L 13 RA 54/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 16 RA 1160/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 54/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.02.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die am ...1930 in Gleiwitz geborene Klägerin hält sich seit 19.12.59 in der Bundesrepublik auf. Sie ist als Vertriebene anerkannt (Vertriebenenausweis A, ausgestellt am 11.01.60). Nach ihrer Eheschließung am 28.12.62 ließ sie sich im Jahre 1965 nach § 83 Angestelltenversicherungsgesetz - AVG - die Hälfte ihrer im Bundesgebiet entrichteten Rentenbeiträge erstatten.

Am 07.10.88 beantragte sie die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 27 Angestelltenversicherungsneuregelungsgesetz - AnVNG - für die Zeit vom Januar 1960 bis Juni 1964. Die Beklagte ließ die Klägerin mit Bescheid vom Januar 1990 zur Nach- entrichtung für diese Zeit zu; die Klägerin entrichtete am 07.02.90 den im Bescheid errechneten Betrag von DM 9.510,00. Ebenfalls im Oktober 1988 hatte die Klägerin Antrag auf Kontenklärung gestellt; am 19.02.90 beantragte sie die Gewährung von Altersrente.

Mit Bescheid vom 17.04.90 stellte die Beklagte Versicherungszeiten fest und erkannte die Zeit von 01.11.54 - 30.04.56 als Beitragszeit nach dem deutsch-polnischen Rentenabkommen - DPSVA 75 - von 09.10.75 an. Die Beklagte stützte sich dabei auf eine Auskunft des polnischen Versicherungsträgers vom 21.03.89. Die Anerkennung der Zeit vom 01.05.56 bis 15.12.59 lehnte die Beklagte ab, da sie nicht bewiesen sei. Ergänzend wies die Beklagte auf die vorgesehenen Änderungen des Fremdrentensetzes - FRG - und auf das Rentenreformgesetz - RRG 92 - hin, beides könne sich auf die nach dem DPSVA 75 anerkannten Zeiten auswirken. Alle noch bis zum 30.06.90 zu erteilenden und bereits erteilten Bescheide seien zu überprüfen. Nur für Personen, die bereits vor dem 01.07.90 eine Rente erhalten würden, sei weiterhin das bisherige Recht anzuwenden.

Die Klägerin legte am 16. Mai 1990 Widerspruch ein. Die Beklagte wies sie mit Schreiben vom 05.07.90 daraufhin, dass durch die zum 01.07.90 in Kraft getretenen Änderungen des FRG und des DPSVA 75 die in Polen vom 01.09.49 bis 31.10.53 und vom 02.05.56 bis 15.12.59 zurückgelegten Versicherungszeiten wegen der durchgeführten Heiratserstattung nicht mehr berücksichtigt werden könnten.

Der polnische Versicherungsträger bestätigte während des Widerspruchsverfahren die Zeit vom 11.07.49 bis 30.11.51 und vom 02.05.56 bis 15.12.59 als Beschäftigungszeit.

Die Beklagte lehnte die Anerkennung der Zeiten vom 11.07.49 bis 31.10.53, 01.11.54 bis 30.04.56 und 02.05.56 bis 15.12.59 mit Bescheid vom 07.09.90 nach den Vorschriften des FRG ab, weil Ansprüche aus diesen Zeiten wegen einer nachträglichen Beitragserstattung ausgeschlossen seien (§ 82 Abs 7 AVG).

Mit Bescheid vom 30.10.90 bewilligte die Beklagte Altersruhegeld ab 01.10.90 bei einem Versicherungsfall am 04.09.90. Die von 11.07.49 bis 15.12.59 in Polen zurückgelegten Beschäftigungszeiten berücksichtigte sie nicht. Die Klägerin legte gegen den Rentenbescheid Widerspruch ein, dessen Ziel u.a. die Anrechnung der polnischen Beitragszeiten war. Die Beklagte wies sinngemäß den Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid vom 17.04.90 und den Rentenbescheid zurück (Widerspruchsbescheid vom 04.02.91). Sie begründete dies im Wesentlichen damit, durch das RRG 92 seien auch die Bestimmungen des FRG und des DPSVA 75 geändert worden. Danach könnten polnische Versicherungszeiten nur noch nach Maßgabe des FRG angerechnet werden. Diese Neuregelung gelte ab dem 01.07.90. Dementsprechend finde nunmehr die Verfallswirkung der Heiratserstattung gemäß § 82 Abs 7 AVG auch für die streitigen Zeiten Anwendung.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 28.08.91 die Rente der Klägerin unter Berücksichtigung einer Zeit der Arbeitslosigkeit im Jahr 1990 neu fest. Sie verwies darauf, die Rente sei unter Anwendung des DPSVA 75 festgestellt; dies wurde von ihr auf Begehren der Klägerin mehrmals berichtigt. Außerdem enthielt der Bescheid den Zusatz, die Rente werde unter Außerachtlassung der im Verfahren gegen den Bescheid vom 17.04.90 geltend gemachten Ansprüche berechnet.

Die gegen die Nichtberücksichtigung der polnischen Beitragszeiten beim Sozialgericht München erhobene Klage wurde vom Sozialgericht mit Urteil vom 22.11.91 mit inhaltlich gleicher Begründung wie im Widerspruchsbescheid abgewiesen. Die Berufung blieb - aus demselben Grund - ohne Erfolg (Urteil des 11. Senats des Bayer. Landessozialgericht vom 15.06.93). Die gegen die Nichtzulassung der Revision erhobene Beschwerde wurde vom BSG mit Beschluss vom 20.06.94 (Az.: 4 RA 152/93) verworfen. Das BSG verwies auf seine Rechtsprechung zur Frage der Verfallswirkung einer Beitragserstattung auch für Zeiten, die nach dem FRG als Versicherungszeiten zu berücksichtigen seien und verneinte demgemäß eine klärungsbedürftige Rechtsfrage. Es bezog diese Rechtsprechung konkret auf den Fall der Klägerin und führte aus, nach dem im Zeitpunkt des Versicherungsfalles gültigen Rechts seien die polnischen Beschäftigungszeiten "in Anwendung des FRG" zu berücksichtigen.

Am 12.12.94 stellte die Klägerin Antrag auf Anrechnung der in Polen zurückgelegten Beitragszeiten nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch - SGB X -. Sie begründete dies mit der Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde als unzulässig, da auf diese Weise eine materiell-rechtliche Prüfung ihres Anspruches unterblieben sei. Mit Bescheid vom 16.02.95 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.10.95 lehnte die Beklagte die Neufeststellung ab, wogegen die Klägerin beim Sozialgericht München Klage erhob. Im Rahmen dieses Verfahrens hatte die Klägerin einen Erstattungsbescheid vom 05.01.65 in Kopie vorgelegt; in den formblattmäßigen Bescheid war mit dem Schreibmaschinentyp der Klägerin eingefügt: "Polnische Pflichtbeiträge, die nach der Währungsreform 20.06.48 entrichtet seien, werden bei der Rente anerkannt." Das Original konnte sie auf Anforderung der Beklagten nicht vorlegen. In der mündlichen Verhandlung vom 20.03.97 wurde die Klage zurückgenommen.

Am 29.05.97 beantragte die Klägerin erneut u.a. unter Vorlage der Kopie des Erstattungsbescheides vom 05.01.65 die Berücksichtigung der polnischen Versicherungszeiten und gleichzeitig die Erstattung der in Polen geleisteten Beiträge. Letzteres wurde von der Beklagten mit dem angefochtenen Bescheid vom 13.02.98 abgelehnt, das Begehren im Übrigen wurde ausdrücklich ausgeklammert. Aufgrund einer Beschwerde der Klägerin an den Präsidenten der Beklagten teilte diese mit formlosen Schreiben vom 24.02.98 mit, dass im Hinblick auf die durchgeführte Heiratserstattung ein Anspruch aus den in Polen erworbenen Beitragszeiten nicht bestehe. Auf die Urteile des Sozialgerichts München und des Bayer. Landessozialgerichts wurde verwiesen. Die Klägerin legte Widerspruch ein und beharrte weiterhin auf der Anerkennung der polnischen Zeiten. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.09.98 wurde der Widerspruch zurückgewiesen. Der Bescheid vom 17.04.90 könne nicht nach § 44 SGB X zurückgenommen werden, da weder das Recht falsch angewandt noch von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Die Einwände der Klägerin seien bereits in früheren Verfahren gewürdigt; sie enthielten keine neuen Erkenntnisse.

Mit der am 15.10.98 beim Sozialgericht München erhobenen Klage verfolgte die Klägerin ihr Begehren weiter. Der Bescheid vom 30.10.90 wie auch der Bescheid vom 28.08.91 leide an einem schwerwiegenden Mangel und sei nichtig. Der Bescheid vom 30.10.90 sei ohne Anhörung ergangen und aus diesem Grund bereits rechtswidrig. Dieser Mangel könne nicht geheilt werden. In der Sache vertrat die Klägerin weiterhin die Ansicht, die in Polen zurückgelegten Beitragszeiten würden von der Verfallswirkung der Erstattung nicht erfasst. Zudem sei zu berücksichtigen, dass sie die erstatteten Beiträge wieder einbezahlt habe. Ihr Anspruch ergebe sich aus der Anwendung des DPSVA 75, das erhebliche Bestandsschutzregelungen enthalte. Die Beklagte habe auch die Möglichkeit einer Anrechnung als Beschäftigungszeit nach § 16 FRG außer Acht gelassen. Darüber hinaus seien die Zeiten in einem Kontenspiegel aus dem Jahr 1991 und später enthalten. Ein Herstellungsanspruch sei zu prüfen, da sie im Jahr 1990 eine falsche Auskunft erhalten habe.

Das Sozialgericht München wies mit Urteil vom 10.02.2000 die Klage ab. Es verneinte die Voraussetzungen für eine der Klägerin günstige Entscheidung gemäß § 44 SGB X und verwies dazu insbesondere auf die rechtskräftigen Urteile des Sozialgericht und Bayer. Landessozialgericht sowie die Bestandskraft der früheren Überprüfungsbescheide. Abschließend führte es aus, dass die Gründe des Urteils des Bayer. Landessozialgerichts vom 15.06.93 nach wie vor der geltenden Rechtslage entsprächen. Die in Polen zurückgelegten Zeiten würden von der Verfallswirkung der Heiratserstattung erfasst. Grund dafür sei die Rechtsänderung zum 01.07.90 durch Art 20 des RRG 92. Der Einwand der Klägerin, der Bescheid vom 30.10.90 sei nichtig, gehe an der Sache vorbei, da Streitgegenstand die Frage sei, ob die Beklagte zur Neufeststellung verpflichtet sei. Im Übrigen lägen keine Nichtigkeitsgründe vor.

Die Klägerin legte am 06.03.2000 Berufung ein und beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 10.02.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 13.02.98 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.09.98 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die in Polen zurückgelegten Zeiten vom 11.07.49 bis 31.10.53 und vom 01.11.54 bis 15.12.59 als Zeiten nach dem DPSVA in der Fassung vom 09.10.75 anzuerkennen und entsprechend nach § 44 SGB X Rente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung der Berufung wird vorgetragen, es blieben bei Personen, die vor dem 01.01.91 in das Bundesgebiet eingereist seien und sich seither ununterbrochen im Bundesgebiet aufhielten, die alten Regelungen des DPSVA 75 bestehen. Es komme dabei nur auf den Zeitpunkt der Wohnsitznahme im Bundesgebiet und nicht auf den Rentenbeginn an. Da die Klägerin diese Voraussetzungen erfülle, seien die Ausführungen der Beklagten zur Verfallswirkung unzutreffend. Die Beitragserstattung sei vor in Krafttreten des DPSVA 75 erfolgt; die Zeiten, die auf Grund des Abkommens entstanden seien, seien demnach von der Verfallswirkung der Erstattung nicht erfasst. Entscheidend für die Beurteilung sei der Zuzug und nicht der Rentenbeginn.

Die Beklagte verweist darauf, die Klägerin gehöre zum Personenkreis des FRG. Dies habe zur Folge, dass die Zeiten bei der Erstattung der Beiträge existent gewesen seien. Durch die Änderung des Zustimmungsgesetzes zum Abkommen durch Art 20 Nr. 2 RRG 92, in Kraft getreten zum 01.07.90, könnten polnische Abkommenszeiten nur insofern berücksichtigt werden, als auch das innerstaatliche Recht eine Berücksichtigung zulässt. Dieser Regelung unterliege die Klägerin, da ihre Rente am 01.10.90 begonnen habe. Auf die Entscheidung des BSG vom 21.02.96 , Az.: 5 RJ 48/95 werde verwiesen.

Die Klägerin trägt dazu vor, das Urteil des BSG treffe nicht den Sachverhalt. So habe es sich nicht um eine Heiratserstattung, sondern eine Erstattung nach § 1303 Reichsversicherungsordnung - RVO - gehandelt. Auch habe die Versicherte in dem vom BSG entschiedenen Fall die Beiträge nicht zurückgezahlt. Durch die Nachzahlung der Beiträge gemäß Art.2 § 27 AnVNG sei die Erstattung rückgängig gemacht. Im Übrigen habe sich das Urteil auf Regelungen des Art. 38 RÜG bezogen. Diese Vorschrift könne auf die Klägerin schon deswegen nicht zutreffen, da diese nie ihren Wohnsitz in der ehemaligen DDR gehabt habe, Art 2 RÜG aber eine Übergangsregelung für Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebiets sei.

Zur Ergänzung des Sachverhaltes wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten und des Sozialgerichts München sowie die Akte des Bayer. Landessozialgerichts verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG - ohne Zulassung statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 SGG) ist zulässig; sie kann in der Sache aber keinen Erfolg haben. Die Beklagte hat zurecht die streitige Zeit nicht als Beitrags- oder Beschäftigungszeit nach dem DPSVA von 9. 0ktober 1975 bzw dem FRG anerkannt und zutreffend bei Berechnung der Rente nicht berücksichtigt.

Die Klägerin begehrt im Rahmen des § 44 Sozialgesetzbuch - SGB X - die Aufhebung bindender Feststellungs- und Rentenbescheide und in der Folge die Berücksichtigung der in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten. Ziel ist die Anerkennung der Zeit vom 11.07.49 bis 31.12.53, 01.11.54 bis 30.04.56, 02.05.56 bis 15.12.59.

Dabei ist zu beachten, dass sich die Ablehnung bzw Anerkennung in den der Rentenberechnung zugrundeliegenden Bescheiden unterschiedlich gestaltet hatte. Was die Zeit vom 01.11.54 bis 30.04.56 angeht, so hatte die Beklagte diese im Bescheid vom 17.04.90 anerkannt, während sie die übrigen Zeiten mangels Nachweises abgelehnt hatte. Aus dieser Anerkennung kann die Klägerin aber keine Rechte mehr herleiten. Denn sie wurde durch den Bescheid vom 07.09.90 wieder aufgehoben.

In den Urteilen des BSG vom 29.04.97 und 16.12.97 (Az.: 4 RA 25/96 und 4 RA 56/96) wird zwar bei Aufhebung von Feststellungsbescheiden aufgrund der gesetzlichen Änderungen des FRG und des Zustimmungsgesetzes vom 12.03.76 zum DPSVA 75 ausdrücklich - selbst bei Entscheidungen nach Art 38 RÜG - ein Aufhebungswille des Versicherungsträgers und eine entsprechen konkrete Aussage, welche Feststellungen aufgehoben werden, gefordert. Diese Voraussetzungen können aber im vorliegenden Fall bejaht werden. Im Rahmen des Widerspruchsverfahren hatte die Beklagte nach Inkrafttreten der Änderung des Zustimmungsgesetzes zum DPSVA 75 zum 01.07.90 trotz Nachweises sämtlicher Zeiten durch Bestätigungen des polnischen Versicherungsträgers die Anerkennung aller geltend gemachten Zeiten - auch der bereits mit Bescheid vom 17.04.90 anerkannten - abgelehnt. Dass sie dabei das Wort "abgelehnt" benutzt, statt von Aufhebung zu sprechen, steht beim vorliegenden Sachverhalt der Annahme der Aufhebung nicht entgegen. Denn die Beklagte hatte bereits im "Anerkennungsbescheid" vom 17.04.90 ihre Absicht angekündigt, diesen Bescheid nach Inkrafttreten der Änderungen zum 01.07.90 zu überprüfen. Auch ist im Bescheid vom 07.09.90 klar nachvollziehbar, dass die anerkannte Zeit nicht mehr berücksichtigt wird. Eine Begründung der Entscheidung wurde ebenfalls beigefügt. Die Beklagte wollte am Bescheid vom 17.04.90 nicht mehr festhalten, dies war für die Klägerin auch klar erkennbar. Sofern der Bescheid vom 07.09.90 unter Verletzung des § 24 SGB X ergangen sein sollte, ist dies durch das nachfolgende Widerspruchsverfahren geheilt. Ein Feststellungsbescheid, aus dem die Klägerin unmittelbar Rechte auf Anrechnung herleiten könnte, liegt nicht mehr vor.

Als solcher Bescheid kann auch nicht der von der Klägerin in Kopie vorgelegte Erstattungsbescheid vom 05.01.65 angesehen werden. Die Kopie enthält zwar den Zusatz, dass polnische Pflichtbeiträge bei der Rente anerkannt würden. Sowohl die Art der Einfügung als auch der Text lassen es nicht glaubhaft erscheinen, dass die Beklagte dies ausgesprochen haben sollte. Im Übrigen bezieht sich die Aussage auf keine konkrete Zeit.

Ebenfalls kann nicht als Anspruchsgrundlage der Anhang zum Bescheid vom 28.08.91, die Rente sei unter Berücksichtigung des DPSVA 75 festgestellt worden, herangezogen werden. Dies ist schon deshalb nicht möglich, weil gerade die streitigen Zeiten ausgeklammert wurden.

Soweit die Klägerin argumentiert, die streitigen Zeiten seien im Kontenspiegel aufgenommen und deswegen als Versicherungszeit anzusehen, geht ihre Argumentation fehl. Die Zeiträume sind genannt, aber nicht als bewiesene und anzurechnende Beitrags- oder Beschäftigungszeit, sondern als gerade nicht anzurechnende Zeiten.

Die Entscheidung hängt demnach nur davon ab, ob die Bescheide vom 07.09.90. 30.10.90, 04.02.91, 28.08.91 wegen fehlender Berücksichtigung der streitigen Zeit rechtswidrig sind und in der Folge die Bescheide 16.02.95, 04.10.95, 13.02.98, 24.02.98 und 24.09.98 zu Unrecht eine für die Klägerin günstige Entscheidung gemäß § 44 SGB X abgelehnt haben. Dies ist zu verneinen.

Der Umstand, dass die Beklagte im angefochtenen Bescheid vom 13.02.98 ausschließlich und ausdrücklich über einen Anspruch der Klägerin auf Erstattung der in Polen gezahlten Beiträge entschieden und nicht die Aufhebung der bindenden Bescheide überprüft hat, steht dem Begehren der Klägerin nicht entgegen. Denn zwar konnte die fehlende Entscheidung nicht im Widerspruchsverfahren nachgeholt werden (vgl. obengenannte Urteile), das Schreiben vom 24.02.98 stellt aber eine verbindliche Regelung und damit einen Verwaltungsakt dar. Es wurde im Schreiben der Klägerin gegenüber erneut festgestellt, dass es bei der rechtskräftig festgestellten Ablehnung der streitigen Zeiten verbleibe. Eine Entscheidung nach § 44 SGB X betreffend die geltend gemachten Versicherungszeiten liegt demnach vor. Der Anspruch der Klägerin scheitert nicht bereits aus formellen Gründen.

Er hat aber materiell-rechtlich keinen Erfolg, da zutreffend die in Polen zurückgelegte Zeit nicht anerkannt und berücksichtigt wird. Die durchgeführte Beitragserstattung steht der Anerkennung entgegen (§ 82 Abs 7 AVG). Eine Beitragszeit nach § 15 FRG liegt nicht - mehr - vor. Nach dieser Vorschrift stehen Beitragszeiten, die bei einem nichtdeutschen Träger der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt sind, den nach Bundesrecht zurückgelegten Beitragszeiten gleich, sofern die Versicherte zum Personenkreis des § 1 FRG gehört. Dies ist bei der Klägerin zwar der Fall, da sie seit Januar 1960 Inhaberin eines Vertriebenenausweises A ist und für ihre Beschäftigungen in Polen Beiträge zur dortigen gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden sind. Durch die im Jahr 1965 aus Anlass der Heirat erfolgte Erstattung der Hälfte der in der Bundesrepublik geleisteten Rentenversicherungsbeiträge sind aber auch die nach § 15 FRG damals bereits anrechenbaren Beitragszeiten (Inkrafttreten des FRG zum 01.01.59) untergegangen. Nach § 82 Abs 7 AVG schließt eine Beitragserstattung weitere Ansprüche aus den bisher zurückgelegten Beitragszeiten aus. Diese Verfallswirkung erfasst nach der Rechtsprechung des BSG auch die vor der Beitragserstattung außerhalb des Geltungsbereichs des FRG zurückgelegten fremden Beitragszeiten ungeachtet dessen, dass die während dieser Zeit entrichteten Beiträge nicht erstattet worden sind (BSG SozR 2200 § 1303 Nrn 14, 18, 26). Diese Rspr wurde vom Bundesverfassungsgericht für zutreffend erachtet (SozR 22000 § 1303 Nr. 19).

Unerheblich ist dabei, ob eine Erstattung wegen Beendigung der Versicherungspflicht oder eine Heiratserstattung erfolgte( BSG SozR 2200 § 1303 Nr 26).Ohne Bedeutung ist ebenfalls, ob die erstatteten Beiträge wieder einbezahlt wurden. Denn die Erstattung führt zu einer rückwirkenden Auflösung des Versicherungsverhältnisses, das durch die Nachzahlung von Beiträgen nicht wieder hergestellt wird. Allein die Nachzahlung für die erstatteten Beiträge stellt die untergegangenen nicht wieder her (vgl. sinngemäß SozR 5750 § 28 Nr. 3, insbes. Urteil vom 26.06.80 s.o.).

Ebenfalls von der Verfallswirkung erfasst werden Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG (u.a. BSG vom 26.Juni 1980 Az: 5 RJ 126/78). An diesem Grundsatz ist durch die zum 01.07.90 in Kraft getretene Änderung des § 16 Abs 1 Satz 3 FRG keine Änderung eingetreten. Darin ist zwar bestimmt, dass Satz 1 nicht für Zeiten angewendet wird, für die Beiträge erstattet worden sind, was die Rentenversicherungsträger dahin auslegen, dass dies "nur" für Zeiten gelte, für die Beiträge nach dem Recht des Herkunftslandes erstattet worden seien oder die im Rahmen einer Erstattung nach reichsgesetzlichen Vorschriften mit erstattet worden seien (VerbKomm § 16 FRG 12.1, 12.2). Dies bedeutet aber nicht, dass in allen anderen Fällen trotz Erstattung Beschäftigungszeiten angerechnet werden könnten, vielmehr scheidet durch die Neuregelung eine Anrechnung nach § 16 FRG in den neu geregelten Fällen auch dann aus, wenn die Vorschrift des § 16 FRG noch gar nicht in Kraft getreten war. Konkret betrifft dies im Wesentlichen Beitragserstattungen im Sudetenland, Memelgebiet, Danzig und in den eingegliederten Ostgebieten. Erfolgte die Erstattung nach den bundesgesetzlichen Vorschriften, verbleibt es bei der vor 01. Juli 1990 geltenden Rechtslage: die Verfallswirkung bezieht sich nur auf Beschäftigungszeiten im Sinne des § 16 FRG, die zur Zeit der Erstattung bereits als Versicherungszeiten gewertet wurden. Als im Jahr 1965 die Erstattung der Beiträge bei der Klägerin durchgeführt wurde, konnten aber die in Polen zurückgelegten Zeiten bereits als Beschäftigungszeiten nach § 16 FRG grundsätzlich angerechnet werden. Auch eine Berücksichtigung nach § 16 FRG scheidet demnach aus.

Die Klägerin kann auch nicht im Rahmen eines sogenannten Herstellungsanspruch von der Beklagten die Anerkennung und Anrechnung der in Polen zurückgelegten Versicherungszeiten fordern. Unabhängig von der Frage, ob es dafür der Aufhebung des Erstattungsbescheides bedürfte und ob dies möglich wäre, bestand für die Beklagte bei der Entscheidung über die Erstattung keine Veranlassung, die Klägerin über die Folgen der Erstattung bezüglich der nach dem FRG vorliegenden Versicherungszeiten besonders aufzuklären. Solche waren bei der Klägerin weder geltend gemacht noch lagen sie ersichtlich vor. Sie waren zudem nicht bewiesen. Für eine konkrete Beratung bestand kein Anlass.

Die Klägerin kann die Anerkennung der streitigen Zeiten auch nicht als Beschäftigungszeiten nach Art 4 Abs 2 DPSVA 75 beanspruchen. Zwar trifft es durchaus zu, dass der Verfallswirkung einer Erstattung solche Zeiten nicht unterliegen, die erst durch eine nach dem Zeitpunkt der Erstattung eingetretene Gesetzesänderung rückwirkend zu Versicherungszeiten geworden sind (BSG vom 19.05.83 SozR 2200 § 1303 Nr. 26). Dies geschah im Falle der Klägerin durch das DPSVA 75 in Verbindung mit Art 2 des Zustimmungsgesetzes ab 01.05.76. Durch das DPSVA 75 wurden nach der Erstattung im Jahr 1965 für die Klägerin Versicherungszeiten begründet. Denn ihre abhängigen Beschäftigungszeiten in Polen waren nach Art 4 Abs 2 DPSVA 75 in der deutschen Rentenversicherung so zu berücksichtigen, als ob sie in der BRD erworben worden wären.

Zutreffend weist die Klägerin auch daraufhin, dass auf sie weiterhin das DPSVA 75 Anwendung findet. Dies ergibt sich aus Art 27 Abs 1, Abs 2 bis 4 des Abkommens zwischen der BRD und der Republik Polen vom 08. Dezember 1990, in Kraft ab Oktober 1991. Dies liegt daran, dass für die Fortgeltung des DPSVA 75 darauf abgestellt wird, ob die Wohnsitznahme vor Juli 1990 bzw 1991 erfolgt ist. Nachdem sich die Klägerin seit Dezember 1959 ununterbrochen in der Bundesrepublik aufhält und ihren Wohnsitz hier hat, können die Beschäftigungszeiten in Polen grundsätzlich noch wie Beitragszeiten in der deutschen Rentenversicherung berücksichtigt werden. Die weitere Anwendung des DPSVA 75 ist die Grundlage dafür, dass sich überhaupt noch die Frage einer Berücksichtigung der polnischen Zeiten bei der Feststellung der Höhe der aus der deutschen Rentenversicherung zu zahlenden Rente stellt. Denn käme das DPSVA 90 zum Tragen, könnten die in Polen zurückgelegten Zeiten bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage und der Entgeltpunkte nicht mehr berücksichtigt werden. Auf die Frage einer Beitragserstattung und deren Verfallswirkung käme es nicht mehr an, da bereits der Grundtatbestand für eine Anrechnung fehlen würde.

Dass die von der Klägerin in Polen zurückgelegten Zeiten trotz weiterer Anwendbarkeit des DPSVA 75 nicht anerkannt und angerechnet werden können, ist in der Änderung des ZustG begründet. Im Rahmen der Anwendung des DPSVA 75 ist auf die Fassung durch Art 20 RRG abzustellen. Diese Änderung ist zum 01. Juli 1990 in Kraft getreten. Die geänderten Vorschriften (Art 1a und Art 2 ZustG) finden Anwendung für die Zeit ab Inkrafttreten, es sei denn, eine Rente ist mit Rentenbeginn vor dem 01. Juli 1990 entsprechend dem ZustG idF vor RRG 92 festgestellt worden (Art 20 Nr. 3 RRG). Dies ist bei der Klägerin nicht der Fall, es kommt demnach das DPSVA 75 i.V. mit ZustG idF ab 01. Juli 90 zur Anwendung.

Nach der Neufassung sind entsprechend Art 4 Abs 2 DPSVA 75 iV Art 2 Abs 1 ZustG Zeiten, die nach dem Recht der polnischen Rentenversicherung zu berücksichtigen sind, bei der Feststellung der Rente aus der deutschen Rentenversicherung in Anwendung des FRG und des FANG zu berücksichtigen. Die Feststellung der Versicherungszeiten erfolgt demnach in zwei Schritten: - durch Übernahme der nach polnischem Recht abkommensrelevanten Zeiten und - Eingliederung dieser Zeiten nach deutschen Vorschriften.

Eine abkommensrelevante Zeit liegt bei der Klägerin, die in abhängigen Beschäftigungsverhältnissen gegen Entgelt gestanden hat, nach polnischen Recht eindeutig vor. Nach deutschem Recht liegt aber keine nach dem FRG zu berücksichtigende Zeit vor, da diese durch die Beitragserstattung untergegangen ist. Durch diese Heranziehung der Vorschriften über das FRG und die im Zusammenhang stehenden deutschen Vorschriften, das sog. Hauptrecht, sollte eine Gleichstellung der Aussiedler aus Polen mit denen aus anderen Ländern erreicht werden. Das deutsche Recht bestimmt, welche polnischen Beitrags- und Beschäftigungszeiten nach Art 4 Abs 2 des DPSVA 75 in der deutschen Rentenversicherung berücksichtigt werden.

Die von der Beklagten, dem Sozialgericht München und dem 11.Senat des Bayer. Landessozialgerichts vertretene Ansicht ist zutreffend. Sie wurde vom BSG im Beschluss vom 20.06.94 für den Fall der Klägerin bestätigt. Mit Urteil vom 21. Februar 1996 (SozR 3-2200 § 1303 Nr. 5) hat das BSG darüber hinaus eindeutig klargestellt, dass nach der Änderung des ZustG durch Art 20 RRG 92 ab 01.07.90 Abkommenszeiten nur noch berücksichtigungsfähig sind, wenn sie auch die Voraussetzungen für eine Anrechnung nach dem FRG erfüllen. Sie unterliegen damit nunmehr der Verfallswirkung bei Beitragserstattung. Diese Rechtsprechung wurde vom BSG mit Urteil vom 13.Dezember 2000, Az: B 5 RJ 42/99 bestätigt. Auch in dieser Entscheidung kam das BSG zum Ergebnis, dass eine im Jahr 1965 in der Bundesrepublik durchgeführte Heiratserstattung nicht nur die nach dem FRG berücksichtigungsfähigen Zeiten erfasste, sondern sich nach der Änderung des ZustG zum DPSVA 75 durch Art 20 RRG 92 auch auf die polnischen Abkommenszeiten erstreckt.

Gegen die Neufassung des ZustG bestehen auch keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken; sie wurden vom BSG in den Urteilen vom 21.02.96 und 13.12.2000 verneint, da die Klägerin keine eigene Beitragsleistung zur deutschen gesetzlichen Rentenversicherung im Umfang der streitigen Zeiten erbracht habe. Die Übergangsregelung des Art 20 Nr.3 RRG 92 trage dem Rechtsstaatprinzip hinreichend Rechnung, da sie Versicherte, die bereits vor 01.07.90 Rente unter Anwendung des DPSVA 75 bezogen hätten, ausnehme.

Die Einwände der Klägerin gegen die Heranziehung des Urteils des BSG vom 21.02.96 überzeugen nicht. Ob es sich um eine Heirats- oder eine andere Erstattung handelt, ist nach der Rechtsprechung des BSG unerheblich (s.o.) und wäre sachlich bei identischer Verfallswirkung nicht zu begründen. Ebenso wenig ist entgegen der Ansicht der Klägerin von Bedeutung, ob die erstatteten Beiträge wieder nachgezahlt wurden oder nicht. Was Art 38 RÜG betrifft, mit dem sich das BSG im Urteil vom 21.02.96 zu befassen hatte, so verkennt die Klägerin den Regelungsinhalt. Die Vorschrift bezieht sich auf alle Feststellungsbescheide und Rentenbescheide, die von den Änderungen des SGB VI und des FRG sowie des ZustG betroffen sind. Insofern besteht kein Zusammenhang mit dem Wohnsitz der Versicherten im Beitrittsgebiet und den Renten nach den Vorschriften des Beitrittsgebietes.

Die Berufung ist demnach unbegründet.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen (§ 160 Abs 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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