L 18 SB 25/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Würzburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 SB 210/98
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 18 SB 25/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Würzburg vom 18.02.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist, ob beim Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 statt 20 nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) festzustellen ist.

Bei dem am 1949 geborenen Kläger waren mit Bescheid vom 21.03.1996 als Behinderungen mit einem GdB von 20 festgestellt: Wirbelsäulensyndrom, präsacrale Chondrose.

Auf einen Neufeststellungsantrag des Klägers hin anerkannte der Beklagte mit Bescheid vom 03.12.1997 unter Beibehaltung des GdB von 20 als weitere Behinderung "psychovegetatives Syndrom, histrionische Persönlichkeit". Der Widerspruch war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 12.03.1998).

Im anschließenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht (SG) Würzburg hat der Kläger die Feststellung eines GdB von mindestens 50 begehrt. Das SG hat ärztliche Befundunterlagen des Klägers beigezogen (insbesondere aus dem Rentenverfahren S 4 RJ 648/97) und die Internistin Dr.G.B. mit Gutachten vom 18.02.1999 gehört. Diese hat beim Kläger eine Konversionsneurose mit einem Einzel-GdB von 30 festgestellt und den Gesamt-GdB ebenfalls mit 30 bewertet. Das SG ist der von ihm gehörten Sachverständigen Dr.G.B. nicht gefolgt und hat die Klage mit Urteil vom 18.02.1999 abgewiesen.

Gegen dieses Urteil hat der Kläger Berufung eingelegt und weiterhin die Feststellung eines GdB von mindestens 50 begehrt. Der vom Senat gehörte Prof.Dr.M.R. (Psychiatrische Universitätsklinik W.) hat in seinem nervenärztlichen Gutachten vom 10.01.2000 eine dissoziative Störung des Klägers mit einem Einzel-GdB von 20 diagnostiziert und den Gesamt-GdB ebenfalls mit 20 bewertet.

Nach einer Auskunft aus dem Melderegister der Stadt Würzburg vom 14.07.2000 hat sich der Kläger am 01.10.1999 nach Korbovo/ Jugoslawien abgemeldet.

Der Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG Würzburg vom 18.02.1999 zurückzuweisen.

Ergänzend zum Sachverhalt wird auf die Schwerbehindertenakte des Beklagten und die Gerichtsakten des ersten und zweiten Rechtszuges Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz ), aber nicht begründet.

Der Kläger erfüllt durch seinen Wegzug nach Jugoslawien die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 1 SchwbG nicht mehr mit der Folge, dass der gesetzliche Schutz für einen Schwerbehinderten nicht mehr gegeben ist. Gemäß § 1 SchwbG kann schwerbehindert nur sein, wer einen GdB von wenigstens 50 erreicht und seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat. Nach § 30 Abs 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) hat jemand seinen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung inne hat, die darauf schließen lässt, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs 3 Satz 2 SGB I). Diese Definitionen gelten auch für das Schwerbehindertenrecht (vgl BSG SozR 3-3870 § 1 Nr 1). Der Kläger hat seinen Wohnsitz im Geltungsbereich des SchwbG durch seine Abmeldung nach Jugoslawien aufgegeben. Durch seinen Wegzug nach Jugoslawien kann der Kläger den Status eines Schwerbehinderten nicht mehr erlangen, da der gesetzliche Schutz eines Schwerbehinderten mit dem Wegfall der Voraussetzungen nach § 1 SchwbG erlischt (§ 38 SchwbG; Cramer, Kommentar zum SchwbG, 5. Auflage § 1 RdNr 10).

Abgesehen vom fehlenden Wohnsitz hat der Kläger auch deshalb keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 20, weil die Voraussetzungen für eine Neufeststellung gemäß § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) nicht vorliegen.

Gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dann aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Voraussetzung für die Feststellung, ob eine Änderung des GdB vorliegt, ist ein Vergleich zwischen den gesundheitlichen Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses der bindend gewordenen letzten bescheidmäßigen Feststellung des GdB und dem Zustand im Zeitpunkt der Neufeststellung.

In den Verhältnissen, die für die Feststellung der Behinderungen mit einem GdB von 20 im Bescheid vom 21.03.1996 maßgeblich waren, ist eine wesentliche Verschlimmerung nicht eingetreten. Die Behinderungen des Klägers sind nach wie vor mit einem GdB von 20 zutreffend bewertet.

Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem von ihm eingeholten Sachverständigengutachten des Prof.Dr.M.R ... Soweit die Sachverständige der ersten Instanz, die Internistin Dr.G.B., in ihrem Gutachten vom 18.02.1999 einen Einzel-GdB von 30 für das psychische Leiden vorgeschlagen und den Gesamt-GdB mit 30 bewertet hat, vermag ihr der Senat - wie schon das SG - nicht zu folgen.

Das Ausmaß der Behinderung hat sich nach den Feststellungen des Prof.Dr.M.R. im Vergleich zu den Verhältnissen im Bescheid vom 21.03.1996 nicht wesentlich geändert. Zwar ist nunmehr auf nervenärztlichem Fachgebiet eine dissoziative Störung hinzugekommen. Diese Behinderung stellt sich aber nach der Einteilung der Neurosen und Persönlichkeitsstörungen in den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz (AHP) 1996 Seite 60 nur als leichtere psychische Störung dar, die Prof. Dr.M.R. zu Recht mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet hat. Die organisch nicht erklärbaren subjektiven Beschwerden hindern den Kläger nämlich nicht, seine alltägliche Lebenssituation gut zu bewältigen. So berichtet der Sachverständige, dass der Kläger in den Jahren 1993 und 1994 die Führerscheine der Klassen III, IV und V erworben hat und (zeitweise) in Jugoslawien erfolgreich mit der Renovierung seines Elternhauses beschäftigt war. Schließlich war der Kläger in der Lage, die Belastung einer etwa 14-stündigen Busfahrt von Jugoslawien nach Würzburg zur Begutachtung bei Prof.Dr.M.R. am 27.09.1999 gut zu verkraften.

Nach den AHP kann - worauf das SG schon hingewiesen hat - von einer stärker behindernden Störung mit einem Einzel-GdB von 30 bis 40 erst ausgegangen werden, wenn sich als Folge der Störung eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit eingestellt hat. Davon kann vorliegend aber nicht die Rede sein.

Der Gesamt-GdB beträgt lediglich 20. Während der Beklagte die Behinderungen des Klägers auf orthopädischem Gebiet mit einem Einzel-GdB von 20 bewertet, hat Prof.Dr.M.R. hierfür lediglich einen GdB von 10 angesetzt. Es kann aber dahinstehen, ob der GdB für das orthopädische Fachgebiet 10 oder 20 beträgt, da auch bei der Annahme eines Einzel-GdB von 20 ein höherer Gesamt-GdB als 20 nicht in Betracht kommt. Bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es nämlich bei der Bildung des Gesamt-GdB vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (so AHP Seite 35). Die Behinderungen auf orthopädischem Gebiet sind offensichtlich nicht schwerwiegender Natur. Sowohl bei der Begutachtung durch Dr.G.B. als auch bei der Untersuchung in der Psychiatrischen Universitätklinik Würzburg waren nur geringfügige Befunde, wie Kopfschmerz und endgradige Bewegungseinschränkung im Bereich der Wirbelsäule, zu erheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision im Sinne des § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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