L 10 AL 6/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 15 AL 535/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 6/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16.11.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten noch die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) vom 18.03.1996 bis 31.03.1997.

Der am 1948 geborene Kläger war vom 01.09.1962 bis 31.10.1994, zuletzt bei der A.-AG Nürnberg als Techniker versicherungspflichtig beschäftigt. Von seinem letzten Arbeitgeber wurde ihm für den Verlust seines Arbeitsplatzes eine Abfindung gem §§ 9, 10 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) in Höhe von 90.000,00 DM brutto gewährt.

Nach dem Bezug von Arbeitslosengeld (Alg) beantragte der Kläger am 18.03.1996 bei der Beklagten die Gewährung von Alhi und gab ua an, über Wertpapiere im Kurswert von 99.000,00 DM zu verfügen. Er bewohne zusammen mit seinen Eltern ein Haus in Nürnberg mit einer Grundstücksgröße von 458 qm und einer Wohnfläche von 96 qm, wovon ihm ein Wohnraum von 40 qm zur Verfügung stehe.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 02.04.1996 ab. Unter Berücksichtigung der Freigrenze sei ein Betrag von 81.000,00 DM als Vermögen bei der Prüfung der Bedürftigkeit des Klägers zu berücksichtigen. Bei Teilung dieses Vermögens durch das Arbeitsentgelt, nach dem sich die Höhe der Alhi für den Kläger richte (1.480,00 DM wöchentlich) ergebe sich, dass der Kläger für einen Zeitraum von 54 Wochen nicht bedürftig sei. Der Bescheid wurde bestandskräftig.

Am 02.04.1997 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Alhi und gab an, nur noch über ein Vermögen von 64.000,00 DM zu verfügen.

Mit Bescheid vom 10.04.1997 gewährte ihm die Beklagte Alhi vom 01.04.1997 bis 31.03.1998.

Am 10.11.1997 beantragte der Kläger bei der Beklagten gem § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) die Überprüfung seines abgelehnten Alhi-Antrages vom 18.03.1996, da das damals angerechnete Vermögen (die Abfindung seines letzten Arbeitgebers) als Alterssicherung bestimmt gewesen sei.

Die Beklagte wies den Antrag mit Bescheid vom 14.01.1998 zurück. Aus der vom Kläger gewählten Anlageform hätte sich nicht ergeben, dass der Betrag zur Alterssicherung bestimmt gewesen sei. Im Übrigen wäre die Altersvorsorge des Klägers durch seine langjährige Beschäftigung gesichert.

Hiergegen legte der Kläger mit einem am 10.02.1998 bei der Beklagten eingegangenen Schreiben Widerspruch ein und wies zur Begründung darauf hin, dass er einen Teilbetrag von 25.000,00 DM für eine Teilsumme des Erbteiles am Elternhaus F.weg in Nürnberg an seine Schwester überwiesen habe. Dies resultiere aus dem Erbteil seiner Schwester von 1/8 am elterlichen Anwesen nach dem Ableben der Mutter am 27.07.1992.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 30.07.1998 als unbegründet zurück.

Am 19.04.1999 beantragte der Kläger erneut die Aufhebung des Bescheides vom 02.04.1996 sowie der gekürzten Arbeitslosenhilfeleistungen von 1998 bis 1999 nach § 44 SGB X. Das ihm seinerzeit angerechnete Vermögen (Abfindung und Ersparnisse) sei zur Ablösung des elterlichen Erbes an seine Schwester übertragen worden und hätte somit ensprechend einer Fernsehsendung vom 23.03.1999 zu einer jüngsten Entscheidung des Bundessozialgerichtes als Alterssicherung gedient.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 04.05.1999 erneut ab. Nur Lebensversicherungen und von Kreditinstituten angebotene vergleichbare Anlageformen würden der Alterssicherung dienen, wenn der Vertrag frühestens mit dem 60. Lebensjahr ende.

Der hiergegen am 18.05.1999 vom Kläger eingelegte Widerspruch blieb ohne Erfolg (Widerspruchsbescheid vom 07.06.1999).

Dagegen hat der Kläger am 14.06.1999 Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 16.11.2000 abgewiesen. Der Bescheid vom 02.04.1996 sei rechtmäßig gewesen. Die vom Kläger angegebenen Wertpapiere stellten verwertbares Vermögen iS des § 6 Abs 2 und Abs 3 Satz 3 Nr 3 der Arbeitslosenhilfeverordnung (AlhiVO) dar. Das Vermögen habe auch nicht der Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung gedient, denn es habe hier bereits an der subjektiven Zweckbestimmung der Alterssicherung gefehlt. Darüberhinaus seien Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger das Guthaben zum Zweck der Alterssicherung angelegt habe, nicht ersichtlich. Das Vermögen sollte nach der gewählten Anlageform vielmehr frei verfügbar sein und nach den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung jederzeit zur Verfügung stehen, um einen Erbteilsanspruch seiner Schwester zu befriedigen.

Gegen das ihm am 12.12.2000 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit der am 04.01.2001 beim Bayer. Landessozialgericht (BayLSG) eingelegten Berufung. Zur Begründung verweist er auf sein bisheriges Vorbringen.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 11.10.2001 hat der Kläger erklärt, sein Leben lang im Hause der Eltern gewohnt zu haben. Zwischen ihm und seiner Schwester, der Zeugin G. , hätte stets Einigkeit darüber bestanden, dass er nach dem Tode seines Vaters im elterlichen Wohnhaus verbleiben und ihr dafür die Hälfte des Verkehrswertes auszahlen sollte. Die von ihm im Januar 1995 geleisteten 25.000,00 DM seien eine Anzahlung gewesen, die restlichen 175.000,00 DM sollten nach dem Tode des Vaters ausgezahlt werden. Sein Vater habe nach dem Tode der Mutter zusammen mit deren Hinterbliebenenrente Rentenleistungen von ca 2.500,00 DM im Monat bezogen. Auf Grund der ihm erteilten Bankvollmacht vom 07.11.1994, die der Kläger vorlegte, habe er vom Konto seines Vaters monatlich ca 2.000,00 DM abgehoben. Davon seien der gemeinsame Lebensunterhalt und die Kosten für die Unterhaltung des Hauses bestritten worden.

Der Kläger hat die Berufung bezüglich der Gewährung von Alhi aus dem Zeitraum vom 18.03.1996 bis 31.03.1997 beschränkt.

Er beantragt,

das Urteil des SG Nürnberg vom 16.11.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 04.05.1999 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07.06.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm unter Rücknahme des Bescheides vom 02.04.1996 ab 18.03.1996 Arbeitslosenhilfe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger sei im streitigen Zeitraum nicht bedürftig gewesen. Er habe nach seinen eigenen Angaben zum Zeitpunkt der Antragstellung über ein Vermögen in Höhe von 99.000,00 DM verfügt, das im Wesentlichen aus der wegen der Beendigung seines Arbeitsverhältnisses gezahlten Abfindung stammte. Eine Privilegierung des Vermögens nach § 6 Abs 3 Nr 7 Alhi-VO scheide aus, da ein alsbaldiger Erwerb der seinerzeit noch der Schwester und dem Vater gehörenden Anteile am elterlichen Haus nicht vorgesehen gewesen sei. Die Erbansprüche sollten irgendwann in der Zukunft ausgeglichen werden, so dass eine alsbaldige Erwerbsabsicht des Klägers nicht bestanden habe. Ebensowenig liege eine Privilegierung dieses Betrages als Alterssicherung vor (§ 6 Abs 3 Nr 3 Alhi-VO). Der Kläger habe das Vermögen zum Ausgleich von Erbteilsansprüchen seiner Schwester verwenden wollen, nicht jedoch zur Alterssicherung.

Der Senat hat die Schwester des Klägers, Frau G. , als Zeugin vernommen. Auf die Niederschrift vom 11.10.2001 wird verwiesen. Ergänzend wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, des SG und des BayLSG Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz [= SGG]) ist auch im Übrigen zulässig (§ 144 SGG).

Das Rechtsmittel erweist sich in der Sache jedoch als unbegründet, denn das SG hat mit Urteil vom 16.11.2000 zu Recht die Klage gegen den Bescheid vom 04.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.06.1999 abgewiesen, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung von Alhi in der Zeit vom 18.03.1996 bis 31.03.1997 in einem Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X hat.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs 1 SGB X).

Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn mit den angefochtenen Bescheiden war ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Alhi im streitigen Zeitraum zu Recht abgelehnt worden. Nach § 134 Abs 1 Satz 1 AFG aF hatte Anspruch auf Alhi, wer (1.) arbeitslos war, der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stand, sich beim Arbeitsamt arbeitslos gemeldet und Alhi beantragt hatte, (2.) keinen Anspruch auf Alg hatte, weil er die Anwartschaftszeit (§ 104 AFG) nicht erfüllt hatte, (3.) bedürftig war und (4.) innerhalb eines Jahres vor dem Tag, an dem die sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Alhi erfüllt waren (Vorfrist), Alg bezogen hatte, ohne dass der Anspruch nach § 119 Abs 3 AFG erloschen war (Buchstabe a). Nach § 137 Abs 1 AFG aF war der Arbeitslose nur bedürftig im Sinne des § 134 Abs 1 Nr 3 AFG aF, soweit er seinen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise als durch Alhi bestritt oder bestreiten konnte und das Einkommen, das nach § 138 AFG aF zu berücksichtigen war, die Alhi nach § 136 AFG aF nicht erreichte.

Einkommen im Sinne der Vorschriften über die Alhi waren nach § 138 Abs 2 AFG aF alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert einschließlich der Leistungen, die von Dritten beansprucht werden konnten. Zu diesen Einnahmen gehörten die Unterhaltsleistungen des Vaters des Klägers, die dieser von seiner monatlichen Rente und Hinterbliebenenrente dem Kläger als Gegenleistung für die von ihm erbrachten Pflegeleistungen gewährte. Als Verwandter ersten Grades (§ 1589 Bürgerliches Gesetzbuch = BGB) war der Vater des Klägers diesem gegenüber gem § 1601 BGB iVm § 1612 Abs 1 Satz 1 BGB zum Unterhalt verpflichtet.

Bei dem dem Kläger von seinem Vater gewährten Unterhalt handelte es sich auch nicht um Einkommen, das im Rahmen des § 138 Abs 3 AFG aF nicht berücksichtigt werden konnte, denn darunter fielen nach § 138 Abs 3 Nr 10 AFG aF nur Unterhaltsansprüche gegen Verwandte zweiten und entfernteren Grades, nicht jedoch Unterhaltsansprüche - wie hier - gegen den eigenen Vater als Verwandten ersten Grades.

Da der Kläger somit im Zeitraum vom 18.03.1996 bis 31.03.1997 seinen Lebensunterhalt durch die Unterhaltsleistungen seines Vaters bestritt, kann hier dahinstehen, inwieweit das zu dieser Zeit vorhandene Vermögen des Klägers den Privilegierungstatbeständen des § 6 Abs 3 Satz 2 Alhi-VO unterlag.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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