L 12 KA 85/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 38 KA 2506/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 85/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Juni 2000 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat der Beklagten auch die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen den Honorarbescheid der Beklagten vom 23. Januar 1998 für das Quartal 1/96 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 1998.

Der Kläger ist als HNO-Arzt in A. niedergelassen und nimmt an der vertragsärztlichen Versorgung teil.

Die Beklagte hat mit Schreiben vom Juli 1996 dem Kläger eine Berechnung der "4. Abschlagszahlung" für das Quartal 1/96 mit einem gerundeten vorläufigen Abrechnungsergebnis von 161.000,00 DM übersandt. Der Kläger wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für das Quartal 1/96 zunächst keine Honorarbescheide erstellt würden und deswegen eine Restzahlung für das Quartal 1/96 nicht erfolgen könne, sondern lediglich eine "4. Abschlagszahlung". Diese "4. Abschlagszahlung" wird in der Folge auch als Vorschuss bezeichnet. Die näheren Gründe für diese Vorgehensweise und die Gesamtproblematik der Abrechnung im 1. Quartal 1996 wurden dem Kläger in einem beiliegenden Schreiben vom 22. Juli 1996 eingehend dargelegt. Insbesondere wurde darauf hingewiesen, dass die Erteilung eines Honorarbescheides als rechtlich verbindliche Festsetzung der Honorarsumme aus zwingenden Gründen eine Rückstellung erfordern würde. Gerade dies solle aber vermieden werden, weil dann das Geld auf Konten der KVB liege und dem Arzt nicht zur Verfügung stehe. Nach endgültiger Klärung der Rechtslage werde die KVB den Honorarbescheid erstellen. Dies könne bedeuten, dass es im Wesentlichen bei dem vorschussweise gezahlten Betrag bleibe, eine Nachzahlung zu leisten sei oder eine Rückzahlung wegen des vorläufig zu hoch berechneten Punktwerts fällig werde. Das genaue Ergebnis hänge vom Einzelfall ab. Der Kläger könne aber selbstverständlich auch schon jetzt die Erteilung eines Honorarbescheides verlangen. Für diesen Fall wurde um eine entsprechende Mitteilung bis 23. August 1996 gebeten. Der Kläger erhalte dann einen Honorarbescheid, bei dem aber eine entsprechende Rückstellung festzusetzen sei und einbehalten werden müsse. Der Punktwert nach rückwirkender Budgetierung belaufe sich auf 6,45 DPf. (PK) bzw. 7,6 DPf. (EK), dies sei die Grundlage für die "4. Abschlagszahlung". Der Punktwert ohne rückwirkende Budgetierung belaufe sich auf 5,6 DPf (PK) bzw. 6,62 DPf. (EK), was die Grundlage für den Honorarbescheid wäre. Der Kläger hat die Erteilung eines Honorarbescheides innerhalb der von der Beklagten gesetzten Frist nicht beantragt.

Mit Honorarbescheid der Beklagten vom 23. Januar 1998 wurde das Honorar des Klägers für das Quartal 1/96 auf DM 151.228,11 festgesetzt.

Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 20. Februar 1998 Widerspruch eingelegt, der mit Schriftsätzen vom 20. März 1998 und 3. April 1998 näher begründet wurde. Gegen die Aufhebung der Teilbudgetierung 1/96 für die Gesprächsleistungen lege er Widerspruch ein, da es nicht angehen könne, dass rückwirkend die Ausweitung obiger Ziffernabrechnung von ihm mitgetragen werden müsse. Mit dem Bescheid zur korrigierten Abrechnung sei er aufgrund einer Neuberechnung der Honoraransprüche für das Quartal 1/96 zur Rückzahlung des durch den Bescheid aktenkundigen Betrages aufgefordert worden. Die Verpflichtung zur Erstattung dieses Betrages sei schon deshalb rechtswidrig, weil die Voraussetzungen für eine Aufhebung der Honorarbescheide gemäß § 45 Abs.3 Nr.2 SGB X für die streitgegenständlichen Quartale nicht vorlägen und somit auch kein Rückerstattungsanspruch gemäß § 50 Abs.3 SGB X bestehe. Entscheidend sei, dass die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes nach den allgemeinen Vorschriften des sozialrechtlichen Verwaltungsverfahrens mit Wirkung für die Vergangenheit nur in den Fällen des § 45 Abs.4 SGB X möglich sei. Einer der dort genannten Ausnahmefälle liege hier zweifellos nicht vor. Unabhängig davon berufe er sich auch auf Vertrauensschutz. Das Vertrauen sei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen habe, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Ersteres sei hier der Fall, da die gewährten Leistungen im Vertrauen auf den Bestand der begünstigenden Honorarbescheide bereits vollständig verbraucht seien. Sein Vertrauen in den Bestand des Bescheides sei auch nicht etwa durch den Zusatz der Beklagten, die Bescheide stünden unter dem Vorbehalt einer nachfolgenden Korrektur, zerstört. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten handele es sich bei diesem Zusatz nicht um einen Widerrufsvorbehalt im Sinne von § 32 Abs.2 Nr.3 SGB X, der von vorneherein ein Vertrauen auf den Fortbestand des Verwaltungsaktes ausschließe. Vielmehr liege hier lediglich ein pauschaler Hinweis auf mögliche Veränderungen der Rechtslage vor, der nach höchstrichterlicher Rechtsprechung von einer echten Nebenbestimmung im Sinne von § 32 SGB X abzugrenzen sei (Hinweis auf Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. Oktober 1983 - 7 RAr 17/83, NJW 1984, 942). Schließlich sei zu beachten, dass die Erstellung von neuen Bescheiden nicht entgegen den allgemeinen Rechtsgrundsätzen erfolgen könne, wonach eine Verböserung unzulässig sei (Hinweis auf BSGE 53, 287 - SozR 3-5550 § 15 Nr.1). Infolgedessen würden auch andere Kassenärztliche Vereinigungen kein Honorar aufgrund einer Neuberechnung dieser Quartale zurückfordern.

Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 1998 den Widerspruch zurückgewiesen. Der Widerspruchsbescheid befasst sich zunächst mit der Honorarverteilung auf der Grundlage des im 1. Quartal 1996 geltenden Honorarverteilungsmaßstabes und der in der Anlage 4 zum HVM vorgesehenen Härtefallregelung. Sodann wird ausgeführt, dass die Beklagte wegen des Urteils des Bundessozialgerichts vom 17. September 1997 - 6 RKa 36/97 - zur Rechtswidrigkeit der rückwirkenden Einführung von Teilbudgets für Leistungen der Nrn.10, 11, 17, 18, 42, 44, 60, 801 und 851 EBM-96 in den Quartalen 1/96 und 2/96 verpflichtet gewesen sei, die geltend gemachten Leistungen ohne Berücksichtigung von Teilbudgets nachzuvergüten. Die Nachvergütung habe erst nach Vorliegen des Urteils des BSG nach zwei Jahren durchgeführt werden können. Ein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand der gewährten Zahlungen habe auch nach zwei Jahren nicht bestanden, da die Beklagte für das Quartal 1/96 grundsätzlich nur eine "4. Abschlagszahlung" ohne Bildung von Rückstellungen erteilt habe, sofern nicht ausdrücklich ein Honorarbescheid als rechtlich verbindliche Festsetzung der Honorarsumme verlangt worden sei. Eine endgültige Festsetzung der Honorare sei damit nicht erfolgt, so dass § 45 SGB X schon von daher nicht einschlägig sei. Bei der Ermittlung der Nachvergütung ohne Berücksichtigung der rückwirkenden Teilbudgetierung habe eine Neuberechnung des gesamten Honoraranspruches aller Vertragsärzte vorgenommen werden müssen. Die Beklagte sei nach § 85 Abs.4 SGB V befugt gewesen, auch diejenigen Ärzte bei der Honorierung ohne die rückwirkende Budgetierung zu berücksichtigen, die einen Widerspruch nicht eingelegt hätten. Der Honoraranspruch werde erst fällig, wenn der Gesamtpunktwert für alle Vertragsärzte feststehe. Aufgrund der trotz erfolgter Wirtschaftlichkeits- und Plausibilitätsprüfung gestiegenen Gesamtleistungsmenge und der gleich bleibenden zur Verteilung zur Verfügung stehenden Gesamtvergütung habe sich ein abgesenkter Punktwert für die gesamte Leistungsanforderung im Bereich des Honorarfonds "Übrige Leistungen" (restliche Leistungen) ergeben, der zur Auszahlung gekommen sei. § 85 Abs.4 SGB V verpflichte nicht zu Stützungsmaßnahmen für den Honorarfonds "Übrige Leistungen" zu Lasten der anderen Töpfe. EBM-bedingte Honorarrückgänge von mehr als 15 % könnten ggf. bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen im Rahmen einer Härtefallregelung nach Anlage 4 des HVM geltend gemacht werden. Soweit der Widerspruch weitere Einwendungen gegen den Honorarbescheid 1/96 enthalte, erhalte der Kläger hierüber aus verwaltungstechnischen Gründen einen gesonderten Bescheid.

Hiergegen richtet sich die Klage zum Sozialgericht München vom 21. Dezember 1998, die in der Folge nicht näher begründet wurde.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 2. Februar 1999 unter Bezugnahme auf die Gründe des Widerspruchsbescheides beantragt, die Klage abzuweisen.

Das Sozialgericht München hat mit Urteil vom 28. Juni 2000 die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide seien rechtmäßig. Mit dem angefochtenen Honorarbescheid vom 22. Januar 1998 sei erstmals endgültig die Honorarfestsetzung zum Quartal 1/96 erfolgt. Vorher, d.h. im Jahre 1996, sei bzgl. der Honorabrechnung kein bestandskräftiger endgültiger Bescheid erlassen worden, sondern lediglich eine "4. Abschlagszahlung". Von daher sei im vorliegenden Fall § 45 SGB X nicht anwendbar und somit komme es auch nicht darauf an, ob die Voraussetzungen nach § 45 Abs.2 SGB X bzw. § 45 Abs.3 Nr.2 SGB X vorlägen. Soweit der Kläger auf die Urteile des Sozialgerichts Magdeburg bzw. Sozialgerichts Gotha (SG Magdeburg, Urteil vom 16. Februar 2000; Az.: S 7 KA 59/98; SG Gotha, Urteil vom 2. März 2000, Az.: S 7 KA 388/00 BA) Bezug nehme, sei darauf hinzuweisen, dass diesen Entscheidungen ein anderer Sachverhalt zugrunde liege. Dort seien statt Abschlagszahlungen bereits Honorarbescheide erlassen worden, die mit Widerrufsvorbehalten versehen worden seien. Im Übrigen habe das Bayer. Landessozialgericht mit Urteil vom 9. Februar 2000 (Az.: L 12 KA 88/98) in einem allerdings anders gelagerten Fall die Auffassung vertreten, dass § 45 SGB X nicht entgegenstehe, weil Honorarzahlungen nur vorläufigen Charakter hätten.

Hiergegen richtet sich die Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht vom 11. August 2000, die mit Schriftsatz vom 18. Oktober 2000 näher begründet wurde. Die angefochtenen Bescheide seien rechtswidrig und verletzten den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte habe zu Unrecht für das Quartal 1/96 den sich aufgrund der Neuberechnung ergebenden Differenzbetrag zu den ursprünglichen Abschlagszahlungen zurückgefordert. Bei der für das Quartal 1/96 erfolgten Honorarausschüttung durch die Abschlagszahlungen handele es sich um einen Realakt, der nach seiner rechtlichen Natur zwar kein förmlicher Verwaltungsakt sei, gleichwohl weitgehend dieselben Rechtsfolgen wie ein Verwaltungsakt entfalte (vgl. Wallerath in: Sozialrechtshandbuch, Band 12, Rdnr.143). Dies ergebe sich bereits aus der Regelung des § 50 Abs.2 Satz 2 SGB X, wonach bei der Erstattung solcher Leistungen, die ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden seien, die Regelungen der §§ 45 und 48 SGB X entsprechend zur Anwendung gelangen. Die Tatsache, dass sämtliche Honorarbescheide nach der Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts und des BSG nur insoweit als vorläufig anzusehen seien, als es die Überprüfung auf sachlich-rechnerische Richtigkeit und auf wirtschaftliches Verhalten hin betreffe (Urteil des BSG vom 26.01.1994 - 6 RKA 29/91; Urteil vom 24.August 1994 - 6 RKA 20/93), stehe dem nicht entgegen. Durch eine korrekte Arbeitsweise könne er hier eine spätere Korrektur der Honorarabrechnungsbescheide wegen eines Verstoßes gegen die Prüfmaßstäbe vermeiden. Anders sei es in den Fällen, in denen - wie hier - die Vereinbarkeit einer neuen untergesetzlichen Regelung mit höherrangigem Recht bezweifelt werde. In diesen Fällen könne der betroffene Arzt weder den Eintritt dieses Ereignisses beeinflussen noch könne er den Umfang der Auswirkungen dieses Ereignisses auf sein Honorar kalkulieren. Sinn und Zweck der im Rahmen der Honorarzahlungen zeitnah zu erlassenden Bescheide sei es aber, den Ärzten frühzeitig eine Kalkulationsgrundlage zu geben. Dieses Prinzip sei verletzt, wenn die Beklagte erst zwei Jahre nach dem betroffenen Quartal den entsprechenden Bescheid erlasse und das ausgeschüttete Honorar bis dahin unter einen faktischen Widerrufsvorbehalt stehe. Es könne dabei keinen Unterschied machen, ob die jeweilige Kassenärztliche Vereinigung dabei einen Honorarbeischeid unter einen unbezifferten Widerrufsvorbehalt stelle oder sich von vorneherein auf eine über Jahre unverbindliche Abschlagszahlung zurückziehe. Konsequenterweise habe das SG Magdeburg entschieden, dass ein genereller Rückforderungsvorbehalt bei Zweifeln an der Gültigkeit einer untergesetzlichen Norm unzulässig sei (vgl. Urteil vom 16. Februar 2000 - S 7 KA 59/98). Dieser Auffassng habe sich auch das Sozialgericht Gotha in seiner Entscheidung vom 2. März 2000 angeschlossen (S 7 KA 388/00 WA). Das LSG Thüringen habe in 2. Instanz die Entscheidungen des SG Magdeburg und des SG Gotha bestätigt (vgl. Urteil vom 27. Juni 2000 - L 4 KA 172/00) und den Widerrufsvorbehalt der Honorarbescheide für die Quartale 1/96 und 2/96 für rechtswidrig erklärt und daher die Bescheide hinsichtlich der Honorarrückforderung aus den strittigen Quartalen aufgehoben. Im Ergebnis sei unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG über die vorläufige Honorarzahlung wegen Überprüfung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit und dem Prinzip der zeitnahen Honorarfestsetzung festzustellen, dass Abschlagszahlungen bis zu dem Zeitpunkt, in dem ein Honorarbescheid üblicherweise zu erlassen wäre, keinen Vertrauensschutz genießen. Sobald diese Zeitspanne jedoch überschritten sei, seien auch Honorarabschläge unter Vertrauenschutz zu stellen, da nach der genannten Rechtsprechung weitergehende - faktische - Widerrufsvorbehalte rechtswidrig seien und anderenfalls die Vertrauensschutzsystematik des SGB X unterlaufen würde. Im Ergebnis habe für den Kläger sein gesamtes Honorar für das betroffene Quartal unter einem faktischen Widerrufsvorbehalt gestanden. Würde man die Anwendung der Vertrauensschutzgrundsätze im Bereich der Rückforderung von Abschlagszahlungen grundsätzlich - entgegen § 50 Abs.2 SGB X - nicht anwenden, so würde in diesem Bereich die Regelung des § 45 SGB X ins Leere laufen. In anderen Kassenärztliche Vereinigungen sei dementsprechend eine andere Verfahrensweise gewählt worden. So sei z.B. bei der Kassenärztlichen Vereinigung Berlin eine konkrete Alternativberechnung vorgenommen worden mit dem Ergebnis, dass den betroffenen Ärzten frühzeitig der möglicherweise zurückzufordernde Differenzbetrag mitgeteilt worden sei. Dieses procedere sei vom SG Berlin und LSG Berlin kürzlich bestätigt worden. Im Ergebnis scheitere die Rückforderung eines Teils des durch die Abschlagzahlung ausgeschütteten Honorars an Erwägungen des Vertrauensschutzes, die aufgrund obiger Ausführungen in Verbindung mit § 50 Abs.2 Satz 2 SGB X hier entsprechende Anwendung fänden. Beim Kläger bestehe ein schutzwürdiges Vertrauen. Insbesondere habe der Kläger die Rechtswidrigkeit der Abschlagzahlung nicht gekannt. Des Weiteren habe die Beklagte auch eine Vertrauensschutzabwägung vornehmen müssen. Die Beklagte habe schließlich auch kein Ermessen ausgeübt.

Hierzu hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 18. Mai 2001 Stellung genommen. Die Beklagte habe sich mit der durch Beschluss des Bewertungsausschusses vom 13. Juni 1996 erfolgten rückwirkenden Einführung von Teilbudgets ausführlich beschäftigt und ihre Mitglieder per Sonderrundschreiben vom 25.06.1996 und 22. Juli 1996 entsprechend informiert. Hierbei sei einerseits klar gestellt worden, dass erhebliche rechtliche Bedenken bestünden, über deren Stichhaltigkeit die Gerichte entscheiden müssten. Andererseits seien die Möglichkeiten der KVB sowie die Auswirkungen und Möglichkeiten des einzelnen Vertragsarztes aufgezeigt worden. Die Beklagte habe sich dafür entschieden, zunächst keinen endgültigen Honorarbescheid zu erteilen, sondern eine "4. Abschlagszahlung" zu gewähren und insoweit auf die Bildung von sonst notwendigen Rückstellungen zu verzichten. Vertragsärzte, die diesen Weg nicht mitgehen wollten, seien ausdrücklich auf die Möglichkeit hingewiesen worden, auf Wunsch einen Honorarbescheid zu erhalten. Für diesen Fall seien entsprechende Rückstellungen vorgesehen gewesen. Der Kläger habe diesen Wunsch nicht geäußert, so dass es bei der Gewährung einer "4. Abschlagszahlung" verblieben sei. Im Sonderrundschreiben vom 22. Juli 1996 sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass die Beklagte nach endgültiger Klärung der Rechtslage den Honorarbescheid erstellen werde und je nach Einzelfall auch eine Rückzahlung fällig werde. Vertrauensschutzgründe lägen nicht vor, da 1) kein bestandskräftig endgültiger Honorarbescheid erteilt worden sei, 2) der Kläger einen solchen auch nicht gewünscht habe und 3) bei der Festsetzung des endgültigen Honorarbescheides mit Rückzahlungen zu rechnen gewesen sei.

Hierzu haben die Klägervertreter mit Schreiben vom 28. Juni 2001 nochmals Stellung genommen. Der Vertrauensschutz entfalle nicht durch die von der Beklagten vorgelegten Informationsrundschreiben an die Vertragsärzte Bayerns vom 25. Juni 1996 bzw. 22. Juli 1996. Das Schreiben vom 25. Juli 1996 beschäftige sich inhaltlich in sehr allgemeiner Form mit der Problematik des Punktwertverfalls und stelle bzgl. der Abrechnung des 1. Quartals 1996 lediglich fest, dass hierfür eine "4. Abschlagszahlung" erfolgen solle. Auf Seite 2 werde im vorletzten Absatz zu dieser Abschlagszahlung ergänzt, dass diese "sehr nahe an der möglichen Restzahlung liegen werde". Daraus vermittle sich eine Kalkulationsgrundlage, aufgrund derer der Kläger seine Dispositionen habe treffen können, ohne mit einer nennenswerten Rückzahlung rechnen zu müssen. Die übrigen Ausführungen des Schreibens würden die allgemeine Problematik der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme schildern und keinen direkten Bezug zur Honorarsituation im 1. Quartal 1996 aufweisen. Das Rundschreiben der Beklagten vom 22. Juli 1996 beschreibe einleitend die Schwierigkeiten der Abrechnungen und Auszahlungen für das 1. Quartal 1996. Anschließend werde das procedere beschrieben, für welches sich die Beklagte in dieser Angelegenheit entschieden habe. Dabei werde dann nebenbei erläutert, dass - entsprechend dem Schreiben vom 25. Juni 1996 - die Abschlagszahlung mit der sich aus der Honorarfestsetzung ergebenden Restzahlung weitgehend identisch sein werde. Als weitere Möglichkeit werde eine Nachzahlung zu Gunsten des Vertragsarztes erwähnt und schließlich eine möglicherweise entstehende Rückzahlung an die Beklagte. Das genaue Ergebnis hänge vom Einzelfall ab. Offen bleibe, weshalb nach der Ansicht der Beklagten deshalb ein Vertrauensschutz nicht vorliegen solle, da der Kläger im Jahre 1996 keinen Honorarbescheid angefordert habe. Bekanntlich seien auch für solche Leistungen, die ohne Verwaltungsakt ausgeschüttet worden seien, gemäß § 50 Abs.2 SGB X die Vertrauensschutzgesichtspunkte des § 45 Abs.2 SGB X heranzuziehen; insofern hätte sich durch die Anforderung eines Honorarbescheides an der Rechtslage nichts geändert.

Die Klägervertreter stellen den Antrag,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Juni 2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 1998 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für das 1. Quartal 1996 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Honorarbescheid zu erstellen. Hilfsweise wurde beantragt, die Revision zuzulassen.

Die Vertreterin der Beklagten stellt den Antrag,

die Berufung zurückzuweisen. Hilfsweise wurde beantragt, die Revision zuzulassen.

Dem Senat liegen die Verwaltungsakte, die Klageakte, Az.: S 38 KA 2506/98, und die Berufungsakte, Az.: L 12 KA 85/00, vor, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurden und auf deren sonstigen Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte sowie gemäß § 151 Abs.1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Der Honorarbescheid der Beklagten vom 23. Januar 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 1998 ist nicht zu beanstanden. Das SG hat mit dem angefochtenen Urteil vom 28. Juni 2000 die Klage deshalb zu Recht abgewiesen.

Zutreffend hat bereits das SG darauf hingewiesen, dass erst mit dem streitgegenständlichen Honorarbescheid vom 23. Januar 1998 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Dezember 1998) der Honoraranspruch des Klägers auf DM 151.228,11 rechtlich verbindlich festgelegt wurde. Vor diesem Zeitpunkt hat der Kläger hinsichtlich seines Honorars für das Quartal 1/96 keine Rechtsposition erlangt, die ihm durch die Beklagte nurmehr unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X genommen hätte werden können oder für die er einen Vertrauensschutz in Anspruch nehmen könnte, den abschlagsweise gezahlten Betrag in Höhe von DM 161.000,00 in vollem Umfang behalten zu können.

Zwischen den Beteiligten ist zunächst nicht streitig, dass die Beklagte im Juli 1996 für das Quartal 1/96 keinen Honorarbescheid erlassen hat, sondern lediglich eine "4. Abschlagszahlung". Dies ergibt sich ausdrücklich und unzweideutig aus dem Schreiben der Beklagten vom 7. Juli 1996. Die Beweggründe für dieses Vorgehen hat die Beklagte dem Kläger in dem Begleitschreiben vom 22. Juli 1996 ausführlich dargelegt. Danach bestanden damals hohe Unsicherheitsfaktoren für die endgültige Höhe des für die Auszahlung des Honorars maßgeblichen Punktwertes, weil zum einen die Gesamtvergütung - d.h. die überhaupt zur Verrechnung anstehende Summe - für das Quartal 1/96 mit den Krankenkassen noch nicht vereinbart war und zum anderen vor allem fraglich war, ob die rückwirkende Einführung von Teilbudgets letztlich vor den Gerichten Bestand haben würde mit entsprechenden Auswirkungen auf den Gesamtleistungsbedarf der Ärzteschaft. Die Beklagte hat daher zunächst davon abgesehen, einen Honorarbescheid mit der damit verbundenen Folge der Bildung erheblicher Rückstellungen zu erteilen. Sie hat vielmehr den Weg einer "4. Abschlagszahlung" gewählt, auf Rückstellungen verzichtet und der Auszahlung den "höheren" Punktwert zugrunde gelegt, der sich in Anwendung der rückwirkend in Kraft gesetzten Teilbudgets ergibt. Das Institut der Abschlagszahlung ist im HVM der Beklagten (hier einschlägig: die ab 1. Januar 1996 geltende Fassung auf der Grundlage des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 2. Dezember 1995) eingehend geregelt. Gemäß § 7 Abs.1 des HVM der Beklagten werden auf das für den einzelnen Vertragsarzt zu erwartende Vierteljahreshonorar durch die zuständige KVB-Bezirksstelle monatliche Abschlagszahlungen geleistet. Die Höhe und die Termine der Abschlagszahlungen richten sich nach den Beschlussen des Vorstandes der KVB. Gemäß § 7 Abs.7 des HVM wird die Honoraranforderung des Vertragsarztes unbeschadet der geleisteten Abschlagszahlungen sowie der Restzahlung erst fällig, wenn die in den Verträgen geregelten Antragsfristen der Krankenkassen für die Überprüfung der Abrechnung abgelaufen sind und/oder eventuell erforderliche Berichtigungs- und Prüfverfahren für die Beteiligten bindend abgeschlossen sind. Bis dahin sind alle Zahlungen der KVB an die Vertragsärzte jederzeit aufrechnungsfähige und gegebenenfalls vom Arzt zurückzuzahlende Vorschüsse. Auch ein erteilter Honorarbescheid steht unter dem Vorbehalt eines vollständigen oder teilweisen Widerrufs und der Neufestsetzung des Honorars. Gemäß § 7 Abs.8 des HVM kann schließlich die KVB bei Überzahlungen, Rückforderungen und Schadensersatzansprüchen den festgestellten Betrag sofort mit Ansprüchen des Vertragsarztes verrechnen oder zum unverzüglichen Ausgleich zurückverlangen. Dies hat die Beklagte vorliegend zu Recht getan. Aus der Abschlagszahlung ergibt sich für den Kläger daher kein Rechtsgrund, um die abschlagsweise erhaltenen DM 161.000,00 in vollem Umfang behalten zu können. Soweit in der Festsetzung der 4. Abschlagszahlung ein Verwaltungsakt zu sehen ist, ist dessen Regelungsinhalt ausdrücklich nicht eine Honorarfestsetzung, sondern die Gewährung einer Abschlagszahlung in bestimmter Höhe als Vorschuss auf eine später noch erfolgende Honorarfestsetzung. Ein später eingehender Honorarbescheid greift deshalb in den Regelungsinhalt eines Verwaltungsaktes, mit dem eine Abschlagszahlung festgesetzt wird, nicht ein. § 45 SGB X ist deshalb nicht anwendbar. Aus ihm kann sich allerdings dann eine Rückzahlungsverpflichtung ergeben, wenn die Abschlagszahlung zu hoch festgesetzt war. Dies liegt jedoch im Wesen eines jederzeit aufrechnungsfähigen und gegebenenfalls zurückzuzahlenden Vorschusses (§ 7 Abs.7 Satz 1 HVM).

Zu diesem Ergebnis gelangt man auch dann, wenn man die Abschlagszahlung im Verhältnis zu den rechtlichen Wirkungen eines Honorarbescheides, wie sie in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in den genannten Bestimmungen des HVM der Beklagten beschrieben sind, sieht. Selbst Honorarbescheide erlangen danach nicht bereits mit ihrem Erlass endgültige Wirkung, vielmehr stehen auch sie unter dem Vorbehalt nachträglicher rechnerischer und gebührenordnungsmäßiger Prüfung. Sie werden erst dann in vollem Umfang - d.h. formell wie materiell - verbindlich, wenn die vom Arzt vorgelegte Abrechnung durch ein Prüfverfahren bestätigt wird oder ein Prüfverfahren unzulässig geworden ist. Selbst die an die Ärzte aufgrund der Honorarbescheide geleisteten Zahlungen haben nur vorläufigen Charakter. Ein Hinweis auf diese Vorläufigkeit muss im Honorarbescheid nicht erfolgen. Unrichtige Honorarbescheide können innerhalb der für die Einleitung und Durchführung von Prüfverfahren vorgesehenen Fristen korrigiert werden. Der Vertragsarzt muss bis zum Ablauf dieser Fristen mit der Möglichkeit einer nachträglichen Prüfung und Richtigstellung rechnen und kann auf den Stand des vorab erteilten Honorarbescheides nicht vertrauen (vgl. BSG SozR 3-1300 § 45 Nr.21 S.66; BSG SozR 3-1300 § 45 Nr.22 S.70 f.; BSG SozR 3-2500 § 76 Nr.2 S.3 f.; BSG, Urteil vom 1. Februar 1995, Az.: 6 RKa 13/94, S.4 f.; BSG SozR 3-5525 § 32 Nr.1 S.3; BSG USK 95, 122 S.643). Wenn danach sogar einem Honorarbescheid innerhalb der Fristen für die Einleitung von Prüfverfahren nur eine sehr eingeschränkte Bestandskraft zukommt, dann ist das im Honorarverteilungsmaßstab der Beklagten beschriebene Wesen der Abschlagszahlung als jederzeit aufrechenbarer und gegebenenfalls zurückzuzahlender Vorschuss nicht zu beanstanden (s.a. Urteil des BSG vom 31. Oktober 2001, B 6 KA 76/00 R, Pressemitteilung Nr.63/01).

Der Kläger kann sich schließlich auch nicht auf einen besonderen Vertrauensschutz berufen, aus dem sich ein Rechtsgrund für ihn ergäbe, den abschlagsweise gezahlten Betrag in Höhe von DM 161.000,00 behalten zu können. Der Kläger wurde mit dem der "4. Abschlagszahlung" beiliegenden Schreiben vom 22. Juli 1996 eingehend über die Probleme im Zusammenhang mit der Abrechnung und Auszahlung des Honorars für das Quartal 1/96 und den deshalb gewählten Weg über eine "4. Abschlagszahlung" informiert. Er wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass ein Honorarbescheid erst nach endgültiger Klärung der Rechtslage erstellt werde und aus den Feststellungen im Honorarbescheid sich für den Kläger eine weitgehende Übereinstimmung zwischen "4. Abschlagszahlung" und Restzahlung gemäß Honorarbescheid ergeben könne, es könne aber auch zu einer Nachzahlung von Honorar oder auch zu einer Rückzahlung von Honorar wegen des vorläufig zu hoch berechneten Punktwertes kommen. Dem Kläger wurde aber ausdrücklich für den Fall, dass er den von der Beklagten für sinnvoll erachteten und aufgezeigten Weg nicht mitgehen wolle, das Recht eingeräumt, eine verbindliche Festsetzung des Honorars, d.h. die Erteilung eines Honorarbescheides, zu verlangen. Für diesen Fall wurde um eine entsprechende Mitteilung an die Beklagte bis zum 23. August 1996 gebeten. Der Kläger würde für diesen Fall einen Honorarbescheid bekommen, bei dem dann aber im Hinblick auf die dargestellten Unsicherheitsfaktoren auch die entsprechende Rückstellung festgesetzt und einbehalten werden müsste. Der Kläger wurde schließlich noch darauf hingewiesen, dass Grundlage der "4. Abschlagszahlung" der Punktwert nach rückwirkender Budgetierung in Höhe von 6,45 DPf. (PK) bzw. 7,6 DPf. (EK) sei. Grundlage für einen zeitnah zu erteilenden Honorarbescheid wäre dagegen der Punktwert ohne rückwirkende Budgetierung in Höhe von 5,6 DPf. (PK) bzw. 6,62 DPf. (EK). Die Differenz zwischen dem Punktwert nach rückwirkender Budgetierung und ohne rückwirkende Budgetierung multipliziert mit der anerkannten Gesamtpunktzahl würde als Rückstellung einzubehalten sein. Das klare und unmissverständliche Aufklärungsschreiben der Beklagten im Zusammenhang mit der "4.Abschlagszahlung" wird auch nicht - entgegen der Ansicht des Klägers - durch die Ausführungen in der allgemeinen Vorabinformation der Beklagten vom 25. Juni 1996 relativiert. Der Kläger hat sich vor diesem Hintergrund für die Auszahlung eines höheren Honorars im Wege der "4. Abschlagszahlung" und gegen die Erteilung eines zeitnahen Honorarbescheides mit einem geringeren Honoraranteil entschieden und ihm musste zugleich klar sein, dass das im Wege der "4. Abschlagszahlung" ausgezahlte höhere Honorar möglicherweise teilweise zurückgezahlt werden muss. Es kann vom Kläger erwartet werden, dass er zu dieser von ihm getroffenen Entscheidung auch steht. Vertrauensschutzgründe zugunsten des Klägers sind für den Senat jedenfalls nicht ansatzweise erkennbar. Der Senat hat dabei sehr wohl auch berücksichtigt, dass der Kläger nicht maßgeblich an der Ausweitung der Leistungsmenge, insbesondere bei den Gesprächsleistungen (Nrn.10, 11, 17, 18, 42, 44, 851 BMÄ/E-GO), beim Ganzkörperstatus (Nr.60 BMÄ/E-GO) und der "klinisch-neurologischen Basisdiagnostik" (Nr.801 BMÄ/E-GO) - also den Bereichen, in denen rückwirkend Teilbudgets eingeführt werden sollten - beteiligt war.

Aus diesen Gründen ist die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 28. Juni 2000 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 Abs.1 und Abs.4 Satz 2 SGG und beruht auf der Erwägung, dass der Kläger in beiden Rechtszügen unterlegen ist.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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