L 4 KR 84/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 19 KR 474/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 84/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. März 2002 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, Kosten zu erstatten, die dem Kläger durch die privatärztliche Behandlung des Dr.T. und die stationäre Behandlung in der A.-Klinik entstanden sind.

Der Kläger war bis 31.03.2002 freiwilliges (anschließend in der KVdR) Mitglied der Beklagten. Er hat am 27.09.1999 mündlich bei der Beklagten die Kostenübernahme für eine Behandlung durch Dr.T. beantragt. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 30.09.1999 die Kostenübernahme für eine stationäre Behandlung in der A.klinik generell ab, weil es sich um kein zugelassenes Krankenhaus handele. Der Kläger ließ sich am 11.11.1999 am rechten Knie durch Dr.T., den er für den bestmöglichen Behandler hält, ambulant operieren. Kosten für diese Operation werden nicht mehr geltend gemacht.

Mit Schreiben vom 04.01.2000 meldete der Kläger der Beklagten, es stehe jetzt die Operation des linken Knies an. Er habe sich für die Abrasionstechnik entschieden. Es bleibe ihm gar nichts anderes übrig, als wieder zu Dr.T. zu gehen. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 09.02.2000 mit, es würden keine Kosten übernommen, weil Dr.T. kein Vertragsbehandler sei. Sollte es sich bei der bevorstehenden Operation um eine stationäre Behandlung in der A.-Klinik handeln, werde auf das Schreiben vom 30.09.1999 verwiesen. Der Bescheid vom 09.02.2000 enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung. Die Bevollmächtigten des Klägers legten mit Schreiben vom 08.03.2000 Widerspruch gegen diesen Bescheid ein und teilten mit, der Operationstermin sei auf den 09.03.2000 festgesetzt worden. Der Kläger befand sich dann vom 09.03. bis 13.03. stationär in der A.-Klinik. Es wurden ihm 16.240,00 DM in Rechnung gestellt. Am 08.03.2000 hatte der Kläger zusätzlich eine Honorarvereinbarung mit Dr.T. unterzeichnet.

Die Beklagte fragte beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen (Orthopädin Dr.R.) nach, ob die Operation unbedingt bei dem Nichtvertragsarzt Dr.T. erfolgen musste. Dr.R. gab hierzu an, sämtliche angeführten operativen Behandlungsmaßnahmen würden in den großen orthopädischen Vertragskliniken durchgeführt. Die Beklagte lehnte daraufhin mit Bescheid vom 15.06.2000 erneut eine Kostenübernahme ab.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 07.06.2001 zurückgewiesen. Mit der hiergegen zum Sozialgericht München erhobenen Klage verfolgte der Kläger sein Ziel auf Kostenerstattung weiter und forderte insgesamt 26.667,93 DM.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 06.03.2002 abgewiesen. Es bestehe kein Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs.3 SGB V, da weder eine unaufschiebbare Leistung vorgelegen habe noch die Beklagte eine Sachleistung zu Unrecht verweigert habe. Auch eine Systemstörung bzw. Versorgungslücke sei nicht gegeben. Minimalinvasive Eingriffe zur operativen Therapie von Knorpelschäden seien, wie auch vom MDK bestätigt, ohne Zweifel Leistungsgegenstand des vertragsärztlichen Systems, insbesondere der einschlägigen Universitätskliniken. Es begründe keine Versorgungslücke, wenn sich ein Kläger aufgrund eines bereits durch Vorbehandlungen bestehenden Vertrauens zu dem Privatbehandler Dr.T. auf eigene Veranlassung in der A.-Klinik behandeln lasse. Die Beklagte sei ohne konkretes Verlangen des Klägers nicht verpflichtet gewesen, diesem Kliniken zu benennen, die entsprechende Operationen durchführen. Die Beklagte habe die Kostenerstattung nicht zu Unrecht abgelehnt, weil ein Sachleistungsanspruch nicht bestanden habe. Außerdem habe der Kläger die Gesamtbehandlung bei Dr.T. begonnen, ohne eine Entscheidung der Beklagten abzuwarten. Es fehle damit der ursächliche Zusammenhang zwischen der Ablehnung durch die Krankenkassen und dem ablehnenden Bescheid.

Hiergegen richtet sich die Berufung. Der Bevollmächtigte des Klägers führt aus, angemessen und allein indiziert sei die so genannte Abrasionstechnik im Sinne eines minimalinvasiven Eingriffs gewesen, die nur von Dr.T. in der A.-Klinik durchgeführt werden könne. Infolge dieser vom Kläger gewählten Alternative habe sich die Beklagte bis zu 45.000,00 DM für prothetische Versorgung und Folgeversorgung erspart. Die Situation des Klägers habe sich zudem infolge massiver Schmerzen als Notfall im Sinne des SGB V dargestellt. Daher sei auch ärztlicherseits eine Operation ohne längere Wartezeit angeraten worden. Damit habe auch eine unaufschiebbare Leistung vorgelegen.

Das Erstgericht habe außerdem eine Versorgungslücke zu Unrecht und ohne einen der angebotenen Beweise zu erheben, als nicht gegeben angesehen. Die Behauptung des MDK, in dem Zeitpunkt, in dem der Kläger die streitgegenständliche Operation habe durchführen lassen, sei diese bereits in anderen Häusern angeboten worden, sei unzutreffend und werde nochmals ausdrücklich bestritten. Der Kläger habe seinerzeit ausdrücklich danach gefragt. Es sei ihm gesagt worden, dass exakt diese OP von der Beklagten bzw. deren Vertragsärzten nicht angeboten würde. Damit liege eine so genannte Systemstörung vor, der Kläger habe sich unabhängig vom bereits bestehenden Vertrauen zum Privatarzt Dr.T. in der A.-Klinik behandeln lassen dürfen. Die Beklagte sei ohne konkretes Verlangen des Klägers verpflichtet gewesen, geeignete Vertragsärzte und Vertragskliniken zu benennen. Die Beklagte habe dem Kläger einen Anspruch auf einen ihm zumutbaren und angemessenen Eingriff abgeschnitten. Damit habe sie sich aus dem Sachleistungssystem des SGB V herausbegeben und sei folglich zur Kostenerstattung verpflichtet. Unsachlich und unzutreffend sei auch der Hinweis des Erstgerichts darauf, dass der Anspruch daran scheitere, dass die Gesamtbehandlung bei einem Nichtvertragsarzt begonnen wurde. Der Kläger habe wegen der Behandlung des rechten Knies über viele Monate mit der Beklagten korrespondiert. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Ablehnung der Kostenerstattung für diese Behandlung und der zeitlich relativ spät begonnenen Behandlung für das linke Knie sei nicht gegeben. Der Beschaffungsweg sei völlig offen gewesen, die Beklagte sei jedoch ihren Pflichten zur Benennung entsprechender Vertragsärzte und entsprechender Vertragskrankenhäuser nicht nachgekommen. Die Beklagte habe lediglich die Prothesenlösung mit den entsprechenden vorgetragenen Risiken angeboten.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.03.2002 und die Bescheide der Beklagten vom 09.02. und 15.06.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.2001 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm die Kosten der Operation des linken Knies durch Dr.T. in der A.-Klinik M. in Höhe von 13.635,10 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Das angefochtene Urteil enthalte eine zutreffende rechtliche Würdigung des Sachverhalts.

Beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge. Auf deren Inhalt sowie auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form und fristgerecht eingelegte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten, die ihm im Zusammenhang mit der stationären Behandlung in der A.-Klinik im März 2000 entstanden sind.

Es sind weder die Voraussetzungen des § 13 Abs.2 noch Abs.3 SGB V gegeben. Nach § 13 Abs.2 SGB V können freiwillige Mitglieder anstelle der Sach- oder Dienstleistung Kostenerstattung wählen. Nach § 13 Abs.2 Satz 2 dürfen nur die im 4. Kapitel genannten Leistungserbringer in Anspruch genommen werden. Die A.-Klinik ist kein Leistungserbringer nach den §§ 69 bis 140 SGB V. Nach § 108 SGB V darf Krankenhausbehandlung nämlich nur in Hochschulkliniken, Krankenhäusern, die in den Krankenhausplan eines Landes aufgenommen sind oder Krankenhäusern, die einen Versorgungsvertrag mit den Landesverbänden der Krankenkassen und den Verbänden der Ersatzkassen abgeschlossen haben, erbracht werden. Die A.-Klinik ist keines dieser Krankenhäuser, was im Übrigen unbestritten ist.

Auch soweit Rechnungen von Ärzten zur Erstattung vorgelegt werden, kann die Erstattung nicht erfolgen, weil es sich nicht um Vertragsärzte nach § 95 SGB V handelt.

Damit bleibt als einzige Anspruchsgrundlage § 13 Abs.3 SGB V. Danach hat eine Krankenkasse Kosten für die selbst beschaffte Leistung dann in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung notwendig war und die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbst beschaffte Leistung Kosten entstanden sind. Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, dass es sich nicht um eine unaufschiebbare Leistung gehandelt hat. Es lag kein Notfall vor. Ein Notfall im Sinn des § 76 Abs.1 Satz 2 SGB V und damit eine unaufschiebbare Leistung ist bereits dadurch widerlegt, dass der Kläger der Beklagten die am 09.03.2000 durchgeführte Operation bereits am 04.01.2000 angekündigt hat. Die Beklagte hat die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt. Unbestritten ist, dass der Kläger wegen der Erkrankung seines linken Knies einen Behandlungsanspruch gemäß § 27 SGB V hatte. Es handelt sich dabei jedoch seit Geltung des SGB V lediglich um ein Rahmenrecht, zu dessen Konkretisierung Vertragsärzte (s. BSG, Urteil vom 16.12.1993, SozR 3-2500 § 13 Nr.4) oder Ärzte in Vertragskrankenhäusern (BSG, Urteil vom 23.11.1995, SozR 3-2500 § 13 Nr.9) tätig werden müssen. Die vom Klägerbevollmächtigten vertretene Rechtsauffassung, Versicherte hätten Anspruch auf eine von ihnen ausgewählte Behandlung, trifft damit nicht mehr zu. Die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.04.1989, auf die der Klägerbevollmächtigte seine Auffassung stützt, erging zwar zur Zeit der Geltung des SGB V, betrifft jedoch einen Sachverhalt, der vor dessen In-Kraft-Treten bestand und der nach BVG in Verbindung mit RVO zu beurteilen war.

Damit ist auch die Schlussfolgerung des Klägerbevollmächtigten unzutreffend, es liege bereits dann eine Systemstörung vor, wenn die vom Kläger gewünschte Operation nicht in Vertragskrankenhäusern angeboten werde. Im Übrigen hat der MdK auf Anfrage der Beklagten dargelegt, Vertragshäuser böten die Technik an. Darüber hinaus gehören resezierende arthroskopische Operationen ... und (sub)totale Synovektomie zu den vertragsärztlichen Leistungen (Ziffer 2447 BMÄ/E-GO).

Die Leistungsablehnung war auch nicht kausal für die Kostenentstehung. Der Kläger ist, wie sich aus dem gesamten Vorbringen seines Bevollmächtigten ergibt, zum einen davon ausgegangen, dass nur die von Dr.T. angewendete Methode für ihn in Frage kommt, zum andern, dass diese Methode vertragsärztlich nicht angeboten wird. Er hat sich im Wissen vom Kostenrisiko wieder dazu entschlossen, sich bei Dr.T. auch das linke Knie operieren zu lassen. Er hat die Beklagte im Schreiben vom 04.01.2000 darauf hingewiesen, die Operation stehe an. Zeitlich parallel hat die Beklagte im Schreiben vom 03.01.2000 den Kläger darauf hingewiesen, dass bei vorheriger Antragstellung entsprechende Vertragsbehandler genannt werden können. Im Vertrauen auf sein freies Auswahlrecht hat sich der Kläger nicht nach Vertragsbehandlern erkundigt, sondern sich für Dr.T. entschieden. Bei dieser Konstellation ist dem Sozialgericht zuzustimmen, dass ein Hinweis auf Vertragsbehandler dann nicht mehr erforderlich ist.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen des Klägers.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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