L 16 RJ 600/00

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 RJ 12/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 600/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04.10.2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach §§ 43, 44 SGB VI a.F. ab November 1992.

Der am 1958 geborene Kläger hat nach eigenen Angaben den Beruf eines Elektromonteurs von September 1974 bis Juli 1976 erlernt und hat nach Ableistung des Wehrdienstes diesen Beruf bis 1983 ausgeübt; anschließend war er von Mai 1985 bis Oktober 1989 als Chemiewerker versicherungspflichtig beschäftigt. Nach Auskunft des letzten Arbeitgebers handelte es sich um eine angelernte Tätigkeit, entlohnt nach Tarifgruppe 4 des Tarifvertrages für die Arbeitnehmer der chemischen Industrie im Freistaat Bayern.

Er hat bereits 1994 und 1997 Antrag auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit gestellt. Der Rentenantrag von 1994 wurde durch das Urteil des SG München vom 13.03.1997, bestätigt durch das Berufungsurteil vom 25.11.1997 (L 6 Ar 167/97), abgelehnt. Die dagegen eingelegte Revision wurde ebenso wie der Antrag auf Prozesskostenhilfe vom BSG als unzulässig verworfen bzw. abgelehnt.

Am 03.12.1997 beantragte der Kläger erneut Rente, die mit Bescheid vom 02.02.1998 abgelehnt wurde mit der Begründung, in der Zeit vom 16.11.1992 bis 03.03.1994 habe keine Erwerbsunfähigkeit vorgelegen.

Der jetzt streitige Antrag wurde am 24.11.1998 vom Kläger gestellt. Er gab an, arbeitslos ohne Leistungsbezug zu sein.

Die Vorladung zur Untersuchung durch die Beklagte lehnte er mehrfach ab, da er wegen Krankheit nicht nach München fahren könne. Er beantragte einen Befundbericht beim behandelnden Arzt Dr.L. anzufordern.

Mit Bescheid vom 31.03.1999 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab mit der Begründung, Erwerbsunfähigkeit liege nicht vor, weil der Kläger trotz der vom behandelnden Arzt festgestellten Gesundheitsstörungen wie Adenom der Schilddrüse, Neigung zur Herzrhythmusstörung, Wirbelsäulensyndrom, Gastritis und Bronchitis noch in der Lage sei, leichte Arbeiten in wechselnder Ausgangslage zu ebener Erde vollschichtig zu verrichten.

Im Widerspruch beantragte der Kläger, unbefristet ab 16.11.1992 Erwerbsunfähigkeitsrente zu bezahlen. Seit dieser Zeit bestehe Berufs-, Erwerbs- und Arbeitsunfähigkeit. Er sei außerdem vom Rentenamt in Burghausen und in Altötting an der Antragstellung gehindert worden. Als Beweismittel solle ein mehrfach eingesandter Befundbericht von Dr.L. dienen.

Beigezogen wurde von der Beklagten ein psychologisches Gutachten des Arbeitsamts Pfarrkirchen vom 04.04.1990. Dort wird berichtet, dass es sehr schwierig bzw. überhaupt nicht möglich sei, mit dem Kläger wirklich zusammenzuarbeiten.

Zu einer Untersuchung im Widerspruchsverfahren ist der Kläger nicht erschienen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 17.12.1999 zurück. Die vorgebrachten Klagen seien gewürdigt worden, da sich der Kläger aber der Untersuchung nicht unterzogen und dafür keine ausreichende Begründung geliefert habe, könne aus den vorhandenen Befunden, insbesondere aus dem Attest von Dr.L. nicht festgestellt werden, dass er berufs- oder erwerbsunfähig sei. Berufsschutz könne er nicht geltend machen, da er zuletzt als Chemiewerker tätig war und somit auf ungelernte Tätigkeiten verwiesen werden könne.

Mit der Klage vom 03.01.2000 begehrte der Kläger unbefristete Erwerbsunfähigkeitsrente ab 16.11.1992 mit der Begründung, er sei arbeitsunfähig und es sei ihm verwehrt worden, Rentenantrag zu stellen.

Dr.L. teilte im Befundbericht vom Juni 2000 mit, der Kläger sei zuletzt am 26.11.1998 zur Untersuchung gewesen. Er teilte die bereits bekannten Gesundheitsstörungen mit.

Das Sozialgericht beauftragte Dr.L. und Dr.M. mit der Untersuchung des Klägers; dort ist der Kläger nicht erschienen.

Mit Gerichtsbescheid vom 04.10.2000, zugestellt am 16.10.2000, wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, der Kläger habe lediglich die von Dr.L. bereits bekannten Befunde vorgelegt und andere Beweiserhebungen nicht zugelassen. Keine der dort genannten Gesundheitsstörungen könne ohne ganz außergewöhnliche Komplikation zu einer nennenswerten Minderung der beruflichen Einsatzfähigkeit auf längere Sicht führen. Da der Kläger sich ohne plausible Begründung keiner Untersuchung unterzogen habe, sei das Vorliegen von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit nicht feststellbar. Soweit sich die Klage auf eine Rentenzahlung ab 1992 richte, stehe die rechtsverbindliche Entscheidung der Beklagten, bestätigt durch die sozialgerichtlichen Urteile, entgegen. Es fänden sich auch keine Hinweise dafür, dass der Kläger gehindert worden sei, einen Rentenantrag zu stellen.

Mit der Berufung vom 18.10.2000, eingegangen am 23.10.2000, machte der Kläger erneut geltend, unbefristet ab 16.11.1992 Erwerbsunfähigkeitsrente zu beanspruchen.

Er übersandte den von der Beklagten bei Dr.L. eingeholten Befundbericht sowie den Arztbrief der Radiologischen Gemeinschaftspraxis Dr.S. vom Mai 1998.

Der Kläger wurde mehrfach darauf hingewiesen, dass diese Unterlagen zur Beurteilung des Rentenanspruchs nicht ausreichen und er verpflichtet sei, am Verfahren mitzuwirken. Dazu gehöre auch die Teilnahme an der Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen. Anderenfalls müsse er mit Abweisung der Berufung rechnen.

Trotzdem ist der Kläger zur Untersuchung bei Dr.E. mehrfach nicht erschienen.

Im Gutachten nach Aktenlage vom 01.02.2002 wertete Dr.E. die vorhandenen Unterlagen aus und stellte beim Kläger folgende Gesundheitsstörungen fest: 1. Verdacht auf Psychosomatose. 2. Autonomes Schilddrüsenadenom. 3. Wirbelsäulenfehlhaltung mit Skoliose-Flachrücken und Trichterbrust bei asthenischem Habitus. 4. Verdacht auf Herz-Rhythmusstörungen. 5. Verdacht auf chronische Bronchitis. 6. Verdacht auf chronische Gastritis.

Dr.E. kam zum Ergebnis, dass auf internistischem Fachgebiet keine Erkrankung vorliege, die zu einer wesentlichen Leistungseinschränkung führe. Der Kläger könne bei dieser Beweislage noch Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des Arbeitsmarkts acht Stunden täglich verrichten und zwar leichte und mittelschwere Arbeiten im Sitzen und Gehen und Stehen, sowohl in geschlossenen Räumen als auch im Freien. Zu meiden seien das Heben und Tragen von schweren Lasten sowie Tätigkeiten mit häufigem Bücken, in Zwangshaltung und verbunden mit hockender Stellung. Auch unter Stress und Akkord sollte der Kläger nicht arbeiten.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 04.10.2000 und den Bescheid der Beklagten vom 31.03. aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, Erwerbsunfähigkeitsrente ab November 1992 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts München S 10 RJ 580/95, S 24 SF 31/99 und S 30 RJ 12/2000 sowie des Bayerischen Landessozialgerichts L 6 Ar 167/97 und L 16 RJ 600/2000 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, weder ab 16.11.1992 noch ab Rentenantragstellung im November 1998, da nicht festgestellt werden kann, dass Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit im Sinne von § 43, 44 SGB VI a.F. weder in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung noch in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung des § 43 SGB VI besteht.

Soweit der Kläger geltend macht, ab 16.11.1992 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu beanspruchen, steht dem die rechtsverbindliche Entscheidung der Beklagten vom 14.10.1994 i.d.F. des Widerspruchsbescheides vom 26.04.1995 entgegen (§ 77 SGG), die durch das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.03.1997 und das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 25.11.1997 bestätigt wurde. Damals erfolgte die letzte Begutachtung durch Medizinaldirektor Dr.J. und Dr.K. , während bereits im sozialgerichtlichen Verfahren der Kläger sich einer weiteren Untersuchung, die vom Sozialgericht für erforderlich gehalten wurde, nicht mehr unterzogen hat. Bereits damals hat das Sozialgericht anhand der Aktenlagegutachten von Dr.F. und Dr.W. festgestellt, dass weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit beim Kläger vorliegt, da er als angelernter Chemiewerker auf andere angelernte Tätigkeiten verwiesen werden kann und somit keinen Berufsschutz genießt und für diese Tätigkeit noch ein ausreichendes Leistungsvermögen, nämlich vollschichtiges Leistungsvermögen, vorhanden ist.

Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts wurde zwar mit der Nichtzulassungsbeschwerde angegriffen, durch Beschluss des BSG vom 03.11.1998 wurde die Beschwerde jedoch als unzulässig verworfen und die Gewährung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. In einem weiteren Beschluss vom 5. Januar 1999 hat das BSG die gegen den Beschluss vom 3. November 1998 erhobene Beschwerde als unzulässig verworfen, da grundsätzlich keine Überprüfung der Beschlüsse des BSG erfolge.

Soweit also Erwerbsunfähigkeit bis November 1997 im Streit steht, ist dies durch die rechtskräftige Entscheidung bereits verbindlich abgelehnt. Der Kläger war damit bis zu diesem Zeitpunkt weder berufs- noch erwerbsunfähig. Es finden sich auch keine Hinweise, die eine Überprüfung dieser Entscheidung nach § 44 SGB X veranlassen könnten. Insbesondere hat der Kläger nichts vorgetragen, was nicht bereits bei der damaligen Entscheidung bekannt war und berücksichtigt wurde. Es ergibt sich somit kein Hinweis, dass diese Entscheidungen fehlerhaft und rechtswidrig sind.

Nach § 43 Abs.2 SGB VI in der bis 31.12.2000 geltenden Fassung sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen der körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist.

Nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2000 geltenden Fassung haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie 1. teilweise erwerbsgemindert sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 6 Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Soweit der Kläger jetzt ab Antragstellung 1998 Rentenleistung begehrt, kann nicht festgestellt werden, dass Erwerbsminderung i.S. § 43 SGB VI vorliegt. Der Kläger ist grundsätzlich für das Vorliegen der Erwerbsminderung beweispflichtig (sogenannte objektive oder materielle Beweislast Jens Mayer-Ladewig § 103 SGG Anmerkung 19 a). Es gilt der Grundsatz, dass jeder die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen. Da der Kläger eine Mitwirkungspflicht nach §§ 60 ff. SGB I hat und keine Gründe erkennbar und nachvollziehbar sind, dass er dieser Mitwirkung nicht nachkommen konnte, hat er die Folgen der Unerweislichkeit der von ihm geltend gemachten Ansprüche zu tragen.

Durch die Weigerung, zur Untersuchung zu erscheinen, die bereits in mehreren Verfahren von ihm praktiziert wurde, standen auch dem Senat keinerlei Aufklärungsmöglichkeiten zur Verfügung, zumal er seit 1998 auch nicht mehr in laufender hausärztlicher Behandlung steht. Die vorhandenen Unterlagen wurden von Dr.E. ausgewertet und dieser hat überzeugend dargestellt, dass anhand dieser Unterlagen Erwerbsunfähigkeit nicht angenommen werden kann. Der Kläger genießt auch keinen Berufsschutz, wie bereits früher das Sozialgericht und das LSG festgestellt haben. Auch an dieser Entscheidung wird festgehalten, so dass für den als angelernten Arbeiter einzustufenden Kläger noch viele Tätigkeiten denkbar sind, die er verrichten kann, da bei vollschichtigem Leistungsvermögen und dem Fehlen von ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen oder der Summierung von Einschränkungen eine Verweisungstätigkeit nicht zu benennen ist (BSG in ständiger Rechtsprechung z.B. vom 11.05.1999 in SozR 3-2600 § 43 Nr. 21). Weitere Ausführungen hierzu sind nicht erforderlich.

Die Einwendung des Klägers, nicht zur Untersuchung nach München fahren zu können, ist, soweit sie finanzielle Gründe betrifft, unerheblich, da er vom Senat ausdrücklich auf eine Erstattung der Reisekosten und auch auf die Möglichkeit eines Reisekostenvorschusses hingewiesen wurde. Ärztliche Unterlagen, dass er aus gesundheitlichen Gründen nicht zur Untersuchung reisen kann, hat er nicht vorgelegt. Der Kläger trägt somit auch hierfür die objektive Beweislast (vgl. Jens Meyer-Ladewig, § 118 SGG Anm.6).

Im Übrigen kann auf die Entscheidungsgründe des Sozialgerichts Bezug genommen werden (§ 153 Abs.2 SGG).

Da bereits keine verminderte Erwerbsfähigkeit vorliegt, konnte auch ungeprüft bleiben, ob der Kläger noch die Voraussetzungen der 3/5-Belegung vor Eintritt eines fiktiven Versicherungsfalls erfüllt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 Ziff.1 und 2 SGG die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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