L 4 KR 16/95

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 Kr 122/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 16/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Krankengeld ist nicht aus dem (behaupteten) vereinbarten Arbeitsentgelt zu berechnen, sondern nur aus dem im letzten Abrechnungszeitraum tatsächlich zugeflossenen.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 21. Dezember 1994 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Krankengeld anläßlich der Arbeitsunfähigkeit ab 15.02.1985 zu bezahlen.

Die am ...1953 geborene Klägerin ist nach ihren eigenen Angaben Dolmetscherin. Sie war ab 06.02.1984 freiwillig bei der AOK Mittelfranken versichert. Am 03.02.1985 nahm sie in einem Steakhaus in Nürnberg eine Beschäftigung als Küchenhilfe auf. Durch Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (BayLSG) vom 14.03. 1991 steht fest, daß es sich dabei um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt hat. Am 15.02.1985 erlitt die Klägerin einen Autounfall. Im Anschluß an eine stationäre Krankenhausbehandlung bis 22.03.1985 wurde ihr durch den Orthopäden Dr ... Arbeitsunfähigkeit bis 31.05.1985 bescheinigt.

Die Klägerin hielt sich anschließend im früheren Jugoslawien auf, an ärztlichen Unterlagen von dort ist lediglich eine Mitteilung über vorübergehende Erwerbsunfähigkeit vom 01.06.1985 bis 11.05.1986, ausgestellt am 29.04.1986 vorhanden.

Vom 26.05.1986 bis 25.08.1986 begab sich die Klägerin wieder in Behandlung von Dr ... in Nürnberg, der auf Anfrage der Beklagten mitteilte, Arbeitsunfähigkeit nicht attestiert zu haben, Arbeitsunfähigkeit habe allerdings vorgelegen (Bescheinigung vom 30.04.1991).

Nach Abschluß des ersten LSG-Verfahrens setzte sich die Klägerin mit der Beklagten in Verbindung und beantragte die Gewährung von Krankengeld. Die Beklagte gewährte mit Bescheid vom 15.05.1991 Krankengeld für die Zeit vom 29.03.1985 bis 21.04.1985 in Höhe von brutto 891,36 DM ohne Anerkennung jeglicher Rechtspflicht. Der Anspruch auf Leistungen anläßlich der Arbeitsunfähigkeit vom 15.02.1985 sei verjährt. Krankengeld werde gewährt, weil die Klägerin zwar 1985 keinen Antrag gestellt habe, jedoch am 01.04. 1985 mitgeteilt habe, sie sei voraussichtlich bis 21.04.1985 arbeitsunfähig erkrankt. Wegen des gesetzlichen Anspruches auf Lohnfortzahlung bis 28.03.1985 werde Krankengeld erst ab 29.03. 1985 bezahlt. Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.09.1991 zurückgewiesen.

Gegen diese Bescheide hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. Der von der Beklagten mit Schreiben vom 17.07.1992 angebotene außergerichtliche Vergleich, für die Zeit vom 03.03.1985 bis 11.05.1986 Krankengeld in Höhe von brutto 17.208,93 DM zu bezahlen, wurde von der Klägerin nicht angenommen. Die Klägerin war der Auffassung, der Berechnung solle nicht der tatsächlich bezahlte Lohn von netto 1.386,16 DM (brutto 1.600,- DM p.M.) zugrunde gelegt werden, sondern die von ihr behauptete Summe von vereinbarten 2.000,- DM netto. Sie bezog sich dabei auf die schriftliche Erklärung ihrer früheren Mitarbeiterin ... vom 22.05.1985. Das Sozialgericht hörte den früheren Arbeitgeber der Klägerin, ... Der Zeuge schloß aus, ein Monatsgehalt von 3.000,- DM oder mehr gezahlt zu haben. Auf Anfrage des Sozialgerichts teilte der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband e.V. am 19.09.1994 mit, nach dem Entgelttarifvertrag für das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe in Bayern, gültig ab 01.03. 1984, habe eine Küchenhilfe einen durchschnittlichen Stundenlohn von 7,48 DM brutto erhalten. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden ergebe sich ein Bruttoverdienst von 1.294,- DM.

Die Klage wurde mit Urteil vom 21.12.1994 abgewiesen mit der Begründung, daß ein eventueller Anspruch auf Krankengeld bereits verjährt sei. Die Klägerin habe im April 1985 keinen schriftlichen Leistungsantrag gestellt, so daß auch gem.§ 45 Abs.3 Satz 1 SGB I die Verjährung nicht unterbrochen worden sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung. In der mündlichen Verhandlung am 17.06.1998 hat der Beklagtenvertreter den Anspruch der Klägerin teilweise anerkannt und sich bereit erklärt, der Klägerin für den Zeitraum vom 03.03.1985 bis 11.05.1986 Bruttokrankengeld in Höhe von 17.208,93 DM zu bezahlen. Vom Auszahlungsbetrag sollten die Abzüge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abgehen sowie der bereits gezahlte Vorschuß. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Im übrigen beantragt sie,

in Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Nürnberg vom 21.12.1994 und des Bescheides der Beklagten vom 15.05.1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.09.1991 die Beklagte zu verurteilen, ihr das Krankengeld in dieser Zeit aus einem Nettolohn von DM 2.000,- mtl. zu berechnen und die Differenz zu bezahlen sowie die Nachzahlungsbeträge zu verzinsen.

Der Vertreter der Beklagten beantragt,

die über das Anerkenntnis hinausgehende Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz und die Terminsniederschrift Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung, die wegen der Höhe des Beschwerdewertes nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf, außerdem form- und fristgerecht eingelegt wurde (§ 151 SGG), ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Krankengeld über den Betrag hinaus, den ihr die Beklagte im angenommenen Teilanerkenntnis angeboten hat.

Die Berechnung des Krankengeldes vom 03.03.1985 bis 11.05.1986, wie sie die Beklagte im Teilanerkenntnis unter Zugrundelegung eines monatlichen Bruttolohnes von DM 1.600,- vorgenommen hat, ist nicht zu beanstanden. Der Anspruch auf Krankengeld ergibt sich wegen des Zeitpunkts des Beginnes der Arbeitsunfähigkeit noch aus § 182 der damals geltenden Reichsversicherungsordnung (RVO). Nach § 182 Abs.1 Ziffer 2 RVO wird als Krankenhilfe Krankengeld gewährt, wenn die Krankheit den Versicherten arbeitsunfähig macht.

Die Berechnung ergibt (bzw. ergab) sich aus § 182 Abs.4 und 5 RVO. Danach beträgt das Krankengeld 80 v.H. des wegen der Arbeitsunfähigkeit entgangenen regelmäßigen Arbeitsentgelts, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regellohn). Für die Berechnung des Regellohnes ist das von dem Versicherten im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Lohnabrechnungszeitraum, mindestens während der letzten abgerechneten 4 Wochen (Bemessungszeitraum) erzielte und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderte Entgelt durch die Zahl der Stunden zu teilen, für die es gezahlt wurde (§ 182 Abs.5 Satz 1 RVO). Bei der Klägerin liegt überhaupt nur ein Abrechnungszeitraum vor, nämlich der Februar 1985, lt. Bescheinigung abgerechnet am 01.03.1985. Für diesen Berechnungszeitraum wurde der Klägerin der Betrag von 1.386,16 DM ausbezahlt, errechnet aus einem Bruttobetrag von DM 1.600,-. Dieser Betrag ist maßgebend. Ob die Klägerin und ihr Arbeitgeber, wie sie behauptet, eine zusätzliche Nettozahlung von DM 500,- (oder eine monatliche Nettozahlung von DM 2.000,-) vereinbart haben, ist nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn eine solche unübliche Abrede bestanden hätte, wäre die höhere Summe nicht im letzten Lohnabrechnungszeitraum "erzielt" worden. Schon eine nicht im Lohnabrechnungszeitraum berücksichtigte rückwirkende Erhöhung des Arbeitsentgelts ist bei der Berechnung des Krankengeldes, das Ersatz für tatsächlich ausgefallenen Lohn ist, nicht zu berücksichtigen (BSG SozR 2200 § 1241 Nr.9). Ist das behauptete, höhere Arbeitsentgelt jedoch nie (wie hier) dem Versicherten zugeflossen, kann es erst recht nicht als Regellohn für die Berechnung angesetzt werden. Der Senat hat deshalb davon abgesehen, die von der Klägerin zum Beweis der höheren Zahlungsvereinbarung benannte ehemalige Mitarbeiterin ... nochmals schriftlich zu ihren Angaben über die doch sehr ungewöhnlichen Arbeitsbedingungen (und deren tatsächliche Durchführung) zu befragen.

Der Klägerin steht damit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt eine höhere als die durch Teilanerkenntnis gewährte Zahlung zu.

Über die beantragte Verzinsung gemäß § 44 SGB I hat der Senat nicht zu urteilen. Es ist vielmehr die Entscheidung der Beklagten abzuwarten, die überprüfen wird, ob die Voraussetzungen des § 44 Abs.1 SGB I tatsächlich eingetreten sind. Das (angenommene) Anerkenntnis wurde möglicherweise ohne Vorliegen vollständiger Unterlagen aus Kulanzgründen im Hinblick auf die schlechte seelische Verfassung der Klägerin abgegeben.

Die Berufung ist zurückzuweisen.

Die Kostenfolge entspricht dem Obsiegen der Beklagten und ergibt sich aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
Saved