L 4 KR 186/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 2 KR 352/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 186/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 26. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob die Beklagte verpflichtet ist, Kosten für das Milchersatzmittel "Pregestemil" zu erstatten.

Die am 1998 geborene Klägerin ist über ihre Mutter bei der Beklagten versichert. Sie leidet unter Neurodermitis. Der Arzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin Dr.R. hat mit Schreiben vom 14.03.1999 ausgeführt, wegen der Neurodermitis sei eine kuhmilchfreie Ernährung der Klägerin erforderlich. Den Eltern sei deshalb die Ernährung mit Pregestemil, einer hochgradig hydrolisierten Milch empfohlen worden. Es handele sich dabei um ein Therapeutikum, deshalb sei die Kostenübernahme durch die Krankenkasse indiziert. Eine vertragsärztliche Verordnung wurde nicht ausgestellt. Die Mutter der Klägerin beantragte die Kostenübernahme. Gleichzeitig wurden zwei Rechnungen der Rathausapotheke N. für Pregestemil jeweils in Höhe von 89,00 DM vorgelegt.

Die Beklagte hat den Antrag mit Bescheid vom 26.03.1999 mit der Begründung abgelehnt, bei Pregestemil handele es sich um ein Lebensmittel, nach der Rechtsprechung des Bundessozial- gerichts seien die Kosten dafür nicht von der Krankenkasse zu übernehmen. Der hiergegen am 20.04.1999 eingelegte Widerspruch wurde vom Bevollmächtigten der Klägerin damit begründet, der Preis für die pro Monat nötigen vier Dosen Pregestemil betrage 160,00 DM, der Preis von einem Liter Milch pro Tag durchschnittlich 1,50 DM, also 45,00 DM pro Monat. Damit trete die Bedeutung als Gebrauchsgegenstand in den Hintergrund, so dass eine Beteiligung der Krankenkasse an den Aufwendungen zu rechtfertigen sei.

Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 10.05.2000 zurückgewiesen.

Hiergegen erhoben die Bevollmächtigten der Klägerin Klage zum Sozialgericht München. Das Sozialgericht hat einen Befundbericht des behandelnden Arztes der Klägerin, des Arztes für Kinderheilkunde Dr.R. , angefordert. Darin berichtet Dr.R. , bei der Klägerin bestehe eine Neurodermitis bei Allergie gegen Kuhmilcheiweiß, Hühnerklareiweiß und Hundeschuppen. Die Befunde hätten sich nach Umstellung auf hydrolisierte Spezialmilch (Pregestemil) zunächst deutlich verbessert, dann sei nach einigen Wochen wieder eine Verschlechterung eingetreten. Seither verlaufe die Krankheit in Schüben. Die Kuhmilchallergie sei weggefallen, die Hühnereiweißallergie stärker geworden.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 26.07.2001 übergab der Klägerbevollmächtigte Rechnungen der Rathausapotheke N. über Pregestemil für die Zeit vom 22.03.1999 bis 08.02.2000.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 26.07.2001 mit der Begründung abgewiesen, die Voraussetzungen des § 13 Abs.3 SGB V zur Kostenerstattung lägen nicht vor. Es fehle bereits an einer ärztlichen Verordnung auf Vertragsrezept. Der Antrag auf Kostenübernahme durch Dr.R. erfülle nicht die Anforderungen, die das Gesetz an eine Verordnung stelle. Darüber hinaus fehle es grundsätzlich an der Leistungspflicht der Beklagten für Pregestemil. Pregestemil sei ein Lebensmittel. Das Bundessozialgericht habe in seiner Entscheidung vom 28.01.1999, Az.: B 8 KN 1/98 KR R seine Rechtsauffassung aufgegeben, die im Ausnahmefall auch die Leistungspflicht für Lebensmittel bejaht habe. Das Urteil sei zu Pregestemil ergangen und betreffe ein Kind, das an Neurodermitis leidet.

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Ziel auf Kostenerstattung weiter. Ihr Bevollmächtigter gibt an, in der notstandsähnlichen Situation der Klägerin sei die Anschaffung des ärztlicherseits allein empfohlenen Mittels Pregestemil zur Behandlung der Eiweißallergie des Kindes eine unaufschiebbare Maßnahme und aus medizinischer Sicht notwendige Heilbehandlung gewesen. Dem behandelnden Arzt sei nicht zuzumuten, eine aus kassenärztlicher Sicht unzulässige Verordnung des Heilmittels vorzunehmen. Aus medizinischer Sicht habe Dr.R. seine Auffassung über die Notwendigkeit der Verordnung eindeutig zum Ausdruck gebracht. Es sei eine Einzelfallentscheidung, ob die Verabreichung von Pregestemil überwiegend zum Zweck der Ernährung diene oder, wie im vorliegenden Fall, überwiegend die Funktion eines Heil- und Arzneimittels habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 26.07.2001 und den Bescheid der Beklagten vom 26.03.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.05.2000 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für Pregestemil gemäß den Rechnungen vom 10.03.1999 bis 08.02.2000 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend und verweist auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten und des Sozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG), deren Wert des Beschwerdegegenstandes DM 1.000,00 übertrifft (geltendes Recht bis 31.12.2001), ist zulässig, sie erweist sich aber als unbegründet.

Das Sozialgericht hat im Urteil zutreffend dargelegt, dass als alleinige Anspruchsgrundlage § 13 Abs.3 SGB V in Betracht kommt. Zutreffend ist auch, dass dessen Voraussetzungen nicht gegeben sind. Nach § 13 Abs.3 SGB V sind dem Versicherten Kosten einer selbst beschafften Leistung in der entstandenen Höhe zu erstatten, wenn die Leistung unaufschiebbar war und die Krankenkasse sie nicht rechtzeitig erbringen konnte oder wenn die Krankenkasse die Leistung zu Unrecht abgelehnt hatte. Die Beklagte hat die (aufschiebbare) Leistung nicht zu Unrecht abgelehnt, es fehlt an einem Sachleistungsanspruch. Ein Sachleistungsanspruch auf Pregestemil scheitert bereits daran, dass eine ärztliche Verordnung fehlt. Die Klägerin als Versicherte hat zwar Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern (§ 27 Abs.1 Satz 1 SGB V). Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs.1 Satz 2 Nr.3 SGB V auch die Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln. § 27 SGB V enthält jedoch lediglich ein subjektiv öffentlich-rechtliches Rahmenrecht, aus dem erst unter Einschluss weiterer im SGB V bestimmter Voraussetzungen ein konkreter Anspruch hergeleitet werden kann (BSG, Urteil vom 16.12.1993, SozR 3-2500 § 13 Nr.4 mit weiteren Nachweisen). Das dem Versicherten gegenüber seiner Krankenkasse zustehende Rahmenrecht auf ärztliche Behandlung wird durch die Tätigkeit des Vertragsarztes erfüllt. Die vertragsärztliche Versorgung umfasst gemäß § 73 Abs.2 Satz 1 Nr.7 SGB V, die Verordnung von Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln, Krankentransporten sowie Krankenhausbehandlung oder Behandlung in Vorsorge oder Rehabilitationseinrichtungen. Eine vertragsärztliche Verordnung fehlt im Falle der Klägerin und darf auch nicht erstellt werden.

Dem Sozialgericht ist auch zuzustimmen, soweit es die grundsätzliche Leistungspflicht der Beklagten für Pregestemil un- ter Bezugnahme auf die Entscheidung des BSG vom 28.01.1999, Az.: B 8 KN 1/98 KR R (SozR 3-2500 § 27 Nr.10) ablehnt. Abge- sehen davon, dass es sich bei der BSG-Entscheidung um die Versorgung mit dem gleichwertigen Präparat "Pregomin" und nicht Pregestemil handelt, ist der Tatbestand identisch. Es lag eine Milcheiweißallergie vor, Milch als Nahrungsmittel musste durch eine Spezialnahrung ersetzt werden. Das BSG führt aus, dass die Versorgung mit "Pregomin" (= Pregestemil) nicht von dem in § 27 Abs.1 Satz 2 SGB V umschriebenen Krankenbehandlungs- anspruch gedeckt ist. Es ist kein Heilmittel, weil es zum Verzehr und nicht zur äußeren Anwendung auf den Körper bestimmt ist. Es ist auch kein Arzneimittel, weil § 2 Abs.3 Nr.1 Arz- neimittelgesetz (AMG) ausdrücklich klarstellt, dass Lebens- mittel keine Arzneimittel sind. Etwas anderes gilt auch dann nicht, wenn das zum Zweck der Ernährung eingenommene Mittel krankheitslinderne Eigenschaften hat, der Rückgriff auf die in einem gewöhnlichen Haushalt zugänglichen Ernährungsstoffe unmöglich ist oder die Kosten des erforderlichen Mittels die des gewöhnlich gebrauchten Mittels in unzumutbarem Maße übersteigen (BSG a.a.O.). Dem schließt sich der Senat an.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG und entspricht dem Unterliegen der Klägerin.

Gründe, die Revision nach § 160 SGG zuzulassen, liegen nicht vor. Der Rechtsstreit hat aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, von der der Senat nicht abweicht, keine grundsätzliche Bedeutung mehr.
Rechtskraft
Aus
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