L 9 AL 33/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 37 Al 1008/93
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 AL 33/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 14.12.1995 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten des zweiten Rechtszuges sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) ab 04.12.1992 streitig.

I.

Der am 1941 geborene Kläger, von Beruf Heizungs- und Lüftungsbaumeister, der bereits im Zeitraum 15.01.1981 mit 23.09.1985 im Leistungsbezug der Beklagten gestanden hatte, meldete sich am 04.12.1992 arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Alg. Er stellte sich der Arbeitsvermittlung unbeschränkt zur Verfügung, nachdem er noch in einem am 09.11.1992 eingegangenen Antrag angegeben hatte, aus gesundheitlichen Gründen die bisherige Tätigkeit nicht mehr ausüben zu können. Auf den Lohnsteuerkarten für 1991 und 1992 sowie 1993 war die Steuerklasse I ohne berücksichtigungsfähige Kinder eingetragen. Nach einer Mitteilung der DAK war er im Zeitraum 07. mit 31.12. 1989, 01.01.1991 mit 16.06.1992 und 01. mit 02.08.1992 arbeitsunfähig erkrankt und erhielt in dieser Zeit Krankengeld, in der Zeit vom 17. mit 31.07.1992 bezog er Verletztengeld. Anschließend war er vom 03.08. mit 03.12.1992 arbeitsunfähig, ohne allerdings Lohnersatzleistungen zu beziehen. Der Kläger gab an, im Zeitraum 04. mit 06.12.1989 sowie 01.01. mit 31.12.1990 als Geschäftsführer und vom 17.06. mit 16.07.1992 als Bauleiter beschäftigt gewesen zu sein. Während er in ersterer Tätigkeit 19 Wochenstunden beschäftigt gewesen sei (363 Tage), übte er in der letztgenannten Bauleitertätigkeit (30 Tage) eine Beschäftigung in 38,5 Wochenstunden aus. In dieser erzielte er insgesamt 3.967,22 DM brutto monatlich, wohingegen er als Geschäftsführer im Bemessungszeitraum Oktober mit Dezember 1990 monatlich je DM 1.557,- brutto erzielt hatte. Auf der korrespondierenden Arbeitsbescheinigung findet sich der Zusatz: "Herr I. konnte aus gesundheitlichen Gründen keine längere Tätigkeit als 19 Stunden pro Woche ausüben".

Durch Bescheid vom 04.03.1993 gewährte die Beklagte daraufhin Alg ab 04.12.1992 in Höhe von DM 244,80 wöchentlich auf die Dauer von 676 Wochentagen (Bemessungsentgelt DM 570,-; Leistungssatz 63 v.H.; Leistungsgruppe A/0). Durch Änderungsbescheid vom 04.03.1993 gewährte sie ab 01.01.1993 die Leistung in Höhe von DM 246,60 wöchentlich weiter (BE DM 570; Leistungssatz 63 v.H.; Leistungsgruppe A/0).

Hiergegen wandte der Kläger ein, sich bereits am 07.08.1992 persönlich arbeitslos gemeldet zu haben und daher seit diesem Zeitpunkt Leistungen beanspruchen zu können. Darüber hinaus habe er ab 03.08.1997 kein Krankengeld mehr erhalten. Die einschlägige Nahtlosigkeitsregelung lege nicht zugrunde, was ein Arbeitsloser aufgrund seiner dauernden Minderung der Erwerbstätigkeit erzielen könne, sondern das Einkommen, das er zuletzt als voll Erwerbstätiger erzielt habe, § 112 Abs.8 Satz 2 AFG. Hier sei aber mit November und Dezember 1990 ein Einkommen zugrunde gelegt worden, das eingeschränkt gewesen sei. Aus der vorgelegten Arbeitsbescheinigung gehe klar hervor, dass er die Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nur 19 Wochenstunden habe ausüben können, wohingegen die normale Arbeitszeit 38,5 Wochenstunden betragen habe. Selbst bei Zugrundelegung des auf 38,5 Wochenstunden hochgerechneten Einkommens aus November und Dezember sei eine Anpassung an das Niveau 1993 vorzunehmen. Zumindest stehe ihm die Leistung aus einem Arbeitsentgelt in Höhe von DM 731,50 wöchentlich zuzüglich der fälligen Anpassungen zu. Außerdem mache er eine unbillige Härte geltend. Laut Lohnsteuerkarte seien DM 4.154,61 abgerechnet worden. Vorgelegt wurden verschiedene Anlagen, auf deren Einzelheiten Bezug genommen wird. Nach Aktenlage kam der Kläger zwei Vorladungen zu einer Untersuchung durch den Ärztlichen Dienst der Beklagten nicht nach.

Durch Bescheid vom 22.07.1993 wurde Alg ab 14.06.1993 in Höhe von DM 246,60 weiter bewilligt (BE: DM 570; allgemeiner Leistungssatz; Leistungsgruppe A/0), durch weiteren Bescheid vom 26.07.1993 ab 17.07.1993 in Höhe von DM 256,80 auf Grund einer eingetretenen Dynamisierung (BE DM 600,-).

Der Widerspruch wurde im Wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 11.08.1993), zwar habe der Kläger am 07.08.1992 persönlich vorgesprochen, jedoch habe er dabei erklärt, seit 25.06.1992 bis voraussichtlich 18.08.1992 arbeitsunfähig erkrankt zu sein. Daher habe seinerzeit die objektive Verfügbarkeit nicht vorgelegen. Als Beginn der Leistungsgewährung könne mithin erst der 04.12.1992 in Frage kommen, der Termin der neuen Arbeitslosmeldung. Hinsichtlich der Höhe des Anspruchs habe das Arbeitsamt zugrunde gelegt, dass der Kläger nur im Zeitraum 17.06. mit 16.07.1992 38,5 Wochenstunden, im Übrigen aber im ganzen Jahr 1990 durchgehend 19 Wochenstunden gearbeitet habe. Die dazwischen gelegenen Zeiten seien im Wesentlichen gleichgestellte Zeiten im Sinne des § 107 AFG gewesen wie z.B. der Bezug von Krankengeld. Eine unbillige Härte im Sinne des § 112 Abs.7 AFG liege nicht vor, denn eine Vollzeitbeschäftigung sei nur an insgesamt 19 Arbeitstagen ausgeübt worden. Für den Fall der Nahtlosigkeit hätte ein ärztliches Gutachten vorliegen müssen, der Kläger habe jedoch keinen der genannten Untersuchungstermine wahrgenommen. Mit dem streitgegenständlichen Antrag vom 04.12.1992 habe er sich im Übrigen der Vermittlung voll zur Verfügung gestellt, so dass ein Fall des § 105 a AFG von daher bereits nicht vorliegen könne.

Gegen die Bescheide vom 22. und 26.07.1993 erhob der Kläger Widerspruch. Insoweit ließ sich die Beklagte dahingehend ein, dass die nach dem angefochtenen Bescheid ergangenen Bewilligungen automatisch in das Klageverfahren einbezogen seien. Der Widerspruch vom 19.08.1993 werde daher als erledigt betrachtet. Durch Bescheid vom 17.09.1993 wurde die Leistungsbewilligung mit Wirkung vom 16.09.1993 wegen Arbeitsaufnahme aufgehoben.

II.

Mit der zum Sozialgericht (SG) München erhobenen Klage wandte sich der Kläger sowohl gegen den Beginn der Leistungsgewährung als auch gegen die Höhe der Lohnersatzleistung. Im Verhandlungstermin räumte er ein, bis 03.12.1992 arbeitsunfähig krank gewesen zu sein, er habe sich am 04.12.1992 arbeitslos gemeldet. Nach der Bestellung seines neuen Bevollmächtigten trug er vor, bei der Arbeitslosmeldung am 07.08.1992 erklärt zu haben, seit 25.06.1992 bis voraussichtlich 18.08.1992 arbeitsunfähig erkrankt zu sein, damit habe er ab 19.08.1992 der Arbeitsvermittlung zur Verfügung gestanden. Dem stehe die bis 03.12.1992 andauernde Krankheit nicht entgegen. Zumindest müsse ein Härtefall angenommen werden, da er in den vergangenen drei Jahren überwiegend eine höheres Arbeitseinkommen erzielt habe.

Demgegenüber verwies die Beklagte darauf, dass bis 03.12.1992 durchgehend Arbeitsunfähigkeit vorgelegen habe, bei der Arbeitslosmeldung vom 07.08.1992 habe der Kläger erklärt, bis 18.08.1992 krank geschrieben zu sein, das genaue Ende der Erkrankung sei nicht abzusehen gewesen. Nach den vorliegenden Beratungsvermerken habe der Arbeitsvermittler ausdrücklich darauf hingewiesen, dass eine erneute Arbeitslosmeldung nach dem Wegfall der Arbeitsunfähigkeit erforderlich sei. Die Voraussetzungen des § 105 b AFG ab 07.08.1992 seien nicht erfüllt, außerdem liege erst ab 04.12.1992 eine erneute Arbeitslosmeldung vor. Das SG wies nach Einholung der entsprechenden Einverständniserklärungen von den Beteiligten die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung ab. In der aufgrund der Arbeitslosmeldung vom 04.12.1992 feststehenden Rahmenfrist (04.12.1989 mit 03.12.1992) habe der Kläger lediglich im Zeitraum 17.06. mit 16.07.1992 wöchentlich 38,5 Stunden gearbeitet, im übrigen im Bemessungszeitraum (01.10. mit 31.12.1990) wöchentlich 19 Stunden. Ein Härtefall im Sinne des § 112 Abs.7 AFG liege nicht vor, da der Kläger nicht überwiegend vollzeitig beschäftigt gewesen sei. Außerdem habe er bei der Arbeitslosmeldung keinerlei gesundheitliche Einschränkungen angezeigt, im Übrigen die Untersuchungstermine vom 01.04. und 06.05.1993 nicht wahrgenommen.

Der Beginn der Leistung ab 04.12.1992 sei ebenso wenig zu beanstanden wie deren Höhe. Bei der Sachlage sei nämlich nach der Regelbemessung im Sinne des § 112 Abs.1 mit 3 AFG auf die letzten drei Monate vor der Arbeitslosmeldung abzustellen. In 310,41 Arbeitsstunden habe der Kläger DM 7.081,22 erzielt, was einem durchschnittlichen Stundenlohn von DM 22,81 entspreche, der mit der im Bemessungszeitraum geleisteten durchschnittlichen Arbeitszeit von 24,95 Wochenstunden multipliziert das gerundete Bemessungsentgelt von DM 570,- ergebe. Da der Kläger im Dreijahreszeitraum vor der Arbeitslosmeldung gemäß § 112 Abs.7 AFG überwiegend Teilzeit geleistet habe, sei diese und nicht die an lediglich 19 Tagen geleistete Vollzeit zugrunde zu legen.

III.

Mit der zum Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung wird ein früherer Beginn der Leistung (vor dem 04.12.1992) nicht mehr verfolgt, vielmehr wird lediglich vorgetragen, die Härteregelung sei nicht richtig angewandt worden. Unstreitig habe der Kläger im Bemessungszeitraum nur knapp vier Monate gearbeitet, davon 19 Wochenstunden vom 01.10. mit 31.12.1990. Nach der Härteregelung solle ein in einem kurzen Bemessungszeitraum erzieltes Bemessungsentgelt nicht zugrunde gelegt werden, wenn darin ein Arbeitsentgelt erzielt worden sei, das von dem in der Vergangenheit erzielten abweiche. Der Kläger sei in der Rahmenfrist überwiegend krank gewesen und habe bereits seit den 80-iger Jahren zeitweilig nicht mehr Vollzeit arbeiten können. Ein Vergleich der Verdienste im Bemessungszeitraum mit Verdiensten innerhalb der Rahmenfrist könne schon deswegen nicht vorgenommen werden, weil in beiden Zeiträumen relativ niedrige Beschäftigungszeiten zurückgelegt worden seien, es sei daher die zweite Alternative des § 112 Abs.7 AFG heranzuziehen und das durchschnittliche tarifliche Arbeitsentgelt zugrunde zu legen. Vorgelegt wurde ein orthopädisches Gutachten der LVA Schwaben vom 14.02.1989 sowie eine Bescheinigung des Versorgungsamtes Augsburg vom 25.09.1992 über einen GdB von 30, auf deren Einzelheiten verwiesen wird.

Nach Auffassung des Klägers sei eine besondere Härte mit dem BSG schon dann anzunehmen, wenn aufgrund eines Leistungsabfalls ein Minderverdienst eingetreten sei oder eine geringere regelmäßige Arbeitszeit zurückgelegt worden sei. Er habe lediglich in der Zeit vom 27.10.1986 mit 15.03.1988 ein Stammkapital an der I. GmbH von DM 20.000,- (aus DM 50.000,-) gehalten, wohingegen sein Bruder G. DM 30.000,- gehalten habe. Die GmbH sei am 08.12.1986 in das Handelsregister eingetragen worden, er habe am 15.03.1988 seinen Geschäftsanteil an seinen Vater abgetreten. Eine Anstellung als Geschäftsführer in der Familien GmbH begegne seines Erachtens keinen Bedenken, da schon der geringe Umfang der von ihm erbrachten und dokumentierten Arbeitsleistung zeige, dass er nicht selbständig tätig gewesen sein könne. Vorgelegt wurde ein Gesellschaftsvertrag vom 24.10.1986, auf dessen Einzelheiten verwiesen wird, sowie eine Meisterprüfungsurkunde des Klägers vom 06.06.1962 und eine Abtretungserklärung vom 15.03.1988. Auch auf deren Einzelheiten wird ebenso Bezug genommen wie auf den vom Kläger ausgefüllten Feststellungsbogen vom 19.02.2000.

Die Beklagte verweist darauf, dass eine unbillige Härte ausscheide, da der Kläger in den drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung nicht überwiegend ein höheres Arbeitsentgelt erzielt habe. Auch in der Rahmenfrist (04.12.1989 mit 03.12. 1992) habe er überwiegend Teilzeit geleistet, und zwar über den Bemessungszeitraum 01.10. mit 31.12.1990 hinaus im ganzen Jahr 1990. Die zweite Alternative des § 112 Abs.7 AFG sei nicht gegeben, da der letzte Tag des Bemessungszeitraums (16.07.1992) bei Entstehung des Anspruchs auf Arbeitslosengeld am 04.12.1992 nicht länger als drei Jahre zurückgelegen habe. Es sei im Übrigen fraglich, ob dem Grunde nach bereits ein Anspruch bestehe.

Der Senat hat neben den Leistungsakten der Beklagten die Streitakte des ersten Rechtszuges sowie die erledigte Sozialgerichtsakte S 37 Al 27/95 beigezogen. Auf deren Einzelheiten wird verwiesen.

Der Kläger beantragt, das Urteil des SG München vom 14.12.1995 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung ihrer Bescheide vom 04.03. 1993, 22. und 26.07.1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.1993 Alg unter Berücksichtigung eines höheren Bemessungsentgelts zu gewähren.

Die Beklagte stellt den Antrag, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG München vom 14.12.1995 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Streitakten beider Rechtszüge sowie der Leistungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die mangels einer Beschränkung gemäß § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) grundsätzlich statthafte, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte, und insgesamt zulässige Berufung des Klägers erweist sich als in der Sache nicht begründet. Wie das SG überzeugend dargelegt hat, steht dem Kläger ein Anspruch auf höheres Alg nicht zu.

Der Senat entscheidet aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung, § 124 Abs.2 SGG.

Streitgegenstand sind die Bescheide vom 04.03., 22. und 26.07. 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.08.1993, mit denen die Höhe der Lohnersatzleistungen nach dem tatsächlich abgerechnete Arbeitsentgelt gewährt worden ist, § 112 Abs.1, 2 Satz 1 AFG.

Mit Recht hat das Erstgericht darauf abgestellt, dass gemäß §§ 111, 112 AFG in der durch Art.1 § 1 Nr.40 des AFKG vom 22.12.1981 geänderten Fassung das Alg für Arbeitslose ohne berücksichtigungsfähige Kinder 63 v.H. des um die gesetzlichen Abzüge verminderten Arbeitsentgelts beträgt, die bei Arbeitnehmern gewöhnlich anfallen. Arbeitsentgelt in diesem Sinne ist nach § 112 AFG grundsätzlich das im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielte Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitszuschläge, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt (Abs.1 Satz 1). Das dem Alg zugrunde zu legende Bemessungsentgelt ist hiernach das Produkt eines Lohn- und eines Zeitfaktors, die beide den Lohnbedingungen entnommen werden, denen der Arbeitslose im Bemessungszeitraum unterlegen hat. Näheres ergibt sich aus den Vorschriften der Absätze 2 mit 6 des § 112 AFG. Der Bemessungszeitraum umfasst dabei die beim Ausscheiden des Arbeitsnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung vor der Entstehung des Anspruchs, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat.

Wäre es mit Rücksicht auf die von dem Arbeitslosen in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart, von dem Arbeitsentgelt nach den Absätzen 2 bis 6 auszugehen, so ist von dem am Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt des Arbeitslosen maßgeblichen tariflichen oder mangels einer tariflichen Regelung von dem ortsüblichen Arbeitsentgelt derjenigen Beschäftigung auszugehen, für die der Arbeitslose nach seinem Lebensalter und seiner Leistungsfähigkeit unter billiger Berücksichtigung seines Berufes und seiner Ausbildung nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes in Betracht kommt (Abs.7). Die weitere Alternative der Vorschrift scheidet aus, wie die Beklagte zutreffend dargelegt hat, da der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Entstehung des Anspruchs unstreitig nicht länger als drei Jahre zurückgelegen hat, so dass hierauf nicht weiter einzugehen ist.

Der Grundgedanke des § 112 Abs.7 AFG besteht darin, einen Ausgleich für die Fälle zu schaffen, in denen der Arbeitslose gerade in einem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum, dessen Lohnbedingungen die Faktoren des Regelbemessungsentgelts zu entnehmen sind, ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es den beitragspflichtigen Tätigkeiten entspricht, die sonst von ihm überwiegend ausgeübt worden sind, vgl. BSG SozR 4100 § 112 Nr.20. Entscheidend sind die Unterschiede im Arbeitsentgelt. Mit Rücksicht auf die in den letzten drei Jahren überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit kann daher jedes Regelbemessungsentgelt unbillig hart sein, vgl. BSG SozR 4100 § 112 Nrn.31, 35, 44. Ob es auf den Faktor "durchschnittlich in der Arbeitsstunde im Bemessungszeitraum erzieltes Arbeitsentgelt ohne Mehrarbeitzuschläge" oder den Faktor "regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit" zurückzuführen ist, dass das Regelbemessungsentgelt der überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit in den letzten Jahren nicht gerecht wird, ist gleichgültig, vgl. BSG SozR 3-4100 § 112 Nr.2.

§ 112 Abs.7 stellt eine Ausnahme von der Regelbemessung der Absätze 1 mit 4 a dar. Diese knüpft an ein vor der Entstehung des Anspruchs erzieltes Arbeitsentgelt an und unterstellt, dass der Arbeitslose dieses ohne den eingetretenen Verlust des Arbeitsplatzes weiterhin erzielt hätte bzw. dies im Fall der Beschäftigungsaufnahme erneut erzielen kann. Darin liegt das eigentliche Prinzip der Arbeitlosenversicherung, den wegen Arbeitslosigkeit ausfallenden Lohn teilweise zu ersetzen. Folgerichtig sieht das Gesetz in Fällen, in denen das nach der Regelbemessung an sich zugrunde zu legende Arbeitsentgelt nicht oder nicht mehr dieser Sachgesetzlichkeit entsprechen würde, selbst Ausnahmen in der Weise vor, dass es die Berücksichtigung eines künftig erzielbaren, also fiktiven Entgelts vorschreibt. Diese ausschließlich den zukunftsorientierten Aspekt des Bemessungsprinzips betonende Ausnahme spiegelt sich in der deutlichsten Form in Abs.7 wider, vgl. BSGE 62.43 (47). Entsprechende Ausnahmen stellen die Tatbestände dar, die auf die Rechtsfolgen des Abs.7 verweisen. Nach der ersten Variante ist das Alg nach einem fiktiven Lohn zu bemessen, wenn eine Bemessung nach den Absätzen 1 mit 6 mit Rücksicht auf die in den letzten drei Jahren vor der Arbeitslosmeldung überwiegend ausgeübte berufliche Tätigkeit unbillig hart wäre. Hier liegt der Gedanke des Nachteilsausgleichs zugrunde, der darin besteht, einen Ausgleich für die Fälle zu schaffen, in denen der Arbeitslose in einem verhältnismäßig kurzen Bemessungszeitraum, aus dessen Lohnbedingungen die Faktoren für die Regelbemessung zu entwickeln sind, ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erzielt hat, als es der Tätigkeit entspricht, die er überwiegend ausgeübt hat, vgl. BSG SozR 3-4100 § 112 Nrn.2 und 17. Gleiches gilt für die Ausnahmebemessung nach den Absätzen 5 und 6, weil auch insoweit der Bemessungszeitraum Anknüpfungspunkt ist.

Die genannte Variante erfordert einen Vergleich zwischen dem Bemessungsentgelt und dem Arbeitsentgelt aus der "überwiegend ausgeübten beruflichen Tätigkeit". Eine Definition dieses Begriffes wird vom Gesetz nicht vorgenommen. Schon nach dem Wortsinn ist er weiter gefasst als derjenige der Beschäftigung als Arbeitnehmer. Dies entsprach durchaus der Absicht des Gesetzgebers, vgl. BSG SozR 4100 § 112 Nr.20. Der Begriff gestattet die Einbeziehung aller Arten von Tätigkeiten, die einen Bezug zum Arbeitsmarkt besitzen, sofern sie nur durch eine Qualifizierung als versicherte Tätigkeit dem System der Arbeitslosenversicherung angehören. Es wäre ein kaum verständlicher Widerspruch in sich, wenn berufliche Tätigkeiten einerseits der Beitragspflicht zur BA unterliegen, § 168 AFG, oder gleichgestellt sind, § 107 AFG, und damit den Anspruch auf eine Versicherungsleistung auslösen können, andererseits von der Anwendung des Abs.7 ausgeschlossen wären. Es kommt also auf einen Vergleich mit dem Arbeitsentgelt an, welches im Einzelfall nach jedem beliebigen Sachverhalt der Regelbemessung zugrunde zu legen wäre, vgl. BSG SozR 4100 § 112 Nr.31, 35. Nach diesen Grundsätzen fallen unter den Begriff der beruflichen Tätigkeiten selbstverständlich alle Beschäftigungen, die eine Beitragspflicht zur Bundesanstalt für Arbeit begründen und eine Regelbemessung auslösen würden, sofern ihre Lohnabrechnungszeiträume dem Bemessungszeitraum zuzuordnen wären, aber auch alle Sondertatbestände der Abs.5 und 6 werden zureffend subsummiert, vgl. BSG a.a.0. Die Härtefallregelung ist im Kontext der Regelungen zur Bemessung des Alg zu sehen, und zwar hier innerhalb des § 112 AFG, der die Regeln für die Ermittlung des Bruttoarbeitsentgelts festlegt, welches mitbestimmend für die Höhe des Alg ist, § 111 Abs.1 AFG.

Abs.7 ersetzt das an sich nach den Absätzen 1 mit 6 zugrunde zu legende Arbeitsentgelt allein deshalb, weil deren Anwendung im Hinblick auf die innerhalb der letzten drei Jahre überwiegend ausgeübte Tätigkeit unbillig hart erscheint. Da es ausschließlich um Fragen der Bemessung geht, muss die Berücksichtigung einer anderen Tätigkeit bemessungsrelevant sein, d.h. sie müsste im Fall ihrer Berücksichtigung zu einem höheren Arbeitsentgelt und damit zu höherem Alg führen. Insoweit bleiben berufliche Tätigkeiten, die keinen Einfluss auf die Bemessung haben, außer Betracht, es sei denn, sie bilden mit einer Tätigkeit im Sinne der Abs.1 mit 6 eine sachliche Einheit. Wenn in Lohnersatzleistungen ein für die Bemessung nach den Absätzen 1 mit 6 relevanter Tatbestand quasi perpetuiert wird, beispielsweise eine die Beitragspflicht begründende Beschäftigung unterbrochen wird, liegt der Bemessung der anschließend gewährten Lohnersatzleistung das in der vorherigen Beschäftigung erzielte Arbeitsentgelt zugrunde. Es handelt sich in Anbetracht des Lohnausfallprinzips quasi um eine wirtschaftlich gesehen Fortsetzung der vorangegangenen Beschäftigung. Das hat zur Folge, dass die der Beitragspflicht unterliegende Beschäftigung und die anschließenden Lohnersatzleistungen sachlich eine Einheit bilden. Damit ist als berufliche Tätigkeit im Sinne des Abs.7 die um die Zeit der Lohnersatzleistungen erweiterte Beschäftigung anzusehen, sofern sie im Dreijahreszeitraum liegen. Unstreitig dürfen also die in § 107 Abs.1 Nr.5 a AFG genannten Lohnersatzleistungen einbezogen werden wie das Krankengeld, BSG SozR 3-4100 § 44, Nr.11 das Übergangsgeld, BSG SozR 3-4100 § 112 Nr.7, das Versorgungsgeld und Krankentagegeld. Beim Vergleich der ersten Variante des Abs.7 sind alle beruflichen Tätigkeiten innerhalb der Dreijahresfrist einzubeziehen, also nicht nur die, die die Anwartschaftszeit für einen neuen Anspruch begründet haben. Denn Abs.7 enthält keine dem § 104 Abs.3 zweiter Halbsatz vergleichbare Einschränkung.

Das Bemessungsentgelt ist mit dem Arbeitsentgelt in der überwiegend in den letzten drei Jahren ausgeübten Tätigkeit zu vergleichen. Überwiegend bedeutet nicht, dass der Arbeitslose eine bestimmte berufliche Tätigkeit mehr als die Hälfte des Dreijahreszeitraums ausgeübt haben muss. Ausreichend ist, dass ihre Dauer mehr als die Hälfte der Zeiten beruflicher Tätigkeiten in diesem Zeitraum umfasst, vgl. BSG SozR 4100 § 112 Nr.39. Diese Voraussetzung ist bei mehr als zwei beruflichen Tätigkeiten erst dann erfüllt, wenn die Dauer der besser bezahlten Tätikeit die Dauer aller anderen zusammengerechnet übersteigt, also nicht nur die Dauer jeder einzelnen in Relation zur besser bezahlten. Die besser bezahlte Tätigkeit muss damit die anderen zeitlich absolut, nicht nur relativ übersteigen, vgl. BSG SozR 3-4100 § 44 Nr.11. Im Vergleich zur Dauer der Tätigkeiten sind nicht Lohnabrechnungszeiträume gegenüberzustellen, sondern die jeweiligen Kalendertage, die die Beschäftigung umfassen, vgl. BSG SozR 4100 § 112 Nr.45. Das Gleiche gilt, soweit Sondertatbestände der Abs. 5 und 6 einzubeziehen sind oder soweit Tatbestände der Absätze 1 bis 6 mit der Zeit einer Lohnersatzleistung eine Einheit bilden und als solche mit anderen Tätigkeiten zu vergleichen sind. Unerheblich ist dabei, aus welchen Gründen es zu Veränderungen in den Lohnbedingungen des Dreijahreszeitraums gekommen ist, eine Kausalitätsprüfung erfolgt nämlich nicht, vgl. BSG SozR 3-4100 § 112 Nr.2.

Die Prüfung einer unbilligen Härte erfordert den Vergleich, d.h. die Gegenüberstellung von Arbeitsentgelten. Es ist das im Bemessungszeitraum erzielte Arbeitsentgelt mit dem Arbeitsentgelt aus der überwiegend ausgeübten Tätigkeit zu vergleichen. Das bedeutet, dass zunächst das Bemessungsentgelt zu ermitteln ist, vgl. BSG SozR 3-4100 § 112 Nrn.1, 2, 17, 19, und zwar entweder das nach der Regelbemessung der Abs.1 mit 4 a zu ermittelnde oder das dem Bemessungszeitraum aufgrund der Ausnahmetatbestände der Abs.5 und 6 zuzuordnende Entgelt, vgl. BSG SozR 4100 § 112 Nr.44. Das aus der überwiegend ausgeübten Tätigkeit zu berücksichtigende Entgelt ist, soweit es sich um eine Beschäftigung gehandelt hat, nicht in jedem Fall in der tatsächlich erzielten Höhe zu berücksichtigen. Die Bemessung nach Abs.7 soll nämlich nur einen Nachteil ausgleichen, welcher lediglich dann besteht, wenn die Berücksichtigung eines anderen Arbeitsentgelts zu einem höheren Bemessungsentgelt und damit zu einem höheren Alg geführt hätte. Somit ist das in einer überwiegend ausgeübten Beschäftigung erzielte Entgelt ebenfalls nach den Kriterien der Abs.1 bis 4 a als Bemessungsentgelt zu berechnen.

Auch der Begriff der "unbilligen Härte" zwischen dem Bemessungsentgelt und dem Arbeitsentgelt in der überwiegend ausgeübten Tätigkeit wird vom Gesetz selbst nicht definiert. Das BSG hat verschiedentlich betont, dass das Arbeitsentgelt in der überwiegend ausgeübten Tätigkeit wesentlich bzw. deutlich höher liegen müsse, vgl. BSG SozR 4100 § 112 Nr.31, 40 SozR 3-4100 § 112 Nr.2. Konkret ist eine Differenz von einem Drittel (BSG SozR 4100 § 112 Nr.39), dann von 26.v.H. (BSG SozR 4100 § 112 Nr.6), aber auch von 25. v.H. bezeichnet worden (BSG SozR 4100 112 Nr.19). Die letztgenannte Differenz ist daher in jedem Fall als wesentlich anzusehen. Darüber hinaus lässt die Bundesanstalt auch eine Differenz von 10 % genügen, vgl. Durchführungsanweisung der BA zu § 112 AFG Ziffn. 7.2 Abs.8, ebenso Gagel, AFG, § 112 Rdz.363.

Bereits eine Gegenüberstellung des im Bemessungszeitraums richtigerweise nach § 112 Abs. 2 AFG zugrunde zu legenden Entgelts aus den letzten abgerechneten 60 Beschäftigungstagen, in denen monatlich DM 1.547 brutto erzielt worden sind, entspricht dem im Gesamtjahr 1990 erzielten Arbeitsentgelt von gleichfalls DM 1.557,- monatlich. Wenn die mit diesen tatsächlichen Arbeitszeiten anzusetzenden Lohnersatzzeiten (Verletztengeld und Krankengeld) mitherangezogen werden, verdeutlicht sich dieses noch mehr. Eine Differenz ergibt sich nach allem nicht, so dass ein Spielraum für eine vom Kläger beanspruchte besondere Härte nicht gegeben ist, wie das SG zutreffend und überzeugend dargelegt hat.

Auch sonst ergibt sich ein höherer Anspruch nicht. Denn der im Gegensatz zur Angabe in der Arbeitsbescheinigung auf der Steuerkarte eingetragene geringfügig höhere Bruttobetrag war wegen der darin enthaltenen Einmalleistungen nach der seinerzeit maßgeblichen Rechtslage nicht zu berücksichtigen. Auch sonstige Gründe für eine höhere Bemessung und damit ein höheres Alg sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Das erstinstanzielle Urteil ist damit ebenso wenig zu beanstanden wie die zugrundeliegenden Bescheide der Beklagten.

Die Kostenfolge ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 183, 193 SGG. Im Hinblick auf den Verfahrensausgang konnte die Beklagte, welche für das Berufungsverfahren keine Veranlassung gegeben hat, nicht zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet werden, die dem Kläger zu dessen zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstanden sind.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor. Weder wirft dieses Urteil nämlich eine entscheidungserhebliche höchstrichterlich bisher ungeklärte Rechtsfrage grundsätzlicher Art auf, noch weicht es ab von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts und beruht hierauf.
Rechtskraft
Aus
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