L 2 U 100/97

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 161/92
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 100/97
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird der Versicherte tot an der Arbeitsstätte aufgefunden und steht nicht sicher fest, dass vor dem zum Tod führenden Unfall er eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hatte, so besteht keine Rechtsvermutung für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Bei Nachweis einer betriebsbezogenen Tätigkeit ist ein Zusammenhang zwischen Unfall und versicherter Tätigkeit auch dann als bewiesen anzusehen, wenn genaue Feststellungen über den unmittelbar den Unfall bewirkenden Umstand nicht getroffen werden können.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 07.10.1996 aufgehoben und die Klagen gegen den Bescheid vom 12.03.1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1992 abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Mit telefonischer Unfallmeldung vom 29.07.1991 und Unfallanzeige vom 14.08.1991 wurde die Beklagte über den Tod des Versicherten ..., geb ...1941, informiert. Der Tod ist lt. Sterbeurkunde am 25.07.1991 gegen 15.30 Uhr eingetreten.

Die Klägerin zu 1) gab bei der Vernehmung durch die Polizei am 12.08.1991 an, nach einem geschäftlichen Fehlschlag sei bei dem Verstorbenen eine Depression aufgetreten, wegen der er bei dem Neurologen und Psychiater Dr ... in Behandlung gewesen sei. Dr ... erklärte, der Verstorbene sei seit November 1989 in seiner ambulanten Behandlung gewesen. Von 19.02.1990 bis 06.04.1990 und vom 23.05.1991 bis 12.07.1991 habe er sich in stationärer Behandlung im Bezirkskrankenhaus Engelthal befunden. Am 16.07.1991 habe der Verstorbene berichtet, es gehe ihm zwar besser, er sei aber mit seinem Zustand noch nicht ganz zufrieden. Er wolle es noch einmal mit der Arbeit probieren und noch nicht in Rente gehen. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass eine deutliche Suizidgefahr vorliege. Eine latente Suizidgefahr habe immer bestanden, sie sei jedoch nicht offen gezeigt worden. Im Entlassungsbericht des Bezirkskrankenhauses Engelthal vom 06.04.1990 wird ausgeführt, es liege eine zyklotyme Depression vor. Der Patient äußere Suizidgedanken. Im Bericht vom 12.07.1991 wird angegeben, der Patient sei in der zweiten Phase einer endogenen Depression mit Antriebslosigkeit, bedrückter Stimmung, Kontaktarmut und katathymen Ideen zur Behandlung gekommen. Nach Medikamentengabe hätten sich Stimmung und Antrieb gebessert. Der Patient wolle den Betrieb probeweise teilzeitmäßig weiterführen, trotz Bedenken der Ehefrau. Er sei in geordnetem Zustand entlassen worden.

Die Klägerin zu 1) gab bei der Vernehmung weiter an, am Vormittag des 25.07.1991 sei sie zu ihren Eltern gefahren. Ihr Mann sei allein zu Hause geblieben, weil er eine Arbeit vorgehabt habe. Als sie kurz vor 19.00 Uhr zurückgekommen sei, habe sie Rauchgeruch wahrgenommen, der aus der Werkstatt gekommen sei. Dort sei auch eine Maschine gelaufen. Weil ihr Mann sich auf Rufen hin nicht gemeldet habe und sie sich mit dem Maschinen nicht auskenne, sei sie zu ihrem Schwager gefahren und habe ihn gebeten, mit ihr zu kommen. Im Keller hätten sie dann ihren Mann gefunden.

Der Bruder des Verstorbenen, ..., erklärte bei der polizeilichen Vernehmung am 12.08.1991, er habe nicht durch die Werkstatttüre in die Werkstatt gehen können, weil sie verschlossen gewesen sei und der Schlüssel von innen gesteckt habe. Er sei dann in das Haus und von dort in den Keller der Werkstatt gegangen und habe gesehen, dass die Hydraulikpresse gelaufen sei. Um die Presse herum sei der Boden voller Öl gewesen. Er habe die Maschine sofort ausgeschaltet, dabei seinen Bruder am Boden liegen sehen und den Notarzt gerufen.

Die Polizei vernahm außerdem am 12.08.1991 ..., der angab, bis vor zwei Jahren habe er immer wieder bei der Firma ... stundenweise gearbeitet. Schon damals sei im Keller die Presse gestanden, die im Bedarfsfall mit einem Kran in die darüberliegende Werkstätte hochgehoben und dann dort benutzt worden sei. Die Maschine sei zuerst mit einem Elektrokabel, an dem sich auch ein Ein- und Ausschalter befunden habe, verbunden worden. Nach dem Einschalten sei der Motor angelaufen. Um das Schild der Presse in Bewegung setzen zu können, habe ein Steuerhebel, der sich im Bereich des Öltanks befunden habe, betätigt werden müssen. Die Zeit einer Hubbewegung sei etwa 5 bis 10 Sekunden lang gewesen. Jedenfalls sei es nicht so gewesen, dass die Presse mit einer Schlagbewegung bewegt worden sei.

Die Kriminalpolizei folgerte nach den Ermittlungen und aufgrund der Auffindesituation, der Verstorbene habe in Selbsttötungsabsicht die Presse in Betrieb genommen und sich mit dem Hals in den Hubbereich gelegt.

Der Notarzt Dr ... gab gegenüber der Beklagten an, die Presse sei in völlig desolatem Zustand und nicht einsatzbereit. Davon habe er sich überzeugt. In der Werkstatt habe sich kein bearbeiteter oder zu bearbeitender Gegenstand gefunden. Der Tod sei durch eine extreme Quetschung des Halses und entsprechende Verletzungen des Rückenmarkes eingetreten.

Im Unfalluntersuchungsbericht des Dipl.Ingenieur ... vom Technischen Aufsichtsdienst der Beklagten vom 14.08.1991 wird ausgeführt, nach den angetroffenen und geschilderten Umständen könne man davon ausgehen, dass der Verstorbene nicht mit der Maschine habe arbeiten wollen. Vermutlich sei nach dem Unglücksfall durch den ständig laufenden Antrieb der Druck in der Hydraulikanlage so stark geworden, dass ein Schlauch geplatzt sei, so dass das Öl ausgeflossen und so die Bewegung des Maschinenteils in die Ausgangsstellung möglich geworden sei. Dadurch sei der Verstorbene vermutlich aus der Maschine auf den Boden gefallen.

Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr ... kam im Gutachten vom 29.01.1992 zu dem Ergebnis, der Verstorbene sei zum Zeitpunkt der Entlassung keineswegs gesund gewesen. Er habe Medikamente in relativ hoher Dosis einnehmen müssen. Beschrieben sei eine psychotische Depression einschließlich Verarmungswahn, eine Erkrankung, bei der die Gefahr eines Suizids als besonders hoch eingeschätzt werde. Auch eine Tendenz zur Anwendung harter Suizidmethoden sei bekannt. Die Wahrscheinlichkeit eines Suizids sei im Fall des Verstorbenen nicht genau anzugeben, da er zuletzt keine entsprechenden Äußerungen mehr gemacht habe. Dem widerspreche aber nicht, dass er sich doch mit Suizidgedanken getragen bzw. am Tag des Todes während des mehrstündigen Alleinseins den Entschluss zum Suizid gefasst habe. Die Verletzungen seien mit Wahrscheinlichkeit im Rahmen eines Suizids bei endogener Depression eingetreten.

Mit Bescheid vom 12.03.1992 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab, da ein Arbeitsunfall nicht erwiesen sei.

Den Widerspruch der Klägerinnen vom 12.03.1992 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 24.06.1992 zurück.

Mit der Klage vom 23.07.1992 haben die Klägerinnen geltend gemacht, der Verstorbene habe am 25.07.1991 Arbeitskleidung und Sicherheitsschuhe angezogen; dies zeige, dass er vorgehabt habe zu arbeiten. Da er zwischen dem 15. und 24.07.1991 die Kunden ..., ..., ... und ... besucht und insbesondere ... ihm einen dringenden Auftrag erteilt habe, habe der Verstorbene am 25.07.1991 in der Werkstatt gearbeitet. Das Arbeitsmaterial sei in Regalen in der Nähe der Presse gelagert gewesen. Die Hände des Verstorbenen seien verschmutzt gewesen. Auch dies deute darauf hin, dass er durch einen Arbeitsunfall die tödlichen Verletzungen erlitten habe.

In den Terminen vom 22.09.1993, 24.01.1994 und 07.10.1996 hat das SG die Zeugen ..., ..., ..., ..., ... und ... vernommen.

Die Klägerin zu 1) hat angegeben, in den Tagen vor seinem Tod habe ihr Mann bei Kunden gearbeitet und keinerlei Selbstmordgedanken geäußert. Er habe die notwendigen Medikamente regelmäßig eingenommen, sie denke, auch an seinem Todestag.

Der Zeuge ... hat es als Bruder des Verstorbenen abgelehnt, eine Aussage zu machen.

Der Zeuge ... hat erklärt, fünf bis acht Tage vor dem 25.07.1991 habe er mit dem Verstorbenen über einen geplanten Auftrag mit einem Volumen von gut 100.000 DM gesprochen. Ihm sei an seinem Verhalten nichts aufgefallen.

Der Zeuge ... hat angegeben, am Sonntag vor dem Todestag habe er mit dem Verstorbenen vereinbart, dass er ihm einen Spreißelwagen herstellen solle. Dafür hätte er auch U-Eisen in der Hydraulik-Presse biegen müssen. Er habe nicht den Eindruck gehabt, dass der Verstorbene depressiv gewesen sei.

Der Zeuge ... hat ausgeführt, er habe von August 1989 bis März 1990 zusammen mit dem Verstorbenen ein Wasserkraftwerk gepachtet gehabt. In dieser Zeit sei ihm am Verstorbenen nichts aufgefallen, was seinen körperlichen oder seelischen Zustand betroffen hätte. Etwa ein Vierteljahr vor seinem Tod habe er mit dem Verstorbenen bezüglich eines Auftrags im Zusammenhang mit einer größeren Umgestaltung seines Betriebes telefoniert. Auch dabei sei ihm an dem Verstorbenen nichts aufgefallen.

Der Zeuge ... hat angegeben, er habe zuletzt etwa im Februar oder März 1990 beim Verstorbenen in der Werkstatt mitgearbeitet. Zwei bis fünf Tage vor seinem Tod habe er ihn gesehen, es sei ihm nichts besonderes an seinem Wesen aufgefallen. Wenn Werkteile in der Presse eingelegt gewesen seien, die über das Pressschild hinausgestanden hätten, habe man links um die Presse herumgehen müssen, um den Hebel bedienen zu können. Bei kleineren Werkstücken sei es möglich gewesen, allein an der Presse zu arbeiten. Die Geschwindigkeit, mit der sich das untere Pressschild nach oben bewegt habe, habe davon abgehangen, wie stark man den Hebel bewegt habe. Eine sehr feine Einstellung sei nicht möglich gewesen. Im Durchschnitt seien drei bis zehn Sekunden vergangen, bis das untere Pressschild mit dem oberen feststehenden zusammengetroffen sei. Eine Schutzvorrichtung, die hätte verhindern können, dass man mit den Händen oder anderen Körperteilen zwischen die Pressschilde kommen konnte, sei nicht angebracht gewesen. Zu Biegearbeiten sei die Presse, die im Keller gestanden habe, meistens mit einem Kran in die Werkstatt hochgehoben worden. Bei kleineren zu biegenden Teilen sei sie teilweise auch im Keller benutzt worden.

Der Zeuge ..., der Bruder der Klägerin zu 1), hat erklärt, der Verstorbene habe meist allein gearbeitet, eine Aushilfskraft habe er nur gelegentlich beschäftigt. Am Sonntag vor seinem Tod habe er von Aufträgen erzählt, die er in der nächsten Zeit auszuführen habe. Im Keller seien immer Eisenstangen und ähnliches in Regalen gelagert gewesen, so auch am Todestag.

Der vom SG mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragte Dipl.Ingenieur ... vom TÜV Bayern/Sachsen hat im Gutachten vom 13.11.1995 ausgeführt, ein Arbeitsunfall sei grundsätzlich nicht auszuschließen. Aus technischer Sicht spreche mehr dafür, dass der Verstorbene seinen Tod selbst verursacht habe, da zum Zeitpunkt des Unfalls keine U-Profilträger oder ähnliches Material in der Nähe der Maschine gelegen hätten, ein Reparaturbedarf nach Maschinenaufbau im Bereich der sich schließenden Formenteile nicht gegeben gewesen sei, durch extreme Unachtsamkeit höchstens Hände und Arme gefährdet sein könnten und durch den gegebenen Abstand einer vor der Maschine stehenden Person zum Steuerhebel eine Betätigung dieses Hebels nicht möglich gewesen sei. Um den Hebel durch Umgreifen des Hubgerüstes zu betätigen, habe eine Person mehr neben als vor der Maschine stehen müssen.

Das SG hat mit Urteil vom 07.09.1996 die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12.03.1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1992 verpflichtet, den Klägerinnen Hinterbliebenenrenten nach ... zu gewähren.

Das SG hat die Auffassung vertreten, dass der Verstorbene einen Arbeitsunfall erlitten habe. Er sei tot in der Werkstatt aufgefunden worden und habe die übliche Arbeitskleidung und Sicherheitsschuhe getragen, was darauf schließen lasse, dass er tatsächlich vorgehabt habe, zu arbeiten. Er habe konkrete Veranlassung gehabt, mit der Presse zu arbeiten, da er vom Zeugen ... einen Auftrag erhalten habe, zu dessen Ausführung er u.a. U-Eisen hätte biegen müssen. Dass sich beim Auffinden der Leiche keine U-Eisen im Umkreise gefunden hätten, beweise nicht, dass der Verstorbene zum Zeitpunkt der tödlichen Verletzung nicht gearbeitet habe. Der Zeuge ... habe angegeben, dass am Todestag wie üblich Material in den Regalen gelagert gewesen sei. Die Verschmutzung der Hände lasse darauf schließen, dass sich der Verstorbene mit der Funktionstüchtigkeit seiner Presse herumgeschlagen habe, ohne Material einzulegen. Dabei könne er angesichts fehlender Schutzvorrichtungen versehentlich mit dem Kopf zwischen die Pressschilder geraten sein. Auch der Sachverständige ... habe einen Arbeitsunfall nicht ausgeschlossen. Das Gericht habe diese Aussage im Wege einer Beweiserleichterung für die Klägerinnen zugunsten eines Arbeitsunfalles gewertet. Die Beweiserleichterung sei den Klägerinnen auch deswegen einzuräumen, weil die Beklagte bzw. ihr Technischer Aufsichtsdienst die Situation vor Ort technisch nicht näher abgeklärt und die Presse nicht sichergestellt hätten. Eine Selbsttötungsabsicht sei nicht überzeugend begründbar, da sich der Verstorbene am 12.07.1991 in deutlich gebessertem und geordnetem Zustand befunden habe. Dr ... habe bei der letzten Untersuchung am 16.07.1991 nicht den Eindruck gehabt, dass eine deutliche Suizidgefahr bestanden habe. Der Verstorbene habe die verordneten Medikamente regelmäßig eingenommen und die Zeugen ... und ... hätten ausgesagt, dass sie keine auffallenden depressiven Züge bemerkt hätten, ebenso wenig der Zeuge ... Es ergebe sich kein konkreter Anhaltspunkt für eine Akzentuierung der von Dr ... angegebenen latenten Suizidalität.

Die Beklagte wendet in der Berufung vom 27.03.1997 ein, möglicherweise habe der Verstorbene im Laufe des Tages Arbeiten in seiner Werkstatt verrichtet. Keinesfalls sei bewiesen, dass er zum Zeitpunkt des Unglückes tatsächlich eine versicherte Tätigkeit an der Hydraulikpresse verrichtet habe. Dass der Verstorbene bei einem möglichen Probelauf den Kopf versehentlich in die Presse gesteckt habe, sei widersinnig, da er als Konstrukteur mit der Handhabung der Maschine bestens vertraut gewesen sei und bei einem Pressvorgang von fünf bis zehn Sekunden jederzeit die Möglichkeit bestanden hätte, ein solches Versehen zu korrigieren. Die Lichtbilder der Kriminalpolizei bewiesen, dass kein Pressvorgang zur Bearbeitung eines Werkstückes durchgeführt worden sei. Der Funktionsablauf deute darauf hin, dass das Unglücksgeschehen in Selbsttötungsabsicht herbeigeführt worden sei.

Die Klägerinnen weisen im Schreiben vom 14.05.1997 nochmals darauf hin, der innere Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall sei wahrscheinlich. Der Verstorbene habe seine übliche Arbeitskleidung getragen, er habe einen konkreten Arbeitsauftrag gehabt und habe seiner Frau mitgeteilt, er gehe in die Werkstatt, um zu arbeiten. Für die Annahme eines Arbeitsunfalls genüge es, dass der Verstorbene die Funktionstüchtigkeit der Maschine überprüft habe. Sowohl die Klägerinnen als auch die Zeugen hätten nicht den Eindruck gehabt, dass der Verstorbene suizidgefährdet gewesen sei.

Die Beklagte führt mit Schreiben vom 17.06.1997 aus, selbst wenn unaufklärbar bliebe, ob der Tod durch betriebsbezogene Umstände verursacht oder durch Selbsttötung herbeigeführt worden sei, seien die Folgen dieser Ungewissheit nach dem Grundsatz objektiver Beweislast von den Hinterbliebenen zu tragen.

Die Berufungsklägerin stellt den Antrag, das Urteil aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 12.03.1992 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.06.1992 abzuweisen.

Die Klägerinnen beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den wesentlichen Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Klage- und Berufungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig und sachlich begründet.

Zur Überzeugung des Senats steht nicht fest, dass der Verstorbene am 25.07.1991 einen Arbeitsunfall erlitt.

Die von den Klägerinnen geltend gemachten Ansprüche setzen nach § 589 Abs.1 RVO voraus, dass der Tod des Versicherten rechtlich wesentliche Folge eines Arbeitsunfalles ist. Arbeitsunfall ist nach § 548 Abs.1 RVO ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Für die Annahme, dass sich der Unfall bei der versicherten Tätigkeit ereignet hat, ist in der Regel erforderlich, dass das Verhalten beim Unfall einerseits zur versicherten Tätigkeit zu rechnen ist und diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der Berufstätigkeit bestehen, die es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.21). Dabei bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises dergestalt, dass sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorgelegen haben (vgl. BSGE 45, 285). Dies betrifft nicht nur den Unfallvorgang selbst, sondern auch die versicherte Tätigkeit. Sie muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein (vgl. Krasney VSSR 1993, 81). Sind die zum Unfall führende Verrichtung und ihre Zweckbestimmung nachgewiesen, ist der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenzen liegt, bis zu der der Versicherungsschutz reicht. Im Rahmen dieser Wertung kommt der Handlungstendenz des Versicherten die maßgebliche Bedeutung zu.

Im vorliegenden Fall steht nicht sicher fest, dass der Verstorbene eine versicherte Tätigkeit ausgeübt hatte. Zeugen für das Unfallgeschehen gibt es nicht, da der Verstorbene nach 10.00 Uhr vormittags allein in Haus und Werkstatt war. Das BSG hat bereits in der Entscheidung vom 29.03.1963 (BSGE 19, 52) ausgeführt, dass keine Rechtsvermutung für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles besteht, wenn ein Versicherter auf der Betriebsstelle aufgefunden wird, sondern dass darüber in freier Beweiswürdigung zu entscheiden ist. Es ist daher zu prüfen, ob betriebsbezogene Umstände für die Entstehung des Unfalles ursächlich sind. Bei Nachweis einer betriebsbezogenen Tätigkeit ist ein Zusammenhang des Unfalls mit der versicherten Tätigkeit auch dann als bewiesen anzusehen, wenn genaue Feststellungen über den unmittelbar den Unfall bewirkenden Umstand nicht getroffen werden können. Dies gilt jedenfalls, soweit keine Umstände vorliegen, die eine Unterbrechung des betrieblichen Zusammenhangs darlegen (vgl. BSG vom 14.11.1984, 9 b RU 68/83).

Mit welcher Absicht der Verstorbene unmittelbar vor seinem Tod die Hydraulikpresse bediente, lässt sich nicht klären. Für die Richtigkeit der Behauptung der Klägerinnen, er habe an der Maschine arbeiten oder sie reparieren wollen, spricht die Aussage der Klägerin zu 1), der Verstorbene habe gegen 10.00 Uhr zu ihr gesagt, er wolle in der Werkstatt arbeiten, sowie, dass er Arbeitskleidung und Sicherheitsschuhe trug, dass er verschmutzte Hände hatte und weiter die Aussage des Zeugen ..., er habe dem Verstorbenen am 21.07. einen Auftrag erteilt, den er innerhalb der nächsten 14 Tage ausführen sollte. Ob aber der Verstorbene am 25.07. zwischen 10.00 Uhr und 15.30 Uhr, also bis zu seinem Tod, eine versicherte Tätigkeit ausübte oder ob er eine möglicherweise begonnene Tätigkeit zu irgendeinem Zeitpunkt unterbrach und der Unfall aus anderen als betrieblich bedingten Gründen geschah, ist nicht aufklärbar.

Gegen eine versicherte Tätigkeit spricht, dass U-Eisen, die mit der Hydraulikpresse hätten bearbeitet werden können, weder in der Presse noch in deren unmittelbarer Nähe lagen. Dass der Verstorbene die Maschine kontrollieren oder reparieren wollte, ist zwar möglich, konkrete Anhaltspunkte, dass dies tatsächlich so war, gibt es aber nicht. Jedenfalls erscheint es bei der Art der Maschine äußerst unwahrscheinlich, dass der Verstorbene unbeabsichtigt mit dem Kopf zwischen die Pressschilde geraten wäre. Denn der Hebel zur Inbetriebnahme der Presse war so angebracht, dass man ihn vom Hubbereich aus, in dem sich der Kopf des Verstorbenen befand, nicht unbeabsichtigt betätigen konnte. Zudem bewegte sich die Presse nicht schlagartig, sondern brauchte zwischen 3 und 10 Sekunden bis das untere Pressschild mit dem oberen zusammentraf. In diesem Zusammenhang ist auch auf die Ausführungen des Dipl.Ing ... vom 13.11.1995 hinzuweisen, bei unvorsichtiger Betätigung der Hydraulikpresse könnten höchstens Arme und Hände gefährdet sein. Ein Grund dafür, warum der Verstorbene sich bei einer möglichen Reparatur derart unvorsichtig hätte verhalten sollen, dass er den Kopf zwischen die Schilde legte und den Bedienungshebel betätigte, ist nicht ersichtlich.

Dagegen ist zu berücksichtigen, dass der Verstorbene an einer endogenen Depression litt, wegen der er vom 06.04.1990 bis 19.02.1990 und vom 23.05.1991 bis 12.07.1991 stationär behandelt wurde. Auch bei der Entlassung war die Erkrankung nicht behoben, da die behandelnden Ärzte weiterhin hoch dosierte Medikamente verordneten. Bei einer psychotischen Depression wird, wie der Gutachter Dr ... betont hat, die Gefahr eines Suizids besonders hoch eingeschätzt. Auch ist eine Tendenz zur Anwendung harter Suizidmethoden bekannt. Der behandelnde Arzt Dr ... hat die latente Suizidgefahr bestätigt, wenn auch der Verstorbene während des zweiten Aufenthaltes im Bezirkskrankenhaus Engelthal und danach keine Suizidgedanken äußerte. Die Angaben der Klägerin zu 1) und der Zeugen, ihnen sei keine Depression oder Verstimmung beim Verstorbenen aufgefallen, sind insofern ohne Bedeutung, als medizinische Laien ein Krankheitsbild weder festzustellen noch zu bewerten vermögen. So war auch dem Zeugen ... kurz vor dem ersten stationären Aufenthalt des Verstorbenen im Bezirkskrankenhaus nichts hinsichtlich seines psychischen Zustandes aufgefallen.

Ob der Verstorbene die ihm verordneten Medikamente tatsächlch regelmäßig einnahm, ist ebenfalls nicht eindeutig zu klären. Zwar hat die Klägerin zu 1) angegeben, dies sei der Fall gewesen. Sie hat aber auf die Frage, ob der Verstorbene am 25.07.1991 die Medikamente eingenommen habe, geantwortet, sie denke, dass er das getan habe. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass die Klägerin zu 1) nicht regelmäßig bei der Einnahme der Medikamente anwesend war und deshalb über die tatsächliche Einnahme nur Vermutungen äußern kann. Für einen Suizidversuch des Verstorbenen spricht auch, dass er Werkstatt und Lagerraumtore versperrt hatte und den Schlüssel stecken ließ, was normalerweise nicht üblich war, da sein Bruder am 25.07.1991 zunächst versuchte, durch diese Türen die Werkstatt zu betreten.

Insgesamt deutet mehr auf einen Selbstmord als auf einen Unfall bei einer betrieblichen Tätigkeit hin. Jedenfalls bleibt eine tatsächliche Ungewissheit, die den Nachweis eines inneren Zusammenhanges mit der versicherten Tätigkeit ausschließt (BSG vom 27.03.1990, 2 RU 45/89). Es sind hier verschiedene gleichwertig denkbare Fallgestaltungen möglich. Nur wenn alle denkbaren Unfallverläufe und Zusammenhänge zu dem Ergebnis führen, dass der Versicherungsschutz zu bejahen ist, weil die versicherte Tätigkeit in jedem denkbaren Fall eine rechtlich wesentliche Ursache für den Unfall war, bedarf es keiner bis ins Einzelne gehenden Sachaufklärung. Bleibt jedoch die Möglichkeit offen, dass eine nicht zur versicherten Tätigkeit zu rechnende Tatsache den Unfallhergang wesentlich mitbestimmt hat, bedarf die Ermittlung des Unfallhergangs und des Ursachenzusammenhanges besonderer Anstrengungen (BSG vom 31.05.1996, 2 RU 24/95).

Trotz der umfassenden und eingehenden Ermittlungen konnte der Geschehensablauf und die Ursache des tödlichen Unfalls nicht geklärt werden. Hinreichende Wahrscheinlichkeit für das Bestehen eines inneren Zusammenhanges zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Tod des Versicherten ist nicht gegeben. Die Folgen der objektiven Beweislosigkeit treffen denjenigen, der aus dieser Tatsache ein Recht herleiten will (vgl. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr.11; BSG vom 13.06.1995, 2 RU 24/95). Das sind im vorliegenden Fall die Klägerinnen, deren Anspruch auf Hinterbliebenenrenten vom Vorliegen des inneren Zusammenhanges zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfallgeschehen abhängig ist. Denn die tatsächliche Ungewissheit über die zum Unfall führende Tätigkeit schließt zugleich jeden Nachweis des für den Versicherungsschutz maßgebenden inneren Zusammenhanges mit der Betriebstätigkeit aus (vgl. BSG vom 27.03.1990, 2 RU 45/89).

Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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