L 5 RJ 633/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 451/98 A
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RJ 633/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Landshut vom 27. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

In diesem Rechtsstreit geht es um Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die am 1942 geborene Klägerin lebt in Serbien. Einen Beruf hat sie nach eigenen Angaben nicht erlernt. In der Bundesrepublik Deutschland arbeitete sie von 1969 bis 1977 als Küchenhilfe in der Küche der Girozentrale in F. (104 Monate). Anschließend liegen jugoslawische Beitragszeiten bis zum 21.01.1992 vor.

Am 29.04.1991 hat die Klägerin erstmals einen Rentenantrag gestellt, der von der Beklagten mit Bescheid vom 06.08.1992 abgelehnt wurde. Im anschließenden Widerspruchsverfahren wurde die Klägerin im Beobachtungskrankenhaus Regensburg durch den Chirurgen Dr.M. und den Nervenarzt Dr.R. in der Zeit vom 29. bis 31.03.1993 untersucht. Gestützt darauf wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.05.1993 zurück, weil die Klägerin noch leichte und mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten könne. Dieser Bescheid enthielt einen ausdrücklichen Hinweis auf die Anwartschaft nach §§ 43, 44 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI). Außerdem war das Merkblatt Nr.6 beigefügt.

Im anschließenden Klageverfahren wurde die Klägerin am 27./28.06.1994 durch die Sozialmedizinerin Dr.T. und die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr.M. untersucht. Dabei wurden folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: 1. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule bei Fehlhaltung und Umbauveränderungen. 2. Hüft- und Kniegelenksarthrose, Krampfadern mit Neigung zu Entzündungen. 4. Depressive Neurose. Die Klägerin könne auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, in geschlossenen Räumen täglich vollschichtig verrichten. Vermieden werden müssten Heben und Tragen von Lasten, häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten, Überkopfarbeiten, Arbeiten mit Stressbelastung. Gestützt auf diese Gutachten wurde die Klage mit Urteil vom 29.06.1994 (S 12 Ar 5205/93.JU) abgewiesen.

Im Anschluss an dieses Urteil hat die Beklagte der Klägerin ein ausführliches Aufklärungsschreiben hinsichtlich der Anwartschaftserhaltung für eine Rente wegen Berufs- bzw. Erwerbsunfähigkeit sowie erneut das Merkblatt Nr.6 auf dem Stand vom 01.01.1994 zugeschickt.

Mit Schreiben vom 27.05.1996, eingegangen am 03.06.1996, hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten bei der Beklagten die "Wiederaufnahme des Verfahrens" beantragt. Ein Formblattantrag wurde am 27.11.1996 gestellt. Diesen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 12.09.1997 erneut ab, weil die Klägerin noch leichte Arbeiten vollschichtig verrichten könne. Außerdem wären selbst bei Eintritt des Versicherungsfalles im November 1996 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt. Der Widerspruch der Klägerin vom 09.10.1997 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 26.01.1998 zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Klage wies das SG Landshut mit Gerichtsbescheid vom 27.07.1998 ab. Zur Begründung führte es aus, bei der Untersuchung am 27./28.06.1994 habe weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorgelegen. Danach seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt und auch nicht mehr erfüllbar. Die Klägerin sei auf die Möglichkeit der Anwartschaftserhaltung mit freiwilligen Beiträgen ausdrücklich hingewiesen worden, habe davon jedoch keinen Gebrauch gemacht. Es bestehe kein Herstellungsanspruch wegen etwaiger falscher Information der vor 1984 nach Jugoslawien zurückgekehrten Versicherten durch die deutschen Rentenversicherungsträger.

Gegen das am 14.08.1998 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Berufung eingelegt, die am 07.10.1998 einging. Zur Begründung wurde ausgeführt, das Urteil sei allein aufgrund schriftlicher medizinischer Unterlagen ergangen. Das SG habe bei der Klägerin angefragt, ob sie bereit sei, sich in Deutschland untersuchen zu lassen. Dem habe sie ausdrücklich zugestimmt. Ein Gerichtsbescheid gemäß § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hätte unter diesen Umständen nicht erlassen werden dürfen. Der Senat hat mit Schreiben vom 16.12.1998 die Klägerin darauf hingewiesen, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nur bei einem Versicherungsfall vor Juni 1994 erfüllt sein könnten und um eventuelle medizinische Unterlagen aus dieser Zeit gebeten. Daraufhin hat die Klägerin mitgeteilt, sie habe alle Unterlagen bereits der LVA vorgelegt, mit Ausnahme eines orthopädischen Attests vom 20.12.1994, in dem Schmerzen im Rücken, sowie in den Beinen bestätigt werden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Aufhebung des Gerichtsbescheides vom 27.07.1998 sowie des Bescheides vom 12.09.1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.1998 zu verurteilen, ihr ab Antragstellung Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Beigezogen wurden die Akten der Beklagten und des SG Landshut.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft und zulässig (§§ 143, 144 Abs.1 Satz 2, 151 SGG). Insbesondere ist die Berufungsfrist gewahrt, die im vorliegenden Fall drei Monate beträgt, weil die Klägerin im Ausland wohnt (§ 153 Abs.1 i.V.m. § 87 Abs.1 Satz 2 SGG).

Die Berufung erweist sich jedoch als unbegründet.

Eine Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit kann nur beanspruchen, wer a) in den letzten fünf Jahren vor dem Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. teilweisen oder vollen Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit zurückgelegt hat und die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat (§§ 43 Abs.1 Nr.2, 3, 44 Abs.1 Nr.2, 3 SGB VI, in der bis zum 31.12.2000 geltenden Fassung, § 43 Abs.1 Nrn.2, 3, Abs.2 Nrn.2, 3 SGB VI in der ab 01.01.2001 geltenden Fassung i.V.m. § 50 Abs.1 Satz 1 Nr.2 SGB VI) oder b) die Zeit von 01.01.1994 bis zum Eintritt der Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung mit Anwartschaftserhaltungszeiten voll belegt hat oder noch belegen kann (§§ 240 Abs.2, 241 Abs.2 SGB VI) oder c) bei dem die Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. Erwerbsminderung aufgrund eines Tatbestandes eingetreten ist, durch den die allgemeine Wartezeit erfüllt ist (§§ 43 Abs.4, 44 Abs.4 a.F., § 43 Abs.5 n.F. i.V.m. § 53 SGB VI) oder d) bei dem der Leistungsfall spätestens im Jahre 1984 eingetreten ist (§ 240 Abs.2 SGB VI).

Die Klägerin hat in Deutschland Pflichtbeiträge bis 1977 erworben und weist anschließend jugoslawische Beitragszeiten bis zum 21.01.1992 auf. Diese sind gemäß Art.25 Abs.1 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Förderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit (DJSVA) vom 12.10.1968 deutschen Versicherungszeiten für den Anspruchserwerb (Erfüllung der Wartezeit bzw. der Anwartschaftszeit) gleichgestellt. Daraus folgt, dass der Versicherungsfall spätestens zwei Jahre nach Entrichtung des letzten jugoslawischen Pflichtbeitrages, also im Februar 1994 eingetreten sein müsste, um die unter a) genannten Voraussetzungen einer Rentenanwartschaft aufrechtzuerhalten. Daran fehlt es bei der Klägerin ganz offensichtlich.

Nach § 43 Abs.2 SGB VI in der damals geltenden Fassung sind berufsunfähig Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankeit oder wegen Behinderung auf weniger als die Hälfte derjenigen von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufs oder der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeite zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit vollschichtig ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.

Erwerbsunfähig sind gemäß § 44 Abs.2 SGB VI in der damals geltenden Fassung Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit auszuüben oder Arbeitsentgeld oder Arbeitseinkommen zu erzielen, das 1/7 der monatlichen Bezugsgrenze (bzw. ab 01.04.1999 630,00 DM) übersteigt. Erwerbsunfähig ist nicht, wer eine Tätigkeit vollschichtig ausüben kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Diese Voraussetzungen waren bei der Klägerin, die aufgrund ihres beruflichen Werdeganges und ihrer in Deutschland ausgeübten Tätigkeit als Küchenhilfe keinen Berufsschutz genießt, eindeutig nicht erfüllt. Sie ist im Zuge eines Widerspruchsverfahrens von der Beklagten in der Zeit vom 29. bis 31.03.1993 chirurgisch und nervenärztlich und im anschließenden Klageverfahren am 27./28.06.1994 auf Veranlassung des SG Landshut auf sozialmedizinischem und neurologisch-/psychiatrischem Fachgebiet untersucht worden. Alle Untersuchungen kamen übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass die Klägerin damals leichte Arbeiten wenn auch mit gewissen Einschränkungen noch vollschichtig verrichten konnte, so dass weder Berufs- noch Erwerbsunfähigkeit vorlag. Dies wurde auch in dem rechtskräftigen Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 29.06.1994 (S 12 AR 5205/93.JU) ausdrücklich festgestellt. Es kann dahingestellt bleiben, ob zwischenzeitlich bei der Klägerin der Versicherungsfall der Erwerbsminderung eingetreten ist, da eine Rentenleistung wegen Verlust der Anwartschaft nicht mehr in Betracht kommt. Es war deshalb auch nicht erforderlich, die Klägerin im Zuge des vorliegenden Verfahrens erneut untersuchen zu lassen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus §§ 240 Abs.2 bzw. 241 Abs.2 SGB VI. Zwar hat die Klägerin vor dem 01.01.1984 die allgemeine Wartezeit erfüllt und wäre deshalb berechtigt gewesen, die Anwartschaft durch die Zahlung von freiwilligen Beiträgen zu erhalten. Solche wurden jedoch zu keiner Zeit entrichtet, obwohl die Beklagte die Klägerin mehrfach über diese Gestaltungsmöglichkeit zur Erhaltung der Anwartschaft informiert hatte. Zuletzt wäre die Zahlung von freiwilligen Beiträgen zur Anwartschaftserhaltung noch nach dem Urteil vom 29.06.1994 möglich gewesen, worauf die Beklagte die Klägerin im Anschluss an diese gerichtliche Entscheidung erneut ausdrücklich durch ein Aufklärungsschreiben sowie durch Übersendung eines Merkblattes Nr.6 hingewiesen hat. Wenn sie davon keinen Gebrauch gemacht hat, geht dies zu ihren Lasten.

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Anwartschaftsregelung in Bezug auf ausländische Arbeitnehmer bestehen, wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht (vgl. dazu nun auch das Urteil des 13. Senats vom 11.05.2000 - B 13 RJ 85/98 R).

Die oben unter Buchstaben c) und d) genannten Voraussetzungen sind offenkundig nicht erfüllt.

Zusammenfassend ist damit festzustellen, dass die Klägerin schon wegen des Fehlens der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen keinen Anspruch auf Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit bzw. teilweiser oder vollständiger Erwerbsminderung hat. Auf den gegenwärtigen Gesundheitszustand kommt es bei dieser Rechtslage nicht an. Anspruch auf Rente hat die Klägerin erst ab Vollendung des 65.Lebensjahres. Etwas anderes könnte sich nur ergeben, wenn das deutsch-jugoslawische Sozialversicherungsabkommen in der Weise geändert würde, dass auch der Bezug von jugoslawischen Renten zum Erhalt der Anwartschaft geeignet ist. Eine solche Regelung liegt jedoch bislang nicht vor.

Nach allem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
Saved