L 10 AL 336/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 AL 441/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 336/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 25.07.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten die Gewährung von Arbeitlosenhilfe (Alhi) vom 11.06.1999 bis 30.06.2000.

Der am 1940 geborene Kläger bezog von der Beklagten bis zur Erschöpfung des Anspruches im Mai 1999 Arbeitslosengeld (Alg).

Am 11.06.1999 beantragte er die Gewährung von Alhi. Unter Vorlage entsprechender Unterlagen in Kopie gab der Kläger an, über Vermögen in Form von Bargeld, einer Kapitallebensversicherung, einem Bausparvertrag sowie einem Zweifamilienhaus zu verfügen, in dem er zusammen mit seiner Frau sowie der Familie seines Sohnes wohne und keine Mieteinnahmen erziele. Die Frage 9 nach dem besonderen Zweck des aufgeführten Vermögens beantwortete der Kläger mit "nein".

Mit Bescheid vom 27.07.1999 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Die Lebensversicherung des Klägers sei nicht als verwertbares Vermögen anzusehen, da sie der Altersvorsorge diene. Außer Ansatz müsse auch sein selbstgenutztes Eigenheim bleiben. Zu berücksichtigten sei jedoch das Bankguthaben des Klägers in Höhe von 12.049,16 DM sowie das vorhandene Ackerland, Unland und die Holzungen, die unter Berücksichtigung der Angaben des Gutachterausschusses der Stadt A. einen Grundstückswert von 38.447,- DM aufwiesen. Nach Abzug eines Freibetrages in Höhe von 16.000,- DM verbleibe ein anzurechnendes Vermögen des Klägers in Höhe von 34.506,16 DM. Bei Teilung des zu berücksichtigenden Vermögens durch das wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi richte (1.020,- DM), ergebe sich somit, dass der Kläger für einen Zeitraum von 33 Wochen nicht bedürftig sei und keinen Anspruch auf Alhi habe. Nach Ablauf dieses Zeitraumes könne er bei Vorliegen sämtlicher Anspruchsvoraussetzungen erneut Alhi beantragen.

Der hiergegen am 06.08.1999 eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 19.08.1999).

Dagegen hat der Kläger am 17.09.1999 Klage zum Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben.

Seine unbebauten Grundstücke seien nicht oder sehr schlecht veräußerbar. Sie würden zwar zum Teil bewirtschaftet, eine Pacht erhalte er dafür aber nicht. Im Übrigen dienten die Grundstücke der Alterssicherung und müssten deswegen bei der Berechnung seines Vermögens außer Ansatz bleiben.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.07.2000 abgewiesen. Der Kläger sei nicht bedürftig. Eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung seiner unbebauten Grundstücke liege nicht vor. Die Verwertung der Grundstücke sei auch nicht deshalb unzumutbar, weil sie zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt seien. Der Kläger habe im Antrag die entsprechende Frage verneint und erst im Laufe des Verfahrens angegeben, dass er das Vermögen zur Alterssicherung verwenden wolle. Dieses solle vielmehr offenbar einen "Notgroschen" zu den Krisenzeiten darstellen. Die fehlende Vermögensdisposition für die Altersrente in Bezug auf das Immobilienvermögen ergebe sich auch daraus, dass der Kläger den 1997 für ein veräußertes Grundstück erzielten Erlös nicht gesondert und planmäßig verwahrt habe. Die Beklagte habe deshalb mangels Bedürftigkeit zu Recht einen Anspruch des Klägers auf Alhi für den Zeitraum von 33 Wochen verneint.

Gegen das ihm am 15.09.2000 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 12.10.2000 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung.

Entgegen der Auffassung des Erstgerichtes liege eine subjektive Zweckbestimmung des Klägers hinsichtlich des Acker-/Brachlandes zur Altersvorsorge vor. Es sei beabsichtigt gewesen, nach Eintritt ins Rentenalter die landwirtschaftlichen Flächen selbst zu bestellen und durch die Früchte dieses Anbaus die finanziellen Verhältnisse des Klägers im Alter zu verbessern. Auch der Erlös für ein im Jahr 1997 verkauftes Teilgrundstück sei vom Kläger für Renovierungsarbeiten im selbstbewohnten Haus verwendet worden, das zur Aufbesserung seiner finanziellen Möglichkeiten im Rentenalter dienen solle. Im Übrigen schlössen sich die Begriffe "Notgroschen" und "Aufbesserung des Lebensunterhaltes im Alter" nicht aus. Der Kläger habe auch in Zeiten, in denen es bei ihm "finanziell enger" gewesen sei, das Ackerland als Vermögenswert im Hinblick auf sein Alter erhalten.

Der Kläger beantragt,

ihm unter Aufhebung des Urteiles des SG Würzburg vom 25.07.2000 sowie des Bescheides der Beklagten vom 27.07.1999 idG des Widerspruchsbescheides vom 19.08.1999 vom 11.06.1999 bis 30.06.2000 Alhi zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 25.07.2000 zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend.

Seit dem 01.07.2000 bezieht der Kläger eine Altersrente wegen Arbeitslosigkeit.

Auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, des SG und des BayLSG wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz = SGG) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

Das Rechtsmittel erweist sich jedoch als unbegründet, denn das SG hat mit Urteil vom 25.07.2000 zu Recht die Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 27.07.1999 idG des Widerspruchsbescheides vom 19.08.1999 zurückgewiesen, da der Kläger mangels Bedürftigkeit ab dem 11.06.1999 keinen Anspruch auf Gewährung von Alhi hatte.

Anspruch auf Alhi haben Arbeitnehmer, die arbeitslos sind, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet haben, in der Vorfrist entsprechend den gesetzlichen Regelungen Alg bezogen haben und bedürftig sind (§ 190 Abs 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch = SGB III).

Bedürftig sind nach § 193 Abs 2 SGB III Arbeitslose nicht, solange mit Rücksicht auf ihr Vermögen die Erbringung von Alhi an sie nicht gerechtfertigt ist.

Das SG und die Beklagte haben zu Recht die unbebauten Grundstücke des Klägers als zumutbar verwertbares Vermögen iSd gesetzlichen Bestimmungen angesehen. Die Grundstücke fallen insbesondere nicht unter den Privilegierungstatbestand des aufgrund § 206 SGB III erlassenen § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiVO), wonach die Verwertung von Vermögen, das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist, nicht zumutbar ist. Die Rechtsprechung des BSG unterscheidet nicht zwischen bebauten und unbebauten Grundstücken, so dass auch ein unbebautes Grundstück der Alterssicherung dienen kann (vgl BSG vom 25.03.1999 - B 7 AL 28/98 R). Haus- und Grundbesitz (an anderer Stelle Haus- und Grundvermögen) kann grundsätzlich zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung - sei es in Form des Verbrauches des Verkaufserlöses, des Erzielens von Mieteinnahmen oder als Alterswohnsitz - bestimmt sein und damit den Privilegierungstatbestand des § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO erfüllen.

Die Privilegierung setzt jedoch eine subjektive Zweckbestimmung des Vermögens voraus ("zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist"). Die objektiven Begleitumstände müssen im Einklang mit dieser subjektiven Zweckbestimmung stehen und diese damit glaubhaft machen (vgl BSG aaO). Wegen der Besonderheit der "Anlageform" Haus- und Grundbesitz, bei der es im Gegensatz zur Anlage von Kapital keine hinreichend sicheren Kriterien gibt, dass das Eigentum zur Alterssicherung bestimmt ist, sind an die Glaubwürdigkeit der Zweckbestimmung besondere Anforderungen zu stellen. Aus den gesamten objektivierbaren Umständen muss dieser "Alterssicherungswille" erkennbar sein (vgl BSG aaO).

Als subjektive Zweckbestimmung hat der Kläger genannt, die unbebauten Grundstücke sollten im Alter von ihm selbst bewirtschaftet werden und im Übrigen für den Notfall dienen. Ein Notfall ist etwas Außergewöhnliches. Damit kann nicht der normale Lebensunterhalt, dem die angemessene Alterssicherung des § 6 AlhiVO zu dienen bestimmt ist, gemeint sein. Außerdem ist nicht zu unterscheiden, wie jemand für den Notfall "im Alter" vorsorgen will, nicht aber für den Notfall ganz allgemein. Von einer angemessenen Alterssicherung und einer Notfallvorsorge im Alter kann deshalb bei dieser Zweckbestimmung nicht ausgegangen werden.

Hinzu kommt, dass der Kläger seine unbebauten Grundstücke bis jetzt noch nicht verwertet hat, obwohl er seit dem 01.07.2000 Rentner ist.

Der Begriff "Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung" in § 6 Abs 3 Satz 2 Nr 3 AlhiVO meint dagegen eine die gesetzliche Altersrente ergänzende - private - Alterssicherung (vgl BSG vom 22.10.1998 - B 7 AL 118/97 R -). Der Kläger hätte deshalb schon seit Beginn seiner gesetzlichen Altersrente auch vom Wert, also vom Verkaufserlös seiner Grundstücke leben müssen.

Insgesamt ist die für den Priviligierungstatbestand erforderliche subjektive Zweckbestimmung hier nicht glaubhaft gemacht. Die objektiven Begleitumstände sprechen vielmehr dagegen. Den Verkehrswert der Grundstücke (§ 8 AlhiVO) iH von 38.447,- DM hat die Beklagte - was zwischen den Beteiligten im Übrigen unstreitig ist - ebenso wie das Bankguthaben des Klägers zum 11.06.1999 iHv 12.049,16 DM zutreffend ermittelt. Nach § 6 Abs 1 AlhiVO war davon der allgemeine Freibetrag in Höhe von 16.000,- DM (für jeden Ehegatten 8000,- DM) in Abzug zu bringen. Bei Teilung des danach zu berücksichtigenden Vermögens des Klägers zum Zeitpunkt der Antragstellung durch das wöchentliche Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi richtete war er somit für einen Zeitraum von 33 Wochen, nicht bedürftig. Selbst wenn der Kläger danach einen neuen Antrag bei der Beklagten gestellt hätte, hätte er bis zum Rentenbeginn keinen Alhi-Anspruch gehabt, da er bis heute Eigentümer der genannten Grundstücke ist (§ 190 Abs 3 Satz 2 SGB III).

Die Berufung gegen das Urteil vom 25.07.2000 war folglich zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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