L 15 VG 3/02

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
15
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 30 VG 10/01
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 15 VG 3/02
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.03.2002 wird zu- rückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von Kosten des Klägers aus dem Verwaltungsverfahren.

Der ursprüngliche Kläger war geboren am 1941 und ist verstorben am 07.09.2001. Er beantragte am 10.02.1997 beim Beklagten Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) wegen der Folgen eines am 04.12.1996 erlittenen Überfalls. Mit Bescheid vom 28.07.1997 lehnte der Beklagte eine Beschädigtenversorgung ab, weil eine anspruchsbegründende Gewalttat nicht nachgewiesen sei. Der fragliche Sturz, an den der Kläger wegen übermäßigen Alkoholgenusses keine Erinnerung habe, könne auch ohne Fremdverschulden erfolgt sein. Das Widerspruchsverfahren hiergegen blieb erfolglos (Bescheid vom 11.09.1998).

Mit der Klage vor dem Sozialgericht (SG) München (Az.: S 28 VG 27/98) begehrte der Kläger die Anerkennung des schädigenden Ereignisses und die Erbringung der Leistungen, die ihm daraus und aus den eingetretenen Folgen (insbesondere Verlust eines Auges) zustünden. Mit Urteil vom 08.12.1999 verurteilte das SG München den Beklagten zur Anerkennung des schädigenden Ereignisses als entschädigungspflichtig nach dem OEG. Tenor III. des Urteils lautet: "Der Beklagte hat die notwendigen Auslagen des Klägers zu tragen".

Der Beklagte ließ das Urteil rechtskräftig werden. Im Anschluss machte der Prozessbevollmächtigte der Kläger für diese die notwendigen außergerichtlichen Kosten dieses Verfahrens geltend, die nach richterlicher Festsetzung (Beschluss des SG München vom 18.05.2000) in Höhe von DM 2.833,36 (Widerspruchs- verfahren: DM 1.259,76; Klageverfahren: DM 1.573,60) zuzüglich 4 % Zinsen erstattet wurden.

Am 07.08.2000 erließ der Beklagte nach entsprechenden Ermittlungen einschließlich einer Untersuchung des Klägers einen Ausführungsbescheid zu dem Urteil vom 08.12.1999. Dessen Tenor lautete auszugsweise wie folgt: I. Als Folge einer Schädigung nach dem OEG werden ab 04.12. II. 1996 anerkannt: ... Die Schädigungsfolgen bedingen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. Versorgungsrente steht Ihnen daher zu. III. Ihr Anspruch wird wie folgt festgestellt: ... (betragsmäßige Darstellung der Grundrente ab 01.12.1996). IV. Die notwendigen außergerichtlichen Kosten werden Ihnen voll erstattet. Zu Nr. IV. wurde in den Bescheidgründen ausgeführt: "Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung entstandenen notwendigen Aufwendungen werden erstattet. Erstattungsfähig sind insbesondere Portokosten, Aufwendungen für Fotokopien, Anwaltsgebühren in angemessenem Umfang usw. Bitte fügen Sie die Belege bei, soweit die Aufwendungen nicht offenkundig sind."

Der Bevollmächtigte des Klägers erhob in der Sache Widerspruch am 20.08.2000, um die Anerkennung einer höheren MdE zu erreichen. Des Weiteren legte er am 17.11.2000 eine Rechnung vom 15.11. 2000 vor, mit der er für seine "außergerichtliche Tätigkeit in der Zeit vom 09.02. bis 21.08.2000" eine Erstattung von Kosten in Höhe von DM 1.079,96 begehrte.

Daraufhin erließ der Beklagte am 29.11.2000 eine "Berichtigungsverfügung gemäß § 38 Sozialgesetzbuch X (SGB X)", in der im Wesentlichen folgendes ausgeführt war: "Der Bescheid ... vom 07.08.2000 wird insoweit korrigiert, als unter Ziffer IV ... aufgeführt wird, dass Ihnen die notwendigen Kosten voll erstattet werden. Dies traf nicht mehr zu, da die notwendigen Rechtsanwaltskosten für das außergerichtliche Vorverfahren bereits ... erstattet wurden. Damit war ein weiterer Hinweis bezüglich der Kostenerstattung, wie im Bescheid vom 07.08.2000 aufgeführt, offensichtlich nicht mehr erforderlich ..." Für den bevollmächtigen Vertreter sei es offensichtlich erkennbar gewesen, dass keine weiteren Kosten geltend gemacht werden können, da bereits mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss des SG München vom 26.04.2000 sowie mit dem Beschluss des Sozialgerichts München vom 18.05.2000 die geltend gemachten außergerichtlichen Kosten für das Vorverfahren für die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts voll anerkannt und ausbezahlt worden seien.

Der Bevollmächtigte des Klägers erhob hiergegen Widerspruch mit der Begründung, es habe eine vorherige Anhörung gefehlt, auch habe keine offensichtliche Unrichtigkeit vorgelegen. Außerdem seien die Kosten für das abgeschlossene Verwaltungsverfahren zum Grund des Anspruchs zu unterscheiden von den Kosten des sich anschließenden Verwaltungsverfahrens über Anspruchsart und -höhe. Letztere könnten noch geltend gemacht werden.

Nachdem der Widerspruch gegen den Ausführungsbescheid vom 07.08.2000 mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2001 zurückge- wiesen worden war, erging auf Weisung des Landesversorgungsamtes vom 16.01.2001 am 08.02.2001 ein Abhilfebescheid, durch den die Berichtigungsverfügung vom 29.11. 2000 aufgehoben wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, Nr. IV des Bescheids vom 07.08.2000 sei nicht unrichtig gewesen, sondern habe nur die Kostenerstattungspflicht laut Urteil vom 08.12.1999 wiederholt. Es sei unerheblich, dass die außergerichtlichen Kosten zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung bereits erstattet waren. Außergerichtliche Kosten im Sinne des § 193 SGG müssten sich auf den erledigten Rechtsstreit oder das Widerspruchsverfahren beziehen. Nicht nach § 193 SGG erstattungsfähig seien die Kosten des Verwaltungsverfahrens. Kosten, die nach Beendigung des Rechtsstreits angefallen seien, gehörten nicht mehr zu den außergerichtlichen Kosten.

Anschließend wurde mit Bescheid vom 19.12.2001 der Antrag des Bevollmächtigten des Klägers auf Kostenerstattung vom 15.11. 2000 abgelehnt, da die beantragten Kosten für die Zeit vom 09.02. bis 21.08. 2000 nach Beendigung des Rechtsstreits in einem regulären Verwaltungsverfahren entstanden und nicht erstattungsfähig seien.

Der gegen diesen Bescheid eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 20.06. 2001 zurückgewiesen. Die Begründung entsprach der im Abhilfebescheid vom 08.02.2001.

Hiergegen hat der Bevollmächtigte des Klägers am 23.07.2001 Klage zum Sozialgericht München (S 30 VG 10/01) erhoben und weiterhin einen Kostenerstattungsbetrag von 1.079,96 DM bzw. 552,17 EUR nebst 4 % Zinsen seit dem 17.12.2000 begehrt.

Diese Klage hat das Sozialgericht am 13.03.2002 durch Urteil abgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt worden, dass die Erstattung von Kosten der Rechtsverfolgung im Verwaltungsverfahren in § 63 SGB X abschließend geregelt sei und zwar im Sinne der Beschränkung auf Kosten des Widerspruchsverfahrens. Streitig seien hier die Kosten eines primären Verwaltungsverfahrens. Weder das Urteil, mit dem der Beklagte zur Anerkennung eines schädigenden Ereignisses dem Grunde nach verpflichtet worden war, noch der Bescheid vom 07.08.2000 hätten einen selbständigen Rechtsgrund für eine Erstattungspflicht hinsichtlich Vertretungskosten im Verwaltungsverfahren geliefert. Auch habe Ziffer IV. des Tenors des Bescheids vom 07.08. 2000 keinen Vertrauensschutztatbestand geschaffen, der den Beklagten verpflichtet hätte, auch ohne Existenz einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage, dem Kläger Kosten für die anwaltliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten vom 09.02. bis 21.08. 2000 zu erstatten. Aus der Bezeichnung "Ausführungsbescheid" habe sich unschwer erkennen lassen, dass dieser Bescheid dem Kläger lediglich zu Rechten verhelfen sollte, die ihm das Gericht am 08.12.1999 zugesprochen gehabt habe, nämlich auch zu den Kosten sowohl des Widerspruchs- als auch des Klageverfahrens. Eine nach allgemeinen Regeln vorzunehmende Auslegung der Ziffer IV. des Bescheides führe nicht zu dem Ergebnis, dass Kosten für ein neues Stadium des einfachen Verwaltungsverfahrens zugesprochen worden seien. Deshalb sei auch die förmliche Rücknahme einer solchen Aussage nicht erforderlich gewesen.

Gegen dieses Urteil hat der Bevollmächtigte des Klägers am 06.05.2002 Berufung zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt. Zur Begründung hat er unter anderem vorgetragen, das Erstgericht habe in seinem Urteil unberücksichtigt gelassen, dass im Zeitpunkt des Erlasses des Ausführungsbescheids vom 07.08.2000 der Beklagte die bis dahin entstandenen Kostenerstattungsansprüche am 26.05. und 15.06.2000 zur Gänze durch Zahlung getilgt gehabt habe. Dies bedeute, dass durch Ziffer IV. des Ausführungsbescheides weitere außergerichtliche Kosten im Verwaltungsverfahren für die Zeit vom 09.02. bis 21.08.2000 zugestanden worden seien. Die Berichtigungsverfügung vom 29.11.2000 sei vom Beklagten aus heiterem Himmel erlassen und auf seinen Widerspruchsbescheid durch Abhilfebescheid vom 08.02.2001 wieder aufgehoben worden. Die Ablehnungsentscheidung vom 19.02.2001 sei daher rechtswidrig.

Mit Schriftsatz vom 14.06.2002 hat der Beklagte erwidert, er bezweifle, dass die geltend gemachten Kosten in der angegebenen Zeit tatsächlich insoweit entstanden seien. § 119 Abs.1 BRAGO definiere das Verwaltungsverfahren und das Widerspruchsverfahren gebührenrechtlich als eine Angelegenheit. Somit dürfe das Verwaltungsverfahren nicht als eigene gebührenrechtliche Angelegenheit betrachtet werden. Nach § 16 BRAGO sei im Übrigen eine Abrechnung nach Zeitabschnitten verboten. Sie sei erst erlaubt, wenn der Auftrag erledigt oder der Rechtsstreit beendet sei.

Der Bevollmächtigte des Klägers hat daraufhin mit Schriftsatz vom 17.07.2002 insbesondere seine Tätigkeiten im geltend gemachten Zeitraum näher beschrieben.

Der Bevollmächtigte der Kläger beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts München vom 13.03.2002 sowie des Bescheides vom 19.02.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2001 zu verurteilen, den Klägern 552,17 EUR an außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt, die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 13.03.2002 zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten des Beklagten nach dem OEG, die erledigte Klageakte des Sozialgerichts München (S 28 VG 27/98) sowie den Inhalt der vorangegangenen Klageverfahren beim Sozialgericht München (S 30 VG 3/01, VG 10/01 und VG 11/01) und den Inhalt der Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Kläger ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 143, 151 SGG), sie bedurfte nicht der Zulassung im Urteil des Sozialgerichts, da der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 500,00 EUR ausmacht (§ 144 Abs.1 Satz 1 Nr.1 SGG); sie ist daher zulässig, sachlich jedoch unbegründet.

Das Sozialgericht hat zu Recht einen Kostenerstattungsanspruch der Kläger verneint.

Bei dem geltend gemachten Betrag von EUR 552,17 (DM 1.079,96) handelt es sich unstreitig (vgl. u.a. den Kostenerstattungsantrag vom 15.11.2000) um Kosten des Verwaltungsverfahrens, das im Anschluss an das rechtskräftige Urteil vom 08.12.1999 zur Ausführung desselben durchgeführt und mit dem Erlass des Bescheides vom 07.08.2000 abgeschlossen wurde. Kosten des (einfachen) Verwaltungsverfahrens sind aber nicht erstattungsfähig (BSG, 20.04.19983, 5a RKn 1/82; Roos in von Wulffen, Kommentar zum SGB X, 4. Auflage, Rdnr.6 zu § 63 m.w.N.).

Die Kläger können sich auch nicht darauf stützen, dass der Ausführungsbescheid vom 07.08.2000 unter Nr. IV. einen eigenen Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten, die während des Verwaltungsverfahrens zur Feststellung der Schädigungsfolgen und der MdE-Höhe im Anschluss an das Urteil des Sozialgerichts vom 08.12.1999 entstanden sind, begründet habe.

Der Senat ist ebenso wie das Sozialgericht der Auffassung, dass Nr. IV. des Ausführungsbescheids samt seiner Begründung vom rechtskundigen Bevollmächtigten der Kläger analog §§ 133, 157 BGB bei verständiger Würdigung und nach den Umständen des Einzelfalls objektiv nicht als eigenständige Kostenzusage zu verstehen war (vgl. Engelmann in von Wulffen, a.a.O., Rdnr.26 zu § 31). Gegen eine solche konstitutive Verpflichtung des Beklagten zur Erstattung von Kosten des Verwaltungsverfahrens sprechen nicht nur die Vorschriften des § 63 SGB X und des § 193 SGG sowie des § 119 BRAGO, sondern auch die Bezeichnung des Bescheids vom 07.08.2000 als "Ausführungsbescheid".

Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des Sozialgerichts Bezug genommen (§ 153 Abs.2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs.2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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