L 9 EG 10/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 6 EG 43/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 10/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 10 EG 15/02 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 16.10.1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch der Klägerin auf Erziehungsgeld (BErzg) nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG) für die ersten mit zwölften Lebensmonate der Fünflinge A. , A. , A. , A. und A. streitig.

I.

Die am 1971 geborene verheiratete Klägerin ist die Mutter der am 1998 in Deutschland geborenen Kinder; sie stammt aus dem Kosovo, ist jugoslawische Staatsangehörige und hält sich mit einer Aufenthaltsbefugnis seit 25.05.1993 in der Bundesrepublik Deutschland auf. Seit der Geburt der Kinder lebt sie mit diesen und ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt, betreut und erzieht die Fünflinge und übt daneben keine Erwerbstätigkeit aus. Im Zeitraum 23.12.1997 mit 28.04.1998 erhielt sie von der AOK Mutterschaftsgeld in der Gesamthöhe von DM 3175,00.

Der Erstantrag auf Bewilligung von BErzg vom 30.03.1998 wurde durch Bescheide vom 14.04.1998 im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin gehöre nicht zum Personenkreis des § 1 Abs.1a Satz 1 BErzGG, da sie als Ausländerin nicht im Besitz eines der erforderlichen qualifizierten Aufenthaltstitel sei, sondern nur über eine Aufenthaltsbefugnis verfüge. Der hiergegen eingelegte Widerspruch, in dem darauf hingewiesen wurde, sie befinde sich seit 1993 in Deutschland, ihr Ehemann sei anerkannter Flüchtling und genieße wie sie Abschiebungsschutz, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 04.08.1998). Der Gewährung von BErzg stehe das Fehlen eines qualifizierten Aufenthaltstitels im Sinne des Art.1 Abs.1a Satz 1 BErzGG in der ab 27.06.1993 geltenden Fassung entgegen. Die Klägerin könne sich auf eine Gleichbehandlung mit Inländern nicht berufen.

II.

Mit der hiergegen zum Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Ihr Ehemann sei rechtskräftig als Flüchtling anerkannt. Aufgrund mündlicher Verhandlung wies die 6. Kammer die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, BErzg stehe der Klägerin weder aufgrund des BErzGG, noch aufgrund der Genfer Flüchtlingskonvention zu (Urteil vom 16.10.1998). Das BErzGG in der Fassung des FKPG vom 23.06.1993 (BGBl.I, S.944) habe verfassungskonform den Besitz einer Aufenthaltsbefugnis im Hinblick auf den im Aufenthaltstitel verkörperten Grad der Verfestigung des Aufenthaltsrechtes in Ansehung des dem BErzGG zugrunde liegenden Sachprogramms nicht mehr für ausreichend angesehen. Der Gesetzgeber habe eine Anspruchsberechtigung bei Ausländern davon abhängig machen dürfen, dass ein Aufenthalt in Deutschland auf Dauer gesichert sei, soweit sich nicht aus über- oder zwischenstaatlichen Regelungen Ausnahmen ergeben, vgl. BSGE 70, 197 (205).

Auch stehe die Genfer Flüchtlingskonvention angesichts des vom Ehemann der Klägerin erworbenen Status als anerkannter Flüchtling nicht entgegen. Nach Art.23 der Konvention seien die Aufenthaltsstaaten zwar zu einer Gleichbehandlung mit den eigenen Staatsangehörigen verpflichtet, aufgrund des Art.24 GFK allerdings nur vorbehaltlich besonderer Bestimmungen, die Leistungen oder Teilleistungen betreffen, welche ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestritten werden, sowie für Zuwendungen an Personen, die nicht die für die Gewährung einer normalen Rente geforderten Bedingungen der Beitragsleistung erfüllten. Nach Art.23 und 24 des Flüchtlingsabkommens seien bei Sozialleistungen, die einmal ausschließlich aus Steuern finanziert werden, wie dies beim Erziehungsgeld der Fall sei, und zweitens nicht zum Bereich der Sozialhilfe gehörten, besondere Bestimmungen auch auf anerkannte Flüchtlinge anzuwenden. Das Erziehungsgeld sei mit seiner Zielsetzung, die Hinwendung zum Kind in der ersten Lebensphase zu erleichtern, keine Leistung der öffentlichen Fürsorge, das Flüchtlingsabkommen gewährleiste mithin keinen Anspruch auf BErzg, welcher unabhängig vom in § 1 BErzGG ge- forderten Aufenthaltstitel bestehe. Angesichts der unmittelbaren Einreise der Klägerin aus einem nicht zur EU gehörenden Drittstaat in die Bundesrepublik Deutschland sei ein EU-interner grenzüberschreitender Sachverhalt nicht gegeben, so dass der Anwendungsbereich der EWGVO 1408/71, insbesondere Art.3 Abs.1, nicht eröffnet sei.

Schließlich liege ein Verstoss gegen das Grundgesetz nicht vor. Weder seien insbesondere Art.6 noch Art.20 Abs.3 noch Art.3 verletzt.

III.

Mit der am 11.12.1998 eingelegten Berufung wendet die Klägerin ein, im Besitz einer Aufenthaltsbefugnis zu sein, gleichwohl aufgrund ihres Status als anerkannter Flüchtling im Sinne des § 51 Abs.1 Ausländergesetz in Verbindung mit § 3 Asylverfahrensgesetz über einen verfestigten Aufenthalt zu verfügen, der dem eines Asylberechtigten gleichzustellen sei. Insoweit gebe der Wortlaut des BErzGG einen Ausschluss von der Anspruchsberechtigung nicht her.

Darüber hinaus sei die Bundesrepublik Deutschland nach der Genfer Flüchtlingskonvention verpflichtet, Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Staatsgebiet aufhalten, hinsichtlich der öffentlichen Fürsorge und sonstiger Hilfeleistungen eine Gleichbehandlung mit Deutschen zu gewähren. Die Bundesanstalt für Arbeit gewähre im Übrigen Kindergeld. Außerdem sei § 1 Abs.1a Satz 1 BErzGG mit den entsprechenden Parallelvorschriften des Bundeskindergeldgesetzes wortgleich, so dass auch ein Anspruch auf Erziehungsgeld zustehe.

Der Senat hat neben der Erziehungsgeldakte des Beklagten die Streitakten des Sozialgerichts beigezogen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des SG München vom 16.10.1998 sowie die Bescheide vom 14.04.1998 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 04.08.1998 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, ihr für die ersten mit zwölften Lebensmonate der am 1998 geborenen Fünflinge Bundeserziehungsgeld zu gewähren.

Der Beklagte beantragt sinngemäß, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG München vom 16.10.1998 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 SGG grundsätzlich statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung der Klägerin erweist sich als in der Sache nicht begründet. Wie das SG überzeugend dargelegt hat, stehen der Klägerin die streitigen Ansprüche auf BErzg nicht zu.

Der Senat entscheidet aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 124 Abs.2 SGG.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide vom 14.04.1998 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 04.08.1998, mit welchen BErzg versagt worden ist.

Wie das SG zutreffend dargelegt hat, verfügte die Klägerin, die im Bewilligungszeitraum weder die deutsche Staatasangehörigkeit noch diejenige eines Mitgliedsstaates der EU besessen hat, über keinen der erforderlichen qualifizierten Aufenthaltstitel im Sinne des § 1 Abs.1a Satz 1 BErzGG in der Fassung des FKPG vom 23.06.1993. Ungeachtet dessen lässt sich ein Anspruch auch weder aus der Genfer Flüchtlingskonvention noch dem Diskriminierungsverbot der EWG-Verordnung 1408/71 noch aus dem deutsch- jugoslawischen Abkommen über soziale Sicherheit herleiten.

Mit Recht hat das SG darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber eine Anspruchsberechtigung bei Ausländern davon abhängig machen durfte, dass ein Aufenthalt in Deutschland auf Dauer gesichert ist, vgl. BSGE 70, 197 (205). Das Erfordernis einer Aufenthaltsberechtigung oder Aufenthaltserlaubnis gilt mit dem BSG, vgl. Urteil vom 29.01.2002, B 10 EG 7/01 R, selbst dann, wenn die Klägerin dem Personenkreis der anerkannten Asylberechtigten angehören würde. Für den hier maßgeblichen Zeitraum kommt es auf eine erst am 01.01.2001 durch § 1 Abs.6 Satz 2 ff. BErzGG in der Fassung des Gesetzes vom 12.10.2000, BGBl.I S.1426, eingetretene Rechtsänderung nicht an. § 1 des Gesetzes in der hier anzuwendenden Fassung ist nach der Rechtsprechung des BSG mit dem Grundgesetz vereinbar, insbesondere mit dem allgemeinen Gleichheitssatz, und verstößt auch nicht gegen vorrangiges zwischenstaatliches oder überstaatliches Recht, vgl. BSG SozR 3- 7833 § 1 Nr.16.

Als anerkannter Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.07.1951 kann die Klägerin durch dieses Abkommen eingeräumte Rechte in Anspruch nehmen. Dennoch ist der Beklagte nicht verpflichtet, ihr BErzg für den streitigen Zeitraum zu gewähren. Denn die Vorschriften des Flüchtlingsabkommens, insbesondere die Art.23 und 24, stehen der Anwendung des § 1 Abs.1a BErzGG in der hier maßgeblichen Fassung nicht entgegen. Das BErzg wird nämlich von den Bestimmungen des Flüchtlingsabkommens nicht erfasst. Grundsätzlich gewähren die vertragschließenden Parteien Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Staatsgebiet aufhalten, auf dem Gebiet der öffentlichen Fürsorge und sonstigen Hilfeleistungen die gleiche Behandlung wie ihren eigenen Staatsangehörigen. Dies betrifft aber nur die dem Grunde nach von der individuellen Bedürftigkeit des Beziehers abhängenden öffentlich-rechtlichen Leistungen, zu denen das Erziehungsgeld nicht gehört. Auch Art.24 des Abkommens begründet einen Leistungsanspruch der Klägerin nicht, denn Nr.1 Buchst.b Abschnitt ii gestattet den Signatarstaaten, hinsichtlich ausschließlich aus öffentlichen Mitteln bestrittener Leistungen besondere Bestimmungen zu treffen, die zu einer unterschiedlichen Behandlung von Flüchtlingen und eigenen Staatsangehörigen führen. Insoweit sehen die Regelungen über das Erziehungsgeld, welches nur aus Steuermitteln, nicht aber aus Beiträgen finanziert wird, eine Sondervorschrift in § 1 Abs.1a BErzGG vor, so dass eine Gleichbehandlung mit Deutschen nicht verlangt werden kann.

Ein Anspruch ergibt sich ferner nicht aus Art.2 Abs.1 und Art.3 Abs.1 der EWG-Verordnung Nr.1408/71 in Verbindung mit Art.1 des Flüchtlingsabkommens, denn das Diskriminierungsverbot des Art.3 EWG-Verordnung Nr.1408/71 ist auf die Klägerin nicht anzuwenden. Wie der EuGH in seiner Entscheidung vom 11.10.2001, C-95/99, ausgeführt hat, können Arbeitnehmer sowie deren Familienangehörige, die als Staatenlose oder Flüchtlinge im Gebiet eines Mitgliedstaates wohnen, die von der Verordnung Nr.1408/71 gewährten Rechte nicht geltend machen, wenn sie sich in einer Situation befinden, die mit keinem Element über die Grenzen dieses Mitgliedstaates hinausweist. Das trifft für die Klägerin deshalb zu, da sie direkt aus Jugoslawien in die Bundesrepublik eingereist und vor ihrem Aufenthalt in Deutschland innerhalb der Gemeinschaft weder zu- noch abgewandert ist.

Schließlich ist ein Anspruch auch nicht über das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit begründet, BGBl.II 1969 Nr.50 S.1438. Denn der sachliche Geltungsbereich dieses Abkommens erstreckt sich nach Art.2 Abs.1d nur auf die deutschen Vorschriften über das Kindergeld für Arbeitnehmer, nicht aber auf das Erziehungsgeld, eine nach Bezeichnung, Zweckbestimmung und Höhe unterschiedliche Leistung. Dementsprechend fehlt auch eine dem Art.28 des Abkommens (Reduzierung auf Abkommens-Kindergeld) entsprechende Vorschrift für Erziehungsgeld.

Das erstinstanzielle Urteil, dessen zutreffenden Darlegungen sich der Senat im Übrigen anschließt, sowie die zugrunde liegenden Bescheide des Beklagten sind mithin nicht zu beanstanden.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang konnte der Beklagte, welcher für das Berufungsverfahren keine Veranlassung gegeben hat, nicht zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet werden, die der Klägerin zu ihrer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich bisher ungeklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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