB KO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Kosten eines selbst. Arztes für Praxisdienstbereitschaft durch einen anderen Arzt neben Verdienstausfall ertstattungsfähig - Fehlende Tenorfeststellung durch Sozialgericht
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg abgeändert und die Entschädigung des Beschwerdeführers für die Terminswahrnehmungen vom 11. September 2001 auf 288,68 EUR und vom 9. Oktober 2001 auf 198,02 EUR festgesetzt; im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. -
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist praktischer Arzt und Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Mittelfrankens; als solcher war er am 11.09.2001 und am 09.10.2001 in dem Rechtshilfeverfahren S 15 RH 77/01 SB 76 als Zeuge geladen. Am 11.09.2001 fuhr er ausweislich seiner eigenen Angaben im Entschädigungsantrag vom 19.09.2001 um 12.00 Uhr mit dem Pkw von seiner Wohnung zum Sozialgericht Nürnberg und kehrte von dort gegen 15.45 Uhr an seine Arbeitsstelle zurück; insgesamt setzte er hierfür 84 km an und machte 6,- DM Parkplatzgebühren geltend; seinen Verdienstausfall berechnete er mit 450,- DM (2,5 Std. à 180,- DM); seinem Antrag fügte er die Quittung des Internisten Dr.K vom 17.09.2001 über den Betrag von 450,- DM für Praxisdienstbereitschaft am 11.09.2001 von 12.00 Uhr bis 15.45 Uhr (Std. à 120,- DM) bei.
Im Entschädigungsantrag vom 23.10.2001 für die Terminswahrnehmung am 09.10.2001 gab er an, von Zuhause um 12.00 Uhr mit dem Pkw abgefahren und nach Beendigung des Termins um 14.30 Uhr an seiner Arbeitsstelle eingetroffen zu sein; Fahrtkosten machte er für insgesamt 82 km sowie für Parkplatzgebühren von 4,50 DM geltend; gleichzeitig legte er wiederum die Quittung des Internisten Dr.K. vor, wonach dieser für die Praxisdienstbereitschaft am 09.10.2001 von 12.OO Uhr bis 14.30 Uhr 300,- DM (Std. à 120,- DM) erhalten habe.
Nachdem der Kostenbeamte den Bf. mit Schreiben vom 02.11.2001 um nähere Angaben über die Praxisdienstbereitschaft des Dr.K. gebeten hatte, wies der Bf. mit Schreiben vom 09.11. 2001 auf seinen Sicherstellungsauftrag im Rahmen der Kassenärztlichen Versorgung hin. Auf telefonische Anfrage teilte ein Abteilungsleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Mittelfrankens dem Kostenbeamten mit, während der Abwesenheit des Bf. sei ein Bereitschaftsdienst notwendig; ob eine Entschädigung in Höhe von 120,- DM pro Stunde hierfür angemessen sei, könne er nicht sagen, da dies die Ärzte untereinander regelten.
Jeweils mit Schreiben vom 17.01.2002 setzte der Kostenbeamte des Sozialgerichts Nürnberg die Entschädigung des Bf. für die Terminswahrnehmung am 11.09.2001 auf den Betrag von 564,60 DM bzw. 288,68 EUR und für die am 09.10.2001 auf 387,30 DM bzw. 198,02 EUR fest, bei den Fahrtkosten ging der dabei von 84 km bzw. 82 km jeweils à 0,40 DM aus und übernahm die Kosten für Praxisdienstbereitschaft und Parkgebühren antragsgemäß; bei der Berechnung des Verdienstausfalles setzte er für den 11.09.2001 aufgerundet 3 Stunden à 25,- DM und für den 09.10.2001 2 Stunden à 25,- DM an, nachdem der Bf. in seinen Entschädigungsanträgen angegeben hatte, regelmäßig von 8.30 Uhr bis 13.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 18.30 Uhr in der Praxis zu arbeiten. Beide Schreiben enthielten den Hinweis auf die Möglichkeit eines Antrages auf richterliche Festsetzung der Entschädigung, falls dem Bf. die Kürzung nicht gerechtfertigt erscheinen sollte.
Mit Schreiben vom 30.01.2002 legte der Bf. "Widerspruch gegen die Festsetzung der Kostenerstattung der beiden oben genannten Abrechnungen ein, soweit keine antragsgemäße Auszahlung erfolgt ist." Zur Begründung wies er daraufhin, die 25,- DM pro Stunde deckten nicht einmal die angefallenen Praxiskosten; der Praxisbetrieb (Heizung, Strom, Gehalt der Helferinnen, welche zu diesem Zeitpunkt nicht kurzfristig heimgeschickt werden könnten) koste pro Stunde allein schon wesentlich mehr als 25,- DM; ein Verdienstausfall seinerseits sei darin nicht enthalten; das Landgericht Hannover beziffere den Wert der Arztstunde mit DM 200,-; aus dem Steuerbescheid des Jahres 2000 sei bei einer reinen täglichen Arbeitszeit von neun Stunden bei einem Stundensatz bei ihm von ca. 180,- DM brutto auszugehen; der Kostenbeamte praktiziere eine Ungleichbehandlung von Selbständigen gegenüber Arbeitnehmern, bei letzteren werde der volle, vom Arbeitgeber bescheinigte Stundensatz ersetzt; Selbständige würden mit Dumpingpreisen von DM 25,- abgespeist.
Das Sozialgericht Nürnberg erließ daraufhin am 21.02.2001 folgenen Beschluss: "Der Antrag wird zurückgewiesen". Zur Begründung wies es darauf hin, der Antrag des Erinnerungsführers auf Festsetzung eines Stundensatzes von 180,- DM sei unbegründet; seine Entschädigung richte sich nach den in § 2 Abs. 2 ZSEG genannten Sätzen von 4,- bis 25,- DM (nach der bis zum 31.12. 2001 geltenden Fassung); wegen des unbestrittenen Verdienstausfalles als Arzt sei der Höchstsatz von 25,- DM zutreffend angesetzt worden; dieser dürfe nicht überschritten werden, auch wenn der tatsächlich eingetretene Verdienstausfall höher sei; der Gesetzgeber mute dem Zeugen im Interesse einer funktionsfähigen Rechtsprechung und als staatsbürgerliche Verpflichtung materielle Opfer zu.
Gegen diesen Beschluss legte der Bf. mit Schreiben vom 21.03. 2002 Beschwerde zum Sozialgericht Nürnberg ein und wies darauf hin, im Beschluss vom 21.02.2002 seien die drei Begründungspunkte, welche in seinem Schreiben vom 13.01.2002 aufgeführt seien, weder sachlich noch juristisch entkräftet worden; vielmehr handele es sich bei dieser Kostenentscheidung um einen Eingriff in das Eigentumsrecht und die Berufsfreiheit; der niedergelassenen Ärzteschaft würden derartige materielle Opfer überproportionaler Weise, zum Beispiel in Abweichung von anderen Freiberuflern und Unternehmern, auferlegt; insgesamt würden die Grundrechte der Art. 12 und 14 des Grundgesetzes (GG) verletzt, es handele sich um einen enteignunsgleichen Eingriff, der nicht durch Grundrechte Dritter gerechtfertigt sei und sich als unverhältnismäßig gegenüber den niedergelassenen Ärzten darstelle.
Das Sozialgericht half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Bayerischen Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
II.
Die Beschwerde des Bf. ist nach § 16 Abs. 2 ZSEG zulässig, der Beschwerdewert von 50,- EUR ist überschritten; dies gilt auch für den Fall, dass man die im angefochtenen Beschluss zulässigerweise stillschweigend verbundenen Abrechnungsfälle vom 11.09. und 09.10. 2001 getrennt beurteilen würde; die Differenz zwischen dem vom Bf. geltend gemachten Verdienstausfall pro Stunde von 180,- DM zu dem vom Gericht angenommenen Höchstbetrag von 25,- DM beträgt bereits mehr als 50,- EUR.
Die Beschwerde ist teilweise auch begründet, weil das Sozialgericht es unterlassen hat, die dem Bf. als Zeugen "zu gewährende Entschädigung" entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs.1 durch einen ordnungsgemäßen gerichtlichen Beschluss "festzusetzen", und den Antrag stattdessen lediglich zurückgewiesen hat. Selbst wenn aus der Sicht des Gerichtes die im Verwaltungsverfahren vorausgegangene Festsetzung des Kostenbeamten im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, darf es den nach § 16 Abs. 1 ZSEG gestellten Antrag grundsätzlich nicht zurückweisen. Die beantragte gerichtliche Festsetzung ist keine Abänderung der von der Anweisungsstelle des Gerichtes vorgenommenen Berechnung, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung nach § 16 ZSEG, wodurch eine vorherige Berechnung der Entschädigung im Verwaltungsweg gegenstandslos wird (BGH in JVBl 69, 40 = Rechtspfleger 69, 88 = MDR 69, 216 = NJW 69, 556; Meyer/Höver/Bach, Gesetz über die Entschädigung über Zeugen und Sachverständigen, Kommentar, 21. Aufl., Rz. 9.3 zu § 16); deshalb verbietet sich jede Bezugnahme auf die vorherige Berechnung der Verwaltung. Das Gericht muss vielmehr die gesamte Entschädigung festsetzen und darf sich auch nicht darauf beschränken, eine allgemeine, nicht erschöpfende Richtlinie zu geben. Es hat deshalb die gesamte Entschädigung nach Art und Höhe einschließlich der Zeitangaben insgesamt zu überprüfen und ziffernmäßig festzusetzen; die Festsetzung nach Einzelenschädigungselementen ist nicht zulässig (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Nachdem das Sozialgericht die im "Widerspruch" des Bf. vom 04.02.2002 sinngemäß gestellten Anträge auf Festsetzung einer Entschädigung ihm gegenüber zurückgewiesen hat, ohne die Entschädigung durch gerichtlichen Beschluss ordnungsgemäß festzusetzen (es bezeichnet den Antragsteller in den Gründen fälschlich auch als Erinnerungsführer), ist das Beschwerdegericht gehalten, an Stelle des Erstrichters zu entscheiden; ihm obliegt damit die volle Nachprüfung der Festsetzung. Für die Terminswahrnehmungen vom 11.09.2001 wird die Entschädigung auf 288,68 EUR (564,60 DM) und für die vom 09.10.2001 auf 198,02 EUR (387,30 DM) festgesetzt; im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen, weil dem Bf. der Verdienstausfall nicht auf der Grundlage des von ihm in Ansatz gebrachten Betrages von 180,- DM zu entschädigen ist; insoweit ist der angefochtene Beschluss im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Entschädigung des Bf. erfolgt gemäß dem ZSEG. Nach diesem Gesetz wurde der Bf. als sachverständiger Zeuge in einem Rechtshilfeverfahren herangezogen, so dass sein Entschädigungsanspruch durch das ZSEG abschließend nach Grund und Höhe geregelt wird (vgl. BGH in Rechtspfleger 79, 259; Meyer/Höver/Bach Rz. 1, 2 zu § 1 mit weiteren Nachweisen). Aus dem Regelungszweck, der sich aus den Absätzen 1 bis 3 des § 1 ZSEG ergibt, wird deutlich, dass die Vorschrift eine Klarstellung der Gegenleistungspflicht des Staates bezweckt, soweit er den Bürger zur Erfüllung von dessen staatsbürgerlicher Ehrenpflicht heranzieht, dem Staat bei der Erfüllung der Rechtspflege u.a. als Zeuge zu dienen (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., Rdnr. 2 zu § 1 ZSEG). Daraus folgt, dass es im Rahmen des ZSEG grundsätzlich nicht um einen angemessenen Schadensersatzanspruch des Zeugen gegen den Staat, sondern um eine dieser Ehrenpflicht angemessene Entschädigung für Verdienstausfall (§§ 2, 4, 6 ZSEG), Fahrtkosten, Wegegeld (§ 9 ZSEG), Aufwand (§ 10 ZSEG) und sonstige Aufwendungen z.B. auch Parkgebühren und Kosten für Praxisdienstbereitschaft (§ 11 ZSEG), geht. Nachdem dieses Gesetz für alle Zeugen, insbesondere für alle Arbeiter, Angestellten und Selbständigen gleichermaßen gilt, hat der Senat auch keinen Anlass an seiner Vereinbarkeit mit dem GG zu zweifeln; dies gilt insbesondere für die Einwendungen des Klägers bezüglich Art. 12 und 14 GG.
Nachdem der Kostensenat keinen Anlass hat, die vom Bf. vorgelegten Belege und seine Angaben zu den Fahrtkosten, Parkgebühren und den Kosten für die Praxisdienstbereitschaft sowie generell zu seiner Arbeitszeit und zur Öffnung der Praxis in Frage zu stellen, kann er die entsprechenden Angaben einer Berechnung zugrunde legen. Dies gilt auch und besonders für die Praxisdienstbereitschaft des Internisten Dr.K ... Andererseits schließt die Erstattung der tatsächlich aufgewandten und nachgewiesenen Vertreterkosten für den im Bereich der Kassenärztlichen Versorgung nach § 72 ff des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) geregelten Sicherstellungsauftrag der Vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten die Erstattung von Verdienstausfall nach § 2 ZSEG nicht aus. In einem derartigen Fall handelt es sich nicht um Vertreterkosten, die aufgebracht werden, um zu vermeiden, dass ein Verdienstausfall eintritt, sondern um Kosten für einen Bereitschaftsdienst. Die Erstattung der tatsächlichen aufgewandten und nachgewiesenen Vertreterkosten schließt in der Regel nur dann eine Erstattung von Verdienstausfall nach § 2 ZSEG aus, wenn mit der Vertretung ein drohender Verdienstausfall vermieden werden soll.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ZSEG wird der Zeuge für seinen Verdienstausfall entschädigt. Nachdem der Bf. am 11.09.2001 in der Zeit von 12.00 Uhr bis 15.45 Uhr und am 09.10.2001 12.00 Uhr bis 14.30 Uhr wegen seiner Zeugeneinvernahme nicht in seiner Arztpraxis arbeiten konnte, ist ein Verdienstausfall glaubhaft und wahrscheinlich. Unter Berücksichtigung der Praxisöffnungszeit (8.30 Uhr bis 13.00 Uhr, 14.00 Uhr bis 18.30 Uhr) ist deshalb am 11.09.2001 ein Verdienstausfall für aufgerundet drei Stunden und für den 09.10.2001 einer von zwei Stunden zugrunde zu legen. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 ZSEG in der für den Abrechnungszeitraum geltenden Fassung beträgt die Entschädigung für jede Stunde der versäumten Arbeitszeit 4,- DM bis 25,- DM; gemäß Abs. 5 wird diese Entschädigung für höchstens zehn Stunden je Tag gewährt. Damit steht dem Bf. als Arzt der Höchstsatz von 25,- DM wie jedem anderen Selbständigen zu. Diese "billige Entschädigung" für seinen Verdienstausfall darf auch dann nicht überschritten werden, wenn (wie im Falle des Bf. zu unterstellen wäre) der tatsächlich eingetretene Verdienstausfall höher ist (Meyer/Höver/Bach a.a.O., Rz. 9 zu § 2 mit weiteren Nachweisen). Damit mutet der Gesetzgeber, wie oben bereits dargestellt, dem Großteil der entschädigungsberechtigten Zeugen im Interesse einer funktionierenden Rechtsprechung materielle Opfer zu. Der Entschädigungsanspruch nach § 2 ZSEG kann deshalb entgegen der Auffassung des Bf. seinem klaren Wortlaut, Sinn und Zweck nach nicht als Schadensersatzanspruch angesehen werden; er ist kein vermögenswertes Äquivalent versäumter Arbeitszeit oder entgangenen Einkommens, sondern lediglich eine nach Auffassung des Gesetzgebers billige Entschädigung. Bei dieser eindeutigen Rechtslage braucht sich der Senat weder mit dem Kostenaufwand pro Stunde für eine Arztpraxis noch mit der aufgrund des Einkommenssteuerbescheides berechenbaren Betragshöhe der Arbeitsstunde eines Arztes auseinanderzusetzen; keinesfalls können die vom Bf. angegebenen 180,- DM/Std. bei der Festsetzung seiner Entschädigung zugrundegelegt werden. Die Entschädigung des Bf. für die Terminswahrnehmung am 11.09.2001 wird deshalb wie folgt festgesetzt:
Verdienstausfall (drei Stunden à 25,- DM) = 75,- DM Fahrtkosten (84 km à 0,40 DM) = 33,60 DM sonstige Aufwendungen, Praxisdienstbereitschaft = 450,- DM Parkgebühren = 6,- DM insgesamt = 564,60 DM
Dieser Betrag ist durch den amtlichen Umrechnungsfaktor 1,95583 zu dividieren, so dass sich ein Betrag von 288,68 EUR ergibt.
Für den 09.10.2001 ergibt sich folgende Berechnung:
Verdienstausfall (zwei Stunden à 25,- DM) = 50,- DM Fahrtkosten (82 km à 0,40 DM) = 32,80 DM sonstige Aufwendungen, Praxisdienstbereitschaft = 300,- DM Parkgebühren = 4,50 DM insgesamt = 387,30 DM
Die Umrechnung ergibt einen Betrag von 198,02 EUR.
Dieser Beschluss ist endgültig (§ 16 Abs. 2 Satz 4 ZSEG; § 177 SGG) und ergeht kostenfrei (§ 183 SGG).
Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer (Bf.) ist praktischer Arzt und Mitglied der Kassenärztlichen Vereinigung Mittelfrankens; als solcher war er am 11.09.2001 und am 09.10.2001 in dem Rechtshilfeverfahren S 15 RH 77/01 SB 76 als Zeuge geladen. Am 11.09.2001 fuhr er ausweislich seiner eigenen Angaben im Entschädigungsantrag vom 19.09.2001 um 12.00 Uhr mit dem Pkw von seiner Wohnung zum Sozialgericht Nürnberg und kehrte von dort gegen 15.45 Uhr an seine Arbeitsstelle zurück; insgesamt setzte er hierfür 84 km an und machte 6,- DM Parkplatzgebühren geltend; seinen Verdienstausfall berechnete er mit 450,- DM (2,5 Std. à 180,- DM); seinem Antrag fügte er die Quittung des Internisten Dr.K vom 17.09.2001 über den Betrag von 450,- DM für Praxisdienstbereitschaft am 11.09.2001 von 12.00 Uhr bis 15.45 Uhr (Std. à 120,- DM) bei.
Im Entschädigungsantrag vom 23.10.2001 für die Terminswahrnehmung am 09.10.2001 gab er an, von Zuhause um 12.00 Uhr mit dem Pkw abgefahren und nach Beendigung des Termins um 14.30 Uhr an seiner Arbeitsstelle eingetroffen zu sein; Fahrtkosten machte er für insgesamt 82 km sowie für Parkplatzgebühren von 4,50 DM geltend; gleichzeitig legte er wiederum die Quittung des Internisten Dr.K. vor, wonach dieser für die Praxisdienstbereitschaft am 09.10.2001 von 12.OO Uhr bis 14.30 Uhr 300,- DM (Std. à 120,- DM) erhalten habe.
Nachdem der Kostenbeamte den Bf. mit Schreiben vom 02.11.2001 um nähere Angaben über die Praxisdienstbereitschaft des Dr.K. gebeten hatte, wies der Bf. mit Schreiben vom 09.11. 2001 auf seinen Sicherstellungsauftrag im Rahmen der Kassenärztlichen Versorgung hin. Auf telefonische Anfrage teilte ein Abteilungsleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Mittelfrankens dem Kostenbeamten mit, während der Abwesenheit des Bf. sei ein Bereitschaftsdienst notwendig; ob eine Entschädigung in Höhe von 120,- DM pro Stunde hierfür angemessen sei, könne er nicht sagen, da dies die Ärzte untereinander regelten.
Jeweils mit Schreiben vom 17.01.2002 setzte der Kostenbeamte des Sozialgerichts Nürnberg die Entschädigung des Bf. für die Terminswahrnehmung am 11.09.2001 auf den Betrag von 564,60 DM bzw. 288,68 EUR und für die am 09.10.2001 auf 387,30 DM bzw. 198,02 EUR fest, bei den Fahrtkosten ging der dabei von 84 km bzw. 82 km jeweils à 0,40 DM aus und übernahm die Kosten für Praxisdienstbereitschaft und Parkgebühren antragsgemäß; bei der Berechnung des Verdienstausfalles setzte er für den 11.09.2001 aufgerundet 3 Stunden à 25,- DM und für den 09.10.2001 2 Stunden à 25,- DM an, nachdem der Bf. in seinen Entschädigungsanträgen angegeben hatte, regelmäßig von 8.30 Uhr bis 13.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 18.30 Uhr in der Praxis zu arbeiten. Beide Schreiben enthielten den Hinweis auf die Möglichkeit eines Antrages auf richterliche Festsetzung der Entschädigung, falls dem Bf. die Kürzung nicht gerechtfertigt erscheinen sollte.
Mit Schreiben vom 30.01.2002 legte der Bf. "Widerspruch gegen die Festsetzung der Kostenerstattung der beiden oben genannten Abrechnungen ein, soweit keine antragsgemäße Auszahlung erfolgt ist." Zur Begründung wies er daraufhin, die 25,- DM pro Stunde deckten nicht einmal die angefallenen Praxiskosten; der Praxisbetrieb (Heizung, Strom, Gehalt der Helferinnen, welche zu diesem Zeitpunkt nicht kurzfristig heimgeschickt werden könnten) koste pro Stunde allein schon wesentlich mehr als 25,- DM; ein Verdienstausfall seinerseits sei darin nicht enthalten; das Landgericht Hannover beziffere den Wert der Arztstunde mit DM 200,-; aus dem Steuerbescheid des Jahres 2000 sei bei einer reinen täglichen Arbeitszeit von neun Stunden bei einem Stundensatz bei ihm von ca. 180,- DM brutto auszugehen; der Kostenbeamte praktiziere eine Ungleichbehandlung von Selbständigen gegenüber Arbeitnehmern, bei letzteren werde der volle, vom Arbeitgeber bescheinigte Stundensatz ersetzt; Selbständige würden mit Dumpingpreisen von DM 25,- abgespeist.
Das Sozialgericht Nürnberg erließ daraufhin am 21.02.2001 folgenen Beschluss: "Der Antrag wird zurückgewiesen". Zur Begründung wies es darauf hin, der Antrag des Erinnerungsführers auf Festsetzung eines Stundensatzes von 180,- DM sei unbegründet; seine Entschädigung richte sich nach den in § 2 Abs. 2 ZSEG genannten Sätzen von 4,- bis 25,- DM (nach der bis zum 31.12. 2001 geltenden Fassung); wegen des unbestrittenen Verdienstausfalles als Arzt sei der Höchstsatz von 25,- DM zutreffend angesetzt worden; dieser dürfe nicht überschritten werden, auch wenn der tatsächlich eingetretene Verdienstausfall höher sei; der Gesetzgeber mute dem Zeugen im Interesse einer funktionsfähigen Rechtsprechung und als staatsbürgerliche Verpflichtung materielle Opfer zu.
Gegen diesen Beschluss legte der Bf. mit Schreiben vom 21.03. 2002 Beschwerde zum Sozialgericht Nürnberg ein und wies darauf hin, im Beschluss vom 21.02.2002 seien die drei Begründungspunkte, welche in seinem Schreiben vom 13.01.2002 aufgeführt seien, weder sachlich noch juristisch entkräftet worden; vielmehr handele es sich bei dieser Kostenentscheidung um einen Eingriff in das Eigentumsrecht und die Berufsfreiheit; der niedergelassenen Ärzteschaft würden derartige materielle Opfer überproportionaler Weise, zum Beispiel in Abweichung von anderen Freiberuflern und Unternehmern, auferlegt; insgesamt würden die Grundrechte der Art. 12 und 14 des Grundgesetzes (GG) verletzt, es handele sich um einen enteignunsgleichen Eingriff, der nicht durch Grundrechte Dritter gerechtfertigt sei und sich als unverhältnismäßig gegenüber den niedergelassenen Ärzten darstelle.
Das Sozialgericht half der Beschwerde nicht ab und legte sie dem Bayerischen Landessozialgericht zur Entscheidung vor.
II.
Die Beschwerde des Bf. ist nach § 16 Abs. 2 ZSEG zulässig, der Beschwerdewert von 50,- EUR ist überschritten; dies gilt auch für den Fall, dass man die im angefochtenen Beschluss zulässigerweise stillschweigend verbundenen Abrechnungsfälle vom 11.09. und 09.10. 2001 getrennt beurteilen würde; die Differenz zwischen dem vom Bf. geltend gemachten Verdienstausfall pro Stunde von 180,- DM zu dem vom Gericht angenommenen Höchstbetrag von 25,- DM beträgt bereits mehr als 50,- EUR.
Die Beschwerde ist teilweise auch begründet, weil das Sozialgericht es unterlassen hat, die dem Bf. als Zeugen "zu gewährende Entschädigung" entgegen dem eindeutigen Wortlaut des § 16 Abs.1 durch einen ordnungsgemäßen gerichtlichen Beschluss "festzusetzen", und den Antrag stattdessen lediglich zurückgewiesen hat. Selbst wenn aus der Sicht des Gerichtes die im Verwaltungsverfahren vorausgegangene Festsetzung des Kostenbeamten im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, darf es den nach § 16 Abs. 1 ZSEG gestellten Antrag grundsätzlich nicht zurückweisen. Die beantragte gerichtliche Festsetzung ist keine Abänderung der von der Anweisungsstelle des Gerichtes vorgenommenen Berechnung, sondern eine davon unabhängige erstmalige Festsetzung nach § 16 ZSEG, wodurch eine vorherige Berechnung der Entschädigung im Verwaltungsweg gegenstandslos wird (BGH in JVBl 69, 40 = Rechtspfleger 69, 88 = MDR 69, 216 = NJW 69, 556; Meyer/Höver/Bach, Gesetz über die Entschädigung über Zeugen und Sachverständigen, Kommentar, 21. Aufl., Rz. 9.3 zu § 16); deshalb verbietet sich jede Bezugnahme auf die vorherige Berechnung der Verwaltung. Das Gericht muss vielmehr die gesamte Entschädigung festsetzen und darf sich auch nicht darauf beschränken, eine allgemeine, nicht erschöpfende Richtlinie zu geben. Es hat deshalb die gesamte Entschädigung nach Art und Höhe einschließlich der Zeitangaben insgesamt zu überprüfen und ziffernmäßig festzusetzen; die Festsetzung nach Einzelenschädigungselementen ist nicht zulässig (vgl. Meyer/Höver/Bach, a.a.O. mit weiteren Nachweisen). Nachdem das Sozialgericht die im "Widerspruch" des Bf. vom 04.02.2002 sinngemäß gestellten Anträge auf Festsetzung einer Entschädigung ihm gegenüber zurückgewiesen hat, ohne die Entschädigung durch gerichtlichen Beschluss ordnungsgemäß festzusetzen (es bezeichnet den Antragsteller in den Gründen fälschlich auch als Erinnerungsführer), ist das Beschwerdegericht gehalten, an Stelle des Erstrichters zu entscheiden; ihm obliegt damit die volle Nachprüfung der Festsetzung. Für die Terminswahrnehmungen vom 11.09.2001 wird die Entschädigung auf 288,68 EUR (564,60 DM) und für die vom 09.10.2001 auf 198,02 EUR (387,30 DM) festgesetzt; im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen, weil dem Bf. der Verdienstausfall nicht auf der Grundlage des von ihm in Ansatz gebrachten Betrages von 180,- DM zu entschädigen ist; insoweit ist der angefochtene Beschluss im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Die Entschädigung des Bf. erfolgt gemäß dem ZSEG. Nach diesem Gesetz wurde der Bf. als sachverständiger Zeuge in einem Rechtshilfeverfahren herangezogen, so dass sein Entschädigungsanspruch durch das ZSEG abschließend nach Grund und Höhe geregelt wird (vgl. BGH in Rechtspfleger 79, 259; Meyer/Höver/Bach Rz. 1, 2 zu § 1 mit weiteren Nachweisen). Aus dem Regelungszweck, der sich aus den Absätzen 1 bis 3 des § 1 ZSEG ergibt, wird deutlich, dass die Vorschrift eine Klarstellung der Gegenleistungspflicht des Staates bezweckt, soweit er den Bürger zur Erfüllung von dessen staatsbürgerlicher Ehrenpflicht heranzieht, dem Staat bei der Erfüllung der Rechtspflege u.a. als Zeuge zu dienen (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 33. Aufl., Rdnr. 2 zu § 1 ZSEG). Daraus folgt, dass es im Rahmen des ZSEG grundsätzlich nicht um einen angemessenen Schadensersatzanspruch des Zeugen gegen den Staat, sondern um eine dieser Ehrenpflicht angemessene Entschädigung für Verdienstausfall (§§ 2, 4, 6 ZSEG), Fahrtkosten, Wegegeld (§ 9 ZSEG), Aufwand (§ 10 ZSEG) und sonstige Aufwendungen z.B. auch Parkgebühren und Kosten für Praxisdienstbereitschaft (§ 11 ZSEG), geht. Nachdem dieses Gesetz für alle Zeugen, insbesondere für alle Arbeiter, Angestellten und Selbständigen gleichermaßen gilt, hat der Senat auch keinen Anlass an seiner Vereinbarkeit mit dem GG zu zweifeln; dies gilt insbesondere für die Einwendungen des Klägers bezüglich Art. 12 und 14 GG.
Nachdem der Kostensenat keinen Anlass hat, die vom Bf. vorgelegten Belege und seine Angaben zu den Fahrtkosten, Parkgebühren und den Kosten für die Praxisdienstbereitschaft sowie generell zu seiner Arbeitszeit und zur Öffnung der Praxis in Frage zu stellen, kann er die entsprechenden Angaben einer Berechnung zugrunde legen. Dies gilt auch und besonders für die Praxisdienstbereitschaft des Internisten Dr.K ... Andererseits schließt die Erstattung der tatsächlich aufgewandten und nachgewiesenen Vertreterkosten für den im Bereich der Kassenärztlichen Versorgung nach § 72 ff des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) geregelten Sicherstellungsauftrag der Vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten die Erstattung von Verdienstausfall nach § 2 ZSEG nicht aus. In einem derartigen Fall handelt es sich nicht um Vertreterkosten, die aufgebracht werden, um zu vermeiden, dass ein Verdienstausfall eintritt, sondern um Kosten für einen Bereitschaftsdienst. Die Erstattung der tatsächlichen aufgewandten und nachgewiesenen Vertreterkosten schließt in der Regel nur dann eine Erstattung von Verdienstausfall nach § 2 ZSEG aus, wenn mit der Vertretung ein drohender Verdienstausfall vermieden werden soll.
Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 ZSEG wird der Zeuge für seinen Verdienstausfall entschädigt. Nachdem der Bf. am 11.09.2001 in der Zeit von 12.00 Uhr bis 15.45 Uhr und am 09.10.2001 12.00 Uhr bis 14.30 Uhr wegen seiner Zeugeneinvernahme nicht in seiner Arztpraxis arbeiten konnte, ist ein Verdienstausfall glaubhaft und wahrscheinlich. Unter Berücksichtigung der Praxisöffnungszeit (8.30 Uhr bis 13.00 Uhr, 14.00 Uhr bis 18.30 Uhr) ist deshalb am 11.09.2001 ein Verdienstausfall für aufgerundet drei Stunden und für den 09.10.2001 einer von zwei Stunden zugrunde zu legen. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 ZSEG in der für den Abrechnungszeitraum geltenden Fassung beträgt die Entschädigung für jede Stunde der versäumten Arbeitszeit 4,- DM bis 25,- DM; gemäß Abs. 5 wird diese Entschädigung für höchstens zehn Stunden je Tag gewährt. Damit steht dem Bf. als Arzt der Höchstsatz von 25,- DM wie jedem anderen Selbständigen zu. Diese "billige Entschädigung" für seinen Verdienstausfall darf auch dann nicht überschritten werden, wenn (wie im Falle des Bf. zu unterstellen wäre) der tatsächlich eingetretene Verdienstausfall höher ist (Meyer/Höver/Bach a.a.O., Rz. 9 zu § 2 mit weiteren Nachweisen). Damit mutet der Gesetzgeber, wie oben bereits dargestellt, dem Großteil der entschädigungsberechtigten Zeugen im Interesse einer funktionierenden Rechtsprechung materielle Opfer zu. Der Entschädigungsanspruch nach § 2 ZSEG kann deshalb entgegen der Auffassung des Bf. seinem klaren Wortlaut, Sinn und Zweck nach nicht als Schadensersatzanspruch angesehen werden; er ist kein vermögenswertes Äquivalent versäumter Arbeitszeit oder entgangenen Einkommens, sondern lediglich eine nach Auffassung des Gesetzgebers billige Entschädigung. Bei dieser eindeutigen Rechtslage braucht sich der Senat weder mit dem Kostenaufwand pro Stunde für eine Arztpraxis noch mit der aufgrund des Einkommenssteuerbescheides berechenbaren Betragshöhe der Arbeitsstunde eines Arztes auseinanderzusetzen; keinesfalls können die vom Bf. angegebenen 180,- DM/Std. bei der Festsetzung seiner Entschädigung zugrundegelegt werden. Die Entschädigung des Bf. für die Terminswahrnehmung am 11.09.2001 wird deshalb wie folgt festgesetzt:
Verdienstausfall (drei Stunden à 25,- DM) = 75,- DM Fahrtkosten (84 km à 0,40 DM) = 33,60 DM sonstige Aufwendungen, Praxisdienstbereitschaft = 450,- DM Parkgebühren = 6,- DM insgesamt = 564,60 DM
Dieser Betrag ist durch den amtlichen Umrechnungsfaktor 1,95583 zu dividieren, so dass sich ein Betrag von 288,68 EUR ergibt.
Für den 09.10.2001 ergibt sich folgende Berechnung:
Verdienstausfall (zwei Stunden à 25,- DM) = 50,- DM Fahrtkosten (82 km à 0,40 DM) = 32,80 DM sonstige Aufwendungen, Praxisdienstbereitschaft = 300,- DM Parkgebühren = 4,50 DM insgesamt = 387,30 DM
Die Umrechnung ergibt einen Betrag von 198,02 EUR.
Dieser Beschluss ist endgültig (§ 16 Abs. 2 Satz 4 ZSEG; § 177 SGG) und ergeht kostenfrei (§ 183 SGG).
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