L 16 RJ 729/01

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 25 RJ 113/00
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 16 RJ 729/01
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 06.07.2001 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitgegenstand ist die Erstattung rechtmäßig entrichteter Pflichtbeiträge.

Der am 1962 geborene Kläger ist österreichischer Staatsangehöriger, der vom 21.11.1988 bis 09.11.1997 108 Monate lang Pflichtbeiträge zur deutschen Rentenversicherung entrichtet hat. Am 10.11.1997 ist er nach Österreich verzogen.

Sein am 04.04.1999 gestellter Antrag auf Beitragserstattung wurde von der Beklagten am 19.05.1999 mit der Begründung abgelehnt, die bestehende Berechtigung zur freiwilligen Versicherung schließe den Erstattungsanspruch aus.

Im Widerspruchsverfahren machte der Kläger geltend, entsprechend der Auskunft eines Sachbearbeiters der LVA Düsseldorf bestehe zwei Jahre nach der Wohnsitzaufnahme im Ausland ein Erstattungsanspruch, da Österreich zu Beginn der Beitragspflicht nicht EU-Mitglied gewesen sei. Im Widerspruchsbescheid vom 28.10.1999 heißt es, das Recht zur freiwilligen Versicherung habe bereits zum Zeitpunkt der Geltung des deutsch-österreichischen Sozialversicherungsabkommens bestanden.

Im Klageverfahren trug der Kläger vor, von der LVA Düsseldorf sei eine Erstattung in Aussicht gestellt worden, wenn ein Verzicht auf die Pensionsansprüche erfolge. Das Sozialversicherungsabkommen könne mit Zustimmung der Beklagten außer Kraft gesetzt werden. Er sei in Österreich ohnehin pensionsversichert und habe nicht die Absicht, nach Deutschland zurückzukehren. Das Sozialgericht München wies die Klage am 06.07.2001 ab.

Gegen den am 26.09.2001 zugestellten Gerichtsbescheid legte der Kläger am 27.12.2001 Berufung ein. Er monierte, auf die Aussage der LVA Düsseldorf sei im Gerichtsbescheid nicht eingegangen worden. Von dort sei eine schriftliche Stellungnahme einzuholen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 06.07. 2001 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 19.05.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.1999 zu verurteilen, seine Beiträge zu erstatten.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Beklagtenakten, der Akten des Sozialgerichts München sowie der Berufungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, erweist sich jedoch als unbegründet. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 06.07.2001 ist ebenso wenig zu beanstanden wie der Bescheid der Beklagten vom 19.05. 1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.10.1999. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Beitragserstattung.

Die Erstattung zu Recht entrichteter Beiträge zur deutschen Rentenversicherung ist in § 210 SGB VI abschließend geregelt. Danach werden Beiträge auf Antrag erstattet

1. Versicherten, die nicht versicherungspflichtig sind und nicht das Recht zur freiwilligen Versicherung haben, 2. Versicherten, die das 65. Lebensjahr vollendet und die allgemeine Wartezeit nicht erfüllt haben, 3. Witwen, Witwern oder Waisen, wenn wegen nicht erfüllter allgemeiner Wartezeit ein Anspruch auf Rente wegen Todes nicht besteht, Halbwaisen aber nur, wenn eine Witwe oder ein Witwer nicht vorhanden ist. Für den 41-jährigen Kläger kommt lediglich § 210 Abs.1 Ziffer 1 SGB VI als Anspruchsgrundlage in Betracht. Dabei ist aber bereits die Frage problematisch, ob beim Kläger mit seinem Wegzug nach Österreich die Versicherungspflicht entfallen ist. Seit dem Beitritt Österreichs 1995 zur Europäischen Gemeinschaft gilt nämlich für den Kläger die EWG-Verordnung Nr.1408/71, deren Art.10 Abs.2 folgende Bestimmung enthält: "Ist nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedsstaats die Beitragserstattung davon abhängig, dass die Versicherungspflicht für die betreffende Person entfallen ist, so gilt diese Voraussetzung als nicht erfüllt, solange diese Person auf Grund der Rechtsvorschriften eines anderen Mitgliedsstaats als Arbeitnehmer oder Selbstständiger pflichtversichert ist". Nachdem der Kläger selbst vorgetragen hat, er sei in Österreich pflichtversichert, scheitert der Anspruch auf Beitragserstattung bereits an dieser Versicherungspflicht.

Die Nachprüfung der versicherungsrechtlichen Verhältnisse des Klägers in Österreich erübrigt sich jedoch, nachdem auch die zweite Anspruchsvoraussetzung des § 210 Abs.1 Ziffer 1 SGB VI nicht erfüllt ist. Der Kläger hat ein Recht zur freiwilligen Versicherung in der deutschen Rentenversicherung. Wie die Beklagte im Ausgangsbescheid zutreffend dargelegt hat, ist der Kläger als Staatsangehöriger des europäischen Wirtschaftsraums nach Anhang VI, Buchstabe C, Nr.7 der Verordnung Nr.1408/71 zur Versicherung in der deutschen Rentenversicherung berechtigt, weil er seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Gebiet eines anderen Mitgliedsstaats hat und zu irgendeinem Zeitpunkt vorher in der deutschen Rentenversicherung pflichtversichert oder freiwillig versichert war. Diese Sondernorm geht gemäß Art.89 der EWG-Verordnung 1408/71 dem im Wesentlichen gleich lautenden Art.9 der EWG-Verordnung Nr.1408/71 vor. Der Kläger hat seinen Wohnsitz in Österreich bzw. Italien und war in Deutschland über zehn Jahre lang pflichtversichert. Weil ihm ein Recht zur freiwilligen Versicherung zusteht, scheidet ein Beitragserstattungsanspruch aus.

Entgegen der Ansicht des Klägers ist das eingeräumte Recht zur freiwilligen Versicherung nicht disponibel. Der Kläger kann zwar darauf verzichten, das Recht zur freiwilligen Versicherung wahrzunehmen, diese Dispositionsbefugnis beseitigt jedoch nicht das grundsätzlich bestehende Recht zur freiwilligen Versicherung. Ein Wahlrecht besteht insoweit nicht (BSG vom 12.09.1979 in SozR 2200 § 1303 RVO Nr.15 m.w.N.).

Auch der vom Kläger erklärte Verzicht auf künftige Rentenansprüche aus der deutschen Versicherung ist nicht geeignet, einen Beitragserstattungsanspruch auszulösen. Der Verlust von Rentenansprüchen ist die Folge einer Beitragserstattung, nicht die Voraussetzung der Beitragserstattung, wie der eindeutige Gesetzeswortlaut des § 210 SGB VI dies belegt. Im Übrigen ist ein Verzicht auf Sozialleistungen unwirksam, soweit durch ihn Rechtsvorschriften umgangen werden (§ 46 Abs.2 SGB I).

Auch der von der Rechtsprechung entwickelte sozialrechtliche Herstellungsanspruch verhilft dem Kläger nicht zur beantragten Rechtsfolge. Ein Herstellungsanspruch besteht, wenn ein Leistungsträger Pflichten aus einem Sozialleistungsverhältnis verletzt und dadurch einen Schaden bewirkt, den er durch eine - gesetzlich zulässige - Amtshandlung ausgleichen kann (BSGE Band 52, 147 ff., SozR 1200 § 14 Nr.9 jeweils m.w.N.). Es kann als wahr unterstellt werden, dass ein Sachbearbeiter der LVA Düsseldorf den Kläger so informiert hat, wie er das vorträgt, wenngleich dies angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts schwer vorstellbar ist. Abgesehen von einer enttäuschten Erwartung und den geringfügigen Kosten für Verwaltungs- und Klageverfahren ist dem Kläger hieraus jedoch kein Schaden erwachsen. Darüber hinaus ist ein Geschädigter im Wege des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs mittels Amtshandlung nur so zu stellen, als ob er ordnungsgemäß beraten worden wäre. Bei pflichtgemäßem Verhalten des Leistungsträgers, d.h. bei richtiger Beratung durch die LVA Düsseldorf, hätte der Kläger eventuell von vornherein keinen Antrag auf Beitragserstattung gestellt. Keinesfalls wäre bei ordnungsgemäßer Beratung ein Erstattungsanspruch zu bejahen.

Der Kläger kann sich auch nicht auf eine Zusicherung durch die LVA Düsseldorf berufen. Eine von den zuständigen Behörden erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu er- lassen oder zu unterlassen, bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form (§ 34 Abs.1 Satz 1 SGB X). Eine eventuelle falsche mündliche Auskunft durch die LVA Düsseldorf hat also auf den geltend gemachten Beitragserstattungsanspruch keinerlei Auswirkungen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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