L 2 U 112/96

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 8 U 45/94
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 112/96
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Klage auf Feststellung, daß eine Gesundheitsstörung Folge einer BK ist, kann sich nur auf eine bestimmte Gesundheitsstörung beziehen, nicht auf die allumfassende Frage, ob beim Kläger eine BK vorliegt.
2. Mit der Zulässigkeit der Klageänderung wird jedoch nicht auch schon die Klage zulässig. Für die zulässigerweise geänderte Klage müssen nämlich die auch sonst für eine Klage notwendigen Prozeßvoraussetzungen, z.B. der für ein Feststellungsverfahren erforderliche Verwaltungsakt, vorliegen.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 11.01.1996 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Feststellung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit und um die Entschädigung für ihre Folgen.

Der Kläger war von Oktober 1980 bis Januar 1989 als selbständiger Fuger im Hochbau tätig und dabei bei der Beklagten versichert. Am 30.01.1989 erstattete der Allgemeinarzt Dr ... eine ärztliche Anzeige über eine Berufskrankheit. Der Kläger leide an erstmals 1974 aufgetretenen rezidivierenden Zwölffingerdarmgeschwüren, Magenbeschwerden und einer Konjunktivitis. Ursächlich sei die Verarbeitung lösungsmittelhaltiger Fugenmittel.

Nach entsprechenden Ermittlungen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 30.01.1990 die Gewährung von Leistungen hierfür ab.

Den anschließenden Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.1990 als unbegründet zurück, da ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den vom Kläger verwendeten Berufsstoffen und der Magen-Darmerkrankung nicht gegeben seien.

Mit seiner anschließenden Klage hat der Kläger zunächst die Anerkennung einer Allergie im Magen-Darmbereich als Berufskrankheit geltend gemacht.

Nach einer entsprechenden Beweisaufnahme durch das Sozialgericht hat der Kläger mit Schreiben vom 05.11.1991 eine Hautkrankheit als Berufskrankheit geltend gemacht und vorgetragen, erste Hautekzeme seien 1983 aufgetreten.

Der auf Antrag des Klägers nach § 109 SGG gehörte Sachverständige Prof.Dr ..., Vorstand des Instituts und der Poliklinik für Arbeitsmedizin der Universität München, kommt in seinem Gutachten vom 16.02.1993 zu dem Ergebnis, ein Ursachenzusammenhang zwischen den beruflichen Einwirkungen und der Magenerkrankung bestehe nicht. Ein beim Kläger bestehendes disseminiertes atopisches Ekzem und kumulativ toxisches Handekzem sei als beruflich bedingt anzusehen, es liege insoweit aber keine Berufskrankheit vor, da keine entsprechenden Schutzmaßnahmen durchgeführt worden seien und damit kein hinreichender ursächlicher Zusammenhang mit der Berufsaufgabe vorliege.

Nach weiteren Beweisaufnahmen bezüglich der Hauterkrankung, die zu unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben, hat der Kläger die Anerkennung einer schweren Hautkrankheit (Kontaktallergie) als Berufskrankheit nach Nr.5101 der Anlage zur BKVO und die Gewährung der gesetzlichen Leistungen beantragt. Diese Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 11.01.1996 als unbegründet abgewiesen.

Mit dem anschließenden Berufungsverfahren verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Er hat mit Schriftsatz vom 28.11. 1996 beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 11.01.1996 und den Bescheid der Beklagten vom 30.01.1990 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.06.1990 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die bei ihm vorliegende schwere Hauterkrankung (Kontaktallergie) als Berufskrankheit im Sinne der Nr.5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen und die gesetzlichen Leistungen unter Zuerkennung einer leidensgerechten MdE, mindestens einer solchen von 20 v. H., zu gewähren.

Nach einer weiteren Beweiserhebung durch den Senat bezüglich der Hauterkrankung hat der Senat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 25.11.1998 darauf hingewiesen, dass die MagenDarmerkrankung als Berufskrankheit nicht mehr Streitgegenstand sei, da der Klageantrag in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht am 11.01.1996 auf Anerkennung einer Hauterkrankung beschränkt worden sei und damit die Entscheidung des Beklagten über eine Ablehnung der Magen-Darmerkrankung als Berufskrankheit bindend geworden sei. Weiter wurde der Kläger darauf hingewiesen, dass bezüglich der geltend gemachten Hauterkrankung noch kein Verwaltungsakt der Beklagten vorliege und dass deshalb im Falle einer Entscheidung des Senats die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut zurückgewiesen werden müßte, mit der Begründung, dass die Klage auf Anerkennung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit mangels Verwaltungsakt unzulässig sei. Bezüglich der Hauterkrankung könne bei derzeitigem Verfahrensstand eine Entscheidung zur Sache nicht ergehen. Ein Bescheid, den die Beklagte bezüglich der Hauterkrankung erlassen würde, würde auch nicht gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens werden können, da er den ursprünglich angefochtenen Bescheid weder ergänzen noch ersetzen würde.

Daraufhin haben die Beteiligten folgenden Vergleich geschlossen: Die Beklagte hat sich verpflichtet, aufgrund des Antrags des Klägers vom 05.11.1991 zu prüfen, ob die Hauterkrankung Berufskrankheit im Sinne der Nr.5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sei und hierüber einen rechtsbehelfsfähigen Bescheid zu erteilen. Der Bevollmächtigte des Klägers hat das Angebot angenommen. Die Beteiligten waren sich darüber einig, dass mit diesem Vergleich der Rechtsstreit in vollem Umfang erledigt sei, wenn der Kläger oder sein Bevollmächtigter den Vergleich nicht bis 21.12.1998 widerrufen würden.

Mit Schreiben vom 21.12.1998, eingegangen beim Gericht am gleichen Tage, hat der Kläger den Vergleich widerrufen. Er ist der Auffassung, dass in erster Instanz keine Klageänderung vorgenommen worden sei. Streitgegenstand sei gewesen, dass der Kläger aufgrund einer Beeinträchtigung durch entsprechende Giftstoffe Verletztenrente begehrt habe. Insoweit seien zur Begründung nur andere Unfallfolgen eingefügt worden. Der ablehnende Bescheid der Beklagten habe sich auch umfassend auf Ablehnung aller Berufskrankheitenziffern bezogen. Die vom Sozialgericht zugelassene Klageänderung könne vom Senat nicht mehr als unzulässig angesehen werden. In Anbetracht der Fülle von Rechtsfragen, die der anhängige Fall aufweise, insbesondere im Hinblick auf verfahrensrechtliche Fragen, wird beantragt, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen.

Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Zum Verfahren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren die Akten der Beklagten und die Akten des Sozialgerichts Landshut in dem vorangegangenen Klageverfahren. Auf ihren Inhalt wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die vom Kläger form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig; ein Berufungsausschluß nach § 144 SGG liegt nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet, weil die Klage, über die das Sozialgericht zu entscheiden hatte und entschieden hat, unzulässig war. Über die Feststellung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit und deren Entschädigung durch Verletztenrente hat die Beklagte nicht entschieden. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten betreffen die Feststellung und Entschädigung einer Magen-Darmerkrankung als Berufskrankheit.

Mit den angefochtenen Bescheiden hat die Beklagte die Anerkennung und Entschädigung der Magen-Darmerkrankung als Berufskrankheit abgelehnt. Sie hat dabei nicht über die Anerkennung und Entschädigung weiterer Erkrankungen des Klägers entschieden. Das ergibt sich zunächst ausdrücklich aus dem Bescheid vom 30.01.1990. Darin ist Bezug genommen auf die ärztliche Anzeige der Magen-Darmerkrankung als möglicher Berufskrankheit. Ferner ist ausgeführt, dass der staatliche Gewerbearzt keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Magen-Darmerkrankung sehe und die formellen Voraussetzungen für die Anerkennung und Entschädigung einer Berufskrankheit somit nicht erfüllt seien. Weder wörtlich noch sinngemäß ergibt sich aus diesem Bescheid eine Regelung bezüglich einer anderen Krankheit. Eine solche ist bis dahin auch nicht im Raum gestanden, weder die ärztlichen Angaben noch die des Klägers enthalten einen Hinweis auf eine Hauterkrankung.

Gleiches gilt bezüglich des Widerspruchsbescheides. Das Widerspruchsbegehren des Klägers bezog sich ausdrücklich allein auf die Magen-Darmerkrankung. Auch der Widerspruchsbescheid bezieht sich ausdrücklich hierauf und der Hinweis im Bescheidtext, mit Schreiben vom 30.01.1990 habe die Beklagte eine Berufskrankheit nach den Nrn. 1 bis 6101 der Berufskrankheitenverordnung abgelehnt, weil kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit und der Magendarmerkrankung gegeben sei, macht hinreichend deutlich, dass es ausschließlich um die genannte Erkrankung gegangen ist und dass diese nach keiner der Nrn. 1 bis 6101 der Anlage zur BKVO eine Berufskrankheit sei. Eine Erkrankung kann nämlich nach mehreren der genannten Nummern eine Berufskrankheit sein, sei es, dass sie in der Anlage ausdrücklich genannt ist, sei es, dass sie ohne ihre ausdrückliche Benennung die im einzelnen genannten Voraussetzungen für eine Berufskrankheit erfüllt.

Dementsprechend hat der Bevollmächtigte des Klägers in seinem Klageantrag vom 08.08.1990 die Anerkennung der beim Kläger vorliegenden Erkrankung in Form von Allergie im Magen- und Darmbereich als Berufskrankheit beantragt. Ein weitergehender Antrag ist zunächst nicht gestellt worden und bei der Geltendmachung der Hauterkrankung mit Schreiben vom 05.11.1991 war die Klagefrist abgelaufen. Selbst wenn also die Beklagte mit den angefochtenen Bescheiden die Anerkennung und Entschädigung sämtlicher Gesundheitsstörungen des Kläger verweigert hätte, wäre mit der Klage eine Beschränkung auf die Magen-Darmerkrankung vorgenommen worden und die angefochtenen Bescheide wären im übrigen rechtsbeständig gewesen. Dies gilt auch bezüglich der begehrten Entschädigung. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten beschränken sich auf die Frage der Entschädigung der Magen-Darmerkrankung und der Klageantrag des Klägers in seinem Schreiben vom 08.08.1990 bezieht sich auf die Entschädigung dieser Gesundheitsstörung.

Hinzu kommt, dass es sich bei dem Begehren des Klägers auf Anerkennung einer Berufskrankheit richtigerweise um eine Feststellungsklage nach § 55 Abs.1 Nr.3 SGG handelt, nämlich auf die Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Berufskrankheit ist. Diese Feststellung kann sich nur auf eine bestimmte Gesundheitsstörung beziehen, nicht auf die allumfassende Frage, ob beim Kläger eine Berufskrankheit vorliegt.

Die mit Schreiben vom 05.11.1991 mit der Geltendmachung einer Hauterkrankung als Berufskrankheit vorgenommene Klageänderung war jedenfalls nach § 99 Abs.1 SGG zulässig, weil sich die Beklagte sachlich hierauf eingelassen hat. Mit der Zulässigkeit der Klageänderung wird jedoch nicht auch schon die Klage zulässig. Für die zulässigerweise geänderte Klage müssen nämlich die auch sonst für eine Klage notwendigen Prozessvoraussetzungen vorliegen (vgl. Meyer-Ladewig, Kommentar zum SGG, 6. Auflage § 99 Rdnr.13a ff.). Im vorliegenden Fall fehlte es für das Klageverfahren an dem auch für ein Feststellungsverfahren erforderlichen Verwaltungsakt der Beklagten (s. dazu Meyer-Ladewig a.a.O., § 55 Rdnr.19 ff.) ebenso wie an einem nach § 54 SGG notwendigen Verwaltungsakt über die Entschädigung der Hauterkrankung. Das Sozialgericht hat deshalb die Klage zu Recht abgewiesen, wenngleich dies richtigerweise aus Gründen der Unzulässigkeit hätte geschehen müssen.

Auch im Berufungsverfahren, in dem auch der Senat zunächst die Unzulässigkeit der Klage übersehen hat, ist kein Verwaltungsakt der Beklagten ergangen, der die geänderte Klage zulässig gemacht hätte.

Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut ist damit unbegründet. Auch der Senat hat über die geänderte Klage nicht sachlich entscheiden können, weil ihr weiterhin die Prozeßvoraussetzung einer anfechtbaren Entscheidung der Beklagten gefehlt hat.

Die Entscheidung über die Kosten stützt sich auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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