L 6 RJ 67/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 7 RJ 213/99
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 6 RJ 67/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Frage, ob bei der Berechnung des Altersruhegeldes des Klägers die im Wege des Versorgungsausgleichs an seine geschiedene Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften wieder bei der Berechnung seines Altersruhegeldes zu berücksichtigen sind.

Am 14.11.1958 hatte der Kläger die Ehe mit H. A. geschlossen. Diese Ehe wurde mit Endurteil des Amtsgerichts V. vom 27.03.1985 geschieden. Dabei wurden von dem bei der Beklagten geführten Rentenkonto des Klägers Rentenanwartschaften in Höhe von 435,30 DM auf die frühere Ehefrau des Klägers H. F. geborene A. gemäß § 1587b Abs.1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) übertragen, da die Differenz der während der Ehezeit erworbenen Rentenanwartschaften des Klägers in Höhe von 996,80 DM und seiner früheren Ehefrau in Höhe von 126,20 DM insgesamt 870,60 DM betrug.

Am 11.06.1985 hatte die frühere Ehefrau des Klägers H. F. sich wieder verheiratet und ist als Ehefrau des A. G. am 03.09.1998 verstorben ohne Leistungen aus der Arbeiterrentenversicherung und damit aus den auf sie übertragenen Anwartschaften bezogen zu haben.

Auf den Antrag des Klägers vom 30.05.1994 gewährte ihm die Beklagte mit Rentenbescheid vom 18.07.1994 ab 01.09.1994 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit in Höhe von 1.559,37 DM monatlich. In ihrem Bescheid führte sie aus, dass auf Grund des Urteils des Amtsgerichts V. an seine frühere ausgleichsberechtigte Ehefrau Rentenanwartschaften von monatlich 435,30 DM übertragen worden seien.

Mit Schreiben vom 09.09.1998 beantragte der Kläger die Rückübertragung der an seine geschiedene Ehefrau übertragenen Rentenanwartschaften, mit der Begründung, dass diese am 03.09.1998, ohne Leistungen bezogen zu haben verstorben sei.

Mit Bescheid vom 09.11.1998 lehnte die Beklagte einen Rückausgleich des seinerzeit vollzogenen Versorgungsausgleiches ab. Das Familiengericht beim Amtsgericht V. habe mit rechtskräftigem Urteil im Rahmen des Versorgungsausgleichs in der gesetzlichen Rentenversicherung erworbene Rentenanwartschaften in Höhe von 435,30 DM an die geschiedene Ehegattin übertragen. Dieser Ausgleich sei grundsätzlich auf Dauer angelegt und könne nur im Rahmen der Voraussetzungen des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich (VAHRG) rückübertragen werden. Die berechtigte Ehefrau habe zwar vor ihrem Tod keine Leistungen aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht erhalten, andererseits werde nunmehr durch die LVA Unterfranken in Würzburg aus der Versicherung der geschiedenen Ehefrau an ihren Witwer seit 03.09.1998 eine Hinterbliebenenrente gewährt. Auf Grund dieses Rentenbezuges sei es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht möglich, eine Entscheidung zu treffen, ob gemäß § 4 Abs.2 VAHRG ein Rückausgleich und damit die Berücksichtigung bei der Rente des Klägers in Frage komme.

Den dagegen eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.1999 zurück. Nach dem Ende des Rentenbezuges durch den Witwer der verstorbenen früheren Ehefrau des Klägers, das von der LVA Unterfranken mitgeteilt werde, könne entschieden werden, ob ein Rückausgleich der Rentenanwartschaft an den Kläger möglich sei. Ein Rückausgleich gemäß § 4 Abs.2 VAHRG sei nämlich nur dann möglich, wenn die Leistungen aus dem Versorgungsausgleich an Hinterbliebene des Berechtigten lediglich als geringfügig im Sinne dieser Vorschrift anzusehen seien.

Dagegen hat der Kläger zum Sozialgericht Landshut Klage erhoben. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er einen Anspruch auf Rückausgleich der übertragenen Rentenanwartschaften habe. Die Regelung des § 4 Abs.2 VAHRG verstoße bei Zahlung einer Hinterbliebenenrente an den Ehegatten des im Versorgungsausgleich Berechtigten gegen das Grundgesetz, insbesondere gegen Art.14 Abs.1 Satz 1 und Art.6 Abs.1 Grundgesetz (GG). Die gesetzliche Regelung führe nämlich im Ergebnis dazu, dass der Kläger im Wege des Versorgungsausgleichs einen Großteil seiner Rentenanwartschaften an seinen Nebenbuhler abgeben müsse. Dies sei unverhältnismäßig und widerspreche krass dem Gerechtigkeitsgedanken.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 18.12.2000 die Klage abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten sei rechtmäßig, der Kläger habe gemäß § 4 Abs.2 VAHRG keinen Anspruch auf eine ungekürzte Auszahlung seines Altersruhegeldes.

Dagegen wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er weiter die ungekürzte Auszahlung seines Altersruhegeldes begehrt. Die Regelung des § 4 Abs.2 VAHRG sei verfassungswidrig, da sie insbesondere gegen Art.14 Abs.1 Satz 1 und Art.6 Abs.1 Grundgesetz verstoße. Die in § 4 Abs.2 VAHRG getroffene Regelung sei insbesondere im Falle des Klägers unbillig, da nunmehr an einen Witwer Rente bezahlt werde, der der Scheidungsgrund gewesen sei. Der Kläger habe deshalb Anspruch auf Rückausgleich seines Rentenanspruchs in verfassungskonformer Auslegung des § 4 Abs.2 VAHRG.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18.12.2000 sowie den Bescheid der Beklagten vom 09.11.1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.1999 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm das seit 01.09.1994 gewährte Altersruhegeld ungekürzt zu leisten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend.

Beigezogen waren die Akten des Sozialgerichts Landshut und der Beklagten auf deren Inhalt sowie auf den der Berufungsakte zur Ergänzung des Tatbestandes Bezug genommen wird.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, sachlich ist sie jedoch nicht begründet, da der Kläger keinen Anspruch auf ungekürzte Leistung seines ab 01.09.1994 gewährten Altersruhegeldes hat.

Als Anspruchsgrundlage, die für den Kläger einen Anspruch auf ungekürzte Auszahlung seines Altersruhegeldes begründen könnte, kommt nur § 4 Abs.2 VAHRG in Betracht. Danach wird die Versorgung des Verpflichteten nicht auf Grund des Versorgungsausgleichs gekürzt, wenn der Berechtigte verstorben ist und aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nur Leistungen gewährt worden sind, die insgesamt zwei Jahresbeträge einer auf das Ende des Leistungsbezuges berechneten Rente aus dem erworbenen Anrecht nicht übersteigen. Dabei sind jedoch die gewährten Leistungen auf die sich ergebende Erhöhung anzurechnen.

Auch wenn die ausgleichsberechtigte frühere Ehefrau des Klägers gestorben ist, ohne dass ihr Leistungen aus dem durch den Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht gewährt wurden, so wird seit ihrem Tode ihrem Witwer gemäß § 46 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) Hinterbliebenenrente gewährt. Auf Grund dieser laufenden Leistung ist aus Sicht der Beklagten nicht abzusehen, ob überhaupt die in § 4 Abs.2 VAHRG genannten Voraussetzungen eintreten, bzw. in welcher Höhe die Leistung an den Kläger zu kürzen ist. Der Kläger sieht bei dem in seiner Person zu Grunde liegenden Sachverhalt, der in der Konsequenz dazu führt, dass nunmehr an eine Person, die seinerzeit den Scheidungsgrund dargestellt hat, Hinterbliebenenrente bezahlt wird, einen Verstoß der gesetzlichen Regelung gegen verfassungsrechtliche Grundsätze.

Der Senat hat jedoch keine verfassungsrechtlichen Bedenken und sieht in der Vorschrift des § 4 Abs.2 VAHRG keinen Verstoß gegen Verfassungsgrundsätze.

In seiner grundlegenden Entscheidung vom 28.02.1980 - 1 BvL 100/78 u.a. - hat zwar das Bundesverfassungsgericht in Ansehung der seinerzeit geltenden Regelung es für geboten erachtet, dass der Gesetzgeber die betreffende Bestimmung durch Regelungen zu ergänzen habe, die es ermöglichte, nachträglich eintretenden grundrechtswidrigen Auswirkungen des Versorgungsausgleichs zu begegnen. Der Gesetzgeber hat darauf die nunmehr in § 4 Abs.2 VAHRG enthaltene Härteregelung geschaffen. In weiteren Urteilen vom 11.02.1988 - 4/11a RA 30/87 - und vom 05.07.1989 - 1 BvL 11/87 u.a. - hat das Bundesverfassungsgericht jedoch die nunmehr bestehende Regelung als verfassungsmäßig angesehen und dem Gesetzgeber insoweit einen weiten Spielraum für die Regelung von durch den Versorgungsausgleich entstehenden Härten zugestanden.

Insbesondere hat das Bundesverfassungsgericht die in § 4 Abs.2 VAHRG getroffene pauschalierende Regelung als grundgesetzkonform angesehen.

Der Senat verkennt angesichts des zu Grunde liegenden Sachverhalts die für den Kläger ärgerliche Konsequenz aus der gesetzlichen Regelung nicht, andererseits ist die im Jahre 1977 vollkommen neu geregelte Rechtslage zur Ehescheidung von den früher geltenden moralbezogenen Tatbeständen abgegangen und hat dagegen die Scheidungsfolgen weitgehend losgelöst von weltanschaulichen Moralvorstellungen geregelt. Dem entspricht nach Ansicht des Senates auch die in § 4 Abs.2 VAHRG getroffene Regelung. Der Senat kann daher keinen Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze erkennen.

Dabei verkennt der Senat nicht, dass die Hinterbliebenenrente für Witwer in dem derzeit geltenden allgemeinen Umfang mit § 46 SGB VI i.d.F. des Rentenreformgesetzes 1992 (RRG), das zum 01.01.1992 in Kraft getreten ist, eingeführt wurde welche die ab 01.01.1986 geltende Regelung der §§ 1264 Abs.2, 1268 RVO ersetzt hat. Diese Regelung hat die bis 31.12.1985 bestehende Rechtslage - § 1266 der Reichsversicherungsordnung (RVO) - abgelöst, mit der Folge, dass entgegen der bis 31.12.1985 geltenden Rechtslage praktisch jeder Witwer Anspruch auf Hinterbliebenenrente aus der Versicherung seiner verstorbenen Ehefrau hat. Dies allein rechtfertigt nach Ansicht des Senats jedoch nicht die Verfassungsmäßigkeit der in § 4 Abs.2 VAHRG getroffenen Regelung in einem andere Lichte zu sehen als dies in den o.g. Entscheidungsgründe des Bundesverfassungsgerichts vom 1980, 1988 und 1989 geschehen ist. Die dem Witwer gewährte Hinterbliebenenrente stellt seit 1992 eine gesetzliche Leistung dar, wie sie in § 4 Abs.2 VAHRG erfasst ist. Gesichtspunkte, die die Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift auf Grund der Änderung der Hinterbliebenenversorgung beeinflussen könnten, bestehen daher für den Senat nicht.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 18.12.2000 war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Revision war zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs.1 und 2 SGG im Hinblick auf die nunmehr geltende Rechtslage vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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