L 20 Ar 78/94

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
20
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 Ar 473/92
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 20 Ar 78/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Berufsschutz aus der im Vertreibungsgebiet als Hauptberuf ausgeübten Tätigkeit steht einem Versicherten in der Regel nur zu, wenn er glaubhaft machen kann, daß er über die Kenntnisse und Fähigkeiten verfügte, wie sie in der BRD von einem vergleichbaren Facharbeiter regelmäßig erwartet werden.
2) Zum Nachweis einer vergleichbaren Qualifikation und zur Annahme des Berufsschutzes reicht ein Bescheid der IHK, durch den der berufliche Bildungsabschluß im Vertreibungsgebiet (hier Rußland) als gleichwertig mit einem Ausbildungsberuf in Deutschland anerkannt wurde, jedenfalls dann nicht aus, wenn mit der "Gleichstellungsbescheinigung" die nach der einschlägigen Ausbildungsordnung in Deutschland erwarteten Kenntnisse und Fähigkeiten nicht bestätigt werden.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 16. Dezember 1993 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Der am ...1941 geborene Kläger ist am 31.10.1989 aus Rußland in die Bundesrepublik übergesiedelt; er ist Inhaber des Vertriebenenausweises "A". Er beantragte am 22.05.1991 bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit. Im Zusatzfragebogen zum Rentenantrag hat er dabei u.a. angegeben, von 1958 bis 1960 als Maschinenarbeiter, von 1960 bis 1968 als Bauarbeiter (Betonarbeiter, Montagearbeiter) und von 1968 bis 1989 als Werkzeugschlosser beschäftigt gewesen zu sein; der Arbeitsplatzwechsel sei jeweils nicht aus gesundheitlichen Gründen erfolgt.

Im Verfahren über die Herstellung seiner Versicherungszeiten nach dem Fremdrentengesetz hat der Kläger sein russisches Arbeitsbuch vorgelegt. Daraus läßt sich entnehmen, daß er von 1958 bis 1964 als Traktorfahrer, kurzzeitig als auszubildender Kfz-Schlosser, als Transportarbeiter, Hilfsarbeiter, Putzer, Maschinenarbeiter und Dachdecker beschäftigt war. Vom 01.09.1965 bis 28.07.1967 besuchte er die Abendschule des Politechnikums Nr. 4 in Nowosibirsk und erzielte einen Abschluß in der Fachrichtung Schreiner und Betonarbeiter. Danach war er nach dem Inhalt des Arbeitsbuches bis 1982 als Betonarbeiter (3. Leistungsklasse) und von 1982 bis 1989 als Werkzeugschlosser (5. Leistungsklasse) berufstätig. Vom 03.06. bis 01.07.1991 unterzog sich der Kläger einer stationären Heilmaßnahme in Bad Endorf. Im Entlassungsbericht vom 09.07.1991 wurde als Diagnose genannt: Psychovegetative Störungen mit möglicher Restsymptomatik einer beruflichen Vibrationsexposition. Der Kläger wurde für fähig erachtet, leichte Arbeiten im Umfang von halb- bis untervollschichtig zu verrichten (Angaben nach Formblatt, Leistungsangabe im Text: halb- bis vollschichtig). Der beratende Arzt der Beklagten Dr ... erachtete den Kläger für fähig, leichte Arbeiten im Wechselrhythmus in Vollschicht zu leisten. Mit Bescheid vom 24.09.1991 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab; bei dem angegebenen Leistungsvermögen sei der Kläger weder berufs- noch erwerbsunfähig. Dagegen legte der Kläger am 02.10.1991 Widerspruch ein. Er machte geltend, daß er nicht mehr in Vollschicht arbeiten könne. Nach Beendigung der Sprachenschule habe er ein Praktikum bei der Fa ... absolviert und bei einem Acht-Stunden-Arbeitstag nach ca. fünf bis sechs Stunden große Schwierigkeiten mit Herz und Kreislauf sowie Kopfschmerzen bekommen. Er sei willig, leichtere Arbeiten auszuführen, einen vollen Arbeitstag im Metallbetrieb könne er jedoch nicht durchhalten. Die Beklagte ließ den Kläger durch den Internisten Dr ... und den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr ... untersuchen. Diese kamen in ihren Gutachten vom 02.07. und 03.07.1992 zu dem Ergebnis, daß der Kläger trotz eines psycho-vegetativen Syndroms mit Neigung zur Ausbildung multipler psychosomatischer Beschwerden, degenerativer Wirbelsäulenveränderung (ohne objektivierbare Funktionseinschränkung), Nephrolithiasis links und papulöser Hautveränderungen der rechten Hand noch leichte Arbeiten allgemeiner Art in Vollschicht verrichten könne. Die im Rahmen des stationären Heilverfahrens angegebene Leistungsbeurteilung könne angesichts der objektiven Befunde nicht nachvollzogen werden. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 27.07.1992 zurück. Der Kläger genieße keinen Berufsschutz, da er zuletzt als angelernter Werkzeugschlosser beschäftigt gewesen sei. Bei vollschichtigem Leistungsvermögen sei der Arbeitsmarkt nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch nicht als verschlossen anzusehen.

Dagegen hat der Kläger am 31.07.1992 Klage beim Sozialgericht (SG) Nürnberg erhoben. Er sehe sich nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Das SG hat Befundberichte von Dr ... und Dr ... beigezogen. Es hat den Arzt für Neurologie und Psychiatrie ... zum ärztlichen Sachverständigen bestellt. Dieser kam in seinem Gutachten vom 06.11.1993 zu dem Ergebnis, der Kläger sei noch in der Lage, vollschichtig leichte (zeitweise auch mittelschwere) Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes zu verrichten. Dieses Ergebnis bestätigte der ärztliche Sachverständige Dr ... in seinem Gutachten vom 16.12.1993. Der Kläger solle nicht unter anstrengendem Zeitdruck arbeiten; Einwirkungen von Nässe, Kälte, Zugluft und Vibration sollten vermieden werden. Auch eine besondere Belastung durch hautreizende Stoffe sei nicht zumutbar. Unter Beachtung dieser Gegebenheiten könne der Kläger aber leichte und zeitweise mittelschwere Tätigkeiten verrichten, und zwar leichte Arbeiten in Vollschicht, die mittelschweren bis halbschichtig. Mit Urteil vom 16.12.1993 hat das SG die Klage abgewiesen. Der beim Kläger festgestellte Gesundheitszustand stehe weder einer vollschichtigen Arbeitsleistung entgegen noch erscheine der Kläger aus gesundheitlichen Gründen gehindert, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes berufstätig zu sein. Der Kläger habe keinen anerkannten Ausbildungsberuf erlernt oder längerfristig ausgeübt; der nicht ganz zweijährige Besuch der Abendschule in der Fachrichtung Zimmermann und Betonarbeiter entspreche nicht einer in der Bundesrepublik üblichen dreijährigen Lehrausbildung zum Zimmermann oder Betonfachwerker. Auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Werkzeugschlosser könne allenfalls als angelernte Tätigkeit bezeichnet werden, da der Kläger keine entsprechende Ausbildung durchlaufen habe. Der Kläger müsse sich nach der Rechtsprechung des BSG auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen, sofern diese nicht ohne jeglichen qualitativen Wert seien. In Betracht kämen beispielsweise die Tätigkeit eines Etikettierers, Prüfers oder Packers.

Gegen dieses Urteil richtet sich die am 08.02.1994 beim SG Nürnberg eingelegte Berufung des Klägers: Er sei Beton- und Stahlbetonbauer und habe die in der Sowjetunion übliche Ausbildung durchlaufen. Wegen seiner allgemeinen Erkrankungen habe er eine höhere Einstufung nach dem Schwerbehinderten-Gesetz beantragt, das Verfahren laufe noch. Außerdem habe er bei der Bau-Berufsgenossenschaft Bayern und Sachsen die Anerkennung einer Berufskrankheit beantragt; darüber sei noch nicht entschieden. Der Kläger legte einen Bescheid der Industrie- und Handelskammer Nürnberg vom 21.01.1993 vor, mit dem das Zeugnis Nr. 1615 aus Nowosibirsk im Beruf Schreiner und Betonarbeiter vom 04.09.1989 als gleichwertig mit dem beruflichen Bildungsabschluß Beton-und Stahlbetonbauer in der Bundesrepublik Deutschland anerkannt wurde. Fertigkeiten und Kenntnisse nach der Ausbildungsordnung zum Beton- und Stahlbetonbauer sind in dem Bescheid nicht bestätigt. Der Senat hat die Leistungsakte des Arbeitsamtes Nürnberg zum Verfahren beigenommen. Für die Arbeitsverwaltung erstellte die Sozialmedizinerin Dr ... am 05.05.1993 ein Gutachten, wonach dem Kläger ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten bescheinigt wird. Bei den ärztlichen Unterlagen des Arbeitsamtes findet sich auch ein Arztbrief des Kardiologen Dr ... vom 07.05.1990, nach dem die kardiologische Untersuchung des Klägers keinerlei krankhafte Befunde ergeben habe; das Ruhe- und Belastungs-EKG sei völlig normal ausgefallen, es habe gute Belastbarkeit bis 200 Watt ohne Ischämiereaktion bestanden. In einem weiteren Gutachten für das Arbeitsamt vom 04.02.1991 hat die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr ... ausgeführt, durch die vom Kläger geklagten Beschwerden werde seine Arbeits- oder Erwerbsfähigkeit in keiner Weise beeinträchtigt; durch die Überbewertung kleinster körperlicher Beschwerden sowie die fehlende Leistungsbereitschaft sei die Vermittelbarkeit sicherlich eingeschränkt. Mit Bescheid vom 21.07.1994 hat die Bau-Berufsgenossenschaft Bayern und Sachsen die Zahlung einer Entschädigung an den Kläger aufgrund des § 551 RVO abgelehnt; es liege keine Berufskrankheit nach der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vor und auch keine Krankheit, die wie eine Berufskrankheit zu entschädigen sei. Vom 04.10. bis 15.11.1994 hat sich der Kläger erneut auf Kosten der Beklagten einem Heilverfahren in der Psychosomatischen Klinik Buching in Halblech unterzogen. Nach dem Entlassungsbericht des Leitenden Arztes und Psychiaters Dr ... vom 05.01.1995 ist es während der stationären Behandlung nicht gelungen, den auf seine körperlichen Beschwerden fixierten Kläger psychotherapeutisch zu erreichen. Um einer weiteren Verhärtung der Situation vorzubeugen, werde die Prüfung einer Zeitrente empfohlen. Bei Beachtung verschiedener qualitativer Einsatzbeschränkungen reiche das Leistungsvermögen des Klägers aber zur Verrichtung einer leichte Arbeiten umfassenden Ganztagsbeschäftigung aus. Der Kläger hat mitgeteilt, daß er sich am 26.09.1995 einer Leistenbruchoperation unterziehen mußte. Vom Senat wurden Befundberichte des Allgemeinarztes Dr ... und der Nervenärztin Dr ... beigezogen. Auf Veranlassung des Senats hat der Internist und Sozialmediziner Dr ... am 06.09.1997 ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers erstattet und darin folgende Diagnosen genannt: 1. Ausgeprägtes psychosomatisches Beschwerdebild, weitgehend ohne organpathologischen Hintergrund; 2. degeneratives Wirbelsäulensyndrom mit nur geringer Funktionseinschränkung der Halswirbelsäule, 3. leichte Lebervergrößerung, 4. Hyperurikämie, 5. kleine Nierenzyste links. Im Vordergrund der Beschwerden stehe beim Kläger das ausgeprägte psychosomatische Beschwerdebild. Es müsse in Kenntnis aller bisherigen Befunderhebungen davon ausgegangen werden, daß eine wesentliche Einengung der Willensstruktur des Klägers nicht vorliege; die sozialmedizinische Bedeutung des psychosomatischen Syndroms sei relativ geringfügig. Insgesamt wirke der Kläger durchaus gesund. Er sei internistischerseits wie auch aus sozialmedizinischer Sicht nach wie vor in der Lage, eine vollschichtige Tätigkeit unter Belastung mit leichten, zeitweilig auch mittelschweren Arbeiten zu erbringen. Übermäßige nervliche Belastungen sollten ebenso vermieden werden wie Überkopfarbeiten und das Heben und Tragen schwererer Lasten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Nürnberg vom 16.12.1993 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihres Bescheides vom 24.09.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.07.1992 zur Gewährung von gesetzlichen Leistungen wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, ab 01.06.1991 zu verurteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten mit Beitragsteil und die Prozeßakte des SG Nürnberg sowie die Leistungsakte des Arbeitsamtes Nürnberg mit ärztlichen Unterlagen und die Prozeßakte des BayLSG mit dem Az. L 11 Vs 102/94 vorgelegen. Nach dem Schwerbehinderten-Gesetz ist beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 anerkannt (Urteil des BayLSG vom 11.03.1996). Auch die Akte der Bau-Berufsgenossenschaft Bayern und Sachsen hat dem Senat zur Verfügung gestanden. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und auch im übrigen zulässig. Das Rechtsmittel des Klägers erweist sich als nicht begründet.

Das SG hat zutreffend entschieden, daß beim Kläger Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im Sinne der §§ 43 Abs. 2, 44 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht vorliegt. Nach dem Ergebnis aller durchgeführten Untersuchungen und Begutachtungen, zuletzt Gutachten des Dr ... vom 06.09.1997, besteht beim Kläger weiterhin ein vollschichtiges berufliches Leistungsvermögen für leichte Arbeiten und zeitweise, bis etwa halbschichtig, auch für mittelschwere Arbeiten. Der Kläger soll bei der Arbeit keinen übermäßigen nervlichen Belastungen ausgesetzt sein; auch Heben und Tragen schwererer Lasten sowie längeres Überkopfarbeiten sind ihm nicht mehr zumutbar. Im Vordergrund der Beschwerden steht beim Kläger das ausgeprägte psychosomatische Beschwerdebild, das jedoch noch zu keiner bedeutsamen Einengung der Willensstruktur geführt hat. Sonstige Gesundheitsstörungen des Klägers auf internistischem und orthopädischem Fachgebiet sind nur geringfügig ausgeprägt und engen die berufliche Leistungsbreite nicht wesentlich ein. Mit dem SG ist davon auszugehen, daß der Kläger keinen anerkannten Ausbildungsberuf (nach einer in Deutschland geltenden Ausbildungsordnung) erlernt oder längerfristig ausgeübt hat. Der nicht ganz zweijährige Besuch der Abendschule in Novosibirsk in den Fachrichtungen Zimmermann und Betonarbeiter entspricht nicht einer in der Bundesrepublik üblichen dreijährigen Lehrausbildung; insbesondere können nicht in weniger als zwei Jahren im lediglich berufsbegleitenden Abendunterricht die Fachberufe des Zimmermanns (Schreiners) und Beton- und Stahlbetonbauers gleichzeitig und auch nur annähernd mit den Ausbildungsinhalten erlernt werden wie sie beispielsweise in der Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 08.05.1974 - BGBl I S. 1073 - i.d.F. der 4. Änderungsverordnung vom 17.12.1981 - BGBl I S 1480 - beschrieben sind. Der Kläger hat zwar den Bescheid der IHK Nürnberg vom 21.01.1993 vorgelegt, in dem sein beruflicher Bildungsabschluß in Rußland als gleichwertig mit dem eines Beton- und Stahlbetonbauers in Deutschland anerkannt wurde; der Bescheid weist jedoch ausdrücklich darauf hin, daß nicht die Fertigkeiten und Kenntnisse nach der Ausbildungsordnung zum Beton- und Stahlbetonbauer in Deutschland bestätigt werden können. Wenn aber der Kläger nicht über die Fertigkeiten und Kenntnisse verfügt, wie sie in Deutschland von einem vergleichbaren Facharbeiter im Wettbewerb üblicherweise erwartet werden (vgl. BSG, Urteil vom 19.11.1979 - 4 RJ 111/78) wäre er auch nicht, zumindest nicht sofort und nicht ohne zusätzliche Qualifizierung in der Lage gewesen, Facharbeitertätigkeiten gleichwertig verrichten. Betonierer (Betonbauer) fallen nach dem Anhang (Anlage 3) zum Bundesrahmentarif für das Baugewerbe in der Bundesrepublik Deutschland vom 05.06.1978 unter die Berufsgruppe III - Spezialbaufachbarbeiter -, wobei von dieser Gruppe in erster Linie Arbeitnehmer erfaßt werden, die ihre Berufsausbildung in der Form der Stufenausbildung mit der obersten Stufe (regelmäßige Ausbildungszeit: 33 Monate) abgeschlossen haben. Davon ist der Kläger weit entfernt. Während seiner versicherungspflichtigen Beschäftigung in Rußland hat er keine Arbeiten verrichtet, zu deren Ausübung er die bei einem Beton- und Stahlbetonbauer allgemein vorausgesetzten Fachkenntnisse benötigt hätte. Gegenüber der Bau-Berufsgenossenschaft hat der Kläger seine Berufstätigkeit als Betonarbeiter in der früheren Sowjetunion am 31.05.1991 wie folgt beschrieben: "Als Betonarbeiter mußte ich ständig mit Vibrator und Preßlufthammer arbeiten. Der Beton wurde mit Lastkraftwagen angeliefert und auf der Baustelle abgeladen. Dann mußte er in die extra gefertigten Formen (Verschalungen) gefüllt werden. Meine Aufgabe war es dann, die Masse mit den vorgenannten Maschinen zu festigen. Diese Tätigkeit wurde von mir den ganzen Tag ausgeübt." Wie ferner aus den Angaben im Rentenantrag und zusätzlich aus der Akte der Berufsgenossenschaft zu entnehmen ist, hat der Kläger diese Tätigkeit bis etwa 1982 ausgeübt. Danach ist er als Werkzeugschlosser in demselben Unternehmen weiterbeschäftigt worden, hat aber, wie er angibt, verschiedene Tätigkeiten ausgeübt und zwar neben Werkzeugschlosser auch als Werkzeugausgeber, als Kassier und im Wachdienst. Diese letztgenannte gemischtförmige Tätigkeit hat er bis zu seiner Übersiedlung nach Deutschland beibehalten. In der mündlichen Verhandlung am 12.11.1997 hat der Kläger zu seinen Berufstätigkeiten in Rußland ergänzende Angaben gemacht: "Nach meiner Versetzung im Jahre 1964 als Dachdecker war ich selbstverständlich nicht nur in dieser Tätigkeit, sondern bei den verschiedensten Bauarbeiten eingesetzt. Immer wieder mußte ich den Vibrator und auch den Preßlufthammer bedienen, nicht nur beim Abbruch betonierter Flächen, sondern auch beim Abbau gefrorenen Bodens. 1973 wurde ich wegen meiner Vibrationskrankheit von der Baustelle genommen. Danach war ich bis 1989 überwiegend als Werkzeugausgeber beschäftigt, wurde allerdings auch für andere Tätigkeiten herangezogen, z.B. Botengänge und Ausfahrtätigkeiten; kurz gesagt, ich war "Mädchen für alles". Die Höherstufung in den Lohngruppen erfolgte automatisch nach bestimmtem Zeitablauf."

Nach dieser für den Senat glaubhaften Schilderung des Klägers handelte es sich bei den von ihm ausgeübten Beschäftigungen durchwegs um Tätigkeiten, zu deren Verrichtung objektiv jeweils nur eine kurze Einarbeitung bzw. Einweisung am Arbeitsplatz erforderlich war. Ein Berufsschutz als Facharbeiter kann dem Kläger deshalb nicht zugebilligt werden. Auch die Zuordnung zum oberen Bereich der Gruppe von Arbeitnehmern mit einem "sonstigen Ausbildungsberuf" kommt nach Auffassung des Senats für den Kläger nicht in Betracht. Nach dem vom BSG entwickelten Mehrstufenschema ist er vielmehr als einfach angelernter Arbeiter zu beurteilen. Er muß sich damit auf alle seinem gesundheitlichen Leistungsvermögen entsprechenden Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisen lassen, wobei allenfalls Arbeiten gänzlich untergeordneter oder einfachster Art als sozial unzumutbar ausscheiden.

Bei vollschichtig einsatzfähigen Versicherten ist - von hier nicht einschlägigen Ausnahmen abgesehen - ein offener Arbeitsmarkt anzunehmen, gleichgültig, ob die in Betracht kommenden Arbeitsplätze frei oder besetzt sind (vgl. zuletzt BSG, Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 - GS 1/95 -). Die in der Rechtsprechung anerkannten Ausnahmen von diesem Grundsatz (Summierung qualitativer Einsatzbeschränkungen oder Vorliegen schwerer spezifischer Leistungseinbußen im Sinne betriebsunüblicher Arbeitsplatzbedingungen oder Vorhandensein sonstiger Gründe, die den Zugang zum Arbeitsmarkt in außergewöhnlicher Weise erschweren z.B. gravierende Einschränkung der Gehfähigkeit mit Verkürzung der zumutbaren Fußwegstrecken auf weniger als 500 m) orientieren sich an dem Risikogedanken der §§ 43, 44 SGB VI, daß letztlich gesundheitliche Gründe für den Ausschluß von der Möglichkeit zur Erzielung von Erwerbseinkünften maßgeblich sein müssen. Das ist bei vollschichtiger, der betriebsüblichen Arbeitszeit von täglich 8 Stunden entsprechender Einsatzfähigkeit und dem Fehlen der erwähnten Ausnahmebedingungen nicht der Fall. Unter diesen Voraussetzungen ist die Benennung konkreter Arbeitsplätze oder Verweisungstätigkeiten mit im einzelnen nachprüfbaren Belastungselementen nicht erforderlich (BSG - Großer Senat aaO).

Der Kläger ist somit nicht berufsunfähig und erfüllt erst recht nicht die weitergehenden Voraussetzungen für eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. Seine Berufung gegen das Urteil des SG Nürnberg war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved