L 13 RA 79/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 13 RA 402/96
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 13 RA 79/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 17. September 1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung von Ausbildungs- anrechnungszeiten vom 01.04.1966 bis 30.06.1966 im Vormerkungsverfahren streitig.

Die am 1946 geborene Klägerin hat von September 1966 bis September 1968 an der Krankengymnastikschule der Universität F. den Beruf einer Krankengymnastin erlernt. Davor absolvierte sie vom 01.04.1966 bis 30.06.1966 ein Praktikum in der Chirurgischen Privatklinik Dr.B. , Ulm, nach Abschluss der Schule ein weiteres Praktikum vom 01.10.1968 bis 30.09.1969 an den Kliniken der Universität F ... Am 01.10.1969 erhielt sie die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung Krankengymnastin.

Mit Bescheid vom 20.09.1995 erkannte die Beklagte Ausbildungsanrechnungszeiten vom 09.07.1962 bis 07.03.1965, 26.04.1965 bis 25.03.1966 sowie vom 01.09.1966 bis 20.09.1968 an. Die Anerkennung der Zeiten vom 01.04.1966 bis 30.06.1966 und 01.10.1968 bis 30.09.1969 lehnte sie ab, da Praktikantenzeiten nicht als Fachschul-, Fachhochschul- oder Hochschulausbildung anzusehen seien. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 02.05.1996 als unbegründet zurück, wobei sie feststellte, dass für die Zeit vom 01.10.1968 bis 30.09.1969 Pflichtbeiträge entrichtet wurden.

Dagegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht München und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, das Praktikum sei nach der Rechtsprechung als Berufsausbildung anzusehen, da es Ausbildungscharakter habe und von fast allen Krankengymnastikschulen für die Aufnahme in die Ausbildungsstätte zwingend gefordert werde, auch wenn es in der maßgeblichen Ausbildungsordnung nicht vorgeschrieben sei. Die Zusage der Ausbildungsstätte über die Gewährung eines Ausbildungsplatzes habe der Klägerin bereits bei Beginn des Vorpraktikums vorgelegen. Die Rechtsprechung zur Anrechnung von Zeiten eines Vorpraktikums bei der Gewährung von Kindergeld sei auch bei der Anerkennung von Anrechnungszeiten anwendbar. Hilfsweise sei zu berücksichtigen, dass es sich beim absolvierten Vorpraktikum um eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme gehandelt habe. Mit Urteil vom 17.09. 1999 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, die streitige Zeit sei keine Anrechnungszeit, da die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 58 Abs.1 Nr.4 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI) nicht erfüllt seien. Die Zeit des Praktikums gehöre nicht zur Schul-, Fachschul- oder Hochschulausbildung. Das Bundessozialgericht habe zum früheren Recht der Ausfallzeiten in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Praktikantenzeiten keine Ausfallzeiten im Sinne einer Fachschul- oder Hochschulausbildung seien. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz bestehe nur dann, wenn die praktische Ausbildung dergestalt in die Schulausbildung voll integriert sei, dass der Betreffende auch während der praktischen Ausbildungszeit den Status eines Schülers beibehalte. Die Klägerin falle nicht unter diese Ausnahmebestände. Das Praktikum liege klar zwischen dem Ende der einjährigen Haushaltungsschule und dem Beginn des zweijährigen Ausbildungslehrgangs für Krankengymnastinnen, ohne dass eine Integrierung näher in Betracht zu ziehen sei. Das Praktikum sei auch keine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme. Hierunter fielen alle Maßnahmen an nicht den Schulgesetzen der Länder unterliegenden Ausbildungseinrichtungen, die auf die Aufnahme einer Berufsausbildung vorbereiten oder die der beruflichen Eingliederung dienten. Hierunter falle das von der Klägerin absolvierte Praktikum erkennbar nicht.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, zu deren Begründung sie weiter ausführt, ein nicht vorgeschriebenes Praktikum werde nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts als Berufsausbildung angesehen, wenn es Ausbildungscharakter habe und als Teil der Ausbildung im weitesten Sinne angesehen werden müsse. Mit dem Praktikum für den Beruf des Krankengymnasten würden zwei Absichten verfolgt: Der angehende Krankengymnast solle lernen, mit Kranken umzugehen und ihm sollten pflegerische Grundfertigkeiten beigebracht werden. Damit habe das Vorpraktikum Ausbildungscharakter. Das Sozialgericht habe sich nicht mit den Erwägungen befasst, die das Bundessozialgericht in seinen zum Kindergeldrecht ergangenen Entscheidungen angestellt habe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts München vom 17.09.1999 aufzuheben und die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 20.09.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.05.1996 zu verurteilen, die Zeit des dreimonatigen Vorpraktikums vom 01.04.1966 bis 30.06.1966 als Anrechnungszeit anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Senat richtete Anfragen an den Praktikumsbetrieb sowie die AOK Ulm, ob für die streitige Zeit Beiträge entrichtet worden sind. Die Anfragen blieben ergebnislos.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die von der Klägerin form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist gemäß den §§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, jedoch sachlich unbegründet.

Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, die Zeit des Vorpraktikums vom 01.04.1966 bis 30.06.1966 als Anrechnungszeit vorzumerken, da die Voraussetzungen der allein in Betracht kommenden Anspruchsgrundlage des § 58 Abs.1 Satz 1 Nr.4 SGB VI nicht erfüllt sind.

Da die Anerkennung der Anrechnungszeiten im Vormerkungsverfahren begehrt wird, beurteilt sich die Rechtslage nach der zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgebenden Gesetzesfassung (vgl. BSG vom 04.08.1998 - B 4 RA 8/98 R).

Das Vorpraktikum ist weder einem Schul-, einem Hochschul- noch einem Fachschulbesuch gleichzusetzen noch kann es als Bestandteil der Fachschulausbildung zur Krankengymnastin angesehen werden. Es war dieser Ausbildung vielmehr vorgeschaltet und ermöglichte als Zugangsvoraussetzung erst den Fachschulbesuch. Als bloße Zugangsvoraussetzung war das Praktikum auch keine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme, wie sie in § 58 Abs.1 Satz 2 SGB VI definiert ist.

Dies hat das Sozialgericht im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt und ausführlich begründet. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen an und sieht insoweit gemäß § 153 Abs.2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend ist unter Berücksichtigung der Berufungsbegründung auszuführen, dass die dort erneut angeführte BSG-Rechtsprechung zum Kindergeldrecht (z.B. Urteil vom 03.11.1987 - 10 RKg 14/86 -) schon deswegen nicht einschlägig ist, weil nach § 2 Abs.2 Satz 1 Nr.1 Bundeskindergeldgesetz (BKGG) in der zum Zeitpunkt dieser Entscheidung geltenden Fassung die Schul- oder Berufsausbildung zum Kindergeldbezug berechtigten. Die Rechtsprechung hatte insoweit ein notwendiges Vorpraktikum als Teil der Berufsausbildung anerkannt. Berufsausbildung ist jedoch kein Anrechnungszeittatbestand im Sinne des § 58 SGB VI, sondern nur die allein dort aufgeführten Zeiten einer schulischen Ausbildung, worunter ein Vorpraktikum als Zugangsvoraussetzung nicht eingeordnet werden kann. Lediglich in der Zeit vom 01.01.1997 bis 31.12.1997 sah § 58 Abs.1 Satz 1 Nr.4a SGB VI in der Berufsausbildung einen Anrechnungszeittatbestand.

Zeiten der Berufsausbildung außerhalb einer schulischen Ausbildung als Anrechnungszeiten versicherungsrechtlich zu berücksichtigen, ist im Übrigen schon deshalb nicht veranlasst, weil Beschäftigungen als Lehrling oder sonst zur Berufsausbildung grundsätzlich der Beitragsspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung unterliegen (§ 2 Abs.1 Nr.1 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG), § 1 Satz 1 Nr.1 SGB VI). Ob vorliegend Beiträge entrichtet wurden, ließ sich nicht klären, ist zur Entscheidung der streitgegenständlichen Rechtsfrage aber auch nicht von Bedeutung.

Bei dem Vorpraktikum handelte es sich auch nicht um eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme im Sinne der Definition des § 58 Abs.1 Satz 2 SGB VI, wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat. Das Praktikum verfolgte nicht das Ziel, der Klägerin Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, die die Aufnahme der Fachschulausbildung ermöglichten. Es war vielmehr bloße Zugangsvoraussetzung mit dem Ziel, durch Ableistung einer dreimonatigen praktischen Tätigkeit den Zugang zur Krankengymnastikschule zu eröffnen. (vgl. auch BSG vom 05.12.1996 - 4 RA 101/95 -). Das Praktikum war nicht Teil, sondern Voraussetzung für die Aufnahme der Fachschulausbildung, wobei es selbst nicht auf die Aufnahme einer Berufsausübung bzw. Berufsausbildung vorbereitete, also nicht den Charakter einer beruflichen Bildungsmaßnahme im Sinne des § 58 Abs.1 Satz 2 SGB VI hatte.

Die Entscheidung des Sozialgerichts ist nach alldem nicht zu beanstanden, weshalb die Berufung als unbegründet zurückzuweisen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 SGG die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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