L 19 Ar 896/90

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 4 Ar 289/88
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 Ar 896/90
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1) Das Fehlen des (notwendigen) Antrags auf eine Sozialleistung führt nicht zwingend zur Nichtigkeit der gleichwohl ergangenen Verwaltungsentscheidung, sondern hat lediglich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts (mit der Möglichkeit nachträglicher Heilung der ihm anhaftenden Verfahrens- oder Formmängel) zur Folge. Die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts entfällt, wenn der Antrag nachgeholt wird.
2 a) "Schwindelerscheinungen", die vollschichtiges Arbeiten im Sitzen zulassen, bedingen (vorliegend) keine "gravierende Einzelbehinderung" und führen nicht zur Annahme "betriebsunüblicher" Einsatzbedingungen für Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.
b) Sie haben (im konkreten Fall) auch keine wesentliche "Mobilitätsbeschränkung" in dem Sinne zur Folge, daß der Klägerin wegen Verkürzung der zumutbaren Wegstrecken zwischen Wohnung und Arbeitsplatz der Zugang zum Arbeitsmarkt verschlossen ist.
3 a) Zum Berufsschutz als Damenschneiderin aus der zuletzt versicherungspflichtig ausgeübten Tätigkeit als "Musternäherin".
b) Kann die zuletzt verrichtete Tätigkeit weiterhin ausgeübt werden, scheidet das Vorliegen von BU von vorneherein aus.
c) Zur Verweisbarkeit einer gelernten Damenschneiderin auf die Tätigkeit einer Änderungsschneiderin.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 5. November 1990 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin ein Anspruch auf Rentenleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zusteht.

Die am ...1947 geborene Klägerin hat nach ihren Angaben vom 28.08.1961 bis 28.08.1964 eine Lehre als Damenschneiderin durchlaufen und mit der Gesellenprüfung abgeschlossen. Vom 01.10.1964 bis 16.10.1966 war sie bei der Firma ..., vom 03.10.1966 bis 30.03.1979 (Konkurs) bei der Firma ... in Aschaffenburg und zuletzt vom 05.11.1979 bis 12.09.1987 bei der Firma ... in Stockstadt versicherungspflichtig beschäftigt. Nach den im Berufungsverfahren eingeholten Arbeitgeberauskünften vom 27.09.1991 und 12.07.1996 war sie dort als "Musternäherin" in der Abteilung Damenoberbekleidung eingesetzt. Die Klägerin habe ausschließlich in Tagschicht und - mit Ausnahme der auf die Erstellung neuer Kollektionen entfallenden Zeiträume (jeweils einige Wochen im Frühjahr und Herbst) - als Teilzeitbeschäftigte gearbeitet. Die Vergütung sei nach Lohngruppe V (Musternähen) des Tarifvertrags für die Textil- und Bekleidungsindustrie des Bezirks Unterfranken erfolgt. Die damalige Einstufung entspreche heute der Lohngruppe VI. Eine geschickte (ungelernte) Arbeitnehmerin könne nach einer etwa sechsmonatigen Anlernzeit als Musternäherin eingesetzt werden. Wegen der mit dem Arbeitsplatz verbundenen Belastungsfaktoren wird im einzelnen auf die Auskunft vom 12.07.1996 verwiesen. Nach Aussteuerung durch die Krankenkasse meldete sich die Klägerin arbeitslos und bezog bis September 1988 Arbeitslosengeld. Arbeitslosenhilfe wurde wegen Anrechnung des Einkommens ihres als Konstrukteur beschäftigten Ehemannes nicht gewährt.

Am 29.04.1987 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Rentenleistungen wegen Berufsunfähigkeit. Dazu wurden von der Beklagten die ärztlichen Unterlagen aus den vorangegangenen Verfahren zur medizinischen Rehabilitation beigezogen (u.a. Entlassungsberichte der Kurklinik Bad Bocklet vom 25.06.1982 und der Kurklinik Ohlstadt vom 14.05.1986).

Zur Begründung des Rentenantrags wurden ein Attest der HNO-Ärztin Dr ... vom 30.04.1987 und ihr Arztbrief vom 01.04.1987 vorgelegt. Darin stellte sie folgende Diagnosen: Zentrale Funktionsstörung im System der vestibulären Gleichgewichtsregulation; Hirnstammtaumeligkeit; Syndrom des akustisch überempfindlichen Ohres; Hörbahnstörung. Die Patientin werde voraussichtlich noch mehrere Monate arbeitsunfähig sein. Daneben verwies die Klägerin auf die Folgen eines Kreuzbandknochen-Ausrisses, den sie sich Ende November 1986 bei einem Sturz auf der Kellertreppe ihres Wohnhauses zugezogen habe.

Die Beklagte veranlaßte Untersuchungen auf HNO-ärztlichem und orthopädischem Fachgebiet. Dr ... diagnostizierte in seinem Gutachten vom 10.07.1987 eine Übererregbarkeit des rechten peripheren Gleichgewichtsorgans, eine belanglose Hochtonsenke rechts ohne Auswirkung auf das Sozialgehör, gelegentliches kurzfristiges Ohrenpfeifen rechts, cervikale Cephalgien rechts sowie eine hypotone Kreislauflage. Die am 13.02.1986 wahrscheinlich infolge einer cervikalen Fehlbelastung aufgetretene Innenohrdurchblutungsstörung weise allenfalls noch Restsymptome auf. Das Hörvermögen sei dadurch für den beruflichen Einsatz am bisherigen Arbeitsplatz und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht im geringsten eingeschränkt. Auch der Befund des Gleichgewichtsorgans bedeute keine wesentliche Einschränkung für den Beruf als Modellschneiderin. Mit Absturzgefahr verbundene Arbeiten (auf Leitern und Gerüsten) sollten vorsorglich vermieden werden.

Der Orthopäde Dr ... stellte in seinem Gutachten vom 30.07.1987 folgende Gesundheitsstörungen fest: Leichte Verbiegung der Lendenwirbelsäule; präsacrale Gefügelockerung bei Verdacht auf Spondylolisthesis; diskrete Lockerung des vorderen Kreuzbandes am linken Kniegelenk nach operativ versorgtem knöchernem Kreuzbandausriß. Zusammenfassend führte er aus, die Minderbelastbarkeit der LWS sei im Erwerbsleben von nur geringer Bedeutung. Das linke Bein sei zwar noch gering bis mäßig gebrauchsgemindert; gleichwohl sei die Klägerin imstande, sich ohne Stockhilfe sicher zu bewegen. Als Einschränkung für den regelmäßigen Arbeitseinsatz habe lediglich ausschließliches Gehen und Stehen zu gelten.

Dieser Leistungsbeurteilung hat sich die Beklagte angeschlossen und die Bewilligung von Rentenleistungen wegen Berufsunfähigkeit durch Bescheid vom 02.09.1987 mit der Begründung abgelehnt, daß weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorliege.

Dagegen hat die Klägerin am 22.09.1987 Widerspruch erhoben und im wesentlichen geltend gemacht, wegen der bestehenden zentralen Gleichgewichtsstörung sei sie trotz medikamentöser Versorgung mit Ausnahme weniger Stunden auch tagsüber bettlägerig und deshalb nicht einmal in der Lage, ihren Haushalt zu führen, geschweige denn einer regelmäßigen beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Ergänzend wurden ein weiterer Arztbrief der HNO-Ärztin Dr ... vom 03.02.1988 mit der zusätzlichen Diagnose "Syndrom der kleinhirnwinkelbrückennahen zentralen Vestibularisentzügelung" sowie ein von dem Radiologen Dr ... gefertigtes (unauffälliges) craniales Kernspintomogramm vorgelegt.

Die Widerspruchsstelle der Beklagten zog die ärztlichen Unterlagen des Arbeitsamtes Aschaffenburg bei. In praktisch gleichlautenden Gutachten vom 21.10. und 16.11.1987 vertrat Med.Dir. i.R. Dr ... die Auffassung, die Klägerin sei unter normalen Bedingungen nicht mehr arbeitsfähig. Ggfs. wären ihr leichte sitzende Tätigkeiten in Heimarbeit noch stundenweise (unterhalbschichtig) zumutbar. Nach klinischen und apparatemedizinischen Untersuchungen fand der Nervenarzt Dr ... in seinem auf Veranlassung der Beklagten erstatteten Gutachten vom 03.05.1988 bis auf diskrete Veränderungen über der rechten Carotis interna keinen eindeutig normabweichenden Befund. Alle leichten Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes einschließlich der Tätigkeit einer Damenschneiderin könne die Klägerin noch ganztags verrichten. Daraufhin wurde der Widerspruch mit Bescheid vom 06.06.1988 als unbegründet zurückgewiesen.

Auf die am 05.07.1988 erhobene (mit Schriftsatz vom 18.01.1989 weitgehend in Anlehnung an das Widerspruchsvorbringen begründete) Klage hat das SG Würzburg Befundberichte des Orthopäden Dr ... und der HNO-Ärztin Dr ... eingeholt. Der zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte Dr ... untersuchte die Klägerin anläßlich des Verhandlungstermins vom 18.01.1989 und bestätigte in seinem Gutachten vom selben Tage die bisher von der Beklagten vertretene Leistungsbeurteilung. Auf die Empfehlung weiterer Sachaufklärung ernannte das Erstgericht den Direktor der Universitäts-HNO-Klinik Würzburg, Prof. Dr ..., und den (damaligen) Direktor der Neurologischen Universitätsklinik Würzburg, Prof. Dr ..., zu gerichtlichen Sachverständigen. Bei annähernd gleichen Untersuchungsbefunden stimmte dieser in seinem Gutachten vom 31.03.1989 der sozialmedizinischen Beurteilung Dr ... im wesentlichen zu. Aus neurologischer Sicht könne die Klägerin leichte Arbeiten überwiegend im Sitzen in geschlossenen Räumen vollschichtig verrichten; vermieden werden sollten Tätigkeiten mit besonderer nervlicher Belastung wie Arbeiten im Akkord, am Fließband, in Wechsel- und Nachtschicht, an laufenden Maschinen sowie unter Lärmeinwirkung.

Prof. Dr ... wies in der zusammenfassenden Beurteilung seines Gutachtens vom 19.06.1989 darauf hin, ein krankhafter, das Leistungsvermögen der Klägerin einschränkender Befund habe sich auf HNO-ärztlichem Fachgebiet nicht erheben lassen. Wegen der von ihr geschilderten Beschwerden sollten jedoch Tätigkeiten an unfallgefährdeten Arbeitsplätzen vermieden werden. Der ebenfalls zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte Nervenarzt Dr ... stellte in seinem Gutachten vom 12.10.1989 folgende Diagnosen: Zustand nach Hirnstamm-Ischämie (nicht nur Hörsturz) mit fortdauernden, bereits gebesserten, jedoch weiter erheblichen vegetativen motorischen und sensiblen Ausfällen; vegetative Labilität und Hinweis auf Medikamentenmißbrauch. Der Klägerin seien seit Antragstellung und trotz zwischenzeitlicher Besserung auch gegenwärtig selbst Arbeiten in geringfügigem Umfang nicht mehr zumutbar. Durch Intensivierung der (bisher nicht ausgeschöpften) Behandlungsmöglichkeiten sei eine noch weitergehende Besserung, wenn auch nicht die vollständige Beseitigung der Ausfälle und Beschwerden erreichbar.

Dazu legte die Beklagte ein in ihrer Zentralen Ärztlichen Gutachterstelle erstattetes Gutachten vom 30.01.1990 vor. Darin äußerte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Priv.Doz. Dr. Dr ... eine Hirnstammischämie sei zwar nicht von vorneherein ausgeschlossen; bei Würdigung der gesamten Situation spreche jedoch die überwältigende Wahrscheinlichkeit gegen ein fortdauerndes organisches Korrelat in dem von Dr ... angenommenen Ausmaß. Eine Ganztagstätigkeit als Näherin sei der Klägerin unter den üblichen Bedingungen weiterhin zumutbar.

Abschließend beauftragte das SG den Chefarzt der Inneren Abt. des Städt. Krankenhauses Wertheim, Dr ..., mit der Erstattung eines Gutachtens auf seinem Fachgebiet. Er ließ im Rahmen einer stationären Aufnahme vom 21. bis 23.05.1990 bei der Klägerin eine Vielzahl klinischer und apparatemedizinischer Untersuchungen durchführen, konnte jedoch in seinem Gutachten vom 02.07.1990 aus internistischer und allgemeinmedizinischer Sicht keine das Beschwerdebild der Klägerin erklärenden Befunde erheben, eine (für sehr unwahrscheinlich gsehaltene) Hirnstammdurchblutungsstörung aber auch nicht vollständig ausschließen. Den übrigen Diagnosen (Übergewicht, erhöhter Cholesterin-Spiegel, vegetative Labilität und Zustand nach Schilddrüsenoperation ohne Rezidiv) komme internistischerseits keine erwerbsmindernde Bedeutung zu. Für den Beruf als Damenschneiderin bestehe eine ausreichende körperliche Belastbarkeit, wobei subjektiv die (glaubhaft angegebenen) Ohrgeräusche, Schwindelerscheinungen und Kopfschmerzen durch eine psychovegetative Labilität überlagert und verstärkt erlebt würden.

Nach Einführung der in einer anderen Streitsache eingeholten Auskunft des Landesarbeitsamts Nordbayern vom 06.06.1989 hat das SG die Klage mit Urteil vom 11.11.1990 als unbegründet abgewiesen: Auf internistischem, orthopädischem und HNO-ärztlichem Fachgebiet habe keine Leistungseinbuße festgestellt werden können, die einer beruflichen Tätigkeit der Klägerin als Damenschneiderin entgegenstehe. Mit der ihr verbliebenen Einsatzfähigkeit für leichte, überwiegend im Sitzen und in geschlossenen Räumen zu verrichtende Vollschichtarbeiten könnte die Klägerin beispielsweise noch ganztags als Änderungsschneiderin in Kaufhäusern oder Bekleidungsgeschäften tätig sein. Nach der bezeichneten Auskunft des LAA vom 20.09.1989 sei dafür in der Bundesrepublik Deutschland eine hinreichende Anzahl von Arbeitsplätzen vorhanden.

Gegen die am 30.11.1990 zugestellte Entscheidung richtet sich die am 17.12.1990 beim Bayer.Landessozialgericht eingegangene Berufung, zu deren vorläufiger Begründung unter Vorlage von Arztbriefen der behandelnden HNO-Ärztin Dr ... vom 16.10.1991 und 22.09.1992 mit Schriftsätzen vom 31.03., 20.08., 25.08. und 02.10.1992 eine wesentliche Verschlechterung im Gesundheitszustand der Klägerin (Beckenbruch infolge schweren Sturzes in heftigem Schwindelanfall, Entstehung einer schweren Arthrose im Bereich des linken Kniegelenks; Ausbildung eines Tumors am rechten Arm) geltend gemacht wurde.

Unabhängig davon holte der damals zuständige 6. Senat des BayLSG Befundberichte des Nervenarztes Dr ... (psychogen überlagertes Schmerzsyndrom, Begehrenshaltung möglich), des Prakt. Arztes Dr ..., des Chirurgen Dr ... (der die Klägerin wegen eines Bruchs des unteren und oberen Schambeinastes in der Chirurgischen Abteilung des Kreiskrankenhauses Alzenau behandelt hatte) und von Dr ... ein.

Der zum gerichtlichen Sachverständigen ernannte Prof. Dr ..., Chefarzt der Abt. für Neurologie und Klinische Neurophysiologie des Städt. Krankenhauses München-Bogenhausen hat mit Zustimmung des Berufungsgerichts ein Zusatzgutachten von Dr ..., Chefarzt der HNO-Abteilung des Städt. Krankenhauses München-Schwabing, beigezogen. Bei eingehenden Untersuchungen am 20. und 21.04.1993 fand sich im HNO-ärztlichen Bereich keine objektivierbare pathologische Störung im Sinne einer Erkrankung und demzufolge auch keinerlei Einschränkung der Erwerbsfähigkeit von seiten dieses Fachgebiets (Gutachten vom 03.05.1993).

Prof. Dr ... und der mitbegutachtende Oberarzt Dr ... diagnostizierten in ihrem Gutachten vom 01.06.1993 auf neurologischem und neuro-otologischem Fachgebiet für die Zeit ab April 1987 rezidivierende Schwindelzustände bei leichter zentral-vestibulärer Funktionsstörung sowie einen Tinnitus rechts bei Zustand nach Hörsturz 1986. Damit sei der Klägerin eine Ganztagsbeschäftigung unter den üblichen Bedingungen eines Arbeitsverhältnisses möglich. Übliche Entfernungen zwischen Wohnung und Arbeitsplatz könne die Klägerin mit öffentlichen Verkehrsmitteln zurücklegen, während die Fähigkeit zum Führen eines PKW s bzw. zur Benutzung eines Fahrrads als eingeschränkt gelten müsse. Die Umstellungsfähigkeit auf andere (als die bisher ausgeübten) Erwerbstätigkeiten sei neurologischerseits nicht eingeschränkt.

Während des dreitätigen stationären Aufenthalts (18. - 21. 04.1993) wurde die Klägerin auch in der Orthopädischen Abteilung des Städt.Krankenhauses München-Bogenhausen untersucht. Dabei stellten Prof. Dr ... und Ltd. Oberarzt Dr ... in ihrem orthopädischen Zusatzgutachten vom 17.05.1993 folgende (seit April 1987 vorliegende) Gesundheitsstörungen fest: Beginnende Gonarthrose mit degenerativer Meniskusschädigung bei Z.n. komplexer Kapselbandläsion und knöchernem vorderem Kreuzbandausriß am linken Kniegelenk (Dezember 1986); chronisches Sehnenengpaß-Syndrom der rechten Schulter bei hochgradigem Verdacht auf Rotatorenmanschettenruptur; chronisch rezidivierende Lumbalgie bei Fehlhaltung und gering ausgeprägter Torsionsskoliose mit geringen degenerativen Veränderungen der unteren LWS.

Wegen der Funktionsbeeinträchtigungen der rechten Schulter und des linken Kniegelenks könne die Klägerin nur leichte bis mittelschwere Tätigkeiten ausführen. Tätigkeiten, die das Heben schwerer Gegenstände oder Heben oberhalb der Horizontale erforderten, seien nicht mehr zumutbar. Insgesamt könne die Klägerin aus orthopädischer Sicht eine Ganztagsarbeit mit leichteren Tätigkeiten, die keinen übermäßigen Gebrauch des rechten Armes und längeres Stehen oder Gehen erforderten bzw. im Bücken oder Knien durchgeführt werden müßten, weiterhin ausüben. Die Fußwege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (bzw. den Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel) seien auf maximal 500 m zu begrenzen.

Dazu äußerte sich die Klägerin mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigen vom 10.09.1993 unter gleichzeitiger Begründung der Berufung: Als gelernte Damenschneiderin sei sie zur Berufsausübung auf den Gebrauch der rechten Hand angewiesen; Belastungen des rechten Armes seien ihr nach den Feststellungen Prof. Dr ... jedoch nicht mehr zumutbar. Gleiches gelte für die vom SG als Verweisungsberuf herangezogene Tätigkeit als "Änderungsschneiderin". Bücken und Knien seien bei dieser Tätigkeit unvermeidlich, ihr aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich. Aufgrund ihrer abgeschlossenen Berufsausbildung sei sie in die erste, zumindest aber die zweite Stufe des vom BSG entwickelten Berufsgruppenschemas einzuordnen. Insoweit könne sie nur auf Tätigkeiten des "oberen" Anlernbereichs verwiesen werden. Diesbezüglich sei der Arbeitsmarkt verschlossen und außerdem das Erfordernis zu berücksichtigen, daß Arbeitsplätze täglich von der eigenen Wohnung aus erreicht werden könnten.

Um die Einsatzmöglichkeiten der Klägerin in ihrem bisherigen Berufskreis, aber auch die arbeitsmedizinischen und qualitativen Anforderungen möglicher Verweisungstätigkeiten aus dem Anlernbereich zu klären, hat der 6. Senat ein berufskundliches Gutachten des Landesarbeitsamts Nordbayern vom 23.06.1994 eingeholt. Auf den Inhalt dieses Gutachtens, dessen Aussagen die Beklagte mit Schriftsatz vom 08.08.1994 in allen wesentlichen Punkten widersprochen hat, wird im einzelnen Bezug genommen.

Zum Gehvermögen der Klägerin äußerten sich Prof. Dr ... und Dr ... in einer ergänzenden Stellungnahme vom 29.09.1995: Die im Hauptgutachten erfolgte Festlegung der Gehstrecke auf 500 m berücksichtige, daß längere Belastungsphasen zu einem Fortschreiten der Arthrose führen könnten. Exakte Maßangaben seien nicht möglich. Klinische Erfahrungen bestätigten jedoch, daß eine Vielzahl von Patienten mit ähnlichen arthrotischen Kniegelenksveränderungen wie bei der Klägerin ohne erhebliche Schmerzen Gehstrecken von mehr als 500 m zurücklegen könnten. Wegen subjektiv erhöhter Schmerzempfindlichkeit könnten bei der Klägerin erhebliche Schmerzen, möglicherweise aber auch Schmerzen bereits nach Gehstrecken unter 500 m, auftreten. Die Frage, ob die Klägerin eine Gehleistung von mehr als 500 m viermal täglich erbringen könne, sofern es sich bei der in Aussicht genommenen Berufsarbeit ausschließlich um sitzende Tätigkeit handele, sei aufgrund der klinischen Erfahrungen bei einem größeren Patientenkollektiv zu bejahen.

Wegen verzögerter Abgabe der ergänzenden Stellungnahme hatte die Klägerbevollmächtigte unter Hinweis auf eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung der Funktionsverhältnisse des linken Kniegelenks mit Schriftsatz vom 18.04.1995 beantragt, Prof. Dr ... vom Gutachtensauftrag zu entbinden und an seiner Stelle Prof. Dr ..., Ärztl. Direktor der Orthopädischen Universitäts- und Poliklinik Friedrichsheim in Frankfurt, mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens zu beauftragen. Einem von Dr ... unterzeichneten Kurzbrief dieser Klinik vom 12.04.1995 ist als Hauptdiagnose eine "medial betonte Arthrose des linken Kniegelenks" und als Therapievorschlag die Durchführung konservativer Maßnahmen zu entnehmen.

Nach Vertagung der Streitsache in der mündlichen Verhandlung am 20.08.1996 hat der Senat beim Allg. öffentl. Krankenhaus St. Vinzen in Zams/Tirol das Krankenblatt über die dortige stationäre Behandlung vom 15. bis 20.02.1992 nach einem Skiunfall angefordert. Weiter hat er vom Kreiskrankenhaus des Landkreises Aschaffenburg in Alzenau/Wasserlos die Original-Krankengeschichte der Klägerin aus dem Jahre 1992 beigezogen.

Zur weiteren Sachaufklärung hat der Senat den Orthopäden Dr ... zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt. In seinem Gutachten vom 04.11.1996 stellte dieser bei der Klägerin folgende Gesundheitsstörungen fest: Geringe Fehlhaltung der Halswirbelsäule; leichte Retropositio L 5, Baastrup-Syndrom; Ileosakralgelenksarthrose; Omarthrose und Schultereckgelenksarthrose rechts; angedeutete Torsionsskoliose der LWS; Gonarthrose links mehr als rechts, leichte Schwäche der vorderen Kreuzbänder; kernspintomographisch festgestelltes Fehlen des vorderen Kreuzbandes rechts, operierte fragliche Kreuzbandruptur und Meniskusriß links.

Zusammenfassend führte Dr ... aus, von einer gravierenden Leidensverschlimmerung könne gegenüber den Vorgutachten insgesamt nicht gesprochen werden. Die Klägerin sei ohne Gefährdung ihrer Restgesundheit nach wie vor in der Lage, mittelschwere Arbeiten in gelegentlichem Wechsel mit leichteren Tätigkeiten zu verrichten. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien wegen der Kniegelenksveränderungen nicht mehr möglich. Aus denselben Gründen solle die Klägerin im Arbeitseinsatz nicht anhaltend stehen müssen und nicht in hockender oder knieender Stellung arbeiten. Ferner solle sie nicht gezwungen sein, mit dem rechten Arm unter Einsatz des Schultergürtels schwerere Lasten zu drücken und zu schieben. Zusätzliche Arbeitspausen benötige die Klägerin nicht. Ein Wechsel der Körperposition sei bei sitzenden Tätigkeit nicht erforderlich. Da die Fähigkeit zum Sitzen nicht eingeschränkt sei, könne auch die zuletzt ausgeübte Tätigkeit einer Musternäherin weiterhin ausgeführt werden. Die Klägerin sei zumindest mit einem rechts geführten Stock zur Entlastung des linken Kniegelenkes in der Lage, etwa 600 bis 700 m schmerzfrei zu gehen, und könne diese Strecke in etwa 10 bis 15 Minuten zurücklegen.

Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 20.02.1997 hat die Klägerin zum Gutachten Dr ... Stellung genommen und gleichzeitig einen Bericht der HNO-Ärztin ... vom 03.02.1997 vorgelegt.

Daraufhin ist vom erkennenden Senat der HNO-Arzt Dr ... mit der Erstattung eines weiteren Gutachtens zur Leistungsfähigkeit der Klägerin beauftragt worden. Er hat die Klägerin am 11.07.1997 untersucht und gestützt auf die Ergebnisses umfangreicher apparatemedizinischer Befunderhebungen in seinem Gutachten vom 05.08.1997 im wesentlichen drei Beschwerdekomplexe der Klägerin abgehandelt: 1. die seit 1997 bestehenden Nasennebenhöhlenprobleme 2. subjektive Hörstörungen und Tinnitus rechts 3. Gleichgewichtsstörungen. Von HNO-ärztlicher Seite sollten schwere körperliche Arbeiten vermieden werden, da diese in der Regel mit einer Belastung des Gleichgewichtsorgans verbunden seien; ansonsten seien der Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten vollschichtig, stundenweise auch mittelschwere Arbeiten möglich und zumutbar. Gegen die weitere Ausübung der zuletzt (bei der Firma ...) verrichteten Tätigkeit als Musternäherin bestünden keine Bedenken.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 05.11.1990 aufzuheben und die Beklagte in Abänderung des Bescheides vom 02.09.1987 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.06.1988 zu verurteilen, ihr ab 01.05.1987 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit, hilfsweise wegen Berufsunfähigkeit, zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen und Gegenstand des Verfahrens waren die Aktenunterlagen der Beklagten und des Sozialgerichts Würzburg. Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestands auf das angefochtene Urteil und den übrigen Akteninhalt, insbesondere die vorliegenden Berichte, Stellungnahmen und Gutachten, die in zweiter Instanz eingeholten Arbeitgeberauskünfte sowie das schriftsätzliche Vorbringen der Beteiligten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig; sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch nach § 143 SGG statthaft, weil Ausschlußgründe im Sinne der §§ 144, 146 SGG in der mit Ablauf des 28.02.1993 außer Kraft getretenen Fassung nicht vorliegen. Die genannten Vorschriften sind für die Zulässigkeitsprüfung in dieser Streitsache weiter anzuwenden, weil die mündliche Verhandlung, auf die das angefochtene Urteil ergangen ist, vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Entlastung der Rechtspflege vom 11.01.1993 - BGBl I S.50 - geschlossen wurde (Art. 14 Abs. 1 und 15 Abs. 1 aaO).

In der Sache hat das Rechtsmittel keinen Erfolg, da das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis der Sach- und Rechtslage entspricht. An einer Sachentscheidung über den in erster Linie verfolgten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit war das Sozialgericht bei Erlaß des nach mündlicher Verhandlung ergangenen Urteils vom 05.11.1990 nicht gehindert. Zweifel im Hinblick auf die Zulässigkeit der Klage bzgl. des umfassenderen Anspruchs auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit könnten sich daraus ergeben, daß die Klägerin mit der am 29.04.1987 bei der Beklagten erfolgten Antragstellung eindeutig nur die Gewährung von Rente wegen Berufsunfähigkeit geltend gemacht hat. Bei fehlendem Antrag hätte die Beklagte über den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nicht entscheiden dürfen; denn nach den für das allgemeine Verwaltungsrecht geltenden Grundsätzen ist ein ohne den erforderlichen Antrag ergangener Verwaltungsakt (VA) regelmäßig als nichtig anzusehen. Bei Übernahme dieser Rechtsauffassung hätte das SG auf die Anfechtungsklage der Klägerin hin die streitigen Bescheide insoweit aufheben müssen, als über den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit entschieden wurde. Aus § 41 Abs. 1 Nr. 1 des am 01.01.1981 in Kraft getretenen Sozialgesetzbuches - Verwaltungsverfahren - (SGB X) ergibt sich jedoch in Verbindung mit § 40 SGB X (in welchem die Gründe der Nichtigkeit eines VA genannt sind), daß vom Gesetzgeber das Fehlen einer notwendigen Antragstellung nicht mehr als absoluter Nichtigkeitsgrund angesehen wird, sondern lediglich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungshandelns (mit der Möglichkeit einer nachträglichen Heilung des ihm anhaftenden Verfahrens- oder Formmangels) zur Folge hat. So entfällt die Rechtswidrigkeit eines ohne das notwendige Sachentscheidungsbegehren ergangenen VA, wenn der zu seinem Erlaß erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird. Wie den Ausführungen zur Begründung des Widerspruchs im Schriftsatz vom 28.01.1988 zweifelsfrei zu entnehmen ist, hat die Klägerin den (umfassenderen) Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bereits im verwaltungsbehördlichen Vorverfahren geltend gemacht. Diesem Vorbringen kommt nach Auffassung des Senats die Rechtsqualität einer an die (durch die Widerspruchsstelle repräsentierte) Beklagte gerichteten Antragstellung auf Gewährung der entsprechenden Rentenleistungen zu. Damit ist der Formmangel der zunächst fehlenden Antragstellung geheilt. Das SG war deshalb nicht gehindert, die angefochtenen Bescheide in der Sache auch insoweit nachzuprüfen, als damit die Gewährung von Rentenleistungen wegen Erwerbsunfähigkeit abgelehnt worden war. Zur Entscheidung über beide Ansprüche war die Kammer schon deshalb befugt, weil auch die Beklagte mit ihren Verwaltungsentscheidungen vom 02.09.1987 und 06.06.1988 die Bewilligung von Rentenleistungen wegen Erwerbs- und Berufsunfähigkeit abgelehnt hatte. Diese Feststellung gilt auch für den Erstbescheid, obwohl dieser - seinem äußeren Wortlaut nach - nur die Bewilligung von Rente wegen Berufsunfähigkeit versagt hatte. Zwar darf ein Sachurteil nicht ergehen, wenn und soweit ein VA nicht vorausgegangen ist (vgl. BSGE 10, 218 ff und SozR 2200 § 1236 Nr. 19); zu dieser Rechtssprechung hat sich das SG aber nicht in Widerspruch gesetzt. Denn der Begründung des Bescheides vom 22.09.1987 ist mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß auch der Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit abgelehnt werden sollte.

Ansprüche wegen verminderter Erwerbsfähigkeit stehen der Klägerin für die im Berufungsverfahren (nach dem Inhalt des Schriftsatzes vom 14.12.1990) allein noch streitige Zeit ab 01.05.1987 nicht zu. Da sie die Bewilligung entsprechender Rentenleistungen unter Berücksichtigung des am 29.04.1987 gestellten Antrags begehrt, richtet sich der Prüfungsmaßstab insoweit nach den bis 31.12.1991 geltenden Vorschriften der §§ 1246, 1247 Reichsversicherungsordnung -RVO- (vgl. §§ 300, 306 des Sozialgesetzbuchs - Sechstes Buch, Gesetzliche Rentenversicherung -, SGB VI). Für einen - erstmalig oder erneut - nach dem 31.12.1991 begründeten Leistungsbeginn bilden die §§ 43 und 44 i.V.m. § 300 Abs. 1 SGB VI die alleinige Anspruchsgrundlage. Da sich aber die Vorschriften der RVO und des SGB VI bzgl. der medizinischen und berufskundlichen Voraussetzungen für die Anerkennung von Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit nicht maßgeblich unterscheiden, ergibt sich - von den versicherungsrechtlichen Zugangserfordernissen abgesehen - keine sachliche Abweichung zwischen dem am 31.12.1991 geltenden und dem neuen (am 01.01.1992 in Kraft getretenen) Recht.

An einer Prüfung der medizinischen Voraussetzungen für die fraglichen Ansprüche war der Senat nicht wegen Fehlens versicherungsrechtlicher Erfordernisse gehindert (vgl. §§ 1246 Abs. 1, 2a und 1247 Abs. 1, 2a RVO bzw. §§ 43 Abs. 3 und 44 Abs. 4 SGB VI). Nach dem aktenkundigen Versicherungsverlauf vom 04.01.1991 sind über den nach dem Haushaltsbegleitgesetz 1984 relevanten Stichtag vom 01.01.1984 hinaus bis 10.09.1988 lückenlos Beitrags- und Ausfall- bzw. Anrechnungszeiten vorgemerkt. Damit steht zwar fest, daß die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für einen auf den Zeitpunkt der Antragsstellung (am 29.04.1987) fingierten Versicherungsfall erfüllt sind, weil in dem um die Ausfallzeiten verlängerten Fünfjahreszeitraum vor dem 01.04.1987 mehr als 36 Kalendermonate Pflichtbeiträge nachgewiesen sind; dagegen läßt sich die Erfüllung der versicherungsfallnahen Pflichtbeitragsleistung im genannten Umfang nicht für jeden bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung eingetretenen Versicherungsfall herstellen. Die Klägerin kann aber aufgrund der durch den Antrag vom 29.04.1987 eingetretenen Fristhemmung (§ 1420 Abs. 2 RVO, §§ 240 Abs. 2 und 241 Abs. 2 SGB VI) im Anschluß an den letzten nachgewiesenen Pflichtbeitrag bzw. den letzten anrechnungsfähigen Ausfallzeitmonat (September 1988) noch freiwillige Beiträge entrichten und dadurch die Anwartschaft gem. Art. 2 § 6 Abs. 2 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - ArVNG - aufrechterhalten (vgl. BSG, Urteil vom 22.11.1988 - 5/4a RJ 79/87 -). Im Ergebnis konnte der Senat dahingestellt sein lassen, ob versicherungsrechtliche Erwägungen die geltend gemachten Rentenansprüche ausschließen; denn bei der Klägerin liegen jedenfalls die vom Erstgericht zutreffend wiedergegebenen (medizinischen und berufskundlichen) Voraussetzungen der §§ 1247 Abs. 2, 1246 Abs. 2 RVO aF nicht vor.

Erwerbsunfähigkeit als Grundlage des mit dem Hauptantrag verfolgten Anspruchs auf Rentenleistungen nach § 1247 Abs. 1 RVO (§ 44 SGB VI) ist bei der Klägerin nach wie vor nicht gegeben. Hinsichtlich des medizinischen Sachverhalts konnte auch durch die vom Senat veranlaßten Untersuchungen und Begutachtungen eine wesentliche Änderung der Leistungsbeurteilung, wie sie die Beklagte und das Sozialgericht ihren Entscheidungen zugrundegelegt haben, nicht nachgewiesen werden. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin ist nicht infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche ihrer körperlichen oder geistigen Kräfte so eingeschränkt, daß sie nicht mehr imstande wäre, (zustandsangemessene) Erwerbstätigkeiten in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben und dadurch mehr als geringfügige Einkünfte zu erzielen (§ 1247 Abs. 2 Satz 1 RVO aF, § 44 SGB VI).

Auf internistischem Fachgebiet liegt nach dem in erster Instanz bei Dr ... eingeholten Gutachten vom 02.07.1990 kein rentenrechtlich relevanter, das Leistungsvermögen der Klägerin entscheidend beeinflussender Befund vor. Daran hat sich während der langen Dauer des Berufungsverfahrens nichts geändert. Weder vom Hausarzt der Klägerin noch im Rahmen orientierender Befunderhebungen durch die in zweiter Instanz gehörten ärztlichen Sachverständigen sind irgendwelche Anhaltspunkte mitgeteilt worden, daß von seiten der inneren Organe konkrete oder zumindest klärungsbedürftige Erkrankungen aufgetreten sind. Zur Einholung eines weiteren internistischen Gutachtens hat der Senat deshalb keine Veranlassung gesehen.

Aufgrund des im Februar 1986 erlittenen Hörsturzes sah die Klägerin - seit Behandlungsübernahme im Juli 1986 weitgehend unterstützt durch die HNO-Ärztin Dr ... - den Schwerpunkt der ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigenden Gesundheitsstörungen auf HNO-ärztlichem Fachgebiet. Diese Einschätzung der Klägerin hat sich nicht bestätigt, konnte jedenfalls durch die vorliegenden Gutachten nicht bewiesen werden. Dr ... hat in seinem Zusatzgutachten vom 03.05.1993 sogar die Auffassung vertreten, daß auf diesem Fachgebiet kein krankhaftes Geschehen vorliegt, insbesondere keine pathologische Störung der Gleichgewichtsorgane festzustellen war, welche die von der Klägerin geltend gemachten Schwindelbeschwerden hätten erklären können.

Auch das neurologische Gutachten Prof. Dr ... vom 01.06.1993 hat in vielfacher Hinsicht Normalbefunde ergeben und die Feststellungen, wie sie insbesondere von Prof. Dr ... im Gutachten vom 31.03.1989 getroffen wurden, weitgehend bestätigt. Überraschend erbrachte jedoch die elektronystagmographische Untersuchung einen leicht abnormen Befund, der - in Übereinstimmung mit den von Dr ..., wenn auch ohne entsprechende Spezialbefunde, gestellten Diagnosen - eine leichte Funktionsstörung des zentralen Gleichgewichtsorgans aufzeigte. Eine Ursache für diese zentrale vestibuläre Störung konnte Prof ... nicht angeben. Jedenfalls fanden sich für einen Zustand nach Hirnstammischämie, wie sie im neurologisch-psychiatrischen Gutachten des Nervenarztes Dr ... vom 12.10.1989 vermutet wurde, keine beweisenden Anhaltspunkte. Die von Prof ... veranlaßte cerebrale Kernspintomographie zeigte im Gegenteil keine strukturelle Läsion im Hirnstamm; auch die dopplersonographischen Untersuchungen der hirnzuführenden Gefäße, insbesondere der den Hirnstamm versorgenden Arteria basilaris, bestätigten das Vorliegen normaler Flußverhältnisse. Insgesamt geht auch Dr ... davon aus, daß die subjektiven Angaben der Klägerin über Schwindelerscheinungen i.V.m. dem abnormen Elektronystagmographiebefund als glaubhaft einzuschätzen sind. Allerdings ist das qualitative und quantitative Ausmaß der Beschwerden, wie es von der Klägerin geltend gemacht wird, nicht annähernd mit dem klinisch-neurologischen und dem Nystagmographiebefund in Einklang zu bringen. Es handelt sich nach Einschätzung Prof ... um eine unbewußte hypochondrisch-neurotische Fehlhaltung im Rahmen des langjährigen Rentenrechtsstreits, der aber isoliert kein Krankheitswert - etwa im Sinne einer Kernneurose - zukommt. Außergewöhnliche qualitative Leistungseinschränkungen bedingen die Schwindelerscheinungen nach seiner Beurteilung nicht. Sie Leitern und Gerüsten sowie an bzw. mit gefährdenden Geräten und Maschinen leisten soll. Ansonsten verfügt sie noch über ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichtere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes.

Die Beweislage bzgl. der auf HNO-ärztlichem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen und der daraus abzuleitenden Leistungseinschränkungen hat sich durch das vom Senat ergänzend eingeholte Sachverständigengutachten des HNO-Arztes und Sozialmediziners Dr ... vom 05.08.1997 nicht zugunsten der Klägerin verändert. Soweit sich das Vorbringen der Klägerin auf die erstmals Anfang des Jahres 1997 aufgetretenen Nebenhöhlenbeschwerden bezieht, handelt es sich um eine Kiefernhöhlenzyste, die nur bei eitriger Entzündung behandlungssbedürftig ist und bei wiederholtem Auftreten (wofür bei der Klägerin kein Anhalt vorliegt) operativ beseitigt werden kann. Relevante Auswirkungen auf die Erwerbsfähigkeit der Klägerin kommt diesem Befund nicht zu. Gleiches gilt für die subjektiven Hörstörungen der Klägerin nach einem 1986 erlittenen Hörsturz und durch einen seither bestehenden Tinnitus (Ohrgeräusch). Aufgrund einer Vielzahl von Audiometrie-Befunden, die zwischen 1986 und 1997 erhoben und von Dr ... ausgewertet wurden, gelangte der Sachverständige zu dem Ergebnis, daß - von unbedeutenden Tief- und Hochtonsenken abgesehen - ein meßbarer und damit sozialmedizinisch ins Gewicht fallender Hörverlust bei der Klägerin nicht vorliegt. Er beträgt beidseits 0 %.

Eine nennenswerte Einschränkung des Hörvermögens wird auch nicht durch den von Dr ... bestätigten Tinnitus des rechten Ohres verursacht. Auch wenn das Ohrgeräusch, das nicht ständig und in gleicher Intensität vorhanden ist, von der Betroffenen teilweise als lästig empfunden wird, stand es weder bei der Untersuchung vom 11.07.1997 noch in der Vergangenheit im Vordergrund der die Klägerin in ihrem Leistungsvermögen beeinträchtigenden Beschwerden. Ausdrücklich hat die Klägerin bei mehreren Begutachtungsuntersuchungen die Frage verneint, ob durch den Tinnitus Schlafstörungen ausgelöst würden. Auch fanden in der Vergangenheit HNO-ärztliche Behandlungen vorrangig wegen der angeblichen Hörstörungen und insbesondere wegen der behaupteten Schwindelerscheinungen, nicht dagegen zur Eindämmung des Tinnitus statt. Aus den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen ergibt sich darüber hinaus kein Hinweis, daß jemals die Anpassung eines (dem Hörgerät vergleichbaren) Hilfsmittels zur Überdeckung des Tinnitus beantragt oder versucht wurde. Der durch Ohrgeräusche hervorgerufene Leidensdruck kann deshalb nach Auffassung des Senats nicht sehr ausgeprägt gewesen sein - abgesehen davon, daß die mit einer beruflichen Tätigkeit verbundene "Ablenkung" das Belästigungspotential des Tinnitus wesentlich begrenzt.

Als einzige Gesundheitsstörung von möglicherweise rentenrechtlicher Bedeutung auf HNO-ärztlichem Fachgebiet verbleiben demnach die auch von der Klägerin in den Vordergrund ihres Beschwerdebildes gestellten Gleichgewichtsstörungen. Mit Recht hat Dr ... in Auswertung der umfangreichen, einen Zeitraum von mehr als 10 Jahren umfassenden Befunddokumentation darauf hingewiesen, daß sich bezüglich dieser Erkrankung sowohl bei der Symptomatik als auch bei den Befunden und deren Interpretation im Laufe der Jahre große Unterschiede ergeben haben und daß es (ebenso wie beim Hörverlust) auch bei der (für das Auftreten der Schwindelerscheinungen verantwortlichen) Mindererregbarkeit der Gleichgewichtsorgane zu einer vollständigen Rückbildung kommen kann. Obwohl anamnestisch das Auftreten von Schwindelerscheinungen bei der Klägerin bereits vor dem Hörsturz im Februar 1986 festgestellt war, hält es der Sachverständige deshalb nicht für ausgeschlossen, daß der subjektiv erheblich belastende Schwindel im Zusammenhang mit dem Hörsturz ausgelöst wurde. Nachgewiesen ist das nicht. Allerdings kommt es im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung auf die Frage des ursächlichen Zusammenhangs nicht an. Entscheidend ist allein das Vorliegen der funktionellen Leistungsbeeinträchtigung. Insoweit ist jedoch auch für den der Beurteilung des Senats unterliegenden Zeitraum (vom 01.05.1987 bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung) kein hinreichender (mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen der anspruchbegründenden Tatsachen sprechender) Nachweis geführt, daß die Klägerin aufgrund Häufigkeit, Dauer und Intensität der angegebenen Schwindelerscheinungen gehindert war, einer Vollzeitbeschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nachzugehen.

Bereits der am 25.11.1986 von Dr ... erhobene, als "kalorische Nystagmusreaktionsdissoziation" bezeichnete Befund läßt sich nach der Bewertung Dr ... nicht mehr als eindeutige periphere Gleichgewichtsstörung im Sinne einer typischen "Untererregbarkeit nach Hörsturz mit vestibulärer Beteiligung" zuordnen. Die im Arztbrief an Dr ... gleichzeitig mitgeteilten "verbreiterten Schwankungen" können unter Berücksichtigung der nervenärztlicherseits angedeuteten Möglichkeit einer psychischen Fehlverarbeitung ebenfalls nicht als Nachweis einer zentralen Gleichgewichtsstörung gelten. Bei der nachfolgenden Kontrolle durch Dr ... (am 01.04.1997) ergab die kalorische Prüfung einen völlig seitengleichen Befund, also gerade keinen Hinweis auf das Fortbestehen einer Gleichgewichtsstörung. Beim ersten gutachterlich (im Juli 1987 von Dr ...) erhobenen Befund paßt nach der schlüssig begründeten Aussage Dr ... die angegebene Übererregbarkeit der rechten Seite nicht zur klinischen Feststellung eines nach links weisenden Spontannystagmus. Zudem sind die damals von der Klägerin angegebenen erheblichen Schwindelbeschwerden nicht mit dem unauffälligen Ergebnis des seinerzeit durchgeführten Unterberg schen Tretversuchs zu vereinbaren, da die Schwindelerscheinigungen gerade bei Untersuchungen mit geschlossenen Augen ausgeprägter sind als im täglichen Leben, wo die Möglichkeit der visuellen Orientierung und Kompensierung besteht. Zwar wurde von der behandelnden HNO-Ärztin Dr ... bei einer neuro-otologischen Kontrolle vom 03.02.1988 erneut eine kombiniert periphere und zentrale Gleichgewichtsstörung diagnostiziert. Dieser - nach den von ihr mitgeteilten Befundergebnissen keineswegs eindeutigen - Bewertung hat Dr ... jedoch mit dem Hinweis widersprochen, daß es bei einer tatsächlichen Veränderung der Erregbarkeit (der Gleichgewichtsorgane) in der Regel einen Spontannystagmus gebe, ein solcher aber seit 1988 bei keiner Untersuchung mehr festgestellt worden sei.

Im Rahmen seiner umfangreichen apparatemedizinischen Befunderhebungen mußte Dr ... aus technischen Gründen auf die Durchführung einer "kalorischen Prüfung" verzichten; für den Fall ihrer Notwendigkeit war ihm jedoch bereits am Untersuchungstag (11.07.1997) vom Gericht telefonisch die Genehmigung erteilt worden, diese Untersuchung bei der nunmehr behandelnden HNO-Ärztin Dr ... nachholen zu lassen und deren Befundaufzeichnung ggfs. für die Gutachtenserstattung zu verwerten. Auf diese Möglichkeit hat der Sachverständige letztlich verzichtet. Die dafür mitgeteilten Gründe halten einer am Maßstab der im sozialgerichtlichen Verfahren bestehenden Amtsermittlungspflicht orientierten Prüfung stand. Eine Wiederholung der sog. Kalt- und Warmspülung war auch nach Überzeugung des Senats nicht erforderlich, um dem Sachverständigen begründete gutachterliche Aussagen zu ermöglichen. Zutreffend hat Dr ... in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß bei gleichartigen Untersuchung im Rahmen der 1989 und 1993 erfolgten Begutachtungen durch die HNO-Universitätsklinik Würzburg und die HNO-Abteilung des Städt. Krankenhauses München-Bogenhausen sowie im Januar 1997 bei Frau Dr ... eine seitengleiche kalorische Erregbarkeit ohne nennenswerte Enthemmung oder Hemmung festgestellt wurde. Auch die nicht ganz so eindeutigen Zwischenbefunde, die 1991 und 1992 von Frau Dr ... erhoben wurden, erlauben im Ergebnis keine abweichende Interpretation, so daß der Sachverständige nach vergleichender und sorgfältig abwägender Bewertung sämtlicher Vorbefunde abschließend zu der Aussage gelangte, seit Ende der 80er Jahre habe mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine periphere Gleichgewichtsstörung mehr vorgelegen. Auf eine erneute kalorische Prüfung konnte er deshalb verzichten, zumal seine sonstigen Untersuchungen objektiv keinerlei Hinweis auf das Vorhandensein einer Gleichgewichtsstörung erbrachten. Von einer "Unvollständigkeit" des durch Dr ... erstatteten Gutachtens und der ihm zugrundeliegenden Befunderhebungen kann deshalb entgegen den Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 31.10.1997 nicht gesprochen werden.

Wenn der gerichtliche Sachverständige trotz Fehlens beweiskräftiger organpathologischer Befunde letztlich nicht ausschließen kann, daß die Klägerin den von ihr angegebenen Schwindel subjektiv und glaubhaft empfindet, werden seine gutachterlichen Aussagen dadurch nicht entwertet. Nach eigener Angabe hat ihn seine langjährige sozialmedizinische und fachärztliche Erfahrung gelehrt, daß Extrempositionen (die absolute Verneinung jeder Art von Pathologie ebenso wie die Bewertung jeder noch so geringen Gleichgewichtsstörung als organisches Problem) der Realität häufig nicht gerecht wird. Bei vielen Patienten mit Schwindelbeschwerden der Art, wie sie die Klägerin vorträgt (insbesondere beim Wiederaufrichten aus gebückter Haltung oder bei schnellen Kopfbewegungen), bleibt die Ursache trotz ausgedehnter Untersuchungen ungeklärt. In solchen Fällen werden (diagnostisch bisher kaum feststellbare) Mikrozirkulationsstörungen im zentralen Nervensystem als Auslöser vermutet, wobei eine symptomatische Behandlung (Schwindeltraining) bei einem Teil der Patienen zum Erfolg führt, während andere lebenslang bestimmte schnelle Bewegungen vermeiden müssen. Auch wenn die Klägerin zur letzteren Gruppe von Betroffenen zählt, besteht nach der für den Sachverständigen überschaubaren, mehr als zehnjährigen Entwicklung vorliegend keine schwerwiegende Problematik. Folgt man seiner Empfehlung, daß auch bei fehlendem Nachweis von Organbefunden alleine die Angabe von Schwindel bei schnellen Kopfbewegungen bzw. beim Wiederaufrichten aus gebückter Haltung zu arbeitsmedizinischen Konsequenzen führen sollte, resultiert daraus keine Verkürzung der betriebsüblichen Arbeitszeit; vielmehr sind verschiedene Einsatzbeschränkungen zu beachten, die sich in erster Linie aus dem Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers ableiten. Zu vermeiden sind demnach Tätigkeiten mit Absturzgefahr (auf Leitern, Brüstungen, Gerüsten) und an offenen Maschinen. Auch ständiges Gehen und Stehen sind nicht günstig; desgleichen sollten Arbeiten mit häufigem Bücken und Wiederaufrichten vermieden werden. Diesen arbeitsmedizinischen Vorbehalten wird durch eine berufliche Tätigkeit, die ausschließlich oder überwiegend (im Wechsel mit Stehen und/oder gelegentlichem Gehen) stattfindet, hinreichend Rechnung getragen. Nach den Feststellungen des Orthopäden Dr ... (Gutachten vom 04.11.1996) ist die Fähigkeit der Klägerin zum Sitzen (und damit zur Verrichtung einer ausschließlich im Sitzen stattfindenden Berufstätigkeit) nicht limitiert, da die Lendenbandscheiben normal weit sind, die Lendenwirbelsäule frei funktioniert, Hinweise auf Nervenwurzelreizerscheinungen nicht vorliegen und keine Stauungserscheinungen an den unteren Extremitäten bestehen.

Danach kann und konnte die Klägerin zumindest körperlich leichte - nach der insoweit übereinstimmenden Beurteilung der vom Senat gehörten Sachverständigen Dr ... und Dr ... - zeitweise auch mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes noch regelmäßig und vollschichtig verrichten. Nach wie vor gilt der Grundsatz, daß die Erwerbsfähigkeit von Versicherten, die noch ganztätig arbeiten können, nicht von der Feststellung über das Vorhandensein von Arbeitsplätzen abhängt (ständige Rechtsprechung des BSG; vgl. zuletzt Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 - GS 1/95 -). Zwar sind in der Rechtsprechung Ausnahmen für den Fall anerkannt, daß ein Arbeitseinsatz nur "unter betriebsunüblichen Bedingungen" erfolgen kann. Das gilt insbesondere, wenn entweder eine "gravierende Einzelbehinderung" festgestellt ist oder eine Mehrzahl krankheitsbedingter Leistungseinschränkungen vorliegt, die durch ihre Summierung den Zugang zum Arbeitsmarkt derart außergewöhnlicherweise erschweren, daß der Klägerin konkret gesundheitlich zumutbare Erwerbstätigkeiten benannt werden müßten. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Bei Zumutbarkeit einer regelmäßigen Ganztagsbeschäftigung steht der Klägerin nach Überzeugung des Senats noch eine Vielzahl beruflicher Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes offen, auch wenn dabei die Einsatzbeschränkungen den arbeitsmedizinischen Forderungen entsprechen müssen, wie sie sich aus den Feststellungen der Sachverständigen Dr ... und Dr ... über das Vorliegen qualitativer Leistungseinschränkungen ergeben. Bezüglich der Ausübung einer sitzenden Tätigkeit stehen nach übereinstimmender Auffassung der im Berufungsverfahren gutachtlich gehörten Ärzte keine arbeitsmedizinischen Vorbehalte. Darüber hinaus sind bei der Klägerin funktionelle Einschränkungen im Bereich der Finger-, Hand- und Armgelenke nicht vorhanden; sie kann deshalb jede Art von manuellen Frauentätigkeiten, die keinen Armeinsatz über Schulterhöhe verlangen, uneingeschränkt ausüben, soweit die damit verbundenen Arbeiten ganz oder überwiegend im Sitzen zu leisten sind. Folglich braucht nicht ermittelt zu werden, ob es auf dem Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland in genügender Anzahl freie Arbeitsplätze mit zustandsangemessenen Einsatzsbedingungen gibt; denn im Gegensatz zu Versicherten, deren Leistungsvermögen für eine Ganztagsarbeit nicht mehr ausreicht, ist bei Vollzeitarbeitsplätzen in der Regel ohne Einzelfallprüfung von einem offenen Arbeitsmarkt auszugehen (BSG - Großer Senat - aaO).

Der Umstand, daß es der Klägerin möglicherweise nicht gelingt, einen dieser Arbeitsplätze zu erlangen, weil sie entweder besetzt sind oder von den Arbeitgebern aus sozialer Rücksicht (ohne daß es sich um sog. Schonarbeitsplätze handelte) ausschließlich eigenen leistungsgeminderten Betriebsangehörigen vorbehalten werden, führt zu keiner anderen Beurteilung. Dadurch ist die Klägerin nicht in ihrer gesundheitlichen Fähigkeit zur Wahrnehmung derartiger Arbeitsplätze, sondern lediglich in ihrer Wettbewerbsfähigkeit eingeschränkt; der damit verbundene Lohnausfall ist aber nicht von der gesetzlichen Rentenversicherung, sondern bei Erfüllung der dafür gesetzlich bestimmten Anspruchsvoraussetzungen von der Arbeitslosenversicherung auszugleichen.

Mit dem im Laufe des Verfahrens mehrfach wiederholten Vorbringen, sie könne wegen ihrer Schwindelerscheinungen und der bestehenden Kniegelenksbeschwerden keine Arbeitsplätze in angemessener Entfernung aufsuchen, macht die Klägerin eine weitere Ausnahme von dem Grundsatz geltend, daß bei vollschichtigem Einsatzvermögen von einem offenen Arbeitsmarkt auszugehen ist. Da zur Erwerbsfähigkeit auch die Fähigkeit gehört, einen Arbeitsplatz aufzusuchen, gilt nach gefestigter Rechtsprechung des BSG der Arbeitsmarkt als verschlossen, wenn selbst kürzere Fußwege nicht mehr in angemessener Zeit zurückgelegt werden können (BSG SozR Nrn. 21, 27, 101 zu § 1246 RVO; SozR 2200 Nrn. 47, 53, 56 zu § 1247 RVO). Wie der 5. Senat des BSG mit Urteil vom 21.02.1989 (SozR 2200 § 1247 Nr. 56) in Fortführung seiner bisherigen Rechtsprechung (SozR 2200 § 1247 Nr. 53) entschieden hat, soll es bei der Beurteilung der Mobilität eines Versicherten nicht auf die konkreten Anforderungen ankommen, die sich aus der Lage seines Wohnortes und möglicher Arbeitsstellen ergeben, weil besondere Nachteile der persönlichen Wohnsituation grundsätzlich nicht zum versicherten Risiko gehören. Das BSG hat deshalb für die Bestimmung der erforderlichen Fußwegstrecken (die der Versicherte täglich viermal zurückzulegen in der Lage sein müsse) einen generalisierenden Maßstab angesetzt, der nicht nur der Notwendigkeit einer allgemein gültigen Abgrenzung des Versicherungsrisikos, sonderen auch den Anforderungen einer Massenverwaltung, wie der gesetzlichen Rentenversicherung Rechnung trägt. Dadurch soll verhindert werden, daß die - grundsätzlich mögliche - Verweisung auf das gesamte Bundesgebiet lediglich abstrakte, jeden konkreten Ansatz verlassende Züge annimmt, weil alle innerhalb und außerhalb des Bundesgebiets ansässigen Rentenbewerber, die erheblich geringere Wegstrecken als üblich zu Fuß zurücklegen können, auf den Wirtschaftsraum in Deutschland verwiesen werden, der über das dichteste Netz an Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel verfügt. Dementsprechend hat das BSG aufgrund allgemeiner Erfahrungen generell eine Fähigkeit des Versicherten für erforderlich gehalten, Entfernungen von wenigstens 500 m zu Fuß zurückzulegen. Es ist davon ausgegangen, daß derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsplätze oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen. Für den Zeitfaktor, innerhalb dessen die zumutbare Wegstrecke zu bewältigen sein muß, hat das BSG ebenfalls einen generalisierenden Maßstab gewählt. Dabei ist es von der Rechtsprechung zum Schwerbehindertengesetz ausgegangen und hat den noch üblichen Zeitaufwand von 30 Minuten für 2 km zugrunde gelegt, der bereits kurze Warte- und Standzeiten einbezieht. Umgerechnet auf 500 m ergibt sich so eine normale Gehzeit von 7,5 Minuten. Der Bereich des Zumutbaren wird nach Auffassung des BSG dann verlassen, wenn der Gehbehinderte für 500 m mehr als das Doppelte dieser Zeit, also etwa 20 Minuten benötigt (vgl. SozR 3-2200 § 1247 Nr. 10 mwN).

Soweit die Klägerin geltend macht, die üblicherweise anfallenden Fußwegstrecken zwischen Wohnung und Arbeitsplatz bzw. zu und von den Haltestellen der öffentlichen Verkehrsmittel wegen ihrer Schwindelerscheinungen nicht mehr ohne Begleitung zurücklegen zu können, wird dieses Vorbringen durch das Ergebnis der medizinischen Beweisaufnahme nicht gestützt. Dr ... verneint im Gegenteil eine wesentliche Mobilitätsbeschränkung aus HNO-ärztlicher Sicht. Bei Vorhandensein der visuellen Kontrolle sind keine Unfälle durch Gleichgewichtsstörungen zu erwarten; es besteht weder Selbst- noch Fremdgefährdung. Außerdem hat es die Klägerin in der Hand, solche Bewegungsabläufe zu vermeiden, die erfahrungsgemäß kurzzeitige Schwindelerscheinungen hervorrufen können.

Zur Überzeugung des Senats liegt bei der Klägerin auch auf orthopädischem Fachgebiet keine im Sinne der vorstehend zitierten Rechtsprechung bedeutsame Einschränkung ihrer Wegefähigkeit vor. Unzweifelhaft ist ihr Gehvermögen durch degenerative Veränderungen beider Kniegelenke (insbesondere des linken) beeinträchtigt. Beide Kniegelenke sind frei beweglich und beidseits die vorderen Kreuzbänder etwas gelockert, die Seitenbänder dagegen in Streckstellung fest. Das linke Kniegelenk weist entsprechend den dort ablaufenden stärkeren degenerativen Veränderungen gegenüber rechts eine leichte Verdickung auf; ansonsten sind Umfangsdifferenzen an den unteren Extremitäten nicht meßbar, so daß die Schonungsbedürftigkeit des linken Beines von Dr ... nicht als gravierend eingestuft wird. Dem Beschwielungszustand der Fußsohlen war im Zeitpunkt der Untersuchung durch Dr ... zu entnehmen, daß die Klägerin die unteren Extremitäten noch ausreichend belastete. Insgesamt wurden von diesem Sachverständigen die Verschleißerscheinungen im linken Kniegelenk nicht als soweit fortgeschritten beurteilt, daß die Klägerin vor Beginn und am Ende der Arbeitszeit begründbar nur noch weniger als 500 m zu Fuß von ihrer Wohnung zu einem öffentlichen Verkehrsmittel und von dort zum Arbeitsplatz zurücklegen könnte. Bei Verwendung eines rechts geführten Stocks zur Entlastung des linken Kniegelenks geht der orthopädische Sachverständige davon aus, daß die Klägerin noch eine schmerzfreie Gehstrecke von 600 - 700 m zurücklegen kann. Es handelt sich dabei um die untere Grenze der nach dem vorliegenden Objektivbefund zumutbaren Gehstreckenbelastung (zum Vergleich weist Dr ... darauf hin, daß es zahlreiche Patienten mit ähnlich gelagerten Verschleißerscheinungen gibt, die durchaus in der Lage sind, schmerzfrei 2 bis 3 km gehen zu können, während andere, besonders schmerzempfindliche Patienten schon nach Wegstrecken von etwa 600 m subjektive Beschwerden empfinden). Mit der für die einzelne Wegstrecke benötigten Gehdauer von 10 - 15 Minuten liegt die Klägerin klar innerhalb des von BSG zugelassenen Zeitlimits. Zusammenfassend ist deshalb davon auszugehen, daß die Klägerin objektiv in der Lage ist, von einer durchschnittlich an öffentliche Verkehrsmittel angebundenen Wohnung im Bundesgebiet aus zumutbare Arbeitsplätze zu erreichen. Sie ist daher nicht erwerbsunfähig im Sinne des § 1247 Abs. 2 RVO (44 Abs. 2 SGB VI).

Zutreffend hat das Sozialgericht auch den - hilfsweise zu prüfenden - Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit verneint. Der Begriff "Berufsunfähigkeit" ist in § 1246 Abs. 2 RVO (43 Abs. 2 SGB VI) definiert. Danach ist berufsunfähig der Versicherte, dessen Erwerbsfähigkeit infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf weniger als die Hälfte derjenigen eines körperlich und geistig gesunden Versicherten mit ähnlicher Aussbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten herabgesunken ist (§ 1246 Abs. 2 Satz 1 RVO). Dabei umfaßt der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit eines Versicherten zu beurteilen ist, gem. § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO alle Tätigkeiten, die seinen Kräften und Fähigkeit entsprechen und ihm unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs seiner Ausbildung sowie seines bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen seiner bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können.

Ausgangspunkt für die Beurteilung einer rentenrechtlich bedeutsamen Erwerbsminderung ist der bisherige (versicherungspflichtig ausgeübte) Beruf (sog. Hauptberuf) der Klägerin. Sie hat im Jahre 1964 eine dreijährige Lehre als Damenschneiderin mit der Gesellenprüfung abgeschlossen und anschließend bis zur Arbeitsbeendigung im September 1987 ausschließlich Tätigkeiten aus diesem Berufskreis verrichtet. Auch wenn die Firma ... als letzter Arbeitgeber in ihrer Auskunft vom 12.07.1996 mitgeteilt hat, daß auch eine im Nähen geschickte (ungelernte) Arbeitnehmerin nach einer sechsmonatigen Anlernzeit ohne weiteres als Musternäherin eingesetzt werden könne, ist daraus nicht zwingend der Schluß zu ziehen, daß die Klägerin mit der Einstufung in die Lohngruppe V, der nach dem jetzt gültigen Tarifvertrag die Lohngruppe VI entspricht, übertariflich eingestuft war. Im Lohngruppenverzeichnis zum Lohntarifvertrag für die arbeiterrentenversicherungspflichtigen Arbeitnehmer der Bekleidungsindustrie in Unterfranken vom 10.06.1992 ist die Lohngruppe VI wie folgt umschrieben: "Musterteile (Erstmuster/Prototypen) komplett anfertigen in der Musterabteilung", während die Lohngruppe VII die gleichen Tätigkeiten an "Großstücken (Sakko, Kostümjacke, Damenblazer, Mantel)" erfaßt. Da die Klägerin nach der Auskunft vom 27.09.1991 als Musternäherin in der Abteilung "Damenoberbekleidung" beschäftigt war, erscheint es nicht ausgeschlossen, daß sogar die (nach dem Lohngruppenverzeichnis höchste) Lohngruppe VII für sie zutreffend gewesen wäre. Beide Lohngruppen (VI und VII) erfassen jedoch für das Berufsbild einer gelernten Damenschneiderin typische Tätigkeiten. Insofern begegnet die rechtliche Bewertung des Sozialgerichts, der Klägerin den Berufsschutz zuzuerkennen, keinen Bedenken. Daneben sind allerdings auch keine Gesichtspunkte hervorgetreten, daß die Klägerin als Facharbeiterin mit Vorgesetztenfunktion oder als besonders hochqualifizierte Facharbeiterin zu beurteilen wäre. Muß sie demnach als schlichte Facharbeiterin beurteilt werden, sind ihr gem. § 1246 Abs. 2 Satz 2 RVO nicht nur Tätigkeiten aus diesem Qualifikationsbereich, sondern auch solche der nächstniedrigeren Gruppe zumutbar, soweit sie die Klägerin weder nach ihrem beruflichen Können und Wissen noch bzgl. ihrer gesundheitlichen Kräfte überfordern. Nach der neueren Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 30.09.1987 - 5 RJ 20/86 - und vom 07.10.1987 - 4a RJ 67/86 -), welcher sich der erkennende Senat angeschlossen hat, muß es sich bei den der Gruppe "sonstiger Ausbildungsberufe" entnommenen Verweisungstätigkeiten um solche handeln, welche die Betroffene nach einer Anlernzeit von höchsten drei Monaten wettbewerbsfähig ausüben kann, die aber objektiv für eine ungelernte Arbeiterin eine mindestens drei Monate umfassende (betriebliche oder außerbetriebliche) Ausbildung erfordert. Die häufig schwierige und umstrittene Frage der Verweisbarkeit auf nicht nur kurzfristig angelernte Tätigkeiten im Sinne eines "sonstigen Ausbildungsberufs" stellt sich vorliegend nicht, da die Klägerin nach übereinstimmender Auffassung aller im Berufungsverfahren gehörten Sachverständigen unter gesundheitlichen Aspekten die zuletzt verrichtete Tätigkeit (als Musternäherin bei der Firma ...) nach wie vor verrichten könnte. Unter diesen Umständen scheidet die Annahme von Berufsunfähigkeit von vorneherein aus; ist eine Versicherte nämlich in ihrem Beruf noch ausreichend erwerbsfähig im Sinne des § 1246 Abs. 2 Satz 1 und 2 RVO, so liegt Berufsunfähigkeit nicht vor, ohne daß es auf ihre Verwendbarkeit in einem sog. Verweisungsberuf ankommt (BSG, Urteil vom 13.12.1984 in SozR 2200 § 1246 Nr. 126).

Nach Auffassung des Senats begegnet aber auch die vom Sozialgericht vorgenommene Verweisung der Klägerin auf die Tätigkeit einer Änderungsschneiderin trotz der dagegen von ihr im Berufungsverfahren vorgebrachten Einwendungen keinen Bedenken. Zum Aufgabenbereich der Änderungsschneiderin gehört eine Vielzahl von Tätigkeiten, die dem Berufsbild der gelernten Schneiderin entnommen sind (z.B. Längen, Kürzen, das Enger- oder Weitermachen von Hosen, Röcken, Jacken und Mänteln; Verlegen von Knopflöchern; Verbreitern oder Verschmälern von Jacken- und Mäntelaufschlägen), weshalb ohne weiteres davon auszugehen ist, daß hierfür bei ungelernten Arbeitnehmern eine Anlernzeit von deutlich mehr als drei Monaten erforderlich ist, während die Klägerin aufgrund ihrer Schneiderausbildung ohne eigentliche Anlernzeit die in Änderungsschneidereien üblicherweise anfallenden Arbeiten übernehmen kann. Der ganz überwiegende Teil der Arbeitszeit entfällt auf Tätigkeiten, die im Sitzen verrichtet werden können. Auch bei den übrigen Aufgaben der Änderungsschneiderin tritt die Notwendigkeit, sich einseitig auf den Boden knieen zu müssen (etwa um die Länge einer zu ändernden Hose abzustecken) relativ selten auf. Die meisten (sonstigen) Verrichtungen (Bügeln der geänderten Kleidung, Entgegennahme von Aufträgen, Herausgabe geänderter Kleidungsstücke, Anprobe und Abstecken von Damenkleidern, Röcken und Jacken) können im Stehen oder notfalls in gebückter Körperhaltung abgewickelt werden. Auch versteht der Senat die Aussage Dr ..., von der Klägerin sollten keine Tätigkeiten mehr verrichtet werden, bei denen sie sich (zum Abstecken von Kleidungsstücken) einseitig hinknieen muß, in dem Sinne, daß ein solcher Arbeitseinsatz unzumutbar ist, wenn die sozialmedizinisch als ungünstig beurteilten Körperhaltungen ein prägendes Element der Tätigkeit darstellen, also mehr als nur gelegentlich oder gar selten vorkommen. Im übrigen sind weitaus die meisten Änderungsschneidereien mit mehr als einer dort arbeitenden Person besetzt, weshalb es die Verwendbarkeit der Klägerin für diese Tätigkeit nach Überzeugung des Senats nur unwesentlich einschränkt, wenn sie das Abstecken von Hosen am "lebenden Objekt" jeweils anderen Mitarbeitern überläßt.

Die am beruflichen und gesundheitlichen Leistungsvermögen der Versicherten orientierten Voraussetzungen der hier streitigen Ansprüche auf Rentenleistungen wegen verminderter Erwerbsfähigkeit haben durch die ab 01.01.1992 geltenden Bestimmungen der § 43 und 44 SGB VI gegenüber dem bis 31.12.1991 geltenden Rechtszustand keine Änderung erfahren. Für die Klägerin sind deshalb die geltend gemachten Ansprüche auch nicht durch das Rentenreformgesetz 1992 für Zeiträume ab 01.01.1992 begründet worden. Bei der Klägerin liegen und lagen somit seit Rentenantragstellung weder Erwerbs- noch Berufsunfähigkeit vor, weshalb die Beklagte mit den streitbefangenen Bescheiden die Bewilligung von Rentenleistungen zu Recht abgelehnt hat. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved