L 2 U 112/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 23 U 747/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 112/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
L
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15. Januar 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Entschädigung einer Lärmschwerhörigkeit durch Verletztenrente.

Der 1932 geborene Kläger war in seinem Berufsleben in Italien, der Schweiz und mehrere Jahre in Deutschland beschäftigt. In Deutschland übte er zunächst bis 22.08.1979 eine versicherte Tätigkeit aus, dann folgten Zeiten der Arbeitsunfähigkeit, der Arbeitslosigkeit und des Rentenbezuges. Er übte dann wieder vom 01.07. bis 19.10.1988 eine Tätigkeit als Bauhelfer in Deutschland aus, wobei er vom 27.07. bis 05.08. und ab 28.09. arbeitsunfähig war. Letztere Tätigkeit schätzte der Arbeitgeber als nicht gehörbelastend ein, der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten setzte den Beurteilungspegel nach den allgemeinen Erfahrungen für eine solche Arbeitsstelle mit 86 dBA an. Im Übrigen kam der Technische Aufsichtsdienst zu dem Ergebnis, dass der Kläger zwischen 1962 und 1979 für insgesamt acht Jahre lärmgefährdet mit einem Beurteilungspegel von 90 dBA tätig gewesen sei.

Am 22.02.1994 stellte der Kläger einen Antrag auf Entschädigung seiner Schwerhörigkeit und legte in Italien gefertigte Audiogramme aus den Jahren 1979 und 1993 vor. Weitere HNO-ärztliche Untersuchungen waren nicht zu ermitteln. Die Beklagte hörte hierzu als Sachverständigen den HNO-Arzt Dr.N ... Dieser kam in seinem Gutachten vom 17.09.1996 zu dem Ergebnis, dass der Hochtonschaden beidseits, der sich im Tonaudiogramm von 1979 zeigte, mit Wahrscheinlichkeit zumindest als wesentliche Teilursache auf die chronische berufliche Lärmbelastung bis 1979 zurückzuführen sei. Die danach eingetretene Hörverschlechterung sei nicht mehr mit Wahrscheinlichkeit auf eine chronische Lärmbelastung zurückzuführen, auch wenn noch eine geringe Lärmbelastung nach 1979 nachgewiesen würde. Der Kurvenverlauf, der sich im Tonaudiogramm von 1993 zeige, sei für eine chronische Lärmschwerhörigkeit völlig untypisch, sodass auch in diesem Fall für die Hörverschlechterung nach 1979 die lärmunabhängigen Einflüsse die wesentliche Ursache darstellten. Als Diagnose sei 1993 eine Tympanosklerose genannt, die sicher lärmunabhängig sei. Die MdE für die chronische Lärmschwerhörigkeit sei mit unter 10 v.H. zu veranschlagen.

Mit Bescheid vom 08.11.1996 stellte die Beklagte fest, dass beim Kläger eine Lärmschwerhörigkeit bestehe, die eine Berufskrankheit sei. Als Folgen der Berufskrankheit wurden anerkannt: annähernd geringgradige Innenohrhochtonschwerhörigkeit beiderseits. Die Erkrankung habe keine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit zur Folge. Den anschließenden Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.09.1997 als unbegründet zurück. Das vom Kläger vorgelegte Tonaudiogramm vom 10.09.1996 sei insoweit unerheblich, denn eine Hörverschlechterung nach Aufgabe der lärmintensiven Arbeit sei immer auf lärmunabhängige Faktoren zurückzuführen.

Mit seiner Klage hat der Kläger die Gewährung von Verletztenrente begehrt.

Nach einer entsprechenden Ankündigung und im Einverständnis mit den Parteien hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 15.01.2001 entschieden und die Klage als unbegründet abgewiesen. Es hat sich den Ausführungen der angefochtenen Bescheide angeschlossen und auf sie Bezug genommen.

Mit seiner Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und will einer weiteren, tiefergehenden fachärztlichen Untersuchung unterzogen werden.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akte der Beklagten und die Akte des Sozialgerichts in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; eine Beschränkung der Berufung nach § 144 SGG besteht nicht.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente wegen der von der Beklagten als Berufskrankheit anerkannten Schwerhörigkeit.

Die Entscheidung über den Rechtsstreit richtet sich nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, denn der Versicherungsfall der Berufskrankheit ist vor diesem Zeitpunkt eingetreten und es ist über eine erstmalige Entschädigung für einen vor dem 01.01.1997 liegenden Zeitraum zu entscheiden (§§ 212, 214 SGB VII).

§ 581 Abs.1 Nr.2 RVO erforderte, dass die Erwerbsfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalles bzw. einer Berufskrankheit um wenigstens 1/5 gemindert ist, damit ein Anspruch auf Verletztenrente besteht. Nach Abs.3 Satz 1 der Vorschrift würde eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um 10 v.H. ausreichen, wenn die Folgen eines weiteren Arbeitsunfalles bzw. einer Berufskrankheit mindestens eine ebenso hohe Minderung der Erwerbsfähigkeit bedingen würden. Diese Voraussetzungen liegen beim Kläger nicht vor, denn die als Berufskrankheit anerkannte Lärmschwerhörigkeit des Klägers bedingte eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um weniger als 10 v.H.

Das ergibt sich auch zur Überzeugung des Senats aus dem Gutachten des Dr.N., das, auch wenn es von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholt worden ist, der gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegt werden kann (vgl. BSG SozR Nr.66 zu § 128 SGG). Aus diesem Gutachten ergibt sich, dass beim Kläger ausweislich des Tonaudiogramms von 1979 eine durch seine in Deutschland versicherten Tätigkeiten mitverursachte Lärmschwerhörigkeit bestand, die eine Minderung der Erwerbsfähigkeit um weniger als 10 v.H. bedingte. Das Tonaudiogramm von 1993 zeigt einen für eine chronische Lärmschwerhörigkeit völlig untypischen Verlauf. Die Zunahme der Schwerhörigkeit hat damit andere Ursachen als die Lärmexposition. Dies gilt auch für die kurzfristige, geringfügig grenzwertüberschreitende Tätigkeit im Jahre 1988 als Baustellenhelfer. Damit bleiben die Messwerte von 1979 maßgebend für die Frage, wie hoch die Minderung der Erwerbsfähigkeit ist, die die Beklagte durch Gewährung einer Verletztenrente zu entschädigen hat. Eine andere Einschätzung eines Sachverständigen hinsichtlich dieser Bewertung liegt nicht vor. Es sind auch keine Umstände ersichtlich, die die Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens erforderlich gemacht hätten. Es ist kein Sachverhalt ersichtlich, der nicht berücksichtigt oder noch zu ermitteln wäre, eine fachliche Infragestellung des Gutachtens des Dr.N. liegt ebenfalls nicht vor.

Die Berufung hat deshalb keinen Erfolg.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG und folgt der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen nicht obsiegt hat.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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