L 8 AL 402/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 34 AL 1232/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 8 AL 402/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.09.2001 sowie der Bescheid der Beklagten vom 30.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom vom 21.07. 1999 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 04.04.1999 Arbeitslosenhilfe zu bewilligen.
II. Die Beklagte erstattet dem Kläger die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Anschluss-Alhi ab 04.04.1999 streitig.

Der am 1941 geborene Kläger meldete sich am 02.05.1996 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Nach der Arbeitsbescheinigung der Firma H. hatte er dort vom 11.01.1965 bis 30.06.1995 als Vorarbeiter gearbeitet. Das Arbeitsverhältnis endete durch Kündigung vom 21.11.1994 wegen Betriebsstilllegung zum 30.06.1995. Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhielt er gemäß Sozialplan eine Abfindung in Höhe von DM 53.813,88. Vom 22.05.1995 bis 30.04.1996 bezog er Krankengeld. Mit Bescheid vom 15.05.1996 wurde ihm ab 01.05.1996 Alg gewährt, das er bis zur Erschöpfung des Anspruchs ab 04.04. 1999 bezog.

In seinem Antrag auf Alhi vom 04.04.1999 gab der alleinstehende Kläger an, einen Freistellungsauftrag für Kapitalerträge bis zu einem Betrag von DM 6.100,00 erteilt zu haben. Als Vermögenswerte wurden eine selbstgenutzte Eigentumswohnung von 57 m², ein Aktiendepot bei der H.bank und ein Bankguthaben von DM 2.458,24 zum 16.03.1999 angegeben. Nach dem Depotauszug belief sich sein Aktienvermögen am 31.12.1998 auf DM 50.411,60. Im Antrag gab er weiter an, das Vermögen diene seiner angemessenen Altersvorsorge. Mit Bescheid vom 30.04.1999 lehnte die Beklagte die Gewährung von Alhi mangels Bedürftigkeit ab. Ausgegangen wurde dabei allein von seinem Aktienvermögen in Höhe von DM 50.411,60, das verwertbar und dessen Verwertung zumutbar sei, demzufolge er für 24 Wochen als nicht bedürftig angesehen wurde.

Zur Begründung seines dagegen erhobenen Widerspruchs trug der Kläger im Wesentlichen vor, das bei der Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigte Vermögen diene der angemessenen Alterssicherung. Unter Beachtung des BSG-Urteils vom 23.10.1998 - B 7 AL 118/97 R - dürfe es deshalb nicht zur Ablehnung des Alhi-Antrags herangezogen werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.07. 1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Über die bereits eingeräumten Freibeträge in Höhe von insgesamt DM 18.000,00 hinaus sei die Verwertung des Vermögens zumutbar. Dem stehe auch nicht § 6 Abs.3 Satz 2 Nr.3 Alhi-VO entgegen. Danach könne die Verwertung von Vermögen, das der angemessenen Alterssicherung dient, unzumutbar sein. Diese Voraussetzungen lägen hier nicht vor, da der Kläger seine im Antrag angegebene subjektive Zweckbestimmung nicht durch objektive Begleitumstände nachgewiesen habe. Die bereits vor Entstehung des Anspruchs getroffene Vermögensdispositon durch Anlage von Aktien lasse den Schluss, dass das Vermögen der Alterssicherung diene, gerade nicht zu. Er habe insoweit in spekulative Anlagen inves- tiert. Auch könne er jederzeit über das Aktienvermögen verfügen und nicht erst planmäßig etwa ab Eintritt in das Rentenalter.

Zur Begründung seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen vorgetragen, das Bundesverfassungsgericht habe in einer Entscheidung festgestellt, dass eine bestimmte Anlageform des Vermögens nicht nötig sei, um das Vermögen als solches für eine Altersvorsorge zu klassifizieren. Nachdem er seine Aktien über große und gewinnträchtige Unternehmen des deutschen Aktienmarktes gestreut habe, habe hier eine Anlage als Spekulation nicht stattgefunden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.09.2001 hat der Kläger erklärt, er habe seinen Aktienbestand nicht gleichbleibend gehalten. Er habe schon immer wieder etwas verkauft und etwas Neues gekauft, z.B. Telekom. Mit Urteil vom 20.09.2001 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung hat es im Wesentlichen damit begründet, hier fehle es an einer entsprechenden objektiven Zweckbestimmung im Sinne des § 6 Abs.4 Nr.1 Alhi-VO. Der Kläger habe das in Frage stehende Vermögen in Aktien angelegt. Dass es sich bei Aktien um eine spekulative Anlageform handele, würden gerade die derzeitigen Entwicklungen auf dem Aktienmarkt, von denen auch die Aktien des Klägers betroffen seien, zeigen.

Seine gegen dieses Urteil eingelegte Berufung hat der Kläger nicht begründet.

Er beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.09.2001 sowie den Bescheid vom 30.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.07.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Zeit ab 04.04.1999 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie vertritt weiterhin die Auffassung, hier fehle es an einer entsprechenden objektiven Zweckbestimmung im Sinne des § 6 Abs.4 Nr.1 Alhi-VO. Bei Aktien handle es sich um eine spekulative Anlageform.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird im Übrigen auf den Inhalt der Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Verfahrensakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -), ein Ausschließungsgrund (§ 144 Abs.1 SGG) liegt nicht vor. Auch in der Sache erweist sich das Rechtsmittel als begründet.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht mit seinem Urteil vom 20.09. 2001 die Klage abgewiesen, denn die zugrunde liegenden Bescheide der Beklagten vom 30.04.1999 und 21.07.1999 entsprechen nicht der Sach- und Rechtslage.

Beim Kläger liegt Bedürftigkeit vor, weshalb ihm ab 04.04.1999 Alhi zu bewilligen ist.

Nach § 190 Abs.1 Nr.5 SGB III setzt der Anspruch auf Alhi unter anderem Bedürftigkeit voraus. Gemäß § 193 SGB III ist ein Arbeitsloser bedürftig, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestreitet oder bestreiten kann und das zu berücksichtigende Einkommen die Alhi nicht erreicht. Nicht bedürftig ist ein Arbeitsloser, solange mit Rücksicht auf sein Vermögen, das Vermögen einer Person, die mit dem Arbeitslosen in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, die Erbringung von Alhi nicht gerechtfertigt ist.

Nach § 6 der Alhi-VO ist Vermögen des Arbeitslosen zu berücksichtigen, soweit es verwertbar ist, die Verwertbarkeit zumutbar ist und der Wert des Vermögens jeweils DM 8.000,00 übersteigt.

Unstreitig verfügt der Kläger über ein Vermögen in Höhe von DM 50.411,60. Die Verwertung des Vermögens ist ihm nicht zumutbar, denn bei ihm liegen die Voraussetzungen des § 6 Abs.3 Satz 2 Nr.3 Alhi-VO vor. Danach ist die Verwertung von Vermögen nicht zumutbar, wenn es unter anderem zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung bestimmt ist.

Mit Urteil vom 22.10.1998 - B 7 AL 118/97 R - hat das BSG hierzu entschieden, dass bei der Bemessung der Alhi das zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung dienende Vermögen als Schonvermögen unberücksichtigt bleibt, wenn sich daraus eine monatliche zusätzliche Alterssicherung errechnet, die drei Siebtel der Standardrente der gesetzlichen Rentenversicherung nicht übersteigt, wobei auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung abzustellen ist. Nach dieser Entscheidung wurde die Alhi-VO vom 18.06.1999 entsprechend geändert und dem § 6 der Alhi-VO vom 07.08.1994 ein Absatz 4 angefügt, der das Nähere regelt.

Es kann dahinstehen, ob die zitierte Änderung der Alhi-VO bereits auf die Antragstellung des Klägers vom 04.04.1999 anzuwenden ist. Denn bereits unter Zugrundelegung des Urteils des BSG vom 22.10.1998 a.a.O. ist davon auszugehen, dass der Kläger sein Vermögen für eine angemessene Alterssicherung angelegt hat. Dafür sprechen sowohl die objektiven Begleitumstände als auch die subjektive Zweckbestimmung. Dem steht insbesondere nicht die Anlage des Vermögens in Form von Aktien entgegen. Denn entgegen der Auffassung des Sozialgerichts handelt es sich hierbei nicht um eine spekulative Anlageform. Zu berücksichtigen ist, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erwerbs seiner Aktien durchaus davon ausgehen konnte, in eine gute Anlageform investiert zu haben. Dies insbesondere auch deshalb, weil auch heute noch von zahlreichen Banken die Investition in Aktien empfohlen wird. Dem steht auch nicht entgegen, dass Aktien von den gesamtwirtschaftlichen Verhältnissen abhängig sind und von daher in ihrer Wertigkeit Schwankungen unterliegen. Denn gerade als langfristige Anlageform sind dauerhaft gesehen durchaus Gewinne zu erzielen. Dass der Kläger sich insoweit gewinnorientiert verhält, folgt gerade auch aus der Tatsache, dass er seinen Aktienbestand nicht gleichbleibend hält.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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