L 4 KR 8/95

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 18 Kr 275/90
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 4 KR 8/95
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Abgabetatbestand "Konzertdirektion" umfaßt die Tätigkeit als
Konzertagentur im Auftrag der Künstler.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 6. Oktober 1994 wird, soweit es den Bescheid vom 7. November 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. Juni 1990 betrifft, zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob der Kläger zur Künstersozialabgabe dem Grunde nach verpflichtet ist.

Der Kläger war seit 01.01.1986 unter der Firma " ... und " ... Künstlermanagement" sowie " ..." als Einzelunternehmer tätig. Von 1991 bis 1993 wurde das bisherigere Einzelunternehmen von der Gesellschaft bürgerlichen Rechts ... fortgeführt. Nach deren Auflösung am 31.12.1993 führte der Kläger das Einzelunternehmen weiter.

Der Kläger schloß überwiegend mit Discotheken, Tanzgaststätten, Tanzcafes usw. sog. Vermittlungsverträge über Künstlerauftritte ab, wobei ab 1987 überwiegend nicht mehr der Künstler, sondern der Kläger als Vertreter (Manager) des Künstlers die Verträge unterschrieb. Laut Engagementvertrag war das Entgelt vor der Veranstaltung in bar an den Künstler oder seinen Vertreter zu bezahlen. Im Management-Vertrag zwischen dem Kläger und den jeweiligen Künstlern erteilten diese jenem Vollmacht zum Inkasso ihrer Einkünfte. Der Kläger stellte dann dem Künstler seine Provision in Rechnung.

Mit Bescheid vom 07.11.1989 stellte die Beklagte fest, der Kläger gehöre zum Kreis der abgabepflichtigen Unternehmen nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG), weil er als Unternehmer Theater-, Konzert- und Gastspieldirektionen betreibe. Die Abgabepflicht bestehe seit Inkrafttreten des KSVG am 01.01. 1983, frühestens jedoch seit Gründung des Unternehmens.

Der Widerspruch, der nicht begründet worden war, wurde mit Widerspruchsbescheid vom 19.06.1990 zurückgewiesen.

Mit der gegen diese Bescheide zum Sozialgericht München erhobenen Klage machte der Kläger geltend, er betreibe kein nach § 24 KSVG abgabepflichtiges Unternehmen. Sein Unternehmen sei eine Agentur, er vermittele die Künstler an den Kunden (Veranstalter). Die Agentur des Klägers sei keine Konzertdirektion, weil sie nicht selbst Vertragspartner im Verhältnis zwischen Künstler und Veranstalter, sondern vermittelnder Vertreter sei. Auch nach der seit 1989 geltenden Fassung des Gesetzes bestehe keine Abgabepflicht, Zweck des klägerischen Unternehmens sei es nämlich nicht, künstlerische Werke aufzuführen oder Leistungen darzubieten.

Der Kläger legte Muster der Verträge vor, die er abschließt. Er gibt Werbeprospekte heraus, in denen er anpreist als "Concert Agency" "Top-Shows" zu präsentieren, darunter Musikgruppen, einzelne Gesangsdarbieter, "Schaum-Parties", "Erotic Shows" und dergleichen.

Die Klage wurde mit Urteil vom 6.10.1994 abgewiesen. Zur Begründung verwies das Sozialgericht insbesondere auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 20.04.1994, 12 RK 31/92, worin festgestellt wurde, daß von der Abgabepflicht sowohl nach altem wie neuem Recht auch sog. Vermittlungs-Konzertdirektionen erfaßt werden, die ähnlich wie eine Agentur tätig sind.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung, die damit begründet wird, der Kläger sei bereits nach dem Wortlaut des § 24 KSVG aF nicht abgabepflichtig, weil er reiner Vermittler sei. Als Agent stehe er nicht im Lager der Veranstalter, sondern im Dienste des Künstlers. Eine Konzertagentur, wie der Kläger sie betreibe, vermittele die Künstler an die jeweiligen Kunden (Konzertdirektion als Veranstalter oder Gastspieldirektion), wobei der Engagementvertrag zwischen dem Künstler und dem Veranstalter abgeschlossen werde. Der Veranstalter zahle das Entgelt nicht an die Agentur, sondern an den Künstler. Damit sei der Kläger auch gemäß der ab 01.01.1989 geltenden Fassung des § 24 KSVG als reiner Vermittler nicht abgabepflichtig. Auch sei der Zweck des Unternehmens nicht darauf gerichtet, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten.

Die Beklagte bezieht sich auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, die ihrer Auffassung nach eine Abgabepflicht dem Grunde nach für Agenturen bestätigt.

Im Laufe des Berufungsverfahrens hat die Beklagte vom 13.09. bis 14.09.1995 beim Kläger eine Betriebsprüfung durchgeführt und dabei ermittelt, daß der Kläger auch selbst als Veranstalter aufgetreten sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 06.10.1994 und den zugrundeliegenden Bescheid der Beklagten vom 07.11.1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.06.1990 aufzuheben. Hilfsweise beantragt er, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Im übrigen wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 143 SGG statthafte Berufung, die nicht der Zulassung gemäß § 144 SGG bedarf und außerdem form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegt wurde, ist zulässig, sie erweist sich jedoch als unbegründet.

Das Sozialgericht und die Beklagte haben zutreffend festgestellt, daß der Kläger ein Unternehmen betreibt, das ihn abgabepflichtig macht zur Künstlersozialabgabe gemäß § 24 Abs.1 KSVG.

Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 07.11.1989 betrifft die Zeit ab 01.01.1986. In dem danach streitigen Zeitraum richtete sich die Abgabepflicht zunächst nach § 24 Abs.1 Nr.2 KSVG idF vom 27.07.1981 (BGBl.I S.705). Danach ist ein Unternehmer zur Künstlersozialabgabe verpflichtet, der eine Konzertdirektion betreibt, sofern diese nicht ausschließlich eine vermittelnde Tätigkeit ausübt (§ 24 Abs.1 Nr.2 KSVG 1981). Die Einführung von § 24 Abs.1 Satz 2 KSVG betreffend die eigene Werbung von Unternehmen durch Art.1 Nr.2 des Gesetzes vom 18.07.1987 (BGBl.I S.2794) mit Wirkung vom 01.01.1988 hatte hieran nichts geändert. Durch Art.1 Nr.5 des Gesetzes vom 20.12. 1988 (BGBl.I S.2606) wurde die Regelung der Nr.2 wiederum unter Nennung der Konzertdirektion nunmehr als § 24 Abs.1 Satz 1 Nr.3 KSVG 1989 mit Wirkung vom 01.01.1989 neu gestaltet. Der bisherige Ausschluß der Abgabepflicht für Konzertdirektionen, die ausschließlich eine vermittelnde Tätigkeit ausüben, wurde gestrichen. § 24 Abs.1 Satz 1 Nr.3 KSVG 1989 umfaßt nunmehr auch sonstige Unternehmen, deren Zweck darauf gerichtet ist, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten. Eine weitere Neuregelung erfolgte durch Gesetz vom 25.09.1996 (BGBl.I S.1491) ab 01.01.1997. Nach § 24 Abs.1 Satz 1 Nr.3 KSVG sind nunmehr Theater, Konzert- und Gastspieldirektionen sowie sonstige Unternehmen, deren wesentlicher Zweck darauf gerichtet ist, für die Aufführung oder Darbietung künstlerischer oder publizistischer Werke oder Leistungen zu sorgen, abgabepflichtig.

Nach all diesen Regelungen ist der Kläger als Betreiber einer Konzertdirektion abgabepflichtig. Der Kläger hat zumindest, was sich aus den von ihm vorgelegten Vertragsmustern der von der Beklagten durchgeführten Betriebsführung und dem eigenen Vortrag des Klägerbevollmächtigten ergibt, dafür gesorgt, daß Konzerte bzw. "Shows" veranstaltet werden. Er hat als Vertreter der Künstler Vertragsbeziehungen zu Veranstaltern vermittelt und hierfür Provisionen erhalten. Darüberhinaus ist der Kläger nach seinen eigenen Angaben zumindest zweimal selbst als Veranstalter aufgetreten. Die Ausführungen des Klägers, eine Konzertagentur (wie er sie betreibe), unterliege nicht der Abgabepflicht des § 24 KSVG, hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits mehrfach nachgeprüft und nicht für dem Gesetz entsprechend angesehen. So war im Urteil vom 20.04.1994, Az. 3/12 RK 31/92 (SozR 3-5425 § 24 Nr.4) die Künstlersozialabgabepflicht von Klägern streitig, die u.a. Künstler als deren Auftragnehmer oder Vertreter Vertragsbeziehungen zu Veranstaltern, die den Künstlern ein Entgelt zahlten, vermittelten. Die Künstler zahlten hieraus eine Provision an die dortigen Kläger, deren Unternehmen das BSG als Konzertdirektion definiert. Nach Auffassung des Senats entspricht die eben geschilderte Tätigkeit der des Klägers. Der Kläger betreibt somit eine Konzertdirektion. Der Gesetzgeber hat den Begriff der Konzertdirektion - soweit ersichtlich - nur in § 24 KSVG verwendet und ihn dort nicht näher erläutert. Betreiber von Theater- Konzert- oder Gastspieldirektionen sind nach dem Wortsinn Unternehmen, die dafür sorgen, daß Theater gespielt oder ein Konzert veranstaltet wird, ohne selbst Träger von Theatern oder Orchestern zu sein (BSG aaO mwN). Dafür sorgen, daß Konzerte veranstaltet werden, ist weniger als sie selbst veranstalten. Der Kläger ist laut § 2 Nr.2 des zwischen ihm und den jeweiligen Künstlern geschlossenen Managementvertrages verpflichtet, die Planung und Koordinierung der Auftrittsverpflichtungen des Künstlers sowie die Vermittlung des Künstlers in Auftritte durchzuführen. Damit sorgt er durch seine vermittelnde Tätigkeit dafür, daß Konzerte veranstaltet werden. Sein Unternehmen ist damit "mittelbar" auf den Zweck ausgerichtet, künstlerische Werke aufzuführen oder künstlerische Leistungen darzubieten, weil es deren Aufführungen durch Dritte erreichen will. Er bietet seine "Shows" direkt an Diskotheken u.ä. an. Auch wenn er sich als "im Dienste der Künstler" stehend betrachtet, bewirkt er doch mehr, als für diese nur einen Gelegenheitsnachweis zu führen, wo sie auftreten können. Der Abgabetatbestand "Konzertdirektion" umfaßt eine Betätigung als Konzertagentur im Auftrag der Künstler.

Nach dem Bundessozialgericht (aaO) umfaßt der Begriff der Konzertdirektion in § 24 KSVG alter und neuer Fassung alle genannten Handelsfunktionen (als Handelsvertreter, Kommissionär oder Eigenhändler) unabhängig davon, ob derartige Geschäfte nach § 25 KSVG die Abgabepflicht auslösen.

Im Urteil vom 17.04.1996, Az. 3 RK 18/95 (SozR 3-5425 § 24 Nr.14), bestätigt das Bundessozialgericht die Entscheidung, daß der Ausschluß der Abgabepflicht für Konzertdirektionen, die ausschließlich eine vermittelnde Tätigkeit ausüben, in § 24 Abs.1 Nr.2 KSVG 1981 nur für die bloße Vermittlung im Sinne einer Maklertätigkeit gilt und die Abgabepflicht einer Tätigkeit, die die Vertretung des Künstlers beim Abschluß des Vertrages umfaßt (Betätigung im Sinne eines Handelsvertreters oder eine Handelsagenten) unberührt läßt. Zur abgabepflichtigen Tätigkeit einer Konzertdirektion gehört nicht lediglich die Betätigung als Veranstalter, sondern bereits schon das "Zulieferern" der Künstler an andere Veranstalter, also das was der Kläger anbietet und getan hat. Außerdem wird nochmals bestätigt, daß eine Tätigkeit wie die des Klägers, nämlich für einen anderen Unternehmer (Künstler) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen (§ 84 Abs.1 HGB) ein Mitwirken an der Vermarktung von Künstlern ist und den Abgabetatbestand Konzertdirektion erfüllt.

Der Senat sieht unter Berücksichtigung des Sinns und Zwecks der Künstlersozialabgabe keinen Anlaß, von dieser Rechtsprechung abzuweichen und zwar auch für den Zeitraum bis Ende 1988. Die Inanspruchnahme der Vermarkter findet ihre Rechtfertigung darin, daß die Werke und Leistungen der selbständig Kulturschaffenden meist überhaupt erst durch das Zusammenwirken mit dem Vermarkter (Verleger, Schallplattenproduzent, Konzertdirektion, Theater, Galerie u.a.) dem Endabnehmer zugänglich gemacht werden (BVerfGE 75, 108). Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung vom 08.04.1987 (SozR 3-5425 § 1 Nr.1) den Begriff des professionellen Vermarkters in weitem Sinne verstanden. Dieser Tendenz der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgend hat das Bundessozialgericht sogar entschieden, daß das Betreiben einer der unter § 24 KSVG fallenden Unternehmensart die Abgabepflicht bereits dann auslöst, wenn die gewählte Betriebsweise keine nach § 25 KSVG abgabenpflichtigen Geschäfte umfaßt, wie das z.B. bei Betrieb eines Theaters der Fall ist, das ausschließlich von anderen Bühnen (Tourneetheatern) bespielt wird (BSG, SozR 3-5425 § 24 Nr.3). Unter Anwendung dieser Rechtsgedanken und unter Berücksichtigung der vom Kläger nicht bestrittenen Feststellung der Beklagten, er habe auch Eigengeschäfte durchgeführt, nämlich die gesamte Organisation und Durchführung von Veranstaltungen (wie er sie auch weiterhin anbietet) übernommen, ergibt sich zusammenfassend für den Senat kein Zweifel an der Abgabepflicht des Klägers dem Grunde nach. Er erzielt seine Einkünfte aus der Tätigkeit der von ihm auf den Unterhaltungsmarkt gebrachten Künstlern. Die Berufung ist deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenfolge ergibt sich § § 193 SGG und entspricht dem Obsiegen der Beklagten.

Der Senat läßt die Revision nach § 160 Abs.2 Nr.1 SGG zu, da der Klägervertreter vorgetragen hat, das vorliegende Verfahren sei richtungsweisend für eine größere Anzahl ähnlicher Streitfälle.
Rechtskraft
Aus
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