L 16 RJ 413/98

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 12 Ar 5275/92
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 413/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 11.12.1997 und der Bescheid der Beklagten vom 20.01.1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.07.1992 aufgehoben.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Umwandlung der Rente wegen Erwerbsunfähigkeit in Rente wegen Berufsunfähigkeit ab 01.02. 1986 durch die Aufhebung des Rentengewährungsbescheides vom 17.04.1986 durch die Beklagte und Rückforderung der Überzahlung in Höhe von 11.042,26 DM.

Die am 1939 geborene Klägerin ist am 23.10.1999 verstorben. Sie war Staatsangehörige des ehemaligen Jugoslawien und hatte ihren Wohnsitz in Kroatien. Das Verfahren wird von ihrem Ehemann als Rechtsnachfolger weiter betrieben. Auf den Rentenantrag vom 16.11.1984 hin gewährte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 17.04.1986 auf Grund eines Untersuchungsberichts aus Jugoslawien und der Untersuchung in der Gutachterstelle Regensburg Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab 01.02.1986 in Höhe von monatlich 684,10 DM. Fragen nach einer selbstständigen Tätigkeit der Klägerin oder ihres Ehemanns, insbesondere nach landwirtschaftlichen Betrieben, hat die Klägerin in den Fragebögen der Beklagten jeweils verneint. Widerspruch und Klageverfahren wegen eines früheren Rentenbeginns blieben erfolglos. Die Rente wurde gewährt wegen Herzmuskelschwäche bei anamnestisch bekanntem Vorhofscheidewanddefekt, Verdachts auf pulmonale Hypertonie, Herzrhythmusstörungen, labilen Bluthochdrucks, wirbelsäulenabhängiger Beschwerden bei Aufbraucherscheinungen und leichter Lungenventilationsstörung. In einem weiteren Fragebogen vom 14.06.1991 bejahte die Klägerin die Frage nach einem landwirtschaftlichen Betrieb. Sie legte eine Abschrift eines Katasterauszugs datiert vom 04.07.1991 vor, wonach ihr Ehemann Stepjan Mitbesitzer zur Hälfte von einer Fläche von insgesamt 39.128 m² sei und dafür ein Katastereinkommen von 8.621,40 Dinar festgesetzt war. Die Miteigentümerin war G. C. ; eine weitere Katastereintragung bezeichnete den Ehemann der Klägerin als alleinigen Eigentümer einer Fläche von 8.031 m² mit einem Katastereinkommen von 1.610,10 Dinar.

Die Beklagte hörte mit Schreiben vom 23.08.1991 die Klägerin zur beabsichtigten Umwandlung der EU- in eine BU-Rente an. Es wurde mitgeteilt, dass ihr Ehemann in Jugoslawien seit 1986 landwirtschaftlich genutzte Flächen besitze und deshalb anzunehmen sei, dass die Klägerin mitarbeite und somit nicht erwerbsunfähig im Sinne von § 1247 Abs.2 Satz 3 RVO sei.

Es wurde eine weitere Bescheinigung vorgelegt, wonach für eine landwirtschaftliche Fläche von 27.595 m² die Eheleute S. und M. 1991 zu einer Abgabe auf Grund der Landwirtschaft veranlagt wurden.

Mit Bescheid vom 20.01.1992 hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.04.1986 die Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente ab 01.02.1986 umgewandelt und den Betrag von 11.042,26 DM zurückgefordert. Zur Begründung wurde ausgeführt, ein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bestehe nicht, weil die Klägerin noch selbstständig erwerbstätig sei. Solange eine selbstständige Tätigkeit ausgeübt werde, liege unabhängig vom Umfang der Tätigkeit und vom Ausmaß der Leistungsminderung keine Erwerbsunfähigkeit vor.

Zur Begründung ihres Widerspruchs vom 17.02.1992 trug die Klägerin vor, sie lebe in Hausgemeinschaft mit ihrem Mann auf dessen mütterlichem Landgut, besitze selbst aber nichts.

Die Klägerin wurde aufgefordert, mitzuteilen und durch entsprechende Unterlagen nachzuweisen, seit wann ihr Mann Eigentümer der landwirtschaftlichen Grundstücke sei und in welchem zeitlichen Umfang sie in der Landwirtschaft mitarbeite.

Mit Bescheid vom 04.04.1992 wurde wegen der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs die Rente wieder angewiesen und auch die Nachzahlung an die Klägerin ausbezahlt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.1992 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, zur Begründung führte sie aus, dass die gewährte Erwerbsunfähigkeitsrente in eine Berufsunfähigkeitsrente umzuwandeln gewesen sei, da die Klägerin eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausübe. Sie sei in Kroatien Miteigentümerin von landwirtschaftlicher Nutzfläche in einer Gesamtgröße von mindestens 27.595 m². Ein landwirtschaftlicher Betrieb dieser Größenordnung sei ein Unternehmen und deshalb sei eine selbstständige Erwerbstätigkeit des Inhabers anzunehmen. Als Miteigentümerin dieser landwirtschaftlichen Nutzflächen sei die Klägerin selbstständig erwerbstätig im Sinne von § 44 Abs.2 Satz 2 SGB VI, auch wenn die Landwirtschaft im Ausland betrieben werde. Das Ausüben einer selbstständigen Erwerbstätigkeit verlange nicht die Verrichtung von Tätigkeiten im Betrieb, deren Umfang bei Selbstständigen ohnehin schwierig festzustellen sei. Bei Berufen wie dem des Landwirts sei zu vermuten, dass er die selbstständige Tätigkeit ausübt, solange er Eigentümer der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen ist, und er die Flächen nicht verpachtet, übergeben oder veräußert hat. Es reiche aus, dass der Unternehmer kraft seiner Unternehmerstellung, die sich ja allein aus den Eigentumsverhältnissen ergebe, den notwendigen Einfluss nehmen könne. Auf den Ertrag der Landwirtschaft komme es dabei ebenso wenig an wie darauf, wem der Ertrag tatsächlich zufließe. Da die Klägerin als Miteigentümerin landwirtschaftlicher Nutzflächen damit selbstständig erwerbstätig sei, liege Erwerbsunfähigkeit nicht vor. Nach § 45 Abs.2 Satz 2 Ziffer 2 SGB X und § 45 Abs.3 und 4 SGB X sei die Aufhebung des Rentenantragstellung ihre selbstständige Erwerbstätigkeit nicht angegeben habe. Nach § 50 SGB X sei die überzahlte Leistung zurückzufordern.

In der Klageschrift vom 24.08.1992 beantragte die Klägerin die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides und die Zahlung der Erwerbsunfähigkeitsrente. Sie verwies auf die Katasterbescheinigungen, aus denen hervorgehe, dass sie nicht Eigentümerin des landwirtschaftlichen Unternehmens sei. Nach den kroatischen Gesetzen sei sie auch keine Mitbesitzerin, da nach dem Ehe- und Familiengesetz die Ehegatten ihr jeweiliges Vermögen behalten, das sie mit in die Ehe gebracht haben. Dies sei der Fall, da die Liegenschaften im Eigentum ihres Ehemanns stehen, der diese von seinen Eltern geerbt habe. Im Übrigen sei sie auch aus medizinischen Gründen nicht im Stande, irgendeine Tätigkeit zu verrichten.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 11.12.1997 ab und bezog sich auf die Gründe des Widerspruchsbescheids vom 22.07.1992.

Zur Begründung der Berufung trug der Klägerbevollmächtigte vor, dass die Bescheinigung während des Krieges falsch ausgestellt wurde, auch der Ehemann habe bis zum Jahr 1997, als seine Mutter verstarb und er durch gesetzliche Vererbung einige geringe Grundstücksteile geerbt habe, keinen landwirtschaftlichen Besitz oder Eigentum an Land gehabt. Zum Beweis wurde ein Nachlassbescheid vom 27.06.1997 vorgelegt. Außerdem legte der Bevollmächtigte Bescheinigungen des Steueramtes vor, worin bescheinigt wird, dass die Klägerin in den Angaben des Katasteramtes von 1991 bis 1999 nicht erscheine. In weiteren Bescheinigungen wird ausgesagt, dass die Klägerin nicht als Steuerpflichtige in den Jahren 1991 bis 1995 bzw. 1997 und 1998 und 1996 geführt wurde.

Die Beklagte vertrat die Auffassung, dass die nunmehr beigebrachten Bescheinigungen nicht geeignet seien, eine Änderung der bisherigen Auffassung zu bewirken. Sie stünden im krassen Gegensatz zu den im Rentenverfahren vorgelegten Kataster- und Steuerbescheinigungen, wonach die Eheleute S. und M. bereits 1991/92 Eigentümer von landwirtschaftlichen Grundflächen von 27.585 m² waren. Nun werde im Berufungsverfahren behauptet, der landwirtschaftliche Besitz sei erst 1997 durch Erbschaft erlangt worden. Es seien auch keinerlei Nachweise vorgelegt worden, dass die damals ausgestellten Bescheinigungen unrichtig waren.

Am 23.10.1999 ist die Klägerin verstorben.

Die Beklagte leistet Witwerrente an den Ehemann und Rechtsnachfolger der Klägerin. Bei der Rentenantragstellung wurden von ihm Katasterbescheinigungen vom 01.03.2000 vorgelegt, die ihn für die Hälfte der dort nachgewiesenen Flächen als Eigentümer ausweisen. Das sich daraus ergebende Einkommen betrug 621,93 und 121,44 DM.

Mit Schreiben vom 09.11.2001 hat der Klägerbevollmächtigte einen Nachlassbescheid der verstorbenen Klägerin vorgelegt, wonach das Nachlassvermögen aus einem Sparbuch in fremder Währung bestand, das ihrem Gatten übertragen wurde. Die Kinder haben ihren Anteil an den Vater abgetreten.

Der Rechtsnachfolger der Klägerin, dessen Bevollmächtigter am Termin nicht teilgenommen hat, beantragt sinngemäß,

das Urteil des SG Landshut vom 11.12.1997 und den Bescheid der Beklagten vom 20.01.1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.07.1992 aufzuheben.

Die Beklagte erklärte sich in der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2001 bereit, den Bescheid vom 20.01.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.07.1992 aufzuheben.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Landshut S 4 Ar 5404/86 JU und S 12 Ar 5275/92 JU sowie die Akten des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) ist zulässig und erweist sich als begründet. Wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2001 zugestanden hat, übte die Klägerin keine selbstständige Tätigkeit ab 01.02.1986 bis zu ihrem Tode aus, da sie nicht Miteigentümerin des landwirtschaftlichen Unternehmens war. Das Urteil des SG und der Bescheid der Beklagten in der Fassung des Widerspruchsbescheides können deshalb keinen Bestand haben, die Beklagte hat sich bereit erklärt, den Bescheid vom 20.01.1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom vom 22.07.1992 aufzuheben.

Da weder der Kläger noch sein Prozessvertreter in der mündlichen Verhandlung anwesend waren, konnte das Anerkenntnis von ihnen nicht angenommen werden und hat somit den Rechtsstreit nicht erledigt (§ 101 Abs.2 SGG).

Es war daher im Wege eines Anerkenntnisurteils, das im sozialgerichtlichen Verfahren zwar in der Regel nicht notwendig, grundsätzlich für die Fälle des nicht angenommenen Anerkentnisses aber nicht ausgeschlossen ist (§ 202 SGG i.V.m. § 307 Abs.1 ZPO, BSG vom 12.07.1988, Az.: 4/11a RA 16/87 = SozR 6580 Art.5 Nr.4), auszusprechen, dass das Urteil des SG Landshut vom 11.12.1997 und der Bescheid der Beklagten vom 20.01.1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 22.07.1992 aufgehoben werden.

Einer Begründung bedarf es nicht, die Beklagte hat sich in der mündlichen Verhandlung der Argumentation des Senats angeschlossen, dass eine selbständige Tätigkeit der Klägerin im Sinne von § 44 Abs.2 Satz 2 SGB VI nicht angenommen werden kann, wenn faktisch keine Mitarbeit im landwirtschaftlichen Betrieb des Ehemannes stattgefunden hat und die Versicherte nach den kroatischen Bestimmungen nicht Eigentümerin, auch nicht Miteigentümerin, am landwirtschaftlichen Betrieb war.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 183, 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 Ziffer 1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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