L 4 KR 45/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 337/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 45/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 18. Februar 2000 (provisorische Versorgung durch Dr.P. wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Kostenerstattung für die privatzahnärztliche Behandlung durch Dr.P ...

Die am 1955 geborene und bei der Beklagten pflichtversicherte Klägerin lebte als arbeitslose Diplom-Ingenieurin u.a. von Arbeitslosenhilfe. Die Mitgliedschaft bei der Beklagten endete mit Ablauf des Jahres 1999.

Am 10.06.1996 legte die damals in München wohnende Klägerin der Beklagten die Rechnung des Zahnarztes Dr.P. (München) vom 05.06.1996 über die privatzahnärztliche Behandlung vom 04. bis 05.06.1996 vor. Der Zahnarzt forderte für die provisorische Versorgung mit einer großen Brücke einschließlich Eigenlabor 715,44 DM. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 10.06.1996 Kostenerstattung mit der Begründung ab, die Versorgung sei durch die geänderte Bestimmung des § 30 Sozialgesetzbuch V (SGB V) ausgeschlossen, da eine Brückenversorgung mit fünf Brückengliedern im Unterkiefer angefertigt worden sei. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein. Die Beklagte wies mit Bescheid vom 15.07.1996 ein weiteres Mal auf die Rechtslage hin und lehnte auch eine Kostenerstattung im Rahmen der Erprobungsregelung ab; die Klägerin nehme hieran nicht teil. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 17.10.1996 zurückgewiesen.

Die Klägerin hat mit der Klage vom 29.10.1996 beim Sozialgericht München (SG) die Zahlung von 834,80 DM an den Zahnarzt geltend gemacht und ausgeführt, die Kunststoffbrücke sei als Ersatz für die bisherige Palladiumbrücke notwendig geworden, da dieses Material nicht mehr verwendet werden dürfe. Es seien Gutachten des Toxikologen Dr.D. und des Zahnarztes Dr.T. einzuholen. Die Klägerin beantragte am 18.02.1997 Prozesskostenhilfe.

Das SG hat mit Beschluss vom 21.08.1998 Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Erfolgsaussicht abgelehnt. Der Senat hat die dagegen eingelegte Beschwerde der Klägerin mit Beschluss vom 15.09.1999 (L 4 B 18/99 PKH) zurückgewiesen.

Das SG hat mit Beschluss vom 15.02.2000 die Verfahren S 18 KR 337)6, S 18 KR 338/96 und S 18 KR 56/97 zur gemeinsamen Entscheidung verbunden; zum führenden Aktenzeichen hat es S 18 KR 337/96 bestimmt. Es hat nach Anhörung der Beteiligten mit Gerichtsbescheid vom 18.02.2000 die Klagen abgewiesen und zur Begründung auf den Inhalt der Widerspruchsbescheide verwiesen.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 03.04. 2000, mit der sie ihr Begehren auf Kostenerstattung weiterverfolgt. Sie macht geltend, eine Palladiumlegierung sei gesundheitsschädlich, es habe ein Notfall vorgelegen und nur ein Privatzahnarzt sei bereit gewesen, die untere Brücke zu entfernen. Sie hat am 03.04.2000 auch für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt; dieser Antrag ist vom Senat mit Beschluss vom 09.06.2000 abgelehnt worden. Der Senat hat mit Beschluss vom 14.08.2000 die Streitsachen aus Zweckmäßigkeitsgründen getrennt.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 18.02.2000 sowie den zugrunde liegenden Bescheid der Beklagten vom 10.06.1996 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 17.10.1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, DM 715,44 - entsprechend in Euro - an Kosten für das Einsetzen einer provisorischen Brücke durch Dr.P. zu erstatten, hilfsweise Beweis zu erheben durch Beiziehung des zahnärztlichen Gutachtens Dr.E. aus dem beim Sozialgericht München anhängigen Verfahren S 11 RA 655/98, hilfsweise die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im Übrigen wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten und des SG sowie die vorliegende Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§ 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -). Der Wert des Beschwerdegegenstandes lag im maßgebenden Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels und vor der Trennung durch den Senat über 1.000,00 DM (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGG a.F.).

Die Berufung ist unbegründet; die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der Behandlung durch den Zahnarzt Dr.P ...

Die Versorgung mit Zahnersatz (§ 30 SGB V) war nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Bundessozialgericht - BSG - vom 10.04.1990 BSGE 66, 284, 287) zur Zeit der streitigen Behandlung durch Dr.P. als Sachleistung geregelt und die Kostenerstattung war lediglich eine Folge der Eigenbeteiligung.

Abweichend hiervon kam eine Kostenerstattung im Rahmen der Erprobungsregelung des § 64 SGB V i.V.m. der Satzung der Beklagten nach § 13 Abs.2 SGB V (Wahl der Kostenerstattung) in Frage. Nach Angaben der Beklagten hat die Klägerin jedoch hieran nicht teilgenommen.

Es liegen auch nicht die Voraussetzungen des § 13 Abs.3 SGB V vor, wonach eine Kostenerstattung davon abhängt, dass die Krankenkasse entweder eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat und dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind. In beiden Alternativen sind diese Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Beendigung der Mitgliedschaft hat auf diesen Anspruch keinen Einfluss (§ 19 Abs.1, 2 SGB V), da es sich hier um einen Schadensersatz - und nicht um einen Leistungsanspruch handelt (BSG vom 16.12.1998 BSGE 73, 271; BSG vom 24.09.1996 BSGE 79, 125).

Unaufschiebbare Leistungen sind Notfälle im krankenversicherungsrechtlichen Sinne (§ 76 SGB V) sowie Systemstörungen oder Versorgungslücken. Von einem Notfall im krankenversicherungsrechtlichen Sinne (§ 76 Abs.1 Satz 2 SGB V) ist auszugehen, wenn dringende Behandlungsbedürftigkeit besteht und ein an der Versorgung teilnahmeberechtigter Arzt nicht rechtzeitig zur Verfügung steht (BSG vom 24.05.1972 BSGE 34, 172). Dies ist vor allem der Fall, wenn ohne eine sofortige Behandlung durch einen Nichtvertragsarzt Gefahren für Leib und Leben entstehen oder heftige Schmerzen unzumutbar lange andauern würden. Hieran fehlt es; denn die streitige Leistung hat in der provisorischen Versorgung mit einer großen Brücke bestanden. Sie ist aufschiebbar in dem Sinne gewesen, dass die Klägerin Zeit gehabt hätte, einen zugelassenen Zahnarzt aufzusuchen. Selbst wenn der Senat hier eine dringende Behandlungsbedürftigkeit unterstellt, steht der Klägerin dennoch ein Kostenerstattungsanspruch nach der 1. Alternative des § 13 Abs.3 SGB V nicht zu. Denn es war der Klägerin möglich bzw. zuzumuten, vor Inanspruchnahme der privatzahnärztlichen Behandlung, d.h. einer außervertraglichen Leistung, sich mit der Beklagten in Verbindung zu setzen (BSG vom 25.09.2000 SozR 3-2500 § 13 Nr.22).

Die Beklagte hat die durchgeführte Behandlung auch nicht rechtswidrig abgelehnt. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG zu dieser zweiten Alternative der Kostenerstattung sind Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung im Regelfall nicht zu erstatten, wenn der Versicherte sich die Leistung besorgt, ohne zuvor mit der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und deren Entscheidung abzuwarten (BSG vom 19.06.2001 SGb 2001, 549; BSG vom 24.09.1996 BSGE 79, 125; BSG vom 16.12.1999 SozR 3-2500 § 12 Nr.4; BSG vom 10.02.1993 SozR 3-2200 § 182 Nr.15). § 13 Abs.3 2. Alternative SGB V schließt eine Kostenerstattung für die Zeit vor der Leistungsablehnung generell aus. Kosten für eine selbstbeschaffte Leistung, soweit sie nicht ausnahmsweise unaufschiebbar war, sind nur zu ersetzen, wenn die Krankenkasse die Leistungsgewährung vorher abgelehnt hatte. Ein Kausalzusammenhang und damit eine Kostenerstattung scheiden aus, wenn der Versicherte sich, wie im vorliegenden Fall, die streitige Behandlung außerhalb des vorgeschriebenen Beschaffungsweges selbst besorgt, ohne sich vorher mit der Krankenkasse ins Benehmen zu setzen und deren Entscheidung abzuwarten. Die Versicherten müssen sich daher vor Inanspruchnahme einer Behandlung außerhalb des Systems grundsätzlich an die Krankenkasse wenden und die Gewährung beantragen. Dies hat die Klägerin nicht getan.

Da es für die Entscheidung nicht auf die Einschränkung des (beruflichen) Leistungsvermögens ankommt, konnte der Senat von der Beiziehung des in einem Rechtsstreit aus der Rentenversicherung vom SG eingeholten Gutachtens absehen (§ 103 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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