L 5 AR 62/02 U

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 U 255/00
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 AR 62/02 U
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Ablehnung des Vorsitzenden der 4. Kammer des Sozialgerichts Regensburg, Richter am Sozialgericht Z. , wegen Besorgnis der Befangenheit ist unbegründet.

Gründe:

I.

Die Klägerin und Antragstellerin führt vor der 4. Kammer des Sozialgerichts Regensburg - SG - (Vorsitzender: Richter am Sozialgericht - RiSG - Z.) gegen die Beklagte einen Rechtsstreit wegen der Höhe der durch den Arbeitsunfall vom 13.04. 1998 bedingten Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE). Während die Beklagte eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE von 20 v.H. ab 28.06.1999 bis auf weiteres festgesetzt hat (Bescheid vom 09.12.1999, Widerspruchsbescheid vom 20.07.2000), hält die Klägerin eine unfallbedingte MdE von mehr als 50 v.H. für gerechtfertigt (Schriftsatz vom 27.08.2001).

RiSG Z. hat ein Gutachten des Chefarztes der Orthopädischen Klinik L. , Dr.E. , vom 02.05.2001 mit ergänzender Stellungnahme vom 06.11.2001 eingeholt (danach betrage die unfallbedingte MdE für die Zeit vom 28.06.1999 bis 18.04.2000 30 v.H. und in der Folgezeit und auf Dauer 20 v.H.) und mit Verfügung vom 18.03.2002 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 11.04.2002 bestimmt. Die Ladung wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin - Rechtsanwalt T. - am 25.03.2002 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 25.03.2002 hat Rechtsanwalt T. beantragt, den Termin auf einen anderen Zeitpunkt zu verlegen, da er als alleiniger Sachbearbeiter einen bereits seit längerem bestimmten Termin vor dem Amtsgericht Neumarkt wahrnehmen müsse. Am 27.03.2002 hat der Kammervorsitzende den Bevollmächtigten wissen lassen, dass dem Antrag nicht stattgegeben werde, weil die Terminsaufhebung rechtfertigende Gründe im Sinne des § 227 Abs.1 ZPO nicht vorlägen. Es stehe ihm - dem Bevollmächtigten - frei, einen anderen Rechtsanwalt mit der Vertretung zu beauftragen. Dem hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit weiterem Schriftsatz vom 09.04.2002 entgegengehalten, dass eine Terminskollision nur dann kein wichtiger Grund sei, wenn die Vertretung durch einen anderen Rechtsanwalt einer Sozietät möglich sei. Gerade dies sei aber hier nicht der Fall. Er - Rechtsanwalt T. - müsse am 11.04.2002 um 09.00 Uhr in einer bereits seit dem 05.03.2002 terminierten Angelegenheit vor dem Amtsgericht Neumarkt, Rechtsanwalt M. am gleichen Tag in einer seit dem 04.03.2002 terminierten Familiensache vor dem Amtsgericht Hersbruck auftreten. Damit bestehe eine unabweisbare Verhinderung im Sinne des Gesetzes.

Nachdem ein Telefonanruf am 09.04.2002 bei der Geschäftsstelle des SG ergeben hatte, dass der Termin zur mündlichen Verhandlung nicht verlegt werde, hat Rechtsanwalt T. RiSG Z. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt (Schriftsatz vom 11.04.2002): Nachdem bei ihm und Rechtsanwalt M. tatsächliche Terminskollisionen vorlägen, erwecke das Festhalten des Kammervorsitzenden am Termin vom 11.04.2002 auf Seiten der Klägerin den nicht unbegründeten Verdacht, dass ihr das rechtliche Gehör versagt werde. Das rechtfertige die Annahme, dass RiSG Z. der Klägerin gegenüber voreingenommen und befangen sei, zumal das richterliche Schreiben vom 27.03.2002 der Klägerin zuzumuten scheine, auch einen anderen - kanzleifremden - Rechtsanwalt zu beauftragen.

RiSG Z. hat sich zu dem Ablehnungsgesuch am 15.04.2002 dienstlich geäußert.

II.

Für die Entscheidung über Gesuche, mit welchen Richter der Sozialgerichtsbarkeit abgelehnt werden, ist das Landessozialgericht zuständig (§ 60 Abs.1 S.2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).

Das zulässige Ablehnungsgesuch erweist sich als unbegründet.

Nach § 60 SGG i.V.m. § 42 Zivilprozessordnung (ZPO) kann ein Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, welcher geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§§ 60 Abs.1 S.1 SGG, 42 Abs.2 ZPO). Dies ist nur dann der Fall, wenn ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (vgl. BVerfGE 35, 171, 172; NJW 1999, 132, 133). Das Misstrauen muss aus der Sicht eines ruhig und vernünftig denkenden Prozessbeteiligten verständlich sein (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Auflage, S.186/14). Es kommt weder darauf an, ob die Befürchtung eines Prozessbeteiligten, der Richter sei ihm gegenüber voreingenommen, begründet ist, noch auf die subjektive Meinung des abgelehnten Richters, ob er befangen sei oder nicht (vgl. BVerfG, a.a.O.; Zöller-Vollkommer, ZPO, 21. Auflage, § 42 Rdnr.9). Der Gesetzgeber hat durch die Möglichkeit der Richterablehnung nämlich nicht nur eine tatsächlich parteiliche Rechtspflege verhindern, sondern darüber hinaus auch schon den für einen Prozessbeteiligten nach den Umständen naheliegenden oder doch verständlichen Argwohn vermeiden wollen, der Richter werde nicht unparteilich entscheiden.

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Klägerin keinen Anlass, im Hinblick auf das Festhalten am Termin vom 11.04.2002 die Unvoreingenommenheit und objektive Einstellung des RiSG Z. in Zweifel zu ziehen.

Die Richterablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit ist kein geeignetes Mittel, sich gegen vermeintlich fehlerhafte Verfahrenshandlungen eines Richters bzw. eines Gerichts zu wehren, es sei denn, die mögliche Fehlerhaftigkeit beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder auf Willkür (vgl. BAG, MDR 1993, 383; BayObLG, MDR 1988, 1063; OLG Zweibrücken, MDR 1982, 940; Zöller-Vollkommer, a.a.O., § 42 Rdnr.28; Münchener Kommentar-Feiber, ZPO, § 42 Rdnrn.28, 30). Von einer auf Willkür beruhenden Verfahrenshandlung kann jedoch nur dann gesprochen werden, wenn sie bei verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden Gedanken schlechterdings nicht mehr verständlich erscheint und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BAG, a.a.O.; BayObLG, a.a.O.; OLG Zweibrücken, a.a.O.). Objektive Anhaltspunkte hierfür werden von der Klägerin jedoch nicht vorgebracht.

Nach dem gemäß § 202 SGG auch im Verfahren der Sozialgerichte anwendbaren § 227 Abs.1 S.1 ZPO kann ein Termin aus erheblichen Gründen aufgehoben oder verlegt oder eine Verhandlung vertagt werden. Die Entscheidung liegt im Ermessen des Vorsitzenden bzw. des Gerichts; doch hat das Gesetz Maßnahmen dieser Art zur Straffung des Verfahrens an erhebliche Gründe geknüpft. Es stellt daher nur dann einen Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und damit einen wesentlichen Mangel des Verfahrens dar, wenn ein Antrag auf Terminsverlegung trotz des Vorliegens erheblicher Gründe abgelehnt wird (vgl. BSGE 1, 277, 279; 17, 44, 47; BSG SozR 1750 § 227 Nrn.1 und 2; BSG, Urteil vom 10.08.1995, Breithaupt 1996, 353 ff. = NJW 1996, 677 f.). Erhebliche Gründe für eine Verlegung des Verhandlungstermins vom 11.04.2002 aber lagen nicht vor.

Entgegen einer weit verbreiteten Meinung liegt ein erheblicher Grund keineswegs stets schon deshalb vor, weil ein Anwalt gleichzeitig einen anderen Termin wahrzunehmen hat (vgl. Baumbach-Lauterbach, ZPO, 58. Auflage, § 227 Rdnr.23). Die Zulassung des Arguments der Terminsüberschneidung würde nämlich der Vorschrift des § 227 ZPO jede praktische Brauchbarkeit nehmen, sobald ein Anwalt beteiligt ist (vgl. BFH, BB 1980, 556; BayObLG MDR 1986, 416; Bay. LSG, Beschlüsse vom 01.03.2001, L 9 AL 185/98 und vom 21.01.2002, L 5 AR 188/01 U).

Auch im sozialgerichtlichen Verfahren kann ein Beteiligter grundsätzlich darauf verwiesen werden, einen anderen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung des angesetzten Termins zu beauftragen, wenn hierzu sein Prozessbevollmächtigter nicht in der Lage oder nicht willens ist (vgl. BSG, Beschluss vom 31.05.1990, 11 BAr 153/89; BSG, Beschluss vom 25.11.1992, 2 BU 159/92). Etwas anderes gilt in diesem Zusammenhang nur dann, wenn es einem Bevollmächtigten - etwa wegen einer kurzfristigen (zwei Tage!) Ladung zur Fortsetzung einer Hauptverhandlung vor einer großen Strafkammer (vgl. BSG NJW 1996, 677 f.) - weder möglich ist, einen sozialgerichtlichen Termin wahrzunehmen, noch zumutbar, für eine Vertretung zu sorgen. Solange mithin eine anderweitige Vertretung möglich erscheint, ist ein Gericht unter dem Gesichtspunkt des rechtlichen Gehörs nicht verpflichtet, einen anberaumten Termin wegen Verhinderung eines Prozessbevollmächtigten aufzuheben, gleichgültig, ob dessen Verhinderung auf dem Jahresurlaub (vgl. BVerfGE 14, 195) oder auf der Wahrnehmung eines anderen Termins (vgl. BSG, Urteil vom 28.07.1967, 2 RU 2/64; BVerwGE 43, 288, 290) beruht. Die Rechtsprechung hat daher auch in den Fällen, in denen der Bevollmächtigte unvermeidbar verhindert war, einen Verhandlungstermin wahrzunehmen, entscheidend darauf abgestellt, ob bei Eintritt des Verhinderungsgrundes genügend Zeit verblieb, einen anderen Rechtsanwalt zu beauftragen (vgl. BSG SozR 1750 § 227 Nr.2; BSG, Urteil vom 29.03.1984, 2 RU 71/82; Beschluss vom 25.11.1992, 2 BU 159/92). Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör ist hierin schon deshalb nicht zu sehen, weil das rechtliche Gehör (Art.103 Abs.1 GG) nicht durch Vermittlung eines Anwalts, schon gar nicht durch Vermittlung eines bestimmten Anwalts oder einer bestimmten Anwaltskanzlei, gewährleistet werden muss (vgl. BSG, Urteil vom 06.12.1983, 11 RA 30/83 mit zahlreichen Hinweisen auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts).

Bereits bei Empfang der Terminsmitteilung des Kammervorsitzenden am 25.03.2002 musste der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Möglichkeit ins Auge fassen, wegen eigener Verhinderung bzw. der Verhinderung des Rechtsanwalts M. eventuell einen kanzleifremden Vertreter mit der Wahrnehmung des Termins vor dem SG beauftragen zu müssen. Im Hinblick auf den keineswegs besonders hohen Schwierigkeitsgrad der Streitsache hätte sich ein Vertreter kurzfristig in den Streitstoff einarbeiten und auf die Verhandlung vor dem SG vorbereiten können. Die Zeitspanne vom Antrag auf Terminsverlegung (25.03.2002) bis zum Verhandlungstermin (11.04.2002) hätte dazu jedenfalls voll ausgereicht, zumal ein Prozessbevollmächtigter - insbesondere ein Rechtsanwalt als Organ der Rechtspflege - auf Grund des Mandats einen Terminsvertreter ausreichend informieren darf und muss (vgl. Baumbach-Lauterbach, a.a.O., § 227 Rdnrn.23, 25).

Unter diesen Umständen kann in der Ablehnung der Terminsverlegung kein vernünftiger Grund gesehen werden, an der Unparteilichkeit des RiSG Z. zu zweifeln, nicht zuletzt deshalb, weil es das Interesse an einer raschen und zügigen Verhandlungsabwicklung sowie an der Vermeidung unnötiger zusätzlicher Belastungen für alle Verfahrensbeteiligten gebietet, Terminsverlegungen möglichst zu vermeiden (vgl. BayObLG, MDR 1990, 343).

Der Ablehnungsantrag konnte daher nach allem keinen Erfolg haben.

Diese Entscheidung ist kostenfrei (§ 183 SGG) und endgültig (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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