L 9 EG 16/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 10 EG 29/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 16/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.04.2001 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des ersten und zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der Ansprüche auf Bundeserziehungsgeld (BErzg) für das zweite sowie auf Landeser- ziehungsgeld (LErzg) für das dritte Lebensjahr streitig.

I.

Die am 1973 geborene verheiratete Klägerin ist die Mutter der am 1999 geborenen J ... Ihr am 1966 geborener Ehemann hat aus einer früheren Ehe eine Tochter (A. , geboren 1992), für die dessen frühere Ehefrau das Kindergeld bezieht. Die Klägerin lebt mit ihrem Ehemann in einem gemeinsamen Haushalt und betreut und erzieht J ... Durch Bescheid vom 29.11.1999 hatte sie für den ersten mit zwölften Lebensmonat des Kindes BErzg unter Anrechnung von Mutterschaftsgeld erhalten.

Aufgrund des am 18.09.2000 gestellten Zweitantrags für den 13. mit 24. Lebensmonat, in welchem sie angab, ab 01.02.2000 eine geringfügige Teilzeittätigkeit auszuüben, das Kind allerdings weiterhin zu versorgen und zu erziehen, ermittelte der Beklag- te das maßgebliche Einkommen und bewilligte durch Bescheid vom 18.09.2000 BErzg in Höhe von DM 464,00 unter Anrechnung von DM 136,00 monatlich. Zugrunde gelegt wurden Einkünfte in Höhe von DM 54.233,00, von denen Werbungskosten in Höhe von DM 2.000,00, Pauschalabsetzungen von 27 v.H. (DM 14.102,91) sowie Unterhalt in Höhe von DM 4.644,00 abgesetzt wurden. Das positive Einkommen in Höhe von DM 33.486,09 überstieg die Einkommensgrenze in Höhe von DM 29.400,00 um DM 4.086,09. Hier- aus wurden 40 v.H. angerechnet, d.h. DM 1.634,43 jährlich, DM 136,00 monatlich. Die monatliche Leistung belief sich folglich auf DM 464,00.

Insoweit rügte die Klägerin, Unterhalt für das bei der leib- lichen Mutter lebende Kind ihres Mannes aus erster Ehe sei zu Unrecht lediglich in Höhe von DM 4.644,00 angerechnet worden, nicht aber in der zutreffenden Höhe von DM 6.264,00 jährlich. Tatsächlich werde der monatliche Unterhalt in Höhe von DM 522,00 einerseits durch Barzahlung in Höhe von DM 387,00, andererseits durch die Hälfte des Kindergeldes in Höhe von DM 135,00 erbracht. Die Unterhaltsleistungen beliefen sich also insgesamt nicht auf DM 387,00 sondern auf DM 522,00. Der Rechtsbehelf wurde im wesentlichen mit der Begründung zurück- gewiesen, die zulässigen Abzüge seien abschließend in § 6 Abs.1 Nrn.1 mit 3 BErzGG geregelt. Unterhalt sei nur bis zur Höhe des festgelegten Betrages zu berücksichtigen, allerdings nur in tatsächlich geleisteter Höhe. Kindergeld wirke sich im Ergebnis bedarfsmindernd aus und stelle lediglich einen Rechnungsposten bei der Ermittlung des Unterhaltes dar (Widerspruchsbescheid vom 01.12.2000).

Auf den weiteren Antrag vom 18.09.2000 bewilligte der Beklagte (Bescheid vom 18.09.2000) LErzg für den 25. mit 36. Lebensmo- nat des Kindes in Höhe von fünf Sechstel des gewährten BErzg, d.h. in Höhe von DM 387,00 monatlich. Der hiergegen eingelegte Rechtsbehelf wurde durch den oben angeführten Widerspruchsbescheid vom 01.12.2000 gleichfalls zurückgewiesen.

II.

Mit der zum Sozialgericht (SG) Augsburg erhobenen Klage machte die Klägerin BErzg und LErzg unter Berücksichtigung der von ihrem Ehemann geleisteten Unterhaltsleistungen in voller Höhe geltend. Laut der vorgelegten Urkunde des Jugendamtes A. vom 22.10. 1998, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird, sei die Unterhaltsleistung in Höhe des Regelbetrages festgesetzt worden, das Bundeserziehungsgeldgesetz sehe Kürzungen kindergeldbezogener Leistungen nicht vor.

Aufgrund mündlicher Verhandlung änderte das SG die angefochtenen Bescheide insoweit ab, als sowohl BErzg als auch LErzg unter Berücksichtigung des hälftigen Kindergeldes als zusätzliche Unterhaltsleistung in Höhe von DM 135,00 monatlich zu gewähren seien. Es komme nicht auf die Art des Zahlungsweges an. Der Ehemann der Klägerin komme seinen Unterhaltsverpflichtungen in Höhe von DM 387,00 nach, zusätzlich sei das Kindergeld in Höhe von DM 135,00 anzurechnen.

III.

Mit der zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung wendet der Beklagte ein, das hälftige Kindergeld sei von den Einkünften nicht als zusätzliche Unterhaltsleistung abzusetzen. Der festgelegte Betrag im Sinne des § 6 Abs.2 Nr.2 BErzGG sei der Betrag, den der Kläger schulde. Der Gesetzgeber habe sich insoweit an § 11 BKGG a.F. angeglichen und bestimmt, dass das Nettoeinkommen maßgeblich sein solle. Vom Bruttoeinkommen sollten nur solche Absetzungen vorgenommen werden, die letzteres minderten, was bedeute, dass nur tatsächliche Aufwendungen berücksichtigt werden könnten. Demgegenüber mindere der Kindergeldanteil das Bruttoeinkommen nicht, sondern fließe allenfalls dem Ehemann der Klägerin zu. Es diene der Entlastung von Kindesunterhalt, mindere die Aufwendungen zum Unterhalt und wirke sich insoweit bedarfsmindernd aus. Das entspreche der Festlegung der Verpflichtung zum Unterhalt, welche sich nach dem Einkommen ohne Kindergeld richte. Die zum 01.07. 1998 durch das Kindesunterhaltsgesetz im Unterhaltsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches eingetretenen Veränderungen berührten die Zielsetzungen des § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG nicht. Die Klägerin hält im Berufungsverfahren an ihrem erstinstanziellen Vortrag fest.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.04.2001 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin stellt den Antrag,

die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 23.04.2001 zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Verfahrensakten beider Rechtszüge sowie der Erziehungsgeldakte des Beklagten Bezug genommen, insbesondere auf die Niederschrift der Senatssitzung vom 16.05.2002.

Entscheidungsgründe:

Die mangels Vorliegens einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) aufgrund der Addition (§ 5 ZPO) der im Berufungsverfahren geltend gemachten Ansprüche auf wiederkehrende Leistungen für mehr als ein Jahr grundsätzlich statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, und ingesamt zulässige Berufung des Beklagten, §§ 143 ff. SGG, erweist sich als in der Sache begründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens sind die Bescheide vom 18.09.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.12. 2000, mit denen nur die tatsächlich erbrachten Unterhaltsleis- tungen für das aus erster Ehe des Ehemannes der Klägerin stammende Kind A. berücksichtigt wurden.

Entgegen der Auffassung des SG können im Rahmen der Einkommensermittlung nur die tatsächlich erbrachten Unterhaltsleistungen abgesetzt werden, § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG. Insoweit hat sich der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des § 6 BErzGG an der im Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens des Gesetzes bereits geltenden Regelung des § 11 BKGG a.F. angelehnt und Unterhaltsleistungen lediglich bis zu dem durch einen Unterhaltstitel oder eine Vereinbarung festgelegten Betrag zur Absetzung zugelassen (vgl. BT Drs.10/3792 S.17). Maßgeblich für die Berechnung des BErzg sollte danach das Nettoeinkommen sein. Es sollten also nur die tatsächlichen Aufwendungen für den Unterhalt von Kindern angerechnet werden, für die die Einkommensgrenze nicht erhöht worden ist, nicht aber der Kindergeldanteil, denn dieser mindert das Einkommen nicht.

Durch die Regelungen der § 1612b und c BGB haben sich Änderungen im Sinne einer Auswirkung auf das Begehren der Klägerin nicht ergeben. Nach wie vor soll das Kindergeld die Unterhaltslast der Unterhaltsverpflichteten mindern. Es wirkt auf Seiten des unterhaltsberechtigten Kindes aufgrund der Auszahlung an die Unterhaltsverpflichteten nicht unmittelbar bedarfsverringernd; das Kind muss sich das Kindergeld aber auf seinen Unterhaltsanspruch verrechnen lassen, weil erwartet werden kann, dass die Eltern das Kindergeld dem Kind zu Gute kommen lassen, vgl. Palandt-Diederichsen, BGB, 61. Auflage, Einführung vor § 1601 Rdnr. 45.

Da das Kindergeld grundsätzlich nicht mehr als Sozialleistung, sondern als Steuervergünstigung ausgezahlt wird, § 31 Satz 3 EStG, ist es im 10. Abschnitt des EStG geregelt (§§ 62 ff.). Es wird an die Kindergeldberechtigten unabhängig von einer etwaigen Steuerschuld gezahlt und ist deshalb nur bei einem mangels Einkommens nicht Einkommensteuerpflichtigen eine echte Sozialleistung. Wie vom Beklagten vorgetragen dient das Kindergeld zur Minderung der Unterhaltslast der Eltern des Kindes und wird nur an einen von ihnen ausgezahlt, so dass sich das Kind dieses auf seinen Barunterhalt gegenüber dem anderen Elternteil anrechnen lassen muss. Dem barunterhaltsverpflichteten Elternteil kommt sein Anteil am Kindergeld dann dadurch zu Gute, dass sich seine Verpflichtung dem Kind gegenüber entsprechend verringert, vgl. Palandt-Diederichsen, a.a.O., § 1600b Rdnr. 2. Vorgenannte Vorschrift sieht den Halbteilungsgrundsatz vor, welcher eine entsprechende Anrechnung auf den Unterhaltsanspruch des Kindes bedingt.

Unterhaltsrechtlich ist das Kindergeld kein Einkommen, vgl. BGH FamRZ 97.806, 807, Born in Münchener Kommentar, Anm.30 zu § 1612b. Bei der Auszahlung des Kindergeldes an die frühere Ehefrau des Ehemannes der Klägerin ergab sich mithin keine Minderung des Bruttoeinkommens. Da es die Unterhaltslast des Verpflichteten mindert, ist es auch nicht als dessen eigene Unterhaltsleistung zu werten. Festgelegter Unterhalt im Sinne des § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG ist nach allem nur der Endbetrag nach Abzug des Kindergeldanteils gemäß § 1612b BGB.

Steuerrechtlich gilt, dass ein bestehender zivilrechtlicher Ausgleichsanspruch nach § 31 Satz 5 EStG dem dem Ausgleichsberechtigten gezahlten Kindergeld gleichgestellt wird. Umgekehrt wird der mit dem Ausgleichsanspruch Belastete so behandelt, als habe er nur ein entsprechend vermindertes Kindergeld er- halten. Es genügt, dass der Ausgleichsanspruch für den Veran- lagungszeitraum besteht oder bestanden hat. Er muss dem Steuerpflichtigen weder durch Minderung seiner Barunterhaltspflicht zu Gute kommen, noch muss dies entsprechend dem missverständlichen Wortlaut des § 31 noch möglich sein. Nach dem ab 01.07. 1998 geltenden § 1612b BGB wird unterhaltsrechtlich der Halbteilungsgrundsatz für das aus Vereinfachungsgründen dem sogenannten vorrangig Berechtigten ausgezahlte Kindergeld für die Unterhaltsansprüche des Kindes dadurch sichergestellt, dass dem Barunterhaltsverpflichteten das Kindergeld zur Hälfte angerechnet wird. Der Ausgleichsanspruch nach § 1612b BGB gilt nunmehr sowohl für Väter nichtehelicher Kinder als auch für geschiedene oder getrennt lebende Elternteile, vgl. Ludwig Schmidt, EStG, 20. Auflage 2001, § 31 Rdnr. 35.

Der den Barunterhaltsverpflichteten entlastende Kindergeldanteil wirkt sich faktisch bedarfsdeckend aus, er führt insbesondere nicht zu einer Erhöhung des Unterhaltsbedarfs, sondern beide Elternteile werden in angemessener Weise bei der Erfüllung ihrer jeweiligen Unterhaltspflicht gegenüber den Kindern entlastet. Im Rahmen des § 6 Abs.1 Nr.2 BErzGG hat der Beklagte daher zu Recht nur auf den tatsächlich geleisteten Unterhalt in Höhe von DM 387,00 monatlich abgestellt. Insoweit wird der Anspruch des berechtigten Kindes gegenüber dem barunterhaltver- pflichteten Elternteil entsprechend verringert, vgl. Palandt-Diederichsen, a.a.O., § 1612b Rdnr. 2.

Hinsichtlich des streitgegenständlichen Antrags auf Landeserziehungsgeld, dessen Höhe fünf Sechstel des gewährten Bundes- erziehungsgeldes beträgt, gelten die obigen Darlegungen wegen der Verweisung des Art.5 Abs.1 BayLErzGG auf die Regelungen der §§ 5 und 6 BErzGG entsprechend.

Insgesamt ist die Berufung des Beklagten erfolgreich, so dass das erstinstanzielle Urteil infolgedessen aufzuheben und die Klage abzuweisen war.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang konnte der Beklagte nicht zur Erstattung der notwendigen Aufwendungen verpflichtet werden, die der Klägerin zu deren Rechtsverfolgung entstanden sind.

Der Senat hat die Revision wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs.1, 2 Ziffer 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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