L 5 AR 109/01 RA

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 RA 129/00
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 AR 109/01 RA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Das Ablehnungsgesuch gegen den Vorsitzenden der 3. Kammer des Sozialgerichts Regensburg, Richter am Sozialgericht Z., wegen Besorgnis der Befangenheit ist begründet.

Gründe:

I.

Die Klägerin und Antragstellerin führt vor der 3. Kammer des Sozialgerichts Regensburg - SG - (Vorsitzender: Richter am Sozialgericht - RiSG - Z.) gegen die Beklagte einen Rechtsstreit wegen der Gewährung einer Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente (Bescheid vom 15.09.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2000).

Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt und die einschlägigen medizinischen Unterlagen beigezogen (u.a. den Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik T. in B. vom 10.03.1999 über ein Heilverfahren vom 06.01. bis 17.02.1999). Durch Verfügung vom 31.05. 2001 hat der Kammervorsitzende Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 13.07.2001 bestimmt, das persönliche Erscheinen der Klägerin angeordnet und den Arzt Dr.G. K. (R.) mit der Erstattung eines Terminsgutachtens beauftragt. In seinem Gutachten hat der Sachverständige bei der Klägerin im Wesentlichen eine psychische Störung mit Depression und Erschöpfungssymptomatik, einen Spannungskopfschmerz, eine beginnende vaskuläre Encephalopathie sowie ein Wirbelsäulen-Syndrom festgestellt und die Klägerin - mit gewissen Einschränkungen - für fähig erachtet, jedenfalls leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu bewältigen.

In der mündlichen Verhandlung hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin - ausweislich der Niederschrift - zunächst beantragt, gemäß § 109 SGG ein Gutachten des Dr.C. einzuholen. Sodann hat sie RiSG Z. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und dies - wiederum ausweislich der Niederschrift - damit begründet, dass der Vorsitzende geäußert habe, dass eigentlich "gar nicht hätte geboren sein dürfen", wer mit den in der Rehabilitationsklinik B. Anfang 1999 test-psychologisch ermittelten Ergebnissen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr vollschichtig solle arbeiten können.

RiSG Z. hat zu dem Ablehnungsgesuch am 31.07.2001 dienstlich Stellung genommen und die monierte Äußerung eingeräumt.

II.

Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richter der Sozialgerichtsbarkeit abgelehnt werden, ist das Landessozialgericht zuständig (§ 60 Abs.1 S.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Das zulässige Ablehnungsgesuch erweist sich als begründet.

Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§§ 60 Abs.1 S.1 SGG, 42 Abs.2 ZPO). Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 35, 171, 172; NJW 1999, 132, 133). Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage, S.186/14). Es kommt weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, begründet ist, noch auf die subjektive Meinung des abgelehnten Richters, ob er befangen sei oder nicht (vgl. BVerfG, a.a.O.; Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Auflage, § 42 Rdnr.9). Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit der Richterablehnung nämlich nicht nur eine tatsächlich parteiliche Rechtspflege verhindern, sondern darüber hinaus auch schon den für einen Prozessbeteiligten nach den Umständen naheliegenden oder doch verständlichen Argwohn vermeiden wollen, der Richter werde nicht unparteilich entscheiden.

Im vorliegenden Fall ist die hier in Rede stehende Äußerung des Kammervorsitzenden in der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2001 aus der Sicht der Klägerin, auf die es hier allein ankommt, auch bei objektiver und ruhig abwägender Betrachtungsweise geeignet, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit des RiSG Z. zu rechtfertigen.

Freilich ist es einem Richter nicht verboten, sich wertend zum Sachvortrag eines Beteiligten zu äußern; er hat in der Ausdrucksweise einen sehr erheblichen Verhaltensspielraum (vgl. OLG Brandenburg, FamRZ 1995, 1497, 1498). Der Richter hat sich jedoch dabei in Ton und Wortwahl auf das sachlich Gebotene zu beschränken (vgl. OLG Frankfurt, FamRZ 1994, 909). Entgleisungen, grobe Unsachlichkeiten, rein gefühlsmäßig wertende, herabwürdigende oder gar beleidigende Äußerungen begründen die Besorgnis der Befangenheit; das gilt sowohl für schriftliche wie für mündliche Bemerkungen (vgl. Münchener Kommentar-Feiber, ZPO, § 42 Rdnr.24). Erforderlich ist insoweit eine abfällige, höhnische, kränkende oder beleidigende Wortwahl oder eine unangebracht bissige Ironie gegenüber der Partei oder dem Anwalt (vgl. OLG Brandenburg, a.a.O.; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 42 Rdnr.22). Heftige Unmutsäußerungen rechtfertigen auch dann die Ablehnung, wenn sie wegen des Verhaltens des Anwalts oder der Partei verständlich erscheinen (vgl. OLG Hamburg, MDR 1989, 71; Münchener Kommentar-Feiber, a.a.O., § 42 Rndr.25); vom Richter wird (zu Recht) mehr Disziplin erwartet als von den anderen Prozessbeteiligten (so ausdrücklich Münchener Kommentar-Feiber, a.a.O.).

Unter Berücksichtigung der vorgenannten Grundsätze ist die der Ablehnung zugrunde liegende Äußerung des Kammervorsitzenden in der Sitzung vom 13.07.2001 auch aus der Sicht eines unbeteiligten, leidenschaftslosen Betrachters geeignet, den Eindruck der Geringschätzung der Person der Klägerin und damit Zweifel an der Unvoreingenommenheit des Kammervorsitzenden zu erwecken. Das allein schon rechtfertigt die Ablehnung des RiSG Z. unabhängig davon, ob dieser tatsächlich befangen ist, was der Senat im Hinblick auf die von großem Ernst getragenen Ausführungen in der dienstlichen Stellungnahme vom 31.07.2001 nicht annimmt.

Nach allem war daher dem Ablehnungsgesuch stattzugeben.

Die Entscheidung ist kostenfrei (§ 183 SGG) und nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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