L 16 RJ 613/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 13 Ar 5061/96.It
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 613/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.08.1997, der Bescheid der Beklagten vom 13.07.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.1996 und der Bescheid vom 01.07.1988 abgeändert und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger Rente wegen Erwerbsunfähigkeit ab dem 01.01.1992 dem Grunde nach zu gewähren. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit nach §§ 43, 44 SGB VI bzw. §§ 1246, 1247 RVO a.F., insbesondere über das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der 3/5-Belegung bzw. der Übergangsvorschrift § 240, 241 SGB VI aus der deutschen Versicherung des Klägers.

Der am ... 1936 geborene Kläger ist italienischer Staatsangehöriger und hat seinen Wohnsitz in Italien. In der Bundesrepublik war er versicherungspflichtig von Dezember 1960 bis Januar 1980 insgesamt 217 Monate beschäftigt, außerdem hat er zwölf Monate Anrechnungszeit im Jahre 1978 und 1979 wegen Arbeitsunfähigkeit zurückgelegt. In Italien hat er zwischen 1957 und Januar 1988 für insgesamt 326 Wochen Beiträge bezahlt. Maßgeblich ist dabei, dass zwischen Dezember 1983 und April 1984 keine berücksichtigungsfähigen Beiträge in Italien bezahlt wurden. Dies bestätigte der Kläger in seinem Schreiben vom Juli 1998 und legte auf Aufforderung die entsprechenden Beschäftigungsnachweise vor.

Einen ersten Rentenantrag stellte der Kläger 1979. Diesen lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 24.06.1982 ab. Mit dem Rentenantrag war ein Untersuchungsbericht vom 11.04.1980 vorgelegt worden. Dort wird über Veränderungen der Lendenwirbelsäule und der Beugebewegung des Rumpfes sowie der Gliedmaßen berichtet und der Kläger als nicht invalide mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 30 % bezeichnet. Im Widerspruchsbescheid wurden die Befunde überprüft. Dr ... hat ein noch vollschichtiges Leistungsvermögen beim Kläger angenommen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.1984 als unzulässig, da verspätet erhoben, zurückgewiesen.

Am 20.07.1985 beantragte der Kläger erneut Rente wegen Invalidität. Im Gutachten vom 09.12.1985 wurde für Erscheinungen einer Spondylarthrose mit bescheidener funktioneller Beeinträchtigung eine MdE von 40 % festgestellt. Nach Auffassung der italienischen Ärzte war der Kläger nicht invalide. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 01.07.1988 mit der Begründung ab, der Kläger könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch vollschichtig tätig sein. Der italienische Träger übersandte mit Schreiben vom 27.09.1993 ein Gutachten vom 30.01.1990 sowie ein rechtsmedizinisches Gutachten aus dem Jahre 1991. Dort wurde eine Haarzellenleukose diagnostiziert. Italienische Rente wird ab 01.02.1988 aufgrund des italienischen Urteils geleistet. Auch die Beklagte war in Auswertung dieser Unterlagen der Auffassung, dass ab Januar 1988 auf Dauer Erwerbsunfähigkeit beim Kläger vorliege und deshalb der Bescheid vom 01.07.1988 nach § 44 SGB X aufzuheben sei, sofern er die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfülle. Der Kläger wurde in den Schreiben vom 29.06.1994 und 05.10.1994 darüber aufgeklärt, dass zwar Erwerbsunfähigkeit bestehe, aber die Drei-Fünftel-Belegung nicht erfüllt und auch seit 01.01.1984 nicht jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt sei.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 13.07.1995 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab mit der Begründung, der Kläger sei zwar seit Januar 1988 erwerbsunfähig, er habe aber im maßgeblichen Zeitraum die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt.

In seinem Widerspruch vom 04.01.1996 machte der Kläger geltend, er sei erwerbsunfähig und könne nicht verstehen, warum die Rente nicht genehmigt werde. In einem weiteren Schreiben des Klägers listete er seine Arbeitsverhältnisse auf und bat um Überprüfung, ob nicht in der Zeit ab Juli 1980 genügend Beiträge entrichtet wurden. Erstmals im Schreiben vom 23.03.1996 wies der Kläger darauf hin, dass er bei ... mit Chemieprodukten gearbeitet habe und sich bestimmt dort die spätere Krankheit zugezogen habe.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.08.1996 wies die Beklagte den Widerspruch als verspätet zurück, da nach den eigenen Angaben des Klägers der Bescheid am 23.12.1995 zugegangen, die Widerspruchsfrist von einem Monat am 23.01.1996 abgelaufen, der Widerspruch aber erst am 24.01.1996 bei der Beklagten eingegangen sei. Im Übrigen hätte auch eine Sachprüfung zu keinem günstigeren Ergebnis führen können, da es in den letzten fünf Jahren vor Eintritt des Versicherungsfalls an den 36 Pflichtbeiträgen fehle und somit ein Anspruch nicht bestehe.

Mit Schreiben vom 03.10.1996 hat der Kläger Klage erhoben und ausgeführt, er habe den Widerspruch rechtzeitig erhoben, außerdem verstehe er nicht, warum Erwerbsunfähigkeit anerkannt werde, es aber keine Rentenleistung durch die Beklagte gebe. Er legte medizinische Unterlagen vor. Danach wurde die Diagnose der Haarzellenleukämie im Mai 1989 gestellt, dies ergibt sich insbesondere durch die erste stationäre Aufnahme im Mai 1989 und der Beginn der Alpha-Interferontherapie. Die medizinischen Unterlagen ließ das Sozialgericht durch Dr ... auswerten. Dieser hat im Gutachten vom 10.02.1997 die Haarzellenleukämie und die mäßige degenerative Veränderung der Wirbelsäule als Gesundheitsstörungen genannt. Es ergebe sich aus den italienischen Gerichtsgutachten, dass bis Mai 1987 keine Hinweise auf die Blutkrankheit vorlagen, die ersten Beschwerden hätten sich Anfang des Jahres 1988 eingestellt. Seit Beginn dieser Erkrankung seien Erwerbsarbeiten nicht mehr zumutbar. Für einen früheren Eintritt der Erwerbsunfähigkeit ergäben sich keine Hinweise, da die degenerativen Verschleißveränderungen der Wirbelsäule zumindest leichte Arbeiten noch nicht verhindert haben und einer Behandlung zugänglich waren. Da keine Nervenwurzelreizerscheinungen vorlagen, bestand bis Januar 1988 zumindest für leichte Arbeiten ein vollschichtiges Leistungsvermögen.

Mit Urteil vom 27.08.1997 wies das Sozialgericht die Klage ab mit der Begründung, der Kläger sei zwar ab Januar 1988 erwerbsunfähig, es bestehe jedoch kein Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit, da nach dem Gutachten von Dr ... der Versicherungsfall erst im Januar 1988 eingetreten sei und deshalb im Fünfjahreszeitraum von Januar 1982 bis Januar 1988 nur 23 statt der erforderlichen 36 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen belegt sind. Im Übrigen erfülle der Kläger auch nicht die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des § 240 Abs.2 SGB VI, da ab 01.01.1984 nicht jeder Kalendermonat mit Anwartschaftserhaltungszeiten belegt sei.

Gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg legte der Kläger mit Schriftsatz vom 07.11.1997 Berufung ein. Zur Begründung führte er aus, mit dem Urteil nicht einverstanden zu sein, da er bereits bei Rückkehr in sein Heimatland wegen der ungesunden Arbeit bei der ... -Chemie in nicht mehr gutem gesundheitlichen Zustand war. Bereits auf die Rentenablehnung 1985 hätte er reagieren sollen, da er ärztlich damals nicht richtig beurteilt wurde. Er bitte, die erforderlichen 13 Kalendermonate nachzahlen zu können, da er nicht mehr in der Lage sei, durch Arbeit die erforderlichen Versicherungszeiten zu erfüllen.

Der Kläger legte ärztliche Berichte vor. Die Beklagte hat auf den Hinweis des Senats mit Schriftsatz vom 16.03.1998 mitgeteilt, dass auch im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs eine Erfüllung der Wartezeit nicht möglich ist, da eine Beratungspflicht 1982 nicht bestanden habe. Bei Erteilung des Ablehnungsbescheides vom Juni 1982 habe auf die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen durch das Haushaltbegleitgesetz 1984 vom 22.12.1983 noch nicht hingewiesen werden können. Der Widerspruch gegen diesen Bescheid sei verfristet und deshalb mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.1984 zu Recht als unzulässig, d.h. ohne Sachprüfung zurückgewiesen worden. Es habe somit aufgrund der Verfristung auch im Widerspruchsverfahren kein konkreter Beratungsanlass bestanden. Der Kläger habe sich trotz der Belehrung über das Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen im Bescheid vom 01.07.1988 nicht zum Fehlen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen geäußert, so dass mit Sicherheit auch eine Belehrung im Jahre 1984 keine Reaktion zur Folge gehabt hätte. Es fehle deshalb auch an der notwendigen Kausalität zwischen einer Pflichtverletzung und einem sozialrechtlichen Nachteil. Dem Kläger könne nur eventuell dann geholfen werden, wenn die Krankheit Leukämie auf die Beschäftigung als Chemiearbeiter zurückzuführen sei. Der Kläger teilte mit, keinen Antrag auf Anerkennung einer Berufskrankheit zu stellen, da er der Meinung sei, dieser Antrag laufe schon so lange Jahre und man hätte ihn von Anfang an auf diesen Weg aufmerksam machen müssen. Er habe auch keine Hoffnung, dass eine Anerkennung der Erkrankung erfolge, da die Krankheit erst Jahre nach Ende der Tätigkeit bei der ... AG aufgetreten sei. Die Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie teilte mit, dass der Kläger dort keinen Antrag auf Anerkennung der Berufskrankheit gestellt habe. Als Ursache einer Leukämie könne die Einwirkung von Benzol oder von ionisierenden Strahlen in Frage kommen. Die Ermittlungen durch die BG ergaben, dass die im Einzelnen durchgeführten Tätigkeiten des Klägers im Betrieb nicht mehr zu ermitteln seien. Dort seien aber verschiedene Feststoffe mit Hilfe von physikalischen Verfahren konfektioniert worden und es sei davon auszugehen, dass der Versicherte in nicht näher quantifizierbarem Umfang gegenüber Stäuben dieser Feststoffe exponiert war. Während des Gesamtbeschäftigungszeitraums seien weder Benzol noch Homologe des Benzols eingesetzt worden. Eine Exposition des Versicherten gegenüber Benzol, die ursächlich für die Erkrankung sein könnte, habe somit nicht bestanden. An dieser Auffassung hat die BG auch im weiteren Schreiben festgehalten und weitere Erläuterungen zu den chemischen Stoffen gegeben. Nach dem vorliegenden Erkenntnisstand könnten die Stoffe, denen der Kläger ausgesetzt war, eine Erkrankung des blutbildenden Systems nicht verursacht haben. Demnach seien die arbeitstechnischen Voraussetzungen der Listen Nr.1303 der Anlage der Berufskrankheiten-Verordnung nicht gegeben. Weitere Feststellungen von seiten der Berufsgenossenschaft seien bei fehlender Antragstellung durch den Kläger nicht vorgesehen. Der Kläger äußerte sich dazu im Schreiben vom 26.03.2000. Er ist der Meinung, dass im Betrieb Benzol verwendet wurde, um verkrustete Maschinen zu reinigen, und er sei mit den genannten Stoffen MSMB und Merkapto in Berührung gekommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 27.08.1997 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13.07.1995 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.08.1996 aufzuheben, den Bescheid vom 01.07.1988 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, ihm Rente wegen Erwerbsunfähigkeit zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten, des Sozialgerichts Augsburg und des Bayerischen Landessozialgerichts Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 143, 144, 151 SGG) ist zulässig und teilweise begründet.

Der Kläger erfüllt zwar nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der 3/5-Belegung, da er im Zeitraum von Januar 1983 bis zum Eintritt des Versicherungsfalls im Jahre 1988 keine 36 Pflichtbeiträge in Italien und Deutschland zurückgelegt hat. Er hat jedoch gleichwohl einen Rentenanspruch, da er im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs so zu stellen ist, wie wenn er für die Zeit ab 01.01.1984 bis zum Eintritt des Versicherungsfalls für die nicht belegten Zeiten freiwillige Beiträge entrichtet hätte. Eine tatsächliche Beitragsleistung ist für einen Rentenanspruch beginnend am 01.01.1992 gemäß § 240 Abs.2 Satz 2 SGB VI nicht erforderlich.

Soweit allerdings für eine Zeit vor dem 01.01.1992, nämlich ab Versicherungsfall im Januar 1988 oder früher Leistungen streitig sind, hat die Berufung keinen Erfolg.

Nach § 43 Abs.1, 44, SGB VI bzw. den bis 31.12.1991 geltenden in diesem Punkt gleichlautenden Bestimmungen der §§ 1246, 1247 RVO haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen Berufsunfähigkeit, wenn sie 1. berufsunfähig sind, 2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Berufsunfähigkeit drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und 3. vor Eintritt der Berufsunfähigkeit die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.

§ 43 Abs.2 bzw. die gleich lautende Vorschrift des § 1246 RVO definiert Berufsunfähigkeit: Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich geistigen und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Erwerbsunfähig sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nichtabsehbare Zeit außerstande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das ein Siebtel der monatlichen Bezugsgröße übersteigt (§ 44 Abs.2 SGB VI bzw. § 1247 RVO).

Auch nach dem Vortrag des Klägers und den ärztlichen Gutachten und Befunden ist es unstreitig, dass der Versicherungsfall der Erwerbsunfähigkeit im Janaur 1988 eingetreten ist. Ab diesem Zeitpunkt ist der Kläger nachweislich an der Haarzellenleukose erkrankt und auch nach Ansicht der Beklagten nicht mehr in der Lage, einer Erwerbstätigkeit in gewissem Umfang nachzugehen. Ein früherer Versicherungsfall ist nach Auffassung des Senats nicht nachweisbar; zwar hat der Kläger angegeben, die Tätigkeit bei der Firma ... aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben zu haben, aber er war anschließend an diese Tätigkeit in Italien, z.B. als Bauhilfsarbeiter, versichert und es steht auch nicht fest, dass er als Chemiearbeiter einen einem deutschen Facharbeiter vergleichbaren Status erreicht hat und somit bereits bei Aufgabe der Tätigkeit bei der Firma ... im Jahre 1979 berufsunfähig gewesen ist. Dagegen sprechen auch die ärztlichen Unterlagen, die mit dem ersten und dem zweiten Rentenantrag aus Italien vorgelegt wurden. Erst durch das Gutachten des italienischen Trägers vom Januar 1990 sowie durch das rechtsmedizinische Gutachten aus dem Jahre 1991 steht die Erwerbsunfähigkeit fest. Somit scheidet ein Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit vor Januar 1988 aus, da weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit nachgewiesen werden kann.

Streitgegenstand der Entscheidung des Senats ist der Bescheid der Beklagten vom 13.07.1995 sowie der Bescheid vom 01.08.1988, der gemäß § 44 SGB X Gegenstand des Verfahrens ist, so dass eine Überprüfung des Rentenantrags des Klägers vom 20.07.1985 zu erfolgen hat. Die Beklagte selbst hat mit dem Bescheid vom 13.07.1995 von Amts wegen aufgrund der aus Italien vorgelegten Unterlagen eine Überprüfung nach § 44 SGB X eingeleitet, da durch die Feststellung des Versicherungsfalls im Janaur 1988 offenkundig wurde, dass der Bescheid vom 01.08.1988 zum Zeitpunkt seines Erlasses fehlerhaft war, da zu diesem Zeitpunkt Erwerbsunfähigkeit beim Kläger bereits vorlag.

Ausgehend vom Versicherungsfall im Janaur 1988 sind die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der Drei-Fünftel-Belegung nicht erfüllt, da der Kläger in der Zeit von Januar 1983 bis Dezember 1987 keine 36 Beitragsmonate in Italien und in der Bundesrepublik zurückgelegt hat. Auch die Übergangsvorschrift des Art.6 Abs.2 a ArVNG bzw. die ab 01.01.1992 geltenden Vorschriften der §§ 240, 241 Abs.2 SGB VI erfüllt der Kläger nicht, denn er hat in der Zeit vom 01.01.1984 bis Dezember 1987 nicht jeden Monat mit einer sogenannten anwartschaftserhaltenden Zeit oder mit freiwilligen Beiträgen belegt. Insbesondere schädlich ist die Lücke in der Beitragsleistung in der Zeit vom 01.01.1984 bis 30.03.1984.

Durch die streitgegenständliche Überprüfung des Rentenantrags vom 20.07.1985 ist es dem Kläger allerdings erlaubt, die Zeit ab 01.01.1985 noch mit Beiträgen zu belegen, da der offene Rentenantrag die Beitragsentrichtungspflicht des § 197 SGB VI ab 01.01.1992 bzw. § 1418 RVO gehemmt hat (§ 198 Abs.1 Ziff.2 SGB VI bzw. 1420 Abs.2 RVO). Für alle Zeiten ab 01.01.1985, die nicht mit Beiträgen belegt sind, ist der Kläger somit zur Nachzahlung von Beiträgen noch berechtigt.

Für den Rentenanspruch des Klägers ist es erforderlich, dass auch die von Januar bis März 1984 bestehende Lücke noch durch Beitragsleistung geschlossen werden kann. Dies ist der Fall, da der Kläger für diesen Zeitraum aufgrund eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs ein Beitragsentrichtungsrecht geltend machen kann. Der Kläger hatte den ersten Rentenantrag 1979 gestellt. Dieser war wegen des Fehlens von Erwerbsunfähigkeit mit Bescheid vom 24.06.1982 zurückgewiesen worden, der Widerspruch des Klägers ist mit Widerspruchsbescheid vom 11.04.1984 als unzulässig, da verspätet, zurückgewiesen worden. Die Beklagte wäre verpflichtet gewesen, den Kläger im Widerspruchsbescheid vom 11.04.1984 über die Gesetzesänderung nach Inkrafttreten des Haushaltbegleitgesetzes 1984 und die Notwendigkeit der vollständigen Belegung aller Zeiten ab 01.01.1984 zu unterrichten. Die Beklagte wendet zwar ein, dass sie den Widerspruch als unzulässig bei Fristversäumung zurückgewiesen hat, aber gerade weil sie eine sachliche Prüfung nicht durchgeführt hat, ist diese fehlende Belehrung des Klägers ursächlich für die aufgetretene Lücke im Versicherungsschutz. Bei Rentenantragstellung 1979 waren dem italienischen Träger und somit auch der Beklagten nur Versicherungszeiten bis 1979 bekannt. Daher konnte die Beklagte nicht davon ausgehen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Haushaltbegleitgesetzes noch über die ausreichende Beitragsbelegung verfügt. Die Ablehnung eines Rentenanspruchs im April 1984 fällt also genau in den Zeitpunkt, als nach Inkrafttreten des Haushaltbegleitgesetzes für die Versicherten, die nicht erwerbsunfähig waren, die Notwendigkeit bestand, sich zu entscheiden, ob sie durch freiwillige Beitragsleistung ihren Versicherungsschutz aufrecht erhalten. Dabei macht es keinen Unterschied, ob ein Rentenantrag im Widerspruchsverfahren wegen fehlender materiell-rechtlicher Begründetheit oder aus formellen Gründen abgelehnt worden ist. Die Rechtswirkung, dass mit Feststellung des Nichtvorliegens von Erwerbsunfähigkeit eine besondere Beratungsbedürftigkeit der Versicherten eintritt, ist unabhängig von der Begründung einer ablehnenden Entscheidung eingetreten. Gerade weil die Beklagte auch nicht erkennen konnte, ob der Versicherte weiterhin beitragspflichtig arbeitet, hätte sie sich veranlasst sehen müssen, zumindest ein aufklärendes Merkblatt dem ablehnenden Widerspruchsbescheid beizufügen. Dies ist jedoch nicht geschehen. Die Beklagte hat dadurch ihre Beratungs- und Aufklärungspflicht nach §§ 13, 14 SGB IV verletzt, denn aufgrund des noch offenen Rentenantrags hatte sie eine erhöhte Beratungspflicht, so dass es nicht darauf ankommt, ob der Kläger sich mit einem Beratungs- oder Auskunftsersuchen an die Beklagte gewandt hat.

Die mangelnde Aufklärung durch die Beklagte ist nach Auffassung des Senats auch ursächlich für die fehlende Entrichtung von Beiträgen in der Zeit von Januar 1984 bis März 1984. Denn bei einem Versicherten, der vorher, d.h. im Dezember 1983 und dann wieder ab April 1985 Beiträge geleistet hat, wäre es ohne großen Aufwand möglich gewesen, die beitragsrechtlichen Voraussetzungen entweder durch Entrichten von freiwilligen Beiträgen in Deutschland oder auch in Italien aufrecht zu erhalten. Jeder verständige Versicherte hätte im Hinblick auf die weitreichenden Leistungseinschränkungen des Haushaltbegleitgesetzes diese Möglichkeit genutzt. Die Einwendung der Beklagten geht insoweit fehl, dass der Kläger auch auf die Belehrung 1988 nicht entsprechende Beitragszahlung angeboten hat, denn damals wurde der Kläger zum einen nicht über die Notwendigkeit der Zahlung von freiwilligen Beiträgen unterrichtet, sondern nur über das Fehlen der Voraussetzungen belehrt, zum anderen war es zu diesem Zeitpunkt für den Kläger wesentlich aufwendiger und somit finanziell auch schwieriger, die Lücke zu schließen, denn im Bescheid von 1988 ist ja trotz des tatsächlichen Eintritts des Versicherungsfalls von der Beklagten auch entschieden worden, Erwerbsunfähigkeit liege nicht vor. Dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt nicht um Beratung nachgesucht hat, kann daher nicht dazu führen zu unterstellen, dass er dies auch bei völlig anderem Sachverhalt und anderer Interessenslage im Jahre 1984 nicht getan hätte.

Da es im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs der Kläger auch die Lücke in der Zeit vom Januar 1984 bis März 1984 noch schließen kann, sind die Voraussetzungen für die Rentengewährung ab 01.01.1992 unter Berücksichtigung der Bestimmung des § 240 Abs.2 Satz 2 SGB VI erfüllt, ohne dass der Kläger tatsächlich Beiträge zu leisten hat. Ein Rentenanspruch des Klägers auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit nach § 44 SGB VI ist somit ab 01.01.1992 gegeben.

Da der Senat aufgrund des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs zum Ergebnis kommt, dass die beitragsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt sind, ist nicht von entscheidender Bedeutung, ob der Kläger durch Nachweis einer Berufskrankheit gemäß § 245 Abs.2 Ziff.1 SGB VI vermindert erwerbsfähig geworden ist. Dieser Nachweis hat sich nicht durch die vom Gericht angeregten Ermittlungen der Berufsgenossenschaft bisher führen lassen und muss als eher unwahrscheinlich gelten. Eine abschließende Prüfung ist aufgrund der fehlenden Antragstellung durch den Kläger bei der Berufsgenossenschaft nicht erfolgt; da die Voraussetzungen aber auch anderweitig erfüllt sind, kann der Senat dies offen lassen.

Soweit der Kläger in seinen Schriftsätzen sinngemäß beantragt, ihm ab 1988 Rente zu gewähren, da er seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Lage sei, seine Familie zu ernähren, kann die Berufung keinen Erfolg haben, denn dazu wäre eine Beitragsentrichtung durch den Kläger für die Zeiten Januar bis März 1984, aber auch ab 01.08.1985 bis zum Eintritt des Versicherungsfalls im Januar 1988 erforderlich. Eine Beitragsentrichtung in diesem Umfang hat der Kläger aber nicht angeboten, so dass nicht unterstellt werden kann, dass er diese Beiträge leisten will und auch zu leisten im Stande ist. Soweit also der Kläger Rentenleistungen ab Rentenantrag im Juli 1985 begehrt, scheitert der Anspruch an dem fehlenden Eintritt der Erwerbsunfähigkeit vor Januar 1988 und ab Januar 1988 bis zum Inkrafttreten des SGB VI am 01.01. 1992 an der fehlenden Beitragsleistung für die nicht belegten Zeiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

Gründe, gemäß § 160 Abs.2 Ziff.1 und 2 SGG, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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