L 10 AL 362/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 7 Al 25/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 362/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 22.07.1997 aufgehoben. Die Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 15.12.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1994 verurteilt, den für das Ausbildungsjahr ab 01.10.1993 zustehenden Zuschuss unter Berücksichtigung der dem Kläger aufgrund seiner Aufwendungen nach den zwischen ihm und der DAG vereinbarten tariflichen Regelungen zu berechnen und danach abzurechnen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Zuschusses zu den Personalkosten gemäß § 40 c Arbeitsförderungsgesetz (AFG).

Der Kläger führte in Jena Maßnahmen zur Berufsausbildung von ausländischen, lernbeinträchtigten oder sozial benachteiligten Auszubildenden durch. Im August 1993 beantragte er bei der Beklagten für das Ausbildungsjahr ab 01.10.1993 die Gewährung von Leistungen nach § 40 c AFG. Personalkosten machte er prognostisch in Höhe von 134.509,26 DM geltend. Dazu legte er Nachweise und Berechnungen sowie den zwischen ihm und der Deutschen Angestelltengewerkschaft (DAG) abgeschlossenen Manteltarifvertrag vom 27.09.1993 (MTV) vor.

Mit Bescheid vom 15.12.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1994 - dem Kläger zugestellt am 21.12.1994 - bewilligte die Beklagte 114.371,54 DM als Zuschuss zu den Personalkosten. Nach § 9 der zu § 40 c AFG erlassenen Anordnung (A FdB) umfasse der Zuschuss zu den Kosten des eingesetzten Personals die Aufwendungen aufgrund tariflicher oder ortsüblicher Regelungen. Als tarifliche Regelungen in diesem Sinne würden zwar auch Vergütungsordnungen kirchlicher oder anderer gemeinnütziger Träger gelten. Diese Vergütungsordnungen müssten jedoch mit dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) vergleichbar sein. Das sei bei dem von dem Kläger vorgelegten MTV, der zB keine Altersstruktur enthalte, nicht der Fall. Auch werde in § 1 des MTV die Anwendung ausgeschlossen bei Beschäftigten des Arbeitgebers, die durch die Bundesanstalt für Arbeit finanziert würden. Der Zuschuss für die Personalkosten müsse daher nach BAT-O berechnet werden. So gelte zB für Sozialpädagogen die Vergütungsgruppe Vb als förderungsfähig.

Zur Begründung seiner am 20.01.1995 erhobenen Klage hat der Kläger eine Protokollnotiz zum MTV vom 11.08.1994 vorgelegt, wonach die Ausnahmeregelung in § 1 des MTV eng auszulegen sei, weil die Bildungsmaßnahmen des Klägers fast ausschließlich aus Mitteln des Bundes, eines Bundeslandes, der Bundesanstalt für Arbeit usw finanziert würden. Von der Ausnahmeregelung solle nur bei Sonderprogrammen Gebrauch gemacht werden, bei welchen niedrigere Gehaltssätze als jene des Gehalts- und Lohntarifvertrages vorgesehen seien. Seine aufgrund tariflicher Regelung aufgewendeten Personalkosten seien zu erstatten, nicht Sätze nach anderen tariflichen oder ortsüblichen Regelungen. Ihm seien Personalkosten in Höhe von 125.317,86 DM entstanden.

Die Beklagte ist bei ihrer Rechtsauffassung geblieben. Die vom Kläger getroffene Feststellung, dass Vergütungsordnungen kirchlicher oder anderer gemeinnütziger Träger keine Tarifverträge seien, ändere nichts an der verlangten Vergleichbarkeit mit dem BAT.

Mit Urteil vom 22.07.1997 hat das Sozialgericht (SG) Bayreuth die Klage abgewiesen. In der zu § 9 A FdB erlassenen Durchführungsanweisung sei unter Ziffer 9.02 festgelegt, dass als tarifliche Regelungen iS von § 9 A FdB auch Vergütungsordnungen kirchlicher und anderer gemeinnütziger Träger gelten. Diese Vergütungsordnungen müssten jedoch in Anlehnung an Nr 3.2.2 KGS mit BAT vergleichbar sein. Streitig sei in diesem Zusammenhang zwischen den Beteiligten, ob die Vergleichbarkeit mit BAT bei allen Vergütungsordnungen gegeben sein müsse - so die Beklagte - oder ob sich der Wortlaut der Ziff 9.02 lediglich auf Vergütungsordnungen gemeinnütziger Träger beziehe, welche nicht in einem Tarifvertrag festgelegt seien - so der Kläger. Dies könne jedoch letztlich dahingestellt bleiben, da der zwischen dem Kläger und der DAG abgeschlossene MTV vom 27.09.1993 nicht auf das in der Maßnahme eingesetzte Ausbildungs- und Betreuungspersonal Anwendung finde. Der MTV gelte nach seinem § 1 nämlich nicht für Beschäftigte des Arbeitgebers, deren Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis über Sonderprogramme finanziert würden. Im vorliegenden Fall werde das Arbeitsverhältnis des eingesetzten Ausbildungs- und Betreuungspersonals zweifelsfrei über das Sonderprogramm der Bundesanstalt für Arbeit gemäß § 40 c AFG finanziert. Entsprechend habe der Kläger auch am 16.08.1993 Antrag auf Gewährung von Zuschüssen ua in Höhe der angefallenen Lohnkosten gestellt. Daher sei nach dem Wortlaut des § 1 MTV der Tarifvertrag und somit auch die Gehalts- und Lohnregelung nicht auf das in der streitbefangenen Maßnahme eingesetzte Ausbildungs- und Betreuungspersonal anzuwenden.

Gegen das ihm am 23.10.1997 zugestellte Urteil hat der Kläger am 05.11.1997 Berufung eingelegt und zur Begründung ergänzend ausgeführt: Mit Bescheid vom 09.12.1994 habe die Beklagte die tatsächlich angefallenen und geltend gemachten Personalkosten in Höhe von 125.317,86 DM in voller Höhe vorbehaltlich einer Prüfung und evtl. Rückerstattungsansprüche anerkannt und die Summe ausgezahlt. In den zwei Folgejahren der Ausbildung und bei anderen vergleichbaren Maßnahmen habe die Beklagte jeweils ohne Ausnahme die Tarifsätze des Klägers für die Berechnung der Personalkosten anerkannt. Generell lägen die Tarifsätze für den Kläger unterhalb der Tarifsätze des BAT. Beide Tarifverträge sähen Abschläge für die neuen Bundesländer vor. Der BAT sei einer von mehr als 1000 bundesweit existierenden Tarifverträgen. Zusammenfassend hat der Kläger ausgeführt, dass hier kein Sonderprogramm iSd MTV vorliege, damit der MTV zur Anwendung kommen müsse und dieser auch nicht durch den Hinweis auf die Dienstanweisung 9.02 ausgeschlossen werden könne, weil diese Vorschrift allein auf Bildungsträger zugeschnitten sei, die gerade nicht durch einen Tarifvertrag gebunden seien.

Die Beklagte hat ihre Dienstanweisung zu § 9 A FdB vorgelegt. Sie hält ihre Entscheidung und das SG-Urteil für zutreffend. Bei der Maßnahme nach § 40 c AFG handele es sich um ein Sonderprogramm, denn es sei keine übliche Ausbildung. Was im Rahmen der Protokollnotiz der Tarifvertragsparteien als Sonderprogramm verstanden werde, sei unerheblich. Die Regelungen des MTV des Klägers mit der DAG seien zu Lasten der öffentlichen Hand formuliert. Nach Änderung der A FdB in Gestalt der 3.Änderungs- anordnung vom 26.10.1995 habe der Kläger keine Berufsausbildung iS von § 40 c AFG mehr ausgeübt. Gemäß § 9 der A FdB idF der 3.Änderungsanordnung sei nämlich bei der Vergabe der Maßnahmen die Verdingungsordnung für Leistungen (VOL/A) anzuwenden, dh, im Rahmen von Ausschreibungsverfahren seien Wirtschaftlichkeitsaspekte zu berücksichtigen. Die Vergleichbarkeit mit dem BAT werde gefordert, damit die Maßnahmen finanzierbar blieben. Dass im vorliegenden Falle die Überprüfung und Mitteilung des Rückforderungsbetrages seitens des Arbeitsamtes Jena noch nicht erfolgt sei, liege ausschließlich an dem durch die Anfechtungsklage des Klägers entstandenen Schwebezustand.

Der Kläger beantragt:

die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des SG Bayreuth vom 22.07.1997 und des Widerspruchsbescheides vom 14.12.1994 sowie in Abänderung des Bescheides vom 15.12.1993 zu verurteilen, den Zuschuss zu den Personal- kosten für die Zeit vom 01.10.1993 bis 30.09.1994 in Höhe von 125.317,86 DM zu bewilligen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen sind die den Kläger betreffenden Akten der Beklagten und des SG, auf deren Inhalt zur Ergänzung des Sachverhalts Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151, 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

Die Berufung ist auch begründet. Dem Kläger steht für das Ausbildungsjahr ab 01.10.1993 ein Zuschuss zu unter Berücksichtigung seiner Aufwendungen aufgrund der zwischen ihm und der DAG vereinbarten tariflichen Regelungen.

Nach § 40 c AFG iVm § 9 der gemäß § 39 AFG erlassenen A FdB vom 16.03.1988 iFd 2.Änderungsanordnung vom 26.09.1991 (ANBA 1991, S 1561) umfasst der Zuschuss zu den Kosten des zur Durchführung der Maßnahme eingesetzten erforderlichen Ausbildungs- und Betreuungspersonals die Aufwendungen aufgrund tariflicher oder ortsüblicher Regelungen zusätzlich gesetzliche Leistungen sowie Aufwendungen für die Teilnahme an speziellen von der Bundesanstalt anerkannten Fortbildungsmaßnahmen. Das bedeutet, dass die Beklagte dem Kläger dessen Aufwendungen aufgrund tariflicher Regelung zuzuschießen hat. Der Kläger, der sein Personal nach seinem Einzeltarifvertrag entlohnt hat, hat (ausschließlich) Aufwendungen aufgrund dieser tariflichen Regelung. Aufwendungen aufgrund einer anderen tariflichen Regelung (die die Beklagte anwendet) oder aufgrund einer ortsüblichen Regelung hatte er nicht; solche Aufwendungen können deshalb nicht Gegenstand des Zuschusses zu den Personalkosten nach § 9 A FdB sein.

Den Einzeltarifvertrag musste der Kläger auch bei der Bezahlung seines bei der § 40 c AFG-Maßnahme eingesetzten Ausbildungs- und Betreuungspersonals anwenden. Zwar gilt dieser Tarifvertrag nach seinem § 1 nicht für Beschäftigte des Arbeitgebers, deren Arbeits- und Ausbildungsverhältnis über Sonderprogramme zB des Bundes, eines Bundeslandes, der Bundesanstalt für Arbeit etc finanziert werden, nicht für Aushilfskräfte mit einer Beschäftigungsdauer bis drei Monate, nicht für Mitarbeiter in befristeten Arbeitsverhältnissen und nicht für leitende Angestellte. Eine nach § 40 c AFG durchgeführte Maßnahme ist aber - was allein hier in Frage kommt - kein Sonderprogramm iSd MTV.

Die entgegenstehende Rechtsauffassung des SG und der Beklagten ist nicht begründet. Es ist nicht ersichtlich, weshalb die seit 01.01.1988 bestehende Regelung des § 40 c AFG, die in §§ 235, 240-242, 109 Abs 2 SGB III übernommen wurde (vgl Niesel, Kommentar zum SGB III, Anhang C), ein Sonderprogramm darstellen soll. Ein Gesetz ist kein Sonderprogramm. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die gesetzliche Regelung auf Dauer angelegt ist. Im Gegensatz dazu sind Sonderprogramme zusätzliche Bereitstellungen von Mitteln, zB für Zuschüsse bei zusätzlicher Beschäftigung von Schwerbehinderten (vgl Aufstellung bei Gagel, Kommentar zum AFG, § 3 Rdnrn 14, 15). Schließlich verstehen die Tarifvertragsparteien (Kläger und DAG) unter "Sonderprogramm" in § 1 ihres MTV nicht gesetzliche Aufgaben; bei der Auslegung ihres MTV ist dieser Rechtsauffassung besonderes Gewicht beizumessen ("authentische Interpretation").

Die Beklagte hat deshalb den dem Kläger für das Ausbildungsjahr ab 01.10.1993 zustehenden Zuschuss unter Berücksichtigung der dem Kläger aufgrund seiner Aufwendungen nach den zwischen ihm und der DAG vereinbarten tariflichen Regelungen zu berechnen und danach abzurechnen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (§ 160 Abs 2 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved