L 2 U 146/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 U 412/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 146/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ob die Folgen einer Untersuchungsmaßnahme, die der Behebung zeitweiser diagnostischer Unsicherheit über die bestehenden Gesundheitsstörungen dient, ursächlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen sind, richtet sich nach dem objektivem Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der später festgestellten Gesundheitsstörung.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 21.02.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Entschädigung einer Knieverletzung durch Verletztengeld und Verletztenrente.

Der Kläger stürzte in seiner versicherten Tätigkeit als Unternehmer am 17.08.1998 und zog sich eine Knieverletzung zu. In der Zeit vom 14. bis 18.10.1998 erfolgte eine stationäre Behandlung mit Arthroskopie. Der behandelnde Arzt Dr.M. führte auf Anfrage der Beklagten aus, den Schäden im rechten Kniegelenk liege nicht eine verletzungsbedingte Entstehung zu Grunde, sondern sie seien als vorbestehend zu werten, wobei die Knorpelschäden am Femurcondylus möglicherweise durch den geklagten Stoß eine Verschlimmerung erfahren hätten. Die stationäre Behandlung sei zu Lasten der BG zu führen, da diese nicht zuletzt auch der Differenzierung zwischen unfallbedingten und unfallunabhängigen Beschwerden gedient habe. Die erste Woche nach der stationären Behandlung solle ebenfalls noch als berufsgenossenschaftliche Behandlung gewertet werden, da sie der Erholung nach der Arthroskopie gedient habe. Als Diagnose nach der Erstuntersuchung sei auch eine Innenbandzerrung im rechten Knie geäußert. Als Dauer der Ausheilung könne ein Zeitraum von acht Wochen angesetzt werden.

Mit Bescheid vom 20.11.1998 verweigerte die Beklagte die Gewährung einer Entschädigung, da es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Ein solcher liege nicht vor, wenn ein anlagebedingtes Leiden während der versicherten Tätigkeit lediglich ausgelöst werde.

Auf den Widerspruch des Klägers holte die Beklagte ein Gutachten von dem Chirurgen Dr.L. vom 04.06.1999 ein. Der Sachverständige kam zu dem Ergebnis, der Kläger habe sich auf Grund des abgelaufenen Sturzmechanismus eine Zerrung des Innenbandes am rechten Kniegelenk zugezogen. Die gleichfalls im weiteren Behandlungsverlauf nachgewiesene Innenmeniskushinterhornschädigung sei bedingt durch eine vorhandene Schadensanlage mit insbesondere histologischem Nachweis eines nicht traumatischen Innenmeniskusrisses. Das Unfallereignis sei in diesem Sinne allenfalls auslösende Ursache gewesen, in dessen weiterem Verlauf der Nachweis eines degenerativ bedingten Innenmeniskushinterhorn-Radiärrisses mit entsprechendem histologischen Nachweis erbracht worden sei. Folgen der Innenbandzerrung am rechten Kniegelenk seien nicht mehr zu finden. Die jetzt noch unstrittig vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Kniegelenkes gingen vollständig zu Lasten des unfallunabhängig vorliegenden Innenmeniskushinterhornschadens. Eine MdE durch die Unfallfolgen auf Grund einer abgelaufenen Innenbandzerrung am rechten Kniegelenk liege nicht vor.

Mit einer zusätzlichen gutachterlichen Äußerung vom 21.06.1999 führte Dr.L. aus, wegen der durch den Arbeitsunfall allein hervorgerufenen Unfallfolgen sei ein Arbeitsunfähigkeitszeitraum vom 17.08. bis 25.09.1998 als durchaus ausreichend und angemessen anzunehmen.

Mit Bescheid vom 26.10.1999 hob die Beklagte ihren Bescheid vom 20.11.1998 teilweise auf und erkannte das Ereignis vom 17.08. 1998 als Arbeitsunfall an, gewährte einen Anspruch auf Verletztengeld für die Zeit vom 17.08. bis 25.09.1998, sah von einer Rückforderung der Kosten für die stationäre Behandlung ab und lehnte darüber hinaus die weitere Gewährung von Verletztengeld sowie die Gewährung von Verletztenrente ab. Im Übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 01.12.1999 als unbegründet zurück.

Im anschließenden Klageverfahren hat der Kläger die Gewährung von Verletztengeld über den 25.09.1998 hinaus bis einschließlich 18.10.1998 sowie anschließend Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. beantragt.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG hat das Sozialgericht ein Gutachten von dem Chirurgen Dr.W. vom 28.10.2000 eingeholt. Der Sachverständige führt im Ergebnis aus, den jetzt vorliegenden und feststellbaren Schäden im Bereich des rechten Kniegelenkes liege zum größten Teil keine verletzungsbedingte Entstehung zugrunde, sondern eine vorbestehende Schädigung ("siehe auch den histologischen Nachweis einer fortgeschrittenen Meniscopathie mit degenerativen Gewebsveränderungen"). Die bei dem Unfall erlittene Innenbandzerrung mit Schmerzhaftigkeit lasse sich bei den späteren Nachuntersuchungen nicht mehr an irgendwelchen Spätschäden erkennen. In der Beurteilung des Dr.M. werde jedoch bei Beurteilung des Arthroskopiebefundes ein am Femurkondylus feststellbarer Knorpelschaden möglicherweise durch einen beim Unfall erlittenen Stoß erklärt, womit ein wohl vorliegender Knorpelschaden durch den Unfall eine Verschlimmerung erfahren haben könne. Die arthroskopische Untersuchung vom Oktober 1998 habe zweifelsfrei der Differenzierung zwischen unfallbedingten und unfallunabhängigen Veränderungen gedient. Somit wäre auch eine arthroskopische Untersuchung ohne erlittenes Unfallereignis nicht durchgeführt worden. Der Kläger klage heute vor allem über Belastungsbeschwerden im rechten Kniegelenk mit Schwellneigung und Schmerzen im Bereich der Narben, vornehmlich der Arthroskopienarbe über dem oberen äußeren Kniescheibenrand. Somit könne ein geringer Teil des Knorpelschadens im rechten Kniegelenk und der sich im Vergleich zum linken Kniegelenk deutlicher entwickelnden Initialarthrose auch als Folge des Unfalles angesehen werden. Auch eine Arthroskopie stelle ein gewisses Trauma dar, das Spuren hinterlassen könne. Auch habe das Unfallereignis sicher vorbestehende Knorpelschäden zu einem geringen Teil verschlimmert und die initiale Arthrose und die jetzt bestehenden Beschwerden beschleunigt, was ohne Unfallereignis nicht in gleicher Weise eingetreten wäre. Somit sei mit Wahrscheinlichkeit auch ein geringer Teil der jetzt am rechten Kniegelenk feststellbaren Beschwerden als Unfallfolge anzusehen. Die unfallbedingte MdE betrage als Folge des Unfallereignisses derzeit 10 v.H.

Bezüglich der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass sich aus dem Arztbrief des behandelnden Arztes Dr.B. vom 25.09.1998 zweifelsfrei ergebe, dass ab diesem Zeitpunkt eine Behandlung nicht mehr wegen der unfallbedingten Innenbandzerrung sondern ausschließlich noch wegen der Veränderungen im Bereich des Innenmeniskus erforderlich gewesen seien.

Mit Urteil vom 21.02.2001 hat das Sozialgericht die Klage als unbegründet abgewiesen und sich auf die eingeholten Sachverständigengutachten gestützt. Eine zur Gewährung von Verletztenrente notwendige Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen der Unfallfolgen von wenigstens 20 v.H. bestehe nicht. Zwischen dem Krankenhausaufenthalt vom 14. bis 18.10.1998 und dem Arbeitsunfall bestehe nicht der für die Gewährung von Verletztengeld notwendige Kausalzusammenhang, da die stationäre Behandlung nicht wesentlich wegen Unfallfolgen durchgeführt worden sei.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter und beantragt weiterhin die Gewährung von Verletztengeld bis 18.10.1998 und von anschließender Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts Regensburg in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt und das Ergebnis der Beweisaufnahme wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist nicht begründet, denn dem Kläger steht weder das begehrte Verletztengeld noch Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles vom 17.08.1998 zu.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf weiteres Verletztengeld. Nach § 45 Abs.1 Nr.1 SGB VII wird Verletztengeld erbracht, wenn der Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig ist oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben kann. Bei beiden Alternativen ist erforderlich, dass sie Folge des Versicherungsfalls sind. Das bedeutet, dass der stationäre Aufenthalt wesentlich wenigstens mitursächlich auf den Versicherungsfall zurückzuführen sein muss (vgl. Ricke Kasseler Kommentar § 45 SGB VII Rdnr.4; Lauterbach Kommentar zur Unfallversicherung § 45 Rdnr.40). Dass die Beschwerden und Gesundheitsstörungen, die die stationäre Behandlung des Klägers veranlasst haben, nicht wesentlich wenigstens durch den Arbeitsunfall mitverursacht worden sind, ergibt sich aus den Gutachten der Sachverständigen Dr.L. und Dr.W ... Soweit der Sachverständige Dr.W. neben dem Innenmeniskuseinriss weitere Gründe für die stationäre Behandlung als wesentlich durch den Arbeitsunfall bedingt ansieht, kann ihm nicht gefolgt werden. Hierbei kann als richtig unterstellt werden, dass eine arthroskopische Untersuchung ohne den Arbeitsunfall nicht durchgeführt worden wäre und dass sie der Differenzierung zwischen unfallbedingten und unfallunabhängigen Veränderungen gedient hat. Beide Gesichtspunkte ändern nichts daran, dass Grund des stationären Aufenthalts der Innenmeniskuseinriss gewesen ist und dieser nicht wesentlich auf den Arbeitsunfall zurückzuführen war. Wenn umgekehrt der Arbeitsunfall unwesentliche Teilursache für die den stationären Aufenthalt bedingende Gesundheitsstörung gewesen ist, kann er zwar als Ursache im Sinne einer conditio sine qua non für eine arthroskopische Untersuchung wirken, ob diese Ursache aber als wesentlich anzusehen ist, richtet sich nach dem objektiven Zusammenhang zwischen dem Arbeitsunfall und der später festgestellten Gesundheitsstörung. Die zeitweise diagnostische Unsicherheit über die bestehenden Gesundheitsstörungen kann den objektiven Umstand nicht verdrängen, dass diese Gesundheitsstörungen allein wesentlich auf anderen Ursachen beruhten.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Verletztenrene nach § 56 Abs.1 SGB VII, weil seine Erwerbsfähigkeit als Folge des Arbeitsunfalles über die 26. Wo- che nach dem Versicherungsfall hinaus nicht um wenigstens 20 v.H. gemindert ist. Eine anders lautende gutachterliche Einschätzung, auf die das Gericht eine dem Kläger günstige Entscheidung stützen könnte, liegt nicht vor.

Die Berufung hatte deshalb keinen Erfolg.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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