L 4 KR 108/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 3 KR 74/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 108/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 5. Juli 2000 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1) auch im Berufungsverfahren. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beigeladene zu 1) beim Kläger im Jahre 1994 abhängig beschäftigt war und dafür Gesamtsozialversicherungsbeiträge in Höhe von 14.643,40 DM für den Zeitraum 01.01. bis 30.09.1994 vom Kläger zu entrichten sind.

Der Kläger betrieb in der streitgegenständlichen Zeit die Firma P ... Die Beigeladene zu 1) war Geschäftsführerin eines seiner Läden. Sie hatte ein Gewerbe als Modeberaterin angemeldet und war privat gegen Krankheit versichert. Nach ihren Aussagen vom 06.10.1996 gab es darüber keinen schriftlichen Vertrag. Es sei eine monatliche Festprovision von 3.000,00 DM + 15 % Mehrwertsteuer als Gehalt bezahlt worden. Die wöchentliche Arbeitszeit habe 40 Stunden betragen. Der Umsatz sowie die Einhaltung der Arbeitszeiten seien durch den Kläger überprüft worden.

Für die Monate Januar 1994 bis einschließlich September 1994 legte die Beigeladene zu 1) Rechnungen vor. Darin wird der Umsatz brutto und netto aufgeführt sowie 8 % aus dem Nettozusatz zuzüglich 15 % Mehrwertsteuer. Diese Summe wurde lediglich für den Monat Juli 1994 ausbezahlt. In den übrigen Monaten war jeweils die vereinbarte Vergütung von 3.450,00 DM höher als die Umsatzbeteiligung. Mit Schreiben vom 04.10.1994 teilte der Kläger der Beigeladenen zu 1) mit, er sei gezwungen, die Provisionsvereinbarung zum Ende September zu kündigen. Die Beigeladene zu 1) erhalte jedoch weiterhin die Garantieprovision in Höhe von 3.000,00 DM zuzüglich Mehrwertsteuer monatlich. Die Überprüfung ihrer Arbeitsstunden habe ergeben, dass sie weniger Stunden als üblich arbeite. Um die normale Arbeitszeit zu erreichen, solle sie jeweils am Montag einen halben Tag zusätzlich arbeiten. Schließlich hoffe der Kläger auf ihr Verständnis, damit "wir gemeinsam bessere Zahlen erwirtschaften". Durch dieses Schreiben sah die Beigeladene zu 1) das Vertrauensverhältnis zerstört und ließ durch Anwaltsschreiben vom 10.10.1994 dem Kläger mitteilen, eine weitere Zusammenarbeit sei nicht zumutbar und werde ab dem gleichen Tage eingestellt.

Aufgrund einer Beitragsprüfung vom 23.10.1996 forderte die Beklagte mit Bescheid vom 28.10.1996 vom Kläger Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von insgesamt 14.687,98 DM für die Beigeladene zu 1) zur gesetzlichen Renten- und Arbeitslosenversicherung. Der dagegen am 06.05.1997 erhobene Widerspruch wurde damit begründet, dass die Beigeladene zu 1) freie Mitarbeiterin gewesen sei, eine Arbeitsform neben der des Selbständigen und Arbeitnehmers. Sie sei nicht in einem Arbeitsverhältnis gestanden, denn über ihre Arbeitskraft und Arbeitszeit habe der Kläger nicht verfügt. Auch sei sie vollem unternehmerischen Risiko unterlegen, da die ihr zustehende Provision umsatzabhängig gewesen sei. Auch habe kein Weisungsrecht bestanden, vielmehr habe die Beigeladene ihre Tätigkeit völlig frei gestalten und ihre Arbeitszeit frei bestimmen können. Die Beklagte hat den als fristgerecht angesehenen Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 05.02.1998 zurückgewiesen. Zwar deute die Deklaration als freie Mitarbeiterin und die Stellung von monatlichen Rechnungen auf Selbständigkeit hin. Die freie Gestaltung der Tätigkeit sei aber für eine Geschäftsführerin üblich. Auch sprächen die Vereinbarungen einer wöchentlichen Arbeitszeit und die einer Garantieprovision sowie Vorgaben zum Einsatz der Mitarbeiter und das Fehlen von Kapitaleinsatz bzw. jedem unternehmerischen Risiko für ein Beschäftigungsverhältnis.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht München erhobenen Klage wiederholte der Kläger seine Auffassung vom Bestehen einer unternehmerischen Zusammenarbeit mit der Beigeladenen zu 1). Diese gab in der mündlichen Verhandlung an, sie habe eigentlich angestellt werden wollen, der Kläger habe aber auf die Beschäftigungsform bestanden, so dass sie ein Gewerbe für Modeberatung angemeldet habe, um diese Stelle zu bekommen. Außer ihr seien nur noch geringfügig Beschäftigte in dem Geschäft tätig gewesen. Ihre Arbeitszeit sei mit der Geschäftsöffnung von 09.00 bis ca. 18.00 Uhr identisch gewesen. Weder habe sie Ware auf eigene Rechnung ordern noch sonst irgend etwas auf eigene Rechnung beschaffen müssen. Die eingekaufte Ware sei lediglich einzuräumen gewesen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 05.07.2000 abgewiesen, weil bei Gesamtwürdigung aller Umstände die Gesichtspunkte überwögen, die für eine abhängige, renten- und arbeitslosenversicherungspflichtige Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) sprächen, was durch deren Ausführungen in der mündlichen Verhandlung untermauert werde. Grundlage der Beurteilung sei nicht der versicherungsrechtliche Gestaltungswunsch des Arbeitgebers gewesen, sondern die in der Gesamtschau zu berücksichtigenden Umstände.

Dagegen richtet sich die Berufung vom 17.08.2000. Das Sozialgericht habe sich nicht allein auf die Angaben der Beigeladenen zu 1) stützen, den ausführlichen Sachvortrag des Klägers jedoch völlig unberücksichtigt lassen dürfen. Es seien die laufend zurückgehenden Umsatzzahlen gewesen, die die Zusammenarbeit hätten beendigen lassen. Diese Umsatzentwicklung habe die Beigeladene zu 1) in der Hand gehabt, die schließlich auch Rechnungen erstellt habe. Sie sei allein verantwortlich gewesen für Präsentation, Marketing und Verkauf der Ware. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt ein irgendwie auf Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassendes Weisungsrecht ausgeübt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des Sozialgerichts München vom 05.07.2000 und den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 28.10.1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.02.1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend, insbesondere dahingehend, dass die tatsächlichen Verhältnisse ausschlaggebend seien.

Die Beigeladene zu 1) beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie bestreitet, selbst Mitarbeiter eingestellt haben zu können, diesbezüglich sei es lediglich ihre Aufgabe gewesen, die Anwesenheitszeit der Arbeitskräfte zu notieren.

Die Beigeladene zu 2) schließt sich dem Antrag und den Ausführungen der Beklagten an. Die Beigeladene zu 3) hat sich nicht geäußert.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung, die nicht der Zulassung nach § 144 SGG bedarf, ist zulässig, in der Sache selbst jedoch unbegründet. Die Beigeladene zu 1) war in der streitgegenständlichen Zeit beim Kläger abhängig beschäftigt. Damit ergibt sich eine Versicherungspflicht zur Rentenversicherung und zur Bundesanstalt für Arbeit. Die Versicherungspflicht bei der gesetzlichen Krankenkasse ist nicht streitgegenständlich, weil mit dem gezahlten Lohn die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten worden ist (§ 6 Abs.1 Nr.1 SGB V).

Zur versicherungsrechtlichen Beurteilung der Erwerbstätigkeit der Beigeladenen hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, dass nach einer Gesamtschau der tatsächlichen Verhältnisse, die Kriterien für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis im Sinne des § 7 SGB IV überwiegen. Die Beigeladene zu 1) hat eine übliche Geschäftsführertätigkeit ausgeübt, indem sie einen der Läden des Klägers geführt hatte. Ihr fehlte das typische Merkmal selbständiger Tätigkeit, weil sie kein Unternehmerrisiko trug und keinerlei eigenes Kapital einsetzte. Mit ihrer Arbeitskraft und Arbeitszeit war sie an die täglichen Öffnungszeiten gebunden und obwohl schriftlicher Vertragsgestaltungen darüber fehlen, geht aus dem Schreiben vom 04.10.1994 hervor, dass sie am Montag ihren "freien Tag" gehabt hatte, der nunmehr auch noch wegfallen sollte. Ganz unbestritten ist die Art und Weise der Lohnzahlung, die in ihrer Ausgestaltung den Charakter des Arbeitsentgelts im Sinne von § 14 SGB IV trägt. Zwar erstellte die Beigeladene zu 1) proforma eine Rechnung an den Kläger, doch zahlte er ein regelmäßiges Gehalt, welches lediglich den Namen "Provision" trug. Dass bei Arbeitnehmern im Verkauf auch zusätzlich zum Arbeitslohn eine Umsatzprovision gezahlt wird, ist nichts Außergewöhnliches. Hier hatte die sogenannte Garantieprovision die ganz überragende wirtschaftliche Bedeutung, nur in einem einzigen Monat kam es zur zusätzlichen eigentlichen Provisionszahlung. Wie der Senat in der mündlichen Verhandlung den Beteiligten auch deutlich gemacht hat, ist von entscheidender Bedeutung die Tatsache des mangelnden unternehmerischen Risikos, weil die Klägerin außer ihrer Arbeitskraft und ihren Fähigkeiten im Verkauf nichts an Werten oder Kapital in ihre angebliche Firma eingebracht hat. Dabei sei noch einmal unterstrichen, dass in den sozialversicherungsrechtlichen Gesetzen nur zwischen Selbständigen bzw. Arbeitgebern oder Unternehmern auf der einen Seite unterschieden wird und abhängig Beschäftigten bzw. Arbeitnehmern auf der anderen Seite. Für die von der Klägerseite erwähnte Stellung als freie Mitarbeiterin gibt es keine eigene Rechtsposition. Sofern eine solche Arbeitsform anzunehmen ist, handelt es sich dabei um eine selbständige, und damit nicht versicherungspflichtige Tätigkeit. Mangels eigenem unternehmerischen Risikos - die Erwirtschaftung von Provision ist dem nicht zuzurechnen - ist von der Eingliederung der Beigeladenen zu 1) in das Unternehmen des Klägers auszugehen, wobei von der Natur der Sache her, eine Geschäftsführerin eines Ladens mehr an Selbständigkeit in der Umsetzung ihrer Verkaufstätigkeit hat, als eine sonstige in diesem Geschäft tätige Verkäuferin. Dabei war der Beigeladenen zu 1) unstreitig nicht einmal eine Mitsprachemöglichkeit beim Einkauf der zu vertreibenden Waren eingeräumt, so dass auch nicht an eine Pacht des Geschäftes zu denken wäre, wofür es schon an einem dafür notwendigen Pachtvertrag und der Abführung von Pachtzins fehlt. Da somit unter keinem Blickwinkel die Tätigkeit der Beigeladenen als selbständig und damit versicherungsfrei eingeschätzt werden kann, hat der Kläger auch für die auf den gezahlten Lohn anfallenden Sozialversicherungsbeiträge einzustehen (§ 28e Abs.1 Satz 1 SGB IV).

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und schließt ein, dass der unterlege Kläger der Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat. Mangels der Voraussetzungen des § 160 SGG ist die Revision nicht zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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