L 4 B 326/02 KR ER

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 3 KR 419/02 ER
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 B 326/02 KR ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts München vom 11. Juli 2002 abgeändert und die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens längstens bis 31.12.2003 im beantragten Umfang angeordnet.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Dem Antragsgegner (Ag.) obliegt die Aufsicht über den Antragsteller (Ast.). Der Ast. hat mit der niederländischen Versandapotheke D. am 14. März 2002 einen Vertrag zur Regelung der Versorgung der Versicherten der Betriebskrankenkassen in Bayern durch die Apotheke mit Arzneimitteln und Verbandmitteln aufgrund vertragsärztlicher oder vertragszahnärztlicher Versorgung geschlossen. Der Vertrag regelt Preisgestaltung, Zustellung und Abrechnung und fordert Qaulitätsmanagement. Er sollte am 15.03. 2002 in Kraft treten.

Der Ag. hat den Ast. mit Schreiben vom 27.03.2002 auf seine Auffassung hingewiesen, der Vertrag verstoße gegen geltendes Recht. Der Ast. wurde gebeten, die Förderung des Versandhandels umgehend zu unterlassen. Das Schreiben sollte eine Beratung im Sinn des § 78 Abs.3 SGB V i.V.m. § 89 Abs.1 SGB IV darstellen. Auf den beabsichtigten Erlass eines Verpflichtungsbescheides wurde hingewiesen. Nachdem der Ast. darauf hingewiesen hatte, dass er nach seiner Überzeugung einen nach europäischem und europarechtskonform ausgelegtem deutschen Recht möglichen Apothekenliefervertrag geschlossen habe, erließ der Ag. am 16.05.2002 eine Verpflichtungsanordnung des Inhalts, dass der zwischen dem Ast. und der niederländischen Apotheke D. geschlossene Vertrag aufzuheben sei (Ziffer 1 a des Vertrags) und jegliche Werbung für den Bezug von apothekenpflichtigen Arzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung zu unterlassen sei (Ziffer 1 b), außerdem wurde der Ast. verpflichtet, seine Mitgliedskassen dahingehend zu unterrichten und zu beraten, dass diese keine Kosten für apothekenpflichtige Arzneimittel übernehmen, die im Wege des Versandhandels durch fernmündliche oder schriftliche Bestellung oder Bestellung im Internet bezogen werden (Ziffer 2 a) und es außerdem unterlassen sollen, ihre Versicherten auf eine solche Bezugsmöglichkeit hinzuweisen (Ziffer 2 b).

Die sofortige Vollziehung der Verpflichtungsanordnung wurde angeordnet. Die Belange des Gesundheits- und Verbraucherschutzes, ein fairer Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung und die Verhinderung einer präjudizierenden Wirkung des Vertrages führten in der Abwägung zu einem eindeutigen Überwiegen des Interesses an einer sofortigen Vollziehung der Verpflichtungsanordnung.

Der Ast. hat hiergegen am 31.05.2002 Klage zum Sozialgericht München erhoben (Az.: S 3 KR 420/02) und zugleich den Antrag gestellt, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verpflichtungsanordnung vom 16.05.2002 hinsichtlich der dortigen Punkte 1 a, 2 a und 2 b anzuordnen. Er hat geltend gemacht, vom Vertrag vom 03./14.03.2002 und dessen Durchführung gingen keine Gefahren aus, die eine Anordnung des Sofortvollzuges rechtfertigten. Es sei zu berücksichtigen, dass Vertragspartner ausschließlich die niederländische Apotheke D. sei. Quantitativ wie qualitativ hochwertige Beratung werde garantiert. Voraussetzung für die Lieferung sei die Vorlage eines vertragsärztlichen oder vertragszahnärztlichen Rezeptes.

Weiter trug er vor, das Versandhandelsverbot verstoße gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Die Rechtsschutzwirkung des beim EuGH aufgrund der Vorlage des Landgerichts Frankfurt/Main vom 10.08.2001 (3/11 0 64/01) anhängigen Vorabentscheidungsverfahrens müsse berücksichtigt werden. Um die praktische Wirksamkeit des Vorabentscheidungsersuchens nicht im Vorhinein zu untergraben, dürfe der grenzüberschreitende Arzneimittelversand durch Apotheken andere Mitgliedsstaaten bis zur Entscheidung des EuGH nicht durch die grenzüberschreitende Warentransaktion vereitelnde Blockade auf der Kostenübernahmeebene unmöglich gemacht werden.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 11. Juli 2002 die Anordnung der aufschiebenden Wirkung abgelehnt. Das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung überwiege das Interesse des Antragstellers an der Nichtvollziehung. Durch den Sofortvollzug mit der Folge des grenzüberschreitenden Bezugs von Arzneimitteln würde das Versandhandelsverbot des § 43 Abs.1 AMG und das Verbringungsverbot des § 73 Abs.1 AMG außer Kraft gesetzt. Bei summarischer Prüfung sei auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht nachgewiesen, dass das Versandhandelsverbot gegen europäisches Recht verstoße. Das beim EuGH anhängige Vorabentscheidungsverfahren entfalte keine Rechtsschutzwirkung in der Gestalt, dass die Anordnung des Sofortvollzugs untersagt werde. Hierzu bedürfe es einer innerstaatlichen Regelung. Dem stünden die möglichen Interessen des Ast. an Beitragsstabilität gegenüber, verursacht möglicherweise durch Einsparung aufgrund Rabattgewährung bei Bezug über die niederländische Apotheke. Deren Kausalität sei jedoch allenfalls denkbar, weder wahrscheinlich noch nachgewiesen. Inwieweit bei Inanspruchnahme von Arzneimmitteln über die niederländische Apotheke nicht nur Sicherheits-, sondern auch Leistungsansprüche der Versicherten garantiert werden können, sei nicht abschließend verbindlich geklärt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Ast. vom 12.09.2002, worin er auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 16.08.2002 (Az.: L 4 B 193/02 KR) hinweist. Weiter wird nochmals ausgeführt, dass der Einzelbezug von Arzneimitteln aus europäischen Apotheken zulässig sei. Schließlich sieht der Ast. seine Beschwerde auch begründet durch die formal-materiellen Ausführungen des Senats im Eilverfahren der BKK Hypo-Vereinsbank gegen die Bundesrepublik Deutschland vom 14. August 2002 (Az.: L 4 B 268/02 KR ER). Der Begründungsmangel habe die Rechtswidrigkeit der Vollziehbarkeitsanordnung zur Folge. Nach Vorlage zweier Beschlüsse des LSG Niedersachsen (Az.: L 4 KR 122/02 ER, L 4 KR 101/02 ER) sowie eines Beschlusses des SG Hamburg (Az.: S 22 KR 594/02 ER), vergleichbare Streitgegenstände betreffend, weist der Ast. darauf hin, die von seiner Vertragspartnerin auf Basis des Arzneimittelliefervertrages vom 14.03.2002 an Versicherte der deutschen gesetzlichen Krankenversicherung auf der Grundlage eines von einem deutschen Vertragsarzt oder Vertragszahnarzt ausgestellten Originalrezeptes gelieferten Arzneimittel stammten ausschließlich aus Deutschland, trügen eine deutsche Pharmazentralnummer, hätten einen Beipackzettel in deutscher Sprache und seien daher völlig identisch mit denjenigen Arzneimitteln, die in einer deutschen Präsenz-Apotheke über die Ladentheke gereicht werden. Die Bedenken des Ag. hinsichtlich unterschiedlicher Sicherheitsstandards seien damit vom Tisch.

Der Ast. beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts München vom 11.07.2002 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der mit Schriftsatz vom 29. Mai 2002 erhobenen Aufsichtsklage des Antragstellers gegen die Verpflichtungsanordnung des Antragsgegners vom 16.05.2002 hinsichtlich der dortigen Punkte 1 a, 2 a und 2 b anzuordnen.

Der Ag. beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die Beschwerde sei nicht begründet, da der Beschluss des Sozialgerichts München nicht zu beanstanden sei. Unter Berücksichtigung aller tragenden Interessen und Umstände überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegenüber dem Interesse des Antragstellers an der vorläufigen Nichtvoll- ziehung. Die vorgebrachten Gründe für die Anordnung genügten dem im Beschluss des Bayer. Landessozialgerichts dargelegten Begründungserfordernis. Die Belange des Gesundheits- und Verbraucherschutzes, ein fairer Wettbewerb in der gesetzlichen Krankenversicherung und die Verhinderung einer präjudizierenden Wirkung des Vertrages erforderten die sofortige Vollziehung. Insbesondere der Verbraucherschutz und damit der Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung würden durch die mit dem Versandhandel verbundene ausbleibende oder unzureichende Beratung erheblich gefährdet und etwaige Schäden könnten nicht mehr rückgängig gemacht werden. Über das Internet könnten vielfältige Arzneimittelangebote abgerufen werden und daher könne zwischen seriösen und nichtseriösen Anbietern vom Versicherten nicht unterschieden werden. Ungeachtet der Seriosität der Vertragspartnerin des Beschwerdeführers komme es sehr wohl auf diesen Aspekt an. Außerdem sei entscheidend, dass der Versandhandel die für den Verbraucher unerlässliche Information und Beratung nur ungenügend ermögliche. Der Verbraucher könne nicht sicher sein, ob er das Arzneimittel erhalte, welches er erwarte und gegebenenfalls bisher gut vertragen habe.

Maßgeblich für die Ermessensentscheidung sei ebenfalls gewesen, dass der Antragsteller als Körperschaft des öffentlichen Rechts keinen Grundrechtschutz genieße. Seine Interessen dürften deshalb den hohen Rechtsgütern des Verbraucher und Gesundheitsschutzes nachgeordnet werden. Ein zusätzlicher Aspekt sei die konkrete Gefahr, bei einer vorläufigen Durchführung des geschlossenen Vertrages könne das Versandhandelsverbot de facto aufgehoben werden, ohne dass der Gesetzgeber über die Modalitäten und Sicherungsvorkehrungen einer solchen Aufhebung entschieden habe. Dadurch werde der Handlungsspielraum des ausschließlich zuständigen Gesetzgebers massiv eingeschränkt. Dies sei eine Argumentation, die neu zur Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung herangezogen worden sei.

Beigezogen wurden die Akten des Sozialgerichts, auf deren Inhalt im Übrigen Bezug genommen wird.

II.

Die frist- und formgerecht eingelegte Beschwerde, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat, ist zulässig (§§ 172, 173, 174 SGG).

Die Beschwerde des Ast. ist begründet.

Die von der Ag. getroffene Anordnung der sofortigen Vollziehung des Bescheides (§ 86a Abs.2 Nr.5 SGG) ist bereits aus formellen Gründen rechtswidrig. Der Senat ordnet daher nach § 86b Abs.1 Nr.2 SGG die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Verpflichtungsanordnung des Ag. im beantragten Umfang vom 16.05. 2002 an.

Nach § 86a Abs.1 SGG haben Widerspruch und Anfechtungsklage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt unter anderem nach § 86a Abs.2 Nr.5 SGG in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten ist und die Stelle, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, die sofortige Vollziehung mit schriftlicher Begründung des besonderen Interesses an der sofortigen Vollziehung anordnet. Danach steht nicht nur der Erlass des Verpflichtungsbescheides, sondern auch die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Ermessen der Behörde. Auch das Ermessen hinsichtlich der Anordnung der sofortigen Vollziehung muss pflichtgemäß ausgeübt werden. Da § 86a Abs.1, 2 SGG den § 80 Abs.1, 2, 3 VWGO nachgebildet ist, sind die dort geltenden Rechtsgrundsätze zu übernehmen. Ebenso wie bei § 80 Abs.2 Nr.4 VWGO (Anordnung der sofortigen Vollziehung) muss angenommen werden, dass wegen des Gebotes eines effizienten Rechtsschutzes (Art.19 Abs.4 GG) die aufschiebende Wirkung die Regel, die sofortige Vollziehung die Ausnahme bleibt.

Die Verpflichtung zur Ermessensausübung bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung gebietet, dass das besondere öffentliche Interesse mit dem Interesse des Betroffenen abgewogen und begründet wird (§ 35 Abs.1 Satz 3 SGB X). Abzuwägen sind die Folgen, die eintreten würden, wenn die sofortige Vollziehung angeordnet und dann ein Rechtsbehelf Erfolg haben würde gegenüber den Nachteilen, die entstehen, wenn die sofortige Vollziehung nicht angeordnet und ein Rechtsbehelf keinen Erfolg haben würde. Ein Sofortvollzug kann nur angeordnet werden, wenn sonst der Allgemeinheit erhebliche Gefahren oder Nachteile drohen würden. In die Abwägung ist auch einzubeziehen, ob und inwieweit durch die Vollziehung irreparable Folgen entstehen.

Die Interessenabwägung ist zu beanstanden. Bei der Interessenabwägung in Bezug auf Schutz von Leben und Gesundheit der Versicherten geht der Ag. nicht auf die Besonderheiten des Einzelfalles ein. Insbesondere wird nicht berücksichtigt, dass es sich nicht um eine globale Regelung zur Aushebelung des Versandhandelsverbots handelt, sondern um einen Vertrag, der die Versorgung der Versicherten der Betriebskrankenkassen in Bayern durch eine Apotheke mit Arzneimitteln, die vertragsärztlich verordnet sein müssen, betrifft. Zusätzlich wird nicht berücksichtigt, dass Anlage des Vertrages ein Qualitätsmanagement nach europäischen Normen ist. Zum Vertragspartner, der Apotheke D. , führt das LSG Niedersachsen/Bremen im Beschluss vom 30. September 2002 (Az.: L 4 KR 122/02) aus, die (dortige) Ag habe nicht berücksichtigt, dass bereits zehntausende deutscher Kunden Arzneimittel über die Apotheke D. beziehen und diese ein offensichtlich verlässliches Verfahren zur Entwicklung ihrer Lieferungen an die Besteller gefunden habe. Angesichts dessen reiche der globale Hinweis auf den Schutz von Leben und Gesundheit der Versicherten nicht aus, um eine Anordnung der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen. Dies trifft im hier zu entscheidenden Fall um so mehr zu, als bei vertragsärztlicher Verordnung nicht ersichtlich ist, welche ungefragte Information und Beratung durch Apotheken unerlässlich sein sollte. Damit ist durch den Vertrag keine Gefährdung des Rechtsguts des Verbraucher- und Gesundheitsschutzes ersichtlich.

Die Aufsichtsbehörde hat sich zu ihrem Eingreifen nicht schon aus den Gedanken fehlender Ermächtigung für den Vertragsschluss leiten lassen. Der Senat hat durchaus Bedenken, ob der Ast. legitimiert ist, mit einer Einzelapotheke einen derartigen Versorgungsvertrag zu schließen, da § 129 SGB V - anders etwa als § 133 SGB V - lediglich zum Abschluss von Rahmenverträgen mit den Spitzenorganisationen ermächtigt (siehe dazu BSG vom 25.09.2001 - BSGE 89.24 mit einer kurzen Andeutung auf S.27). Eine endgültige Lösung dieser Rechtsfrage sprengt jedoch den vorläufigen Rechtsschutz innerhalb der vorliegenden rechtlichen Gemengelage von rationalen Sozialversicherungs- und Arzneimittelrecht sowie Europarecht. Lässt sich nämlich der Anspruch des Versicherten, seine Arzneien aus dem Vertragsausland zu beziehen, nicht von vorneherein ausschließen, muss seiner Kasse, wenigstens vorläufig die Möglichkeit eingeräumt werden, dies organisatorisch in den Griff zu bekommen, wozu der vorliegende Vertrag dienlich erscheint.

Auch der Gesichtspunkt des fairen Wettbewerbs der Krankenkassen untereinander kann die Anordnung des sofortigen Vollzugs nicht stützen. Hier ist, wieder in Überprüfung des Einzelfalles, insbesondere zu berücksichtigen, dass sich der Ast. zumindest im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht dagegen wendet, dass ihm der Ag. jegliche Werbung für den Bezug von apothekenpflichtigen Arzneimitteln im Wege des Versandhandels durch fernmündliche oder schriftliche Bestellung oder Bestellung im Internet untersagt hat. Dies bedeutet konkret: der Ast. betreibt vorläufig keine Werbung für die Inanspruchnahme des Vertragspartners D ... Damit ist auch die Gefahr einer präjudizierenden Wirkung gering einzuschätzen und rechtfertigt die sofortige Vollziehung der Verpflichtungsanordnung nicht. Um auch hier die Vorläufigkeit der Entscheidung zu unterstreichen hat der Senat eine zeitliche Begrenzung der aufschiebenden Wirkung ausgesprochen. Damit soll einerseits ein Herauszögern des Betreibens des Hautsacheverfahrens vermieden werden. Zum anderen ist damit zu rechnen, dass nach dem kürzlich bekannt gewordenen Koalitionsvereinbarungen der Deutsche Bundestag bis Ende des kommenden Jahres eine klärende gesetzliche Regelung herbeiführt. Gegebenenfalls wäre auf Antrag vor Fristablauf über eine Verlängerung der Aussetzung zu entscheiden.

Unter diesen Umständen kann auch nicht von "einer de facto Aufhebung" des Versandhandelsverbotes ausgegangen werden. Der Handlungsspielraum des Gesetzgebers wird nicht, insbesondere nicht massiv eingeschränkt. Der Senat weist hierzu außerdem noch auf seine Ausführungen im Beschluss vom 14.08.2002 (Az.: L 4 B 248/02 KR ER) hin. Danach ist eine Verletzung geltenden Rechts, die sofortiges Unterbinden erfordert, angesichts der noch nicht geklärten Rechtslage des Verhältnisses der Regelung des § 43 Abs.1 Satz 1 AMG (Versandverbot) zu § 73 Abs.2 Nr.6a AMG (Erlaubnis des Arzneimittelbezugs zum persönlichen Gebrauch)nicht offenkundig. Darüber hinaus bleibt auch zu berücksichtigen, dass der zuständige nationale Gesetzgeber durchaus durch Entscheidenungen des Europäischen Gerichtshofs, die zum Streitgegenstand zu erwarten sind, beeinflusst wird.

Zusammenfassend fehlt das nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts für die Anordnung die sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts erforderliche besondere öffentliche Interesse, das über jenes hinausgeht, dass den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (BVerfG vom 25.01.1996, 2 BVR 2718/95 m.w.N.). Dabei ist die getroffene Entscheidung im Rahmen des Beschlusses des erkennenden Senats vom 02.09.2002 (L 4 B 174/02 KR ER) zu sehen. Dort war im Wege vorläufigen Rechtschutzes eine bayerische BKK angehalten worden, bei der Versorgung ihrer Versicherten, ihre vertraglichen Verpflichtungen aus dem Apothekenvertrag vom 24.05.2000 nicht zu verletzen. Hinsichtlich des Werbungsverbots (Punkt 1b) der streitigen Anordnung hat der Ast. dem Sofortvollzug nicht widersprochen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs.1 VWGO. Die AG hat die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

Der Streitwert beträgt 4.000,00 EUR (§ 197a Abs.1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 13 Abs.1, 20 Abs.3 GKG).

Die Entscheidung kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved