L 4 KR 139/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 3 KR 504/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 139/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 11. Oktober 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist eine Erstattung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ab 01.04.1997.

Die am 1937 geborene Klägerin bezog seit 01.04.1997 aus der gesetzlichen Rentenversicherung Altersrente als Teilrente in Höhe von einem Drittel der Vollrente. Daneben arbeitete sie 27 Stunden wöchentlich in einer Apotheke. Zum 30.06.2001 wurde sie abgemeldet. Sie erhält seit 01.07.2001 Vollrente.

Die Klägerin beantragte am 12.03.1998 die Rückzahlung ihrer Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für das Jahr 1997 in Höhe von 1.150,55 DM und das Jahr 1998 in Höhe von 225,56 DM.

Die Beklagte teilte ihr am 26.03.1998 mit, es sei mit den für die Arbeitslosenversicherung geltenden gesetzlichen Bestimmungen vereinbar, dass die Arbeitslosenversicherungspflicht auch bestehe bei Erhalt der vorgezogenen Altersrente mit dem 60. Lebensjahr. Der Gesetzgeber habe unter anderem nur Personen für frei von der Arbeitslosenversicherung erklärt, die das 65. Lebensjahr vollendet haben. Die Beklagte erließ am 23.04.1998 einen weiteren Bescheid, mit dem sie feststellte, die Klägerin unterliege aufgrund ihres Beschäftigungsverhältnisses bei einer Arbeitszeit von wöchentlich 27 Stunden auch ab Beginn der Altersteilrente neben der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherungspflicht weiterhin der Arbeitslosenversicherungspflicht so lange sie das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Es gebe keine gesetzliche Grundlage, wonach versicherungspflichtige Arbeitnehmer durch den Bezug einer Altersrente vor dem 65. Lebensjahr arbeitslosenversicherungsfrei seien.

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte erneut die Rückerstattung der bezahlten Beiträge geltend. Die Beklagte wies mit Widerspruchsbescheid vom 02.12.1998 (am 02.08.1999 zur Post gegeben) den Widerspruch zurück. Die Klägerin erfülle nicht die Voraussetzungen der Versicherungsfreiheit. Außerdem trete das Ruhen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld nicht vollständig ein; die Ansicht der Klägerin, dass sie im Falle des Verlustes des Arbeitsplatzes keine Leistung durch die Arbeitslosenversicherung erhalten könne, sei unzutreffend.

Die Klägerin hat mit der Klage vom 16.08.1999 beim Sozialgericht München (SG) wieder geltend gemacht, sie sei von der Arbeitslosenversicherungspflicht zu befreien und die gezahlten Beiträge seien zurückzuerstatten. Ihr würden Beiträge für die Arbeitslosenversicherung abgezogen, der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe jedoch wegen des Bezugs der Rente. Im Falle einer Kündigung habe sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, sondern erhalte nach Beendigung der Teilrente die Vollrente. Es sei verfassungswidrig, dass sie trotz Beitragszahlung keine Leistungen erhalten könne. Mit Schreiben vom 09.10.2000 hat die Klägerin die Höhe der geltend gemachten Beitragserstattung mit 5.332,67 DM für die Zeit von 1997 bis Oktober 1999 angegeben.

Das SG hat mit Urteil vom 11.10.2000 die Klage abgewiesen. Die Klägerin unterliege trotz des Bezugs einer Teilrente der Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung für ihre Beschäftigung. Aus der Beitragsentrichtung ergäben sich grundsätzlich Leistungsansprüche, so dass verfassungsmäßige Bedenken nicht bestünden.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 20.11. 2000. Die Entscheidungen der Beklagten und des SG seien unzutreffend; das Bundesverfassungsgericht habe entschieden, dass Sozialbeiträge ohne Gegenleistung verfassungswidrig seien. Ein Teilrentner habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld, obwohl er Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zahle.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 11.10.2000 sowie des Bescheides vom 23.04.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.12.1998 zu verurteilen, die gezahlten Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die Zeit vom 01.04.1997 bis 30.06.2001 in Höhe von 6.692,37 DM in Euro zurückzuerstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden die Akten der Beklagten und des SG. Auf den Inhalt dieser Akten und die Sitzungsniederschrift wird im Übrigen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -); der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 1.000,00 DM (§ 144 Abs.1 Nr.1 SGG a.F.).

Die Berufung ist unbegründet; die angefochtenen Entscheidungen sind nicht zu beanstanden.

Nach § 26 Abs.2 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) sind zu Unrecht entrichtete Beiträge zu erstatten, es sei denn, dass der Versicherungsträger bis zur Geltendmachung des Erstattungsanspruchs aufgrund dieser Beiträge oder für den Zeitraum, für den die Beiträge zu Unrecht entrichtet worden sind, Leistungen erbracht oder zu erbringen hat; Beiträge, die für Zeiten entrichtet worden sind, die während des Bezugs von Leistungen beitragsfrei sind, sind jedoch zu erstatten. Inhaber des Anspruchs auf Beitragserstattung ist derjenige, der die Beiträge getragen hat, wer also rechtlich tatsächlich belastet worden ist. Soweit es um den Gesamtsozialversicherungsbeitrag geht, entsteht der Erstattungsanspruch in der Regel jeweils für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer hinsichtlich ihrer Anteile. Hat der Arbeitgeber den Fehler bemerkt und vom Lohnabzug abgesehen, so ist er Gläubiger hinsichtlich des Gesamtbetrages. Zieht er den Betrag nachträglich vom Lohn ab, verliert er den Erstattungsanspruch, dieser steht insoweit dem Arbeitnehmer zu.

Schuldner des Beitragserstattungsanspruchs ist bezüglich der Arbeitslosenversicherung gemäß § 351 Abs.2 Sozialgesetzbuch III (SGB III) grundsätzlich das Arbeitsamt bzw. Landesarbeitsamt (§ 351 Abs.2 Nr.1, 2 SGB III). Die Zuständigkeit der Einzugs- stelle kann jedoch vereinbart werden (§ 351 Abs.2 Nr.3 SGB III).

Eine derartige Vereinbarung enthalten die "Gemeinsamen Grundsätze für die Verrechnung und Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung" vom 03.05.1995, auf die sich die Spitzenverbände und die Bundesanstalt für Arbeit geeinigt haben (Die Sozialversicherung 1995, 237 ff.). Diese Vereinbarung ist abweichend vom damals geltenden Rechts des Arbeitsförderungsgesetzes (§ 185a Abs.3 Nr.1 AFG) ergangen. Sie gilt auch noch für das neue Recht der Arbeitslosenversicherung. Nach dieser Vereinbarung ist für die Bearbeitung des Antrags auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge die Einzugsstelle zuständig, soweit sich aus den folgenden Abschnitten nichts anderes ergibt. Für die Bearbeitung des Antrags auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Arbeitslosenversicherungsbeiträge ist ausschließlich das Arbeitsamt zuständig, wenn a) seit Beginn des Erstattungszeitraums Leistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Altersübergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Schlechtwettergeld, Unterhaltsgeld, Übergangsgeld, Berufsausbildungsbeihilfe für Arbeitslose) gewährt worden sind, b) der Erstattungsanspruch ganz oder teilweise verjährt ist, c) ein Bescheid eines Arbeitsamtes über die Rückzahlung von Leistungen vorliegt (vgl. Ziffer 3.3.1 und Ziffer 3.3.3 der Vereinbarung). Daraus ergibt sich, dass im vorliegenden Fall die Beklagte als Einzugsstelle für die Bearbeitung des Antrags auf Beitragserstattung und die entsprechende Entscheidung zuständig ist.

Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zu Recht gezahlt worden, so dass ein Erstattungsanspruch nicht besteht. Die Beitrags- und Versicherungspflicht in der Arbeitslosenversicherung richtete sich bis 31.12.1997 nach § 168 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) und ab 01.01.1998 nach §§ 24, 25 Abs.1 Sozialgesetzbuch III (SGB III). Danach sind versicherungspflichtig Personen, die gegen Arbeitsentgelt oder zu ihrer Berufsausbildung beschäftigt (versicherungspflichtige Beschäftigung) sind. Die gesetzlich vorgesehenen Ausnahmen der Versicherungspflicht, das heißt die Tatbestände der Versicherungsfreiheit, treffen auf die Klägerin nicht zu (vgl. §§ 169, 169a, 169b, 169c, 169d AFG bzw. 27, 28 SGB III). Insbesondere sind die Voraussetzungen der §§ 169c Nr.1, 2 AFG und 28 SGB III erst im Laufe des Berufungsverfahrens bzw. überhaupt nicht erfüllt. Danach sind versicherungsfrei Personen, die das 65. Lebensjahr vollendet haben, mit Ablauf des Monats, in dem sie dieses Lebensjahr vollenden. Dieser Tatbestand der Versicherungsfreiheit ist also erst am 31.03. 2002 eingetreten. Die übrigen Tatbestände der Versicherungsfreiheit, wie Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung oder eine vergleichbare Leistung eines ausländischen Leistungsträgers und fehlende Verfügbarkeit wegen einer Minderung der Leistungsfähigkeit, waren im streitigen Zeitraum vom 01.04.1997 bis 30.06.2001 nicht gegeben.

In diesem Zeitraum sieht die Klägerin zu Unrecht das Äquivalenzprinzip in der Arbeitslosenversicherung zwischen Beiträgen und Leistungen verletzt. Das Bundesverfassungsgericht hat in zwei jüngeren Entscheidungen zum Äquivalenzprinzip bei der Heranziehung von einmalig gezahltem Arbeitsgeld zu Sozialversicherungsbeiträgen ohne gleichzeitige Berücksichtigung bei der Berechnung kurzfristiger Lohnersatzleistungen Stellung genommen und einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art.3 Abs.1 Grundgesetz) bejaht (BVerfG vom 11.01.1995 SozR 3-2200 § 385 Nr.6; BVerfG vom 24.05.2000 SozR 3-2400 § 23a Nr.1). Diesen Entscheidungen liegt jedoch ein anderer Sachverhalt zugrunde, da Einmalzahlungen ganz oder zum Teil der Beitragspflicht unterlagen, hinsichtlich kurzfristiger Lohnersatzleistungen aus diesem Entgelt jedoch keine Leistungen gezahlt wurden, während Versicherte, die lediglich aus laufendem Arbeitsentgelt Beiträge zahlen, voll in den Genuss der entsprechenden Leistungen gelangen. Der vorliegende Fall liegt insofern anders, als das Arbeitsentgelt der Klägerin der Beitragsbemessung der Arbeitslosenversicherung unterworfen wird und die Klägerin grundsätzlich in der Arbeitslosenversicherung auch leistungsberechtigt ist.

Es trifft zwar zu, dass der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruht, das Ruhen ist aber eingeschränkt. Nach § 142 Abs.1 Nr.4 SGB III ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld während der Zeit, für die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung zuerkannt ist; auch die Zuerkennung einer Teilrente (§ 42 Sozialgesetzbuch VI) lässt den Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhen. Denn die Teilrente ist eine Versorgungsleistung im Sinne des § 142 Abs.1 Satz 1 Nr.4 SGB III. Die von der Klägerin bezogene Teilrente bezweckt, einerseits die Rentenversicherung mittels Flexibilisierung und Verlängerung der Lebensarbeitszeit zu entlasten und den Versicherten einen gleitenden Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand zu ermöglichen (Kreikebohm, § 42 SGB VI, Rdnr.2). Der Ruhenstatbestand des § 142 Abs.1 Satz 1 Nr.4 SGB III wird aber eingeschränkt durch Abs.2 Nr.3 SGB III. Nach Buchstabe a dieser Vorschrift ruht der Anspruch mit Ablauf des dritten Kalendermonats nach Erfüllung der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld, wenn dem Arbeitslosen für die letzten sechs Monate einer versicherungspflichtigen Beschäftigung eine Teilrente oder eine ähnliche Leistung öffentlich-rechtlicher Art zuerkannt ist. Diese Vorschrift trifft eine Sonderregelung zum Beginn des Ruhens bei Bezug einer Teilrente. War dem Arbeitslosen für die letzten sechs versicherungspflichtigen Beschäftigungsmonate eine Teilrente zuerkannt, bewirkt grundsätzlich auch die Teilrente ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs. Abweichend von Abs.1 Satz 1 tritt das Ruhen jedoch nicht mit der Erfüllung aller Voraussetzungen des Arbeitslosengeldanspruchs ein, sondern erst mit Ablauf des dritten vollen Kalendermonats nach Erfüllung der Voraussetzungen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld. Der Ruhensbeginn wird also hinausgeschoben, um Arbeitnehmern, die längere Zeit neben der Teilrente eine versicherungspflichte Beschäftigung ausgeübt haben, den Arbeitslosengeldanspruch bei Übergang in eine andere Beschäftigung oder beim Übergang in die Vollrente zu gewähr- leisten. Sobald anstelle der Teilrente die Vollrente zuerkannt wird, entfallen die Voraussetzungen für den Aufschub des Ruhens nach Abs.2 Satz 1 Nr.3a, das heißt ein Nebeneinander von Arbeitslosengeld und Vollrente soll vermieden werden. Da also der Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht ausgeschlossen, sondern lediglich modifiziert ist, ergibt sich kein Anhalt für die Verletzung des Äquivalenzprinzips.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nr.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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