L 10 B 185/00 AL

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 AL 185/97
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 B 185/00 AL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 27. April 2000 abgeändert und der Gegenstandswert auf 75.900,00 DM (in Worten: Fünfundsiebzigtausendneunhundert Deutsche Mark) festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beschwerdeführerin (Bf) ist ein türkisches Unternehmen, das aufgrund eines am 05.08.1996 mit der ... Bauunternehmung GmbH in Frankfurt geschlossenen Werkvertrages beabsichtigte, zwischen dem 14.08.1996 und 15.09.1996 acht türkische Arbeitnehmer (einen Bauvorarbeiter, vier Maler/Tapezierer, drei Eisenverleger) auf einer Baustelle in 8312 Lauter zu beschäftigen. Die Vertragssumme betrug insgesamt 506.000,00 DM.

Mit Schreiben vom 04.12.1996 lehnte die Beschwerdegegnerin (Bg) die Genehmigung des Werkvertrages ab.

Der hiergegen am 23.12.1996 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 18.02.1997).

Dagegen hat die Bf am 19.03.1997 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben, die mit Schreiben vom 11.02.2000 für erledigt erklärt wurde, da der Werkvertrag aus wirtschaftlichen Gründen nicht weiter durchgeführt wurde.

Mit Beschluss vom 03.04.2000 hat das SG die Bg zur Tragung der außergerichtlichen Kosten der Bf verpflichtet und mit Beschluss vom 27.04.2000 den Gegenstandswert auf 3.500,00 DM festgesetzt. Je Arbeitserlaubnis seien 500,00 DM als Gegenstandswert anzusetzen und ein Abschlag vorzunehmen gewesen, da zu erwartende Gewinne und damit das wirtschaftliche Interesse der Bf nicht streng proportional zur Zahl der Arbeitnehmer stiegen.

Gegen den ihr am 08.05.2000 zugestellten Beschluss hat die Bf am 08.06.2000 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegt.

Nach der Rechtsprechung des BayLSG betrage das wirtschaftliche Interesse an der Durchführung eines Werkvertrages und somit der Gegenstandswert der Klage 15 % der Vertragssumme von 506.000,00 DM, mithin also 75.900,00 DM.

Die Bf beantragt, den Beschluss des SG vom 27.04.20000 abzuändern und den Gegenstandswert des Klageverfahrens auf mindestens 75.900,00 DM festzusetzen.

Die Bg beantragt, die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Nürnberg vom 27.04.2000 zurückzuweisen.

Die vom 10.Senat des BayLSG für die Bestimmung des Gegenstandswertes zugrunde gelegte Richtsatzsammlung der Finanzämter gelte nur für deutsche Unternehmen und stelle keine ausreichende Vergleichsmöglichkeit dar, wenn die Arbeiten von ausländischen Unternehmen durchgeführt würden. Entsprechend der Rechtsprechung des 9.Senats des BayLSG (Beschluss vom 20.04.1995 - L 9 B 187/94.AL -) erscheine vielmehr ein Ansatz von 500,00 DM je erforderlicher Arbeitserlaubnis sachgemäß. Eine bloße Addition wirtschaftlicher Interessen auf der Grundlage der Zahl der einzusetzenden arbeitserlaubnispflichtigen Arbeitnehmer könne dabei nicht vorgenommen werden, so dass das SG folgerichtig einen Abschlag berücksichtigt habe.

Zum weiteren Sachverhalt wird auf den Inhalt der Akten der Bg, des SG und des BayLSG bezug genommen.

Die form- und fristgerecht (§ 172, 173 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-) eingelegte Beschwerde, der das SG nicht abgeholfen hat (§ 174 SGG), ist zulässig.

Die Beschwerde ist auch begründet, denn das SG hat im Beschluss vom 27.04.2000 zu Unrecht den Gegenstandswert lediglich auf 3.500,00 DM festgesetzt.

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit war gemäß § 10 Abs 1 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BRAGO) durch das Gericht des Rechtszuges auf Antrag der Bf festzusetzen, denn die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit berechnen sich hier nicht nach dem für die Anwaltsgebühren maßgebenden Rahmen des § 116 Abs 1 BRAGO. Bei dem zwischenzeitlich erledigten Klageverfahren S 13 AL 185/97 handelte es sich um eine Streitigkeit zwischen einem Arbeitgeber (= Bf) und einer juristischen Person des öffentlichen Rechts (= Bg) im Sinne des § 116 Abs 2 Satz 1 Nr 3 BRAGO. Eine Arbeitgeberstreitigkeit in diesem Sinne liegt zwar nicht schon dann vor, wenn ein Arbeitgeber Beteiligter ist. Erforderlich ist vielmehr, dass ihn die Streitigkeit gerade in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber betrifft (vgl BSG Beschluss vom 12.07.1994 - 7 RAr 44/93; BSG in SozR 3-1930 § 116 Nr 5). Davon ist hier aber auch auszugehen, denn die Bf hat das Verfahren nicht "fürsorglich" für ihre ausländischen Arbeitnehmer geführt, sondern wollte auf der Grundlage des mit der OBA Bauunternehmung GmbH in Frankfurt am 05.08.1996 geschlossenen Werkvertrages tätig werden und Gewinn erzielen. Durch die ablehnenden Bescheide der Bg vom 04.12.1996 und 18.02.1997 wurde sie deshalb in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeberin betroffen.

Die Festsetzung des Gegenstandswertes richtet sich gemäß § 116 Abs 2 Satz 2 BRAGO nach § 8 BRAGO. Da sich aus den Bestimmungen des § 8 Abs 1 und Abs 2 Satz 1 BRGO kein Ansatz für eine Festsetzung ergibt, ist der Gegenstandswert gemäß § 8 Abs 2 Satz 2 1.Halbsatz BRAGO zunächst nach billigem Ermessen zu bestimmen und hierbei ergänzend § 13 des Gerichtskostengesetzes (GKG) heranzuziehen (vgl BSG in Soz 1930 § 8 Nr 2). Danach richtet sich die Festsetzung grundsätzlich nach der Bedeutung der Sache, wie sie sich aus dem Antrag der Bf ergibt. Das entspricht idR dem wirtschaftlichen Interesse an der erstrebten Entscheidung und ihren Auswirkungen.

Für die Bf bestand das wirtschaftliche Interesse nicht in der Beschäftigung von "türkischen" Arbeitnehmern, sondern in dem zu erwartenden Gewinn aus der Durchführung des Werkvertrages, denn die Teilnahme am Wirtschaftsleben ist typischerweise auf Gewinn gerichtet. Der 10.Senat des BayLSG folgt deshalb auch bei wiederholter Überprüfung seiner Rechtsauffassung nicht der Rechtsprechung des 9.Senats, wonach grundsätzlich ein Ansatz von 500,00 DM je zu erteilender Arbeitserlaubnis sachgemäß ist (vgl Beschluss vom 20.04.1995 - L 9 B 187/94.AL).

Da keine Angaben über den voraussichtlich zu erwartenden Gewinn aus dem Werkvertrag vom 05.08.1996 gemacht werden konnten, ist dieser zu schätzen. Verlässliche Anhaltspunkte für eine Schätzung liegen zwar nicht vor, jedoch wird ein prozentualer Anteil vom Umsatz dem Wert des wirtschaftlichen Interesses der Bf an der Durchführung des Werkvertrages gerechter als ein am Wert des § 8 Abs 2 Satz 2 2.Alternative BRAGO - 8.000,00 DM - orientierter Ansatz. Nach Auffassung des Senats sind hier entsprechende Richtsatzsammlungen des Bundesministeriums der Finanzen für das Jahr 1997 heranzuziehen, die auf der Grundlage von Betriebsergebnissen zahlreicher geprüfter Unternehmen ermittelt wurden (vgl Vorbemerkungen Anm A [2.]). Danach ist ein Gewinn zwischen 6 % und 24 %, als Mittelwert also 15 % der Werkvertragssumme, angemessen. Das entspricht dem durchschnittlichen Reingewinn bei Bauunternehmen bei einem Umsatz zwischen 400.000,00 DM und 1.000.000,00 DM. Bei einer Vertragssumme von 506.000,00 DM beträgt das wirtschaftliche Interesse an der Hauptsache somit 75.900,00 DM.

Auf die Beschwerde vom 08.06.2000 war der Beschluss des SG vom 27.04.2000 daher abzuändern und der Gegenstandswert für das Hauptsacheverfahren auf 75.900,00 DM festzusetzen.

Dieser Beschluss ist endgültig (§ 10 Abs 3 Satz 2 BRAGO, § 177 SGG).

Eine Entscheidung bezüglich der außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens hatte nicht zu ergehen (vgl Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 6.Auflage, § 176 Rdnr 5 mwN).
Rechtskraft
Aus
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