L 2 U 194/99

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 3 U 208/95
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 194/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.03.1999 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der im Jahr 1956 geborene Kläger, der 1979 zum Masseur und medizinischen Bademeister ausgebildet wurde und seit 1980 in diesem Beruf, seit 1986 als Selbständiger, tätig war, stellte im Januar 1991 zunächst telefonisch Antrag auf Gewährung von Leistungen wegen einer berufsbedingten Hauterkrankung durch Formaldehyd. In seiner schriftlichen Anzeige vom 18.02.1991 führte er aus, an Atemnot, Kopfschmerzen und eitrigen Ekzemen durch Öle, Bäder und Fluid seit September 1989 zu leiden. Er sei bei den Hautärzten Dres.S. und M. in Behandlung. In einem Bericht vom 16.01.1991 führte der Hautarzt Dr.M. aus, beim Kläger seien seit September 1989 Geschwüre und Entzündungen im Bereich beider Handrücken aufgetreten. Daneben hätten sich ständige Nasenentzündungen, Lidschwellungen, bronchitische Beschwerden und Übelkeit bemerkbar gemacht. Der Kläger habe sich nicht leistungsfähig gefühlt und habe seine Tätigkeit wiederholt während der Arbeit abbrechen müssen, da es zu Schwindel, Desorientiertheit und Übelkeit gekommen sei. Die Symptome hätten sich in der Regel bereits nach zweistündiger Arbeitsbelastung entwickelt. Gleiche Beschwerden seien auch wenige Stunden nach Auftreten einer Epicutantestung zu bemerken gewesen. Der blasse, im allgemeinen Leistungsvermögen gemindert erscheinende Patient befinde sich in depressiver Grundstimmung. Im Bereich beider Handrücken fänden sich makulöse, schmutzig-braune, münzgroße Hyperpigmentierungen, die bis zu den Handgelenken hinaufreichten. Die Epicutantestung habe mit Testablesung nach zwei Stunden zweifach positive Reaktion bei Perubalsam und fraglich positive Reaktion bei Formaldehyd ergeben. Weiter sei ein Pricktest mit Formalin in den Konzentrationen 1 zu 3500 und 1 zu 35.000 durchgeführt worden. Es habe sich bei dem Kläger innerhalb von drei Minuten eine pfennigstückgroße Quaddel entwickelt, die in der ersteren Konzentration von einem handtellergroßen Erythem umgeben sei. Bei der Konzentration 1 zu 35.000 sei das Erythem zweimarkstückgroß. Es bestehe in dem gesamten Bereich eine massive Hyperästhesie. Multiple Petechien seien aufgetreten. Darüber hinaus habe der Kläger Schwindel, heftige Kopfschmerzen, erhebliche Blässe und Übelkeit entwickelt. Er habe in Kopftieflage gelagert werden müssen, da er nicht mehr fähig gewesen sei, zu sitzen. Der Blutdruck habe 140/90, die Pulsfrequenz 92 Schläge pro Minute betragen. Die entzündliche Reaktion der Haut sei auch nach 25 Tagen noch sichtbar. Die histologische Untersuchung zeige ein makulös urticarielles Bild, dem eine leukozytoplastische Vasculitis mit diffus interstitieller Entzündung zugrunde liege. Beim Kläger bestehe eine schwere Intoleranz gegenüber Formaldehyd, wobei der Verdacht einer Typ III-Allergie sowohl aufgrund des klinischen Bildes als auch aufgrund der vorliegenden Untersuchungsresultate geäußert werden müsse. Der Zusammenhang habe durch Provokation mit Formaldehydkonzentration dokumentiert werden können, die weit unter den handelsüblich verwendeten Konzentrationen liege. Histologisch habe eine leukozytoplastische Vasculitis gesichert werden können, wie sie als histologisches Anfangsbild der bei dem Kläger zu beobachtenden Ulcerationen zu finden sei. Auf die weiteren Darlegungen in dem Bericht wird verwiesen.

Der Hautarzt Dr.S. führte im Bericht vom 05.03. 1991 aus, Epicutantestungen hätten eine deutliche positive allergische Reaktion auf Fluid und Peruzon Massagecreme ergeben. Die übrigen von ihm durchgeführten Epicutantestungen hätten keine positive allergische Reaktionen erbracht. Der Kläger habe ein heftiges Rentenbegehren vorgebracht und die Hauterkrankung habe sich deutlich von der üblichen berufsbedingten allergischen Hauterkrankungen in ihrem Verlauf unterschieden. Er habe keine ärztliche Meldung gemacht, da ihm die Genese der Hauterkrankung nicht sicher genug für das Vorliegen einer eindeutig beruflich bedingten Erkrankung sei. Am 12.07.1991 berichtete Prof.Dr.T. aus dem Institut für experimentielle Dermatologie der Universität W. , der Kläger habe am 06.12.1989 die Privatambulanz aufgesucht und berichtet, dass bei ihm seit einem halben Jahr im Bereich des Handrückens und des angrenzenden Unterarms Hautveränderungen bestünden, die er selbst auf seine Tätigkeit als Masseur zurückführe. Bei der damaligen Vorstellung hätten sich im Bereich des rechten Handrückens inselförmig zwischen gesunder Haut stehend, einzelne meist exkoriierte vor allem im Randbereich deutlich entzündliche Hautveränderungen gefunden. Einzelne Areale seien mit kleinen Krusten bedeckt gewesen. Die angrenzende Partie der rechten Unterarmstreckseite sei in einem Bereich von ca. 8 Zentimeter im Durchmesser flächig gerötet und mit multiplen Krusten bedeckt gewesen. Der Krustenrand hätte eine deutliche Irritation gezeigt. Das damalige Bild habe nicht einer akuten Kontaktdermatitis, sondern eher einer irritativen Dermatitis entsprochen, wobei auch an ein artifizielles Geschehen gedacht worden sei. In dem ausführlichen Gespräch habe der Kläger deutlich ein Begehren nach Anerkennung einer Berufsunfähigkeit artikuliert. Die aufgrund des Hautbefundes notwendige Arbeitsunfähigkeit habe er wegen fehlender finanzieller Absicherung abgelehnt. Ein Anhalt für eine beruflich bedingte Hauterkrankung ergebe sich aus der Tatsache, dass nach Angaben des Klägers die Hauterscheinungen während seiner beruflichen Tätigkeit aufträten und im arbeitsfreien Intervall abklingen würden. Auch die Lokalisation der Hautveränderungen sei mit der beruflichen Tätigkeit in Einklang zu bringen, wenn auch das klinische Bild nicht für eine allergische Kontaktdermatitis spreche. Hierfür gäben die getesteten Arbeitsstoffe auch keinen Anhalt. Die Voraussetzung zur Anerkennung einer beruflichen Hauterkrankung nach Nr.5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung sei seines Erachtens derzeit nicht gegeben. Weiter berichtete Prof.Dr.F. am 16.08.1991 an die Beklagte, dass dem Kläger zwischenzeitlich die Ausübung der beruflichen Tätigkeit als Masseur wegen ausgeprägter Lokal- und Allgemeinreaktion unmöglich geworden sei und er seine berufliche Tätigkeit im Mai 1990 beendet habe. Danach hätten sich die Hautveränderungen in der obengenannten Weise nicht mehr eingestellt. Jedoch habe er regelmäßig innerhalb von Stunden nach Betreten seiner Massagepraxis Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheit verspürt. Bei der hier durchgeführten Untersuchung sei nun eine erhebliche Stigmatisierung auffällig. Erneute ambulante bzw. stationäre Testungen seien wegen befürchteter Lokal- und Allgemeinreaktionen abgelehnt worden. Insbesondere ein stationärer Aufenthalt sei wegen der im Krankenhaus zu befürchtenden Formaldehydexpositionen nach Angaben des Klägers nicht möglich. Aus dem gleichen Grund habe die körperliche Untersuchung in der hiesigen Klinik nur in bestimmten Räumen vorgenommen werden können, da sich in anderen Schwindel und Übelkeit einstellten. Außer einer körperlichen Untersuchung hätten somit lediglich eine Blutentnahme am 24.07.1991 sowie eine Urinuntersuchung durchgeführt werden können. Wenige Minuten nach Desinfektion der rechten Ellenbeuge mit Neo-Kodan-Spray habe sich im Kontaktareal eine urticarielle Schwellung eingestellt. Diskreter Schwindel und Benommenheit seien berichtet worden. Am nächsten Tag sei an der genannten Kontaktstelle ein deutlich papulöses entzündliches Infiltrat sichtbar gewesen. Die zuletzt genannte Beobachtung lasse an ein Kontakturtikaria-Syndrom auf Neo-Kodan-Spray denken, wobei als Auslöser in erster Linie Phenoxy-Äthanol in Betracht zu ziehen sei. Formaldehyd sei in diesem Produkt nicht enthalten. Gleiches gelte im Übrigen nach Auskunft der Firma S. für die Perozonmassagecremes. Darin sei aber Äthylstearyl-Alkohol enthalten. Das Vorliegen einer kontakturticariellen Reaktion auf Alkohole erscheine also durchaus möglich. Da es nach Angaben des Untersuchten regelmäßig zu Allgemeinsymptomen bei Betreten der Praxisräume komme, weswegen diese im Übrigen in Kürze an einen Nachfolger übergeben werden sollten, könne der Nachweis einer erhöhten Formaldehyd-Raumluft-Konzentration erhebliche Hilfestellung bei der Aufklärung des gesamten Krankheitsbildes liefern.

Mit Schreiben vom 18.10.1991 teilte der technische Aufsichtsbeamte L. mit, wie die beiliegende Tabelle zeige, habe der Kläger berufsbedingt Hautkontakt insbesondere mit den Präparaten, die Formaldehyd (wenn auch nur im ppm-Bereich) als Konservierungsstoffe enthielten. Speziell beim Zubereiten der medizinischen Bäder und den Unterwassermassagen habe der Kläger Hautkontakt mit formaldehydhaltigen Badezusätzen gehabt. Hautkontakt zu Alkoholverbindungen, speziell mit Phenoxyäthanol und Cethylstearylalkohol habe der Kläger über Massagecremes, die berufstypisch bei der Massage seien, verwendet. Es sei überprüft worden, ob der Kläger Kontakt mit Pentachlorphenol und Formaldehyd über die Raumluft der Massagepraxis gehabt habe. Pentachlorphenol finde sich in erster Linie in Holzschutzmitteln. Der Raum bestehe aus Steinaußenwänden und Rigips-Trennwänden sowie aus einem Fußboden mit PVC-Belag. Die verwendeten Möbel bestünden ebenfalls nicht aus Holz, so dass es sehr unwahrscheinlich sei, dass der Kläger beruflich Kontakt mit Pentachlorphenol gehabt habe. Neben ausdünstenden Formaldehydhaltigen Flächen und Instrumenten, Desinfektionsmitteln könnten Harze und Leime von Preßspanplatten Formaldehyd freisetzen. Die Messungen von Formaldehyd in der Raumluft sei negativ verlaufen, könnten aber letztlich nicht als absolut angesehen werden, da die gerätetechnischen Ungenauigkeiten beachtet werden müssten. Deshalb sei nicht auszuschließen, dass die Raumluft nach der Flächendesinfektion mit dem Flächendesinfektionsmittel Melsitt und der Insrumentendesinfektion mit Misoformin gering mit Formaldehyd belastet gewesen sei. In einer Anlage werden die formaldehydhaltigen Spezialbäder und Ölbäder aufgeführt sowie mitgeteilt, dass der Massagecreme Peruzon Cethylstearylalkohol enthalte. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bericht verwiesen.

Am 07.11.1991 teilte Dr.B. (Städt. Klinik in D.) mit, derzeit könne der Kläger nicht untersucht werden, da er wegen eines Schädelbasisbruches in stationärer Behandlung sei.

Die Beklagte holte ein Gutachten des Prof.Dr.F. vom 09.12.1991 aufgrund ambulanter Untersuchung des Klägers am 22.07.1991 ein. Es liege nach jetzigem Kenntnisstand eine Berufskrankheit nach Nr.5101 der Berufskrankheitenverordnung vor. Die MdE sei vorläufig auf 20 % zu beziffern. Auf das Gutachten wird Bezug genommen.

In einem Telefongespräch vom 07.01.1992 erklärte der Kläger, er habe mittlerweile auch infolge der Sensibilisierung gegenüber Formaldehyd seinen Geschmacks- und Geruchssinn verloren. Bei einem Gespräch mit der Beklagten am 21.01.1992 bekundete der Kläger, er habe Ende August 1989 letztmalig die praktische Tätigkeit als Masseur verrichtet. Er sei ab 01.09.1989 gezwungen gewesen, Ersatzkräfte einzustellen. Er habe lediglich in der Zeit von 1979 bis 1986 Rentenversicherungsbeiträge gezahlt.

Er legte einen Kaufvertrag vom 18.11.1991 vor, wonach er am 18.11.1991 seine Praxis vermietet und das Mobiliar verkauft habe.

Weiter legte er einen Arbeitsvertrag vor, nachdem er am 01.09. 1989 eine Masseurin und medizinische Bademeisterin habe einstellen müssen.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des staatlichen Gewerbearztes Dr.B. vom 07.02.1992 ein, der eine Hauterkrankung als Berufskrankheit bejahte und die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit 20 v.H. einschätzte. Die Beklagte holte weiter eine Stellungnahme des TAD L. zur Verbreitung der Berufsstoffe im allgemeinen Erwerbsleben ein. Auf die Stellungnahme wird verwiesen.

Am 15.05.1992 teilte der Hautarzt Dr.M. telefonisch mit, nach der ihm vorliegenden Literatur sei ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Sensibilisierung des Klägers gegenüber Formaldehyd und den neurologischen Ausfallserscheinungen gegeben.

Mit Schreiben vom 15.06.1992 teilte er mit, es liege auch eine allgemeine Erkrankung mit tiefgreifenden internistischen und toxikologischen Problemen vor. Dies sei dokumentiert worden als der Kläger kürzlich fälschlicherweise mit formaldehydhaltigen es zu Schüttelfrost, Schweißausbrüchen, Konzentrationsstörungen und Koordinationsstörungen gekommen.

Mit Bescheid vom 16.07.1992 hat die Beklagte eine Hauterkrankung als Berufskrankheit anerkannt. Es handele sich um eine Kontakturtikaria bei Typ III Sensibilisierung. Die MdE betrage 20 v.H.

Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 14.01.1993 teilte die Beklagte mit, dass sie wegen der Allgemeinsymptomatik weiter ermittele.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme des staatlichen Gewerbearztes vom 13.07.1993 ein, der ausführte, im Rahmen einer Zahnbehandlung sei eine Wurzelfüllung mit einem formaldehydhaltigen Material durchgeführt worden. Danach sei es zu Schüttelfrost und Schweissausbrüchen gekommen, so dass der Zahn extrahiert worden sei. Leider sei es nicht möglich, aus gewerbeärztlicher Sicht abschließend Stellung zu nehmen, ob diese Gesundheitsstörungen in Verbindung mit der Formaldehydallergie zu sehen seien, da entsprechend aussagekräftige Befundberichte fehlten und die Aussagen des Dr.M. auf anamnestischen Angaben beruhten.

Am 05.07.1993 erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid vom 16.07.1992 betreffend die Hauterkrankung. (Az.: S 3 U 160/93). Während des Verfahrens erteilte die Beklagte einen Widerspruchsbescheid vom 27.08.1993 (Klageakt, Az.: S 3 U 160/93, in welchem sie den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 16.07.1992 zurückwies. Die Beurteilung der weiteren vom Widerspruchsführer lediglich anamnestisch angegebenen Allgemeinsymptome nach Kontakt mit Formaldehyd wie Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Kopfschmerz seien nicht unter der Berufskrankheit Ziff.5101 zu fassen und werde in einem gesonderten Feststellungsverfahren getroffen.

Mit Schreiben vom 29.11.1996 hat der Bevollmächtigte des Klägers die Klage bzgl. der Hauterkrankung zurückgenommen. Im weiteren Verfahren gehe es darum, die Auswirkungen des Kontaktstoffs Formaldehyd auf das Gehirn des Klägers als Berufskrankheit anzuerkennen. Zwischen den Parteien bestehe Einigkeit darüber, dass der Kläger generell allergisch auf den Kontaktstoff Formaldehyd reagiere (Az.: S 3 U 176/96).

Mit Bescheid vom 06.09.1993 hat es die Beklagte abgelehnt, die beim Kläger angeblich bestehende Allgemeinsymptomatik in Form von Übelkeit, Erbrechen, Schwindel, Schüttelfrost sowie cerebralen Ausfallserscheinungen als Berufskrankheit nach § 551 Abs.1 RVO i.V.m. Nr.1306 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anzuerkennen. Es könne auch eine Entschädigung dieser Erkrankung nicht wie eine Berufskrankheit nach § 551 Abs.2 RVO erfolgen, da die Voraussetzungen hierfür ebenfalls nicht erfüllt seien. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung seien wegen dieser geklagten Beschwerden nicht zu erbringen. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch begehrte der Kläger von der Beklagten, festzustellen, dass das von Dr.M. diagnostizierte Krankheitsbild Berufskrankheit im Sinne des § 551 RVO sei. Es sei eine MdE von 100 v.H. gegeben. Das Krankheitsbild habe sich insbesondere in neurologischer Hinsicht dramatisch verschlechtert. Es lägen massivste Durchblutungsstörungen des Gehirns, Perfusionsstörungen des Gehirns vor. Das Auftreten der erhöhten Formaldehydkonzentration sei ursächlich für das Entstehen der hier gegebenen Symptome.

Er verwies auf ein Gutachten des Dr.M. vom 09.02.1995, in welchem dieser ausführte, die Hirnszintigraphie mit Neurolyte zeigten ausgeprägte Perfusionsstörungen in den beschriebenen Arealen. Es liege eine Intoleranz von Formaldehyd, Verdacht auf Typ III Allergie, schwere Perfusionsminderung des Gehirns und Polyneuropathie beim Kläger vor. Während das dermatologische und allergologische Krankheitsgeschehen durch Expositionsstopp im Wesentlichen gemindert habe werden könnten, schreite die neurologische Symptomatik fort, die sich bereits 1989 bemerkbar gemacht habe. Auch die wechselhaften Stimmungsschwankungen würden durch diesen Befund erklärt. Es bestehe Berufs- und Erwerbsunfähigkeit. Die Perfusionsstörung des Gehirns sei als Spätfolge der Schädigung durch Formaldehyd zu werten und eine Folge chronisch-toxischer Belastung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.06.1995 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Formaldehyd sei kein sogenannter Listenstoff. Die Voraussetzungen für § 551 Abs.2 RVO lägen nicht vor. Ein Formaldehydmetabolismus, der eine Umwandlung von Formaldehyd in Methylalkohol im Körper bewirke, sei wissenschaftlich nicht erwiesen. Insofern könne schon allein deshalb die Anerkennung einer Erkrankung als Berufskrankheit im Sinne der Nr.1306 der Anlage als Berufskrankheitenverordnung nicht erfolgen.

Dagegen hat der Kläger Klage erhoben mit dem Antrag, es werde festgestellt, dass es sich bei dem von Dr.M. diagnostizierten Krankheitsbild des Klägers um eine Berufskrankheit im Sinne des § 551 RVO handele. Die Beklagte habe eine Berufskrankheit nach § 551 Abs.1 RVO i.V.m ... Ziff.5101 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung anerkannt, sei aber lediglich von einer MdE von 20 v.H. ausgegangen. Diese sei viel zu niedrig bemessen. Das Krankheitsbild habe sich insbesondere in neurologischer Hinsicht dramatisch verschlechtert. Die Symptome hätten sich in letzter Zeit sowohl an Intensität wie auch an Häufigkeit verstärkt. Der Kläger verwies auf das bereits zitierte Gutachten des Dr.M. vom 09.02.1995. Weiter legte der Kläger eine Stellungnahme des Dr.M. vom 21.07.1995 vor, in welcher er erneut die bekannten Pricktestbefunde, die histologische Untersuchung und die Ergebnisse der Spekthirnszintigraphie darlegt und ausführt, die Meinung, dass Erkrankungen wie eine Berufskrankheit nur dann entschädigt werden könnten, wenn die Krankheit nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht seien und dass neue Erkenntnisse nur solche seien, die hinreichend wissenschaftlich gefestigt seien, sei auf einer Tagung für Umweltmedizin in München 1992 nicht bestätigt worden. Dies hätte zur Folge, dass Ersterkrankungen oder Erstbeschreibungen von Krankheitszusammenhängen niemals eine Anerkennung finden könnten, auch wenn ganz zuverlässige Zusammenhänge bestünden. Epidermale Reaktionen, wie sie z.B. beim Kontaktekzem abliefen, seien nicht in der Lage, entsprechend tiefgreifende Ulcerationen, wie sie beim Kläger gefunden worden seien, hervorzurufen. Defekte, die im Rahmen dieser Erkrankung aufträten, seien sekundärer Natur, morphologisch anders gestaltet und würden in der Regel durch Kratzeffekte wegen des Juckreizes hervorgerufen. IGE-vermittelte Reaktionen führten ebenfalls nicht zu Ulcerationen, sondern bedingten eine Kontakturtikaria. Darüber hinaus sei bei diesem Krankheitsbild eher eine Problematik an den Atemwegen zu erwarten. Erklärt werden könne der pathogenetische Ablauf nur dadurch, dass sich die Reaktion am Gefäß manifestiere. Aufgrund der dadurch veränderten Mikrozirkulation könne es zu Gewebsuntergängen mit Ulcerationen kommen, die dann auch bis in die Subcutis reichen könnten. An diesem Sachverhalt sei die Diagnostik orientiert. Vasculäre Reaktionen hätten eine andere Kinetik als epidermale Reaktionen. Für solche Reaktionen sei die Einhaltung von MAK Grenzwerten unerheblich, so dass die Aussagen der TÜV-Messungen hierfür keinen Beitrag leisteten. Entscheidend sei, dass der Patient nach Aufbringung entsprechender Sprays und Desinfektionsmittel durch die Nähe der Nase zum Expositionsort deutlich höhere Konzentrationen aufnehme als sie später in der Raumluft gemessen würden, da hierbei die Verdünnung sehr viel höher sei. Darüber hinaus habe unter Testbedingungen gezeigt werden können, dass bereits durch niedrigste Konzentrationen Reaktionen hervorgerufen hätten werden können. Die anamnestisch angegebenen und auch unter Testbedingungen aufgetretenen zentralnervösen Störungen ließen vermuten, dass auch Gefäße des zentralen Nervensystems bei der Reaktion beteiligt sein könnten. Erst in jüngerer Zeit sei die Durchführung einer Spect-Hirnszintigraphie möglich gewesen, die hinsichtlich der Reaktionen am Gefäßsystem sehr viel zuverlässigere Resultate liefere (als die bis dahin durchgeführte Computertomographie und Magnetresonanztomographie). Hier hätten sich nun generalisierte Perfusionsstörungen in beiden Hirnhemisphären mit Lokalisation in fronto-temporalen und occipitalen Bereich gefunden. Gerade die Veränderungen im fronto-temporalen Bereich seien bei Formaldehydexposition besonders typisch. Nach Uphaus seien diese cerebralen Schäden in der Regel mit einem massiven Aktivitätsverlust oder einem Mangel an Aldehyddehydrogenase verbunden. Diese Personen hätten zumeist eine erhebliche Alkoholintoleranz. Darüber hinaus entstehe auch bei geringer Formaldehydbelastung eine erhöhte Methanolausscheidung. Beim Kläger habe sich bei sehr geringer Formaldehydbelastung und einem entsprechend niedrigen Ameisensäurewert im Harn (0,9 mg/g Kreatinin) dennoch eine erhebliche Methanolmenge von 4,1 mg/Liter gefunden, die den zulässigen Grenzwert um das Doppelte überschreite. Die Untersuchung habe eindrucksvoll den Aktivitätsverlust des Enzyms Aldehyddehydrogenase demonstriert. Die Relevanz dieser Zusammenhänge sei bestätigt worden anläßlich einer Zahnbehandlung des Klägers mit formaldehydhaltigem Zahnfüllmaterial. Angesichts der Tatsache, dass aufgrund der Schwere des Krankheitsbildes des Patienten umfassendere Testungen eine erhebliche Verletzung der persönlichen Integrität darstellten, sei es ethisch nicht vereinbar, den Kläger immer wieder in gesundheitsbeschädigende Diagnostik hineindrängen zu wollen. Aufgrund der vorliegenden Befunde würden nach § 551 Abs.1 RVO und Nr.1306 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung folgende Schäden geltend gemacht: 1. Schädigung des Zentralnervensystems mit erheblicher Perfusionsminderung der Hirnrinde. 2. Störung der Funktion von Hirnnerven (Geschmacks- und Geruchssverlust). 3. Periphere Polyneuropathie mit Störung der Koordinationsfähigkeit. Weiter werde nach Nr.5101 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung geltend gemacht, eine leukozytoplastische Vasculitis auf Formaldehyd. Die MdE betrage 100 v.H.

Das Sozialgericht hat einen Arztbrief des Dr.H. an den Hautarzt Dr.M. vom 23.12.1994 über eine am 20.12.1994 durchgeführte Hirnszintigraphie mit Neurolite des Klägers beigezogen. Darin wird eine ausgeprägte Perfusionsstörung in den beschriebenen Arealen angenommen. Der Befund sei besonders auffällig, da großflächige symmetrische und asymmetrische sowie auch fleckförmige Parenchymminderungsareale vorlägen.

Weiter legte der Kläger ein Schreiben des Hautarztes Dr.M. an den Bevollmächtigten des Klägers vom 21.12.1995 vor. Darin wird u.a. ausgeführt, dass Formaldehyd nicht nur percutan über die Haut aufgenommen worden sei, sondern gleichzeitig auch inhalativ resorbiert. Dabei komme es zu zentralnervösen Störungen, die im Einklang mit den anamnestischen Angaben stünden. Eine leukozytoplastische Vasculitis könne sich im Bereich vieler Organe abspielen, wobei aufgrund der vorliegenden Symptomatik das Gehirn als Reaktionsort ebenfalls zu benennen sei. Aus dieser Tatsache leite sich der Anspruch ab, dass eine Schädigung nach § 551 Abs.1 RVO und Nr.1306 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung neben der Nr.5101 geltend gemacht werde. Bei dem Kläger hätten bislang keine vasculären Erkrankungen gesichert werden können, die als weitere Erklärung in Betracht kämen. Es habe allerdings eindrucksvoll dargestellt werden können, dass bei percutaner oder inhalativer Belastung mit Formaldehyd bei dem Kläger immer auch zentralnervöse Symptome aufgetreten seien. Die Übereinstimmung anamnestischer Daten, klinischer Befunde und radiologischer Untersuchungsresultate belegten den Zusammenhang der Kausalkette eindrucksvoll. Präzisere Resultate ließen sich nur durch Verletzung der gesundheitlichen Integrität des Patienten erzielen. Es sei dargestellt worden, dass sich die Erkrankung des Klägers sowohl an der Haut als auch im zentralen Nervensystem abspiele. Möglich sei dies dadurch, dass die Reaktion an den Gefäßen und nicht an den Zellen der Epidermis ablaufe, wie dies bei Typ IV allergen der Fall sei.

Mit Schriftsatz vom 19.03.1996 macht der Kläger geltend, Dr.M. habe eine Schädigung der dopaminergen D.2-Rezeptoren des Hirnstamms nachweisen können. Dies sei durch eine Spect-Hirnstamm-Rezeptoren-Szintigraphie des Dr.S. L. in L. geschehen.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten des Prof.Dr.F. vom 18.08.1998 eingeholt, nachdem dieser vom Kläger wegen Fristversäumnis erfolglos als befangen abgelehnt worden war. Dieser führt im Wesentlichen aus, die von Dr.M. angeführte ausgeprägte systemische Reaktion infolge eines beim Kläger durchgeführten Pricktestes gegenüber Formaldehyd, die eine Schocklage des Klägers erforderlich gemacht habe, könne bei dem in dieser Situation gemessenen Blutdruck von 140/90 und einer Herzfrequenz von 92 Schlägen pro Minute nicht nachvollzogen werden. Die vom Kläger angegebene Allgemeinreaktion habe nach Durchführung des Prick- bzw. Epicutantestes von den durchführenden Ärzten Prof. Dr.T. und Prof.Dr.F. bzw. dem Hausarzt nicht dokumentiert werden können. Diese Reaktionen seien jeweils einige Stunden nach den stattgehabten Testungen aufgetreten. Unzureichend sei der von Dr.M. erhobene neurologische Befund. Sturzgefahr unter Hinweis, dass die Symptome linksseitig ausgeprägt seien, stelle keinen objektiven Befund dar. Die aufgeführte Diagnose einer Polyneuropathie werde durch keinen Untersuchungsbefund belegt. Ein Zusammenhang zwischen den von der Klägerpartei angeführten hirnszintigraphischen Perfusionsstörungen und einer beruflichen Exposition gegenüber Formaldehyd bestehe nach neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht. Kontrollierte Studien, die einen Zusammenhang zwischen der geltend gemachten Allgemeinsymptomatik und der Einwirkung von Formaldehyd nachwiesen, lägen im internationalen Schrifttum nicht vor. Vereinzelt gebe es Hinweise zu einem möglichen Zusammenhang zwischen neurologischen Störungen und der beruflichen Einwirkung von Formaldehyd. Diese von den Autoren Kilburn und anderen in den 80iger Jahren veröffentlichten Untersuchungsergebnisse würden in darauf folgenden prospektiven Untersuchungen von den Autoren nicht mehr bestätigt. Bei in vier Fällen vermuteten neuro-toxischen Störungen bei beruflich langjährig, d.h., zwischen 14 bis 30 Jahren gegenüber Formaldehyd beruflich zwischen 0,1 bis 5 ppm in der Raumluft Exponierten, wiesen die Autoren Kilburn und andere explizit auf die geringe Aussagekraft der Untersuchung hin. In der Massagepraxis des Klägers hätten die Meßwerte zwischen 0,04 bis 0,5 ppm für Formaldehyd ergeben. Der Argumentation der Klägerpartei, das Gehirn sei im Hinblick auf Schäden durch Inhalation von Formaldehyd ein besonders gefährdetes Organ, könne nicht gefolgt werden. Der angeführte Vortrag des Kollegen Simon sei nicht aktenkundig oder im internationalen Schrifttum publiziert. Möglicherweise handele es sich um einen Autor namens Simon, der 1991 eine Studie veröffentlicht habe, in welcher jedoch der Verdacht einer aufgrund einer Formaldehydeinwirkung bestehenden neuro-psychiatrischen Symptomatik im Sinn eines organischen Hirnschadens nicht habe erhärtet werden können. Die zitierten Ausführungen von Uphaus zu sogenannten Varianten des Formaldehyd Metabolismus könnten nicht nachvollzogen werden. Bei einzelnen Probanden aufgefallene neuro-toxische Schädigungsmuster würden von Uphaus bezüglich Symptomatik und Erscheinungsbild nicht beschrieben. Unterschiedliche Metabolisierungswege würden lediglich als mögliche Begründung für unterschiedliche Auswirkungen von Formaldehyd auf den Menschen postuliert. Es werde in der Arbeit darauf hingewiesen, dass eine Differenzierung der Stoffwechselstörungen künftigen Untersuchungen vorbehalten bleibe. Pathologische Varianten des Formaldehyd-Metabolismus seien nach derzeitigem Stand der Wissenschaft nicht bekannt. Es sei Bolt zu folgen, dass Methanol im Urin nicht als Parameter für eine Formaldehydbelastung diene. Neurotoxische Wirkungen von Methanol seien darüber hinaus lediglich im Rahmen von Kasuistiken nach schweren Methanolvergiftungen beschrieben. Im Vordergrund der Effekte durch Methanolintoxikation stehe darüber hinaus nach wie vor die Opticusathrophie. Bei der Erkrankung handele es sich nicht um eine Berufskrankheit der Ziffer 1306 der Berufskrankheitenverordnung. Es bestehe beim Kläger weiterhin keine Berufskrankheit gemäß § 551 Abs.2 RVO.

Der Kläger hat dazu auf eine Stellungnahme des Dr.M. vom 08.01.1998 verwiesen. Der Arzt weist darauf hin, dass die beim Kläger vorgenommene Gewebeuntersuchung ein perivasculäres lymphoidzelliges Infiltrat mit reichlich neutrophilen und eosinophilen Granulozyten ergeben habe. Das Bild passe zu einer leukozytoplastischen Vasculitis mit diffuser interstitieller Entzündung. Es liege keine Kontakturtikaria auf Phenoxieäthanol und Formaldehyd vor, sondern eine leukozytoplatische Vasculitis mit Erythrozytenextravasaten vor, die von besonderer Bedeutung seien, da diese Einblutungen nach und nach gewebsdestruierend sein könnten. Formaldehyd sei hoch reaktiv. Wie falsch die vertretene Meinung der raschen Verstoffwechselung von Formaldehyd sei, habe auch Schwarze in seinem Artikel "Einfluß von Formaldehyd auf die immunchemischen Eigenschaften von Serumproteinen in Vitro" nachweisen können. Beim Kläger sei es zwischenzeitlich im Bereich des Riechens zu einem bifrontalen Substanzdefekt gekommen, wie in der Magnetresonaztomographieuntersuchung vom 26.09.1997 dokumentiert sei. Dies widerlege alle Ausführungen des Gutachters von Prof.Dr.F ... Solche Defektbildungen würden durch seine Ausführungen ohne weiteres erklärt. Sie widerlegten auch, dass der Körper bei Aufnahme flüchtiger und besonders reaktiver chemischer Verbindungen diese ausreichend schnell metabolisieren könne. Bereits höchste Verdünnungen seien in der Lage, das Beschwerdebild zu induzieren. Aus rechtlicher Sicht sei es unerheblich, ob Formaldehyd bereits in die Liste krankheitsauslösender Stoffe aufgenommen worden sei oder nicht. § 551 RVO sei ausdrücklich dafür eingeführt, die Erfassung neuer Zusammenhänge zu ermöglichen, da ansonsten neu auftretende Probleme in keinem Fall geltend gemacht werden könnten. Die weitere Progredienz der Erkrankungen auch ohne weitere berufliche Exposition weise darauf hin, welcher Schweregrad hier vorliege.

Hierzu hat das Sozialgericht eine ergänzende Stellungnahme des Prof.Dr.F. vom 15.09.1998 eingeholt. Aus der Reaktion auf den Prick-Test könne keinesfalls geschlossen werden, dass Formaldehyd auch im Gehirn Schaden anrichte, wenn es sich um die in diesem Fall vorhandene Exposition am Arbeitsplatz des Versicherten handelt. Die beschriebene Allgemeinsymptomatik sei untypisch und könne durchaus ausschließlich auf psychosomatischer Basis entstanden sein. Eine objektive Beeinträchtigung des Kreislaufs sei durch die gemessenen Blutdruckwerte von 140/90 mmHg und die Pulsfrequenz von 92/Minute ausgeschlossen. Diese aktenkundigen, von Dr.M. schon im Gutachten vom 16.01.1991 beschriebenen Befunde besäßen für sich allein nicht die Aussagekraft, dass es sich hier um eine Schädigung des Gehirns durch das in geringer Menge in die Haut eingebrachten Formaldehyd gehandelt habe. Das Resultat der Gewebeuntersuchung sei ebenfalls nicht in irgendeiner Weise verwertbar. Bei lokal toxischen Reaktionen, auch an der Haut und bei immunologischen Reizantworten fänden sich nicht selten neutrophile und eosinophile Granulozyten, ein perivasculäres lymphoidzelliges Infiltrat sei lediglich Ausdruck einer lokalen Entzündung, sicherlich jedoch nicht Hinweis auf die von Dr.M. angenommene generelle Vasculitis. Es handele sich lediglich um einen Lokalbefund nach lokaler Einbringung von Formaldehyd. Eine Vasculitis sei klinisch nie diagnostiziert worden. Sie biete generell allgemeinklinisch ein sehr buntes Befundbild. In aller Regel seien bei einer generalisierten Vasculitis, die auch die Hirngefäße betreffe, weitere Gefäße, vor allem in der Niere und in der Leber beteiligt. Die von Dr.M. angenommene isolierte Hautvasculitits nach Einbringen von Formaldehyd beim Prick-Test und die einmalige diagnostizierte Hirndurchblutungsstörung könnten nach allgemein-ärztlichem internistischen Kenntnisstand nicht als Ausdruck einer allgemeinen Vasculitis interpretiert werden, da jegliche weitere Befunde für eine derartig schwere, generalisierte Erkrankung fehlten. Die Auslösbarkeit der Beschwerden, d.h., ihr zeitlicher Zusammenhang sage nichts über die Verursachung aus. Zur Diskussion über die Metabolisierung von Formaldehyd seien keine weiteren Ausführungen nötig, da kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der beruflichen Formaldehydexposition und den geklagten Beschwerden bestehe. Man habe im Unfallversicherungsrecht von allgemein gültigen und anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Erfahrungen auszugehen und nicht über die Kombination von Formaldehyd und lipophilen Substanzen zu spekulieren. Eine Anerkennung der Erkrankung nach § 551 Abs.2 RVO komme nicht in Betracht. Es lägen keinen allgemein anerkannten gesicherten neuen Erkenntnisse vor, die die Anwendung dieser Rechtsvorschrift zur Diskussion stellen könnten.

Hierzu hat sich Dr.M. in einer Stellungnahme vom 05.01.1999 geäußert. Dr.M. weist darauf hin, dass die Verdünnungsstufen dokumentierten, dass Konzentrationen weit unter Gebrauchskonzentration und fern von toxischen Bereichen für die Testung gewählt worden seien. Petechiale Hautblutungen seien allein durch Berührung und ohne Gebrauch der Prick-Testung auszulösen gewesen. Darüber hinaus liege eine Magnetresonanztomographie des Gehirns vor, die Substanzverluste im Frontalhirn anzeige. Durch sich wiederholende leukozytoplastische Vasculitiden in diesem Bereich und die dadurch bedingte wiederholte Einblutung in das Hirngewebe könne es zu solchem Substanzverlust kommen. Entsprechend sei das Geltendmachen einer Erkrankung nach dem für das Verfahren weiterhin gültigen § 551 Abs.2 RVO gerechtfertigt. Zwar liege beim Kläger sicherlich eine selten vorkommende Form der Überempfindlichkeit vor, es sei aber gerade das Ziel, mit Einführung von § 551 Abs.2 RVO eine Möglichkeit geschaffen, auch solchen Erkrankten in der Rechtsprechung gerecht werden zu können.

Mit Urteil vom 30.03.1999 wies das Sozialgericht Augsburg die Klage ab. Es führte aus, eine schwere Methanolvergiftung, die eine Erkrankung durch Methylalkohol im Sinne der Nr.1306 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung darstelle, sei beim Kläger nicht belegt. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Entschädigung seiner Krankheiten gemäß § 551 Abs.2 RVO. Der Verordnungsgeber habe mit Wirkung ab 01.12.1997 eine neue Berufskrankheitenverordnung erlassen, in die Formaldehyd nicht als Listenstoff aufgenommen worden sei. Prof.F. habe daraufhin gewiesen, dass Zusammenhänge zwischen Einwirkungen von Formaldehyd und besonderen Gefährdungen derzeit wissenschaftlich nicht ausreichend belegt seien.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er u.a. geltend macht, das Sozialgericht Augsburg habe die medizinische Dimension des der Klage zugrunde liegenden Anspruchs in keiner Weise nachvollziehen können, wenn es im Urteil heiße:" Auch die Erkenntnis, dass Formaldehyd im Körper zu Methanol abgebaut werde, führe zu keinem anderen Ergebnis". Es sei vielmehr so, dass die Giftwirkung des Methanols vor allem auf das in den Körperzellen sich bildende Formaldehyd, das Eiweißzellen- und Ferment hemmend sei, zurückgeführt werde. Die Ursächlichkeit des Kon- taktes mit Formaldehyd und Methanol sei für die Erkrankung des Klägers entgegen der erstinstanzlichen Auffassung gegeben. In diesem Sinn werde ausdrücklich die Einholung eines neutralen Sachverständigengutachtens vorgeschlagen. Von besonderer Bedeutung sei, dass der neu zu bestellende Sachverständige sich mit den divergierenden Lehrmeinungen auseinandersetze. Das Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr.F. sei auch keineswegs neutral und objektiv erstellt worden, vielmehr sei es erst nach Ablehnung eines Befangenheitsantrags abgegeben worden. Die Beschwerde gegen diesen Befangenheitsantrag sei vom BayLSG nur deswegen zurückgewiesen worden, weil sie nicht fristgerecht eingelegt worden sei. Durch die ohnehin schon bestehenden Befangenheitsgründe komme hinzu, dass der Sachverständige nach den mehrmaligen rechtlichen Versuchen, ihn aus dem Verfahren herauszuhalten, nicht mehr die gebotene Neutralität habe entwickeln können.

Die Beklagte machte geltend, nach Prof.B. sei ein Metabolismus von Formaldehyd in Methylalkohol medizinisch wissenschaftlich bislang nicht bewiesen. Insoweit scheide die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Ziff.1306 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung aus. Auch ein Anspruch auf Anerkennung einer Berufskrankheit nach § 551 Abs.2 RVO sei nicht gegeben. Mit Schriftsatz vom 22.10.1999 trug sie vor, aus einer Gesprächsnotiz vom 15.05.1992 zwischen ihr (der Beklagten) und dem behandelnden Arzt Dr.M. gehe hervor, dass der Kläger bereits in früherer Zeit einen Schädelbasisbruch erlitten habe. Im Hinblick auf die zu behandelnde Problematik des § 551 Abs.2 RVO a.F. weise sie darauf hin, dass durch Änderung der Berufskrankheitenverordnung vom 31.10.1997 auch die Berufskrankheit Nr.1317 in die Anlage zur Berufskrankheitenverordnung aufgenommen worden sei. Eine Erkrankung nach dieser Ziffer könne nur gemäß § 6 Abs.1 BKVO anerkannt werden, wenn der Versicherungsfall nach dem 31.12.1992 eingetreten sei.

Der Kläger überreichte ein Attest des Dr.M. vom 29.11.1999, wonach bei ihm die Detoxifikationsfähigkeit deutlich herabgesetzt sei und dies erkläre, warum er gegenüber den angeschuldigten Fremdstoffen erhöht empfindlich sei und bei Konzentrationen erkranke, die bei Gesunden keine Probleme verursachten.

Mit Schriftsatz vom 21.02.2000 wies die Beklagte darauf hin, dass die geltend gemachte neurologische/hirnorganische Erkrankung des Klägers mit Ende der Tätigkeitsaufgabe als Masseur Ende 1989 keinen Stillstand erfahren habe, sondern sich vielmehr das Krankheitsbild nach Aufgabe der Tätigkeit insbesondere in neurologischer Hinsicht dramatisch verschlechtert habe. Wie dem Berufskrankheitenreport 3/1999 zu entnehmen sei, sei für die Differentialdiagnose zu einer toxischen Encephalopathie von Bedeutung, dass eine Progredienz der Erkrankung nach Expositionskarenz gegen die Annahme eines Ursachenzusammenhangs spreche. Die Schädelfraktur aus dem Jahr 1984 sei differentialdiagnostisch auch von Dr.M. völlig außer acht gelassen worden. Sie fügte die Stellungnahme des Diplomchemikers Dr.S. vom 01.12.1999 bei, wonach selbst bei großzügiger Interpretation der Stoff "Formaldehyd" nicht als organisches Lösungsmittel bezeichnet werden könne. In einem Aktenvermerk vom 02.02.2000 wies die Beklagte darauf hin, dass die berufsbedingten Kontakte zu näher bezeichneten alkoholischen Arbeitsmitteln in früheren Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes näher beschrieben worden sei.

Der Senat hat einen Bericht des Dr.R. vom 29.03.2000 beigezogen, der ausgeführt hat, der Kläger sei bei ihm vom 10.06.1997 bis 07.10.1999 wegen Kopfschmerzen und Konzentrationsstörungen sowie allgemeinem Unwohlsein in Behandlung gewesen. Er habe eine Hepatopathie, schwere Hypertriglizeriedämie, Hyperurikämie und Hypercholesterinämie beim Kläger festgestellt. Die Befunde hätten sich langsam verschlechtert. Auf Anfrage des Senats teilte der Kläger mit, er sei von 1989 bis 2000 in keiner nerven- und HNO-ärztlicher Behandlung gewesen. Sein gesundheitlicher Zustand sei bis 1989 "normal" gewesen. Auf Anfrage des Senats, bei welchen Ärzten er seit 1977 in Behandlung gewesen sei, erklärte der Kläger, seit 1977 bei dem zwischenzeitlich verstorbenen Dr.V. und von 1984 bis 1985 bei dem zwischenzeitlich verstorbenen Dr.R. in Würzburg, danach bis 1989 nicht mehr in ärztlicher Behandlung gewesen zu sein.

Der Senat hat Auskünfte der Firmen P. und S. Arzneimittel über die Zusammensetzungen der vom Kläger von diesen Firmen bezogenen und genutzten Berufsstoffen eingeholt. Auf die Anfragen vom 06.06.2000 und 31.05.2000 und die Auskünfte vom 09.06. 2000 wird verwiesen.

Der Senat hat weiter die Unterlagen über eine stationäre Behandlung des Klägers in den Städtischen Kliniken D. vom 22.08. bis 26.08.1991 beigezogen, wonach der Kläger wegen eines Schädelhirntraumas mit Schädelfraktur und Contusionsblutungen behandelt wurde. Auf die Unterlagen wird verwiesen. Weiter hat der Senat die Unterlagen der D. AG beigezogen und einen Behandlungsbericht des Dr.S. vom 27.07.2000, wonach der Kläger im August 1989 wegen Gastroenteritis, im November 1989 wegen Hautausschlags allergischer Genese, Januar 1990 Wirbelsäulenverspannung und Juni 1991 wegen Fettstoffwechselstörungen behandelt wurde. Beigefügt war ein Bericht des Internisten Dr.K. vom 12.06.1991 der beim Kläger ein stark ausgeprägtes bronchopastisches Syndrom als Folge eines allergischen Asthmas bescheinigte. Darüber hinaus waren beigefügt bereits bekannte Atteste und Stellungnahmen des Dr.M. vom 24.07.1991, 16.01.1991 und 02.04.1991. Weiter war beigefügt ein Arztbrief des Dr.T. vom 08.01.1990, wonach das gesehene klinische Bild am ehesten einer irritativen Dermatitis entspreche und nicht die klinischen Erscheinungen eines allergischen Kontaktekzems zeige. Das Auftreten des Klägers mit dem überdeutlich geäußerten Rentenbegehren unterstütze die Annahme, dass es sich bei dem Krankheitsgeschehen um Artefakte handele. Auf den Bericht wird verwiesen.

Beigezogen wurden Berichte über Röntgenaufnahmen, Computertomographie des Schädels des Klägers vom 27.04.1993.

Auf mehrfache Anfrage des Senats teilte die Ehefrau des Klägers telefonisch am 08.09.2000 mit, ihr Mann sei im Jahr 1984/85 mit dem Hinterkopf auf die Steintreppe gefallen, als er mit dem Hund gespielt habe. Er sei ambulant in der Universitätsklinik Würzburg behandelt worden.

Der Oberarzt der Poliklinik der Universität Würzburg, Privatdozent Dr.M. teilte mit Schreiben vom 05.10.2000 mit, der Kläger sei wegen eines Unfalls vom 23.03.1985 ambulant behandelt worden. Er sei in erheblich alkoholisierten Zustand mit dem Hinterkopf gegen einen Heizkörper geschlagen gewesen. Daraufhin sei eine Wundnaht durchgeführt worden. In einer Röntgenaufnahme des Schädels in zwei Ebenen vom Unfalltag fänden sich keinerlei Frakturnachweise. Bei der letzten ambulanten Vorstellung hätten die Fäden der inzwischen gut verheilten Kopfplatzwunde entfernt werden können. Eine nochmalige Wiedervorstellung in der Chirurgischen Poliklinik habe nicht mehr stattgefunden.

Weiter hat der Senat den behandelnden Arzt des Klägers, D. (nach mehreren vergeblichen Versuchen von diesem Arzt einen schriftlichen Behandlungsbericht über den Kläger zu erhalten) durch das Sozialgericht Dortmund als Zeugen einvernehmen lassen. Der Zeuge hat erklärt, keine schriftlichen Unterlagen bei sich zu haben. Er habe diese Unterlagen in der letzten Woche heraussuchen lassen, habe sie durchgesehen, habe sie jedoch dann verlegt und deshalb heute nicht dabei. Der Kläger habe sich Ende 1986, Anfang 1987 erstmals in seiner Behandlung befunden. Zuletzt habe er ihn Mitte des Jahres 1990 konsultiert. Bis auf die letzten 1 1/2 Jahre sei der Kläger wegen Bagatellerkrankungen in Behandlung gewesen. In den letzten 1 1/2 Jahren sei er wegen Ekzemen an den Händen und im Gesicht bei ihm gewesen. Seiner Ansicht nach habe es sich um ein berufliches Kontaktekzem gehandelt. In welchen Kliniken der Kläger behandelt worden sei, sei ihm nicht bekannt. Ob der Kläger fachärztlich untersucht worden sei, sei ihm ebenfalls nicht bekannt. Ob Anhaltspunkte für Alkohol oder sonstigen Drogenmissbrauch vorlagen, hat der behandelnde Arzt wie folgt beantwortet: "Zu dem Zeitpunkt nicht." Seit 1992 habe er (D.) mit einem Computer gearbeitet. Da der Kläger jedoch vorher in Behandlung gewesen sei, sei er computermäßig nicht erfasst worden. Es gebe jedoch handschriftliche Notizen, die ihm noch vorlägen, in seiner Akte.

Weiter hat der Senat ein Gutachten des Prof.Dr.W. eingeholt. Einen Antrag wegen Befangenheit dieses Sachverständigen hat der Senat mit Beschluss vom 14.08.2001 als unzulässig, da verspätet gestellt, zurückgewiesen. Er hat jedoch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass selbst wenn der Ablehnungsantrag rechtzeitig gestellt worden wäre, ein Ablehnungsgrund nicht gegeben sei. Prof. Dr.W. gelangt im Gutachten vom 03.10.2001 zu dem Ergebnis, die auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet vorliegenden Leiden in Form von Kopfschmerzen, Störungen des Geruchssinns, Schwindelgefühl und leichte Hirnleistungsschwäche seien durch ein 1991 erlittenes Schädelhirntrauma mit multiplen Hirnsubstanzschäden verursacht. Die im Rahmen der gutachterlichen Untersuchung erkennbare Panikstörung sei nicht wesentlich durch den beruflichen Umgang des Klägers mit einem Stoff der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung verursacht, vielmehr seien hier andere persönlichkeitsimmanente Faktoren von überragender Bedeutung. Eine allergische Hautreaktion auf bestimmte Stoffe sei darüber hinaus möglich, betreffe jedoch nicht das neurologisch- psychiatrische Fachgebiet. Die bei dem Kläger erkennbare Encephalopathie sei traumatisch bedingt, Hinweise für eine Polyneuropathie lägen nicht vor. Er könne auf seinem Fachgebiet keine berufsbedingten Erkrankungen erkennen, bei denen berufliche Einwirkungen in erheblich höherem Grad als in der übrigen Bevölkerung zur Entwicklung von gesundheitlichen Problemen beigetragen hätten.

Hierzu hat der Kläger geltend gemacht, die krankheitsauslösenden Mechanismen seien im Wesentlichen immunologischer Natur. Es ergäben sich hieraus u.a. auch neurologische Konsequenzen, die aber nur dann korrekt interpretiert werden könnten, wenn die immunologischen Sachverhalte verstanden und adäquat dargestellt würden. Weiter folgen Ausführungen des Klägers zur Verstoffwechselung von Formaldehyd. Das histologische Resultat nach einer Pricktestung mit Formaldehyd werde bagatellisiert. Bei einer Vasculitis handele es sich um eine Krankheit mit systemischem Charakter, die nicht auf den Einwirkungsort begrenzt bleibe. Der Befund der histologischen Gewebeuntersuchung stimme mit dem klinischen Befund großer Ulcerationen der Handrücken überein. In jüngster Zeit habe Dr.M. erneut die Reaktion von Lmyphozyten auf Formaldehyd untersucht. Obgleich für diese Untersuchung besondere Verdünnungen hergestellt worden seien, sei es dennoch zu schwersten Reaktionen der Zellen gekommen. Somit könne festgestellt werden, dass auch mit modernster immunologischer Technik die Resultate, die Dr.M. vor vielen Jahren erhoben habe, bestätigt worden seien. Bei der Prüfung der PCP-Belastung sei nur lapidar festgestellt worden, dass nur leicht erhöhte Werte festgestellt worden seien. Dabei sei nicht dargestellt worden, dass die Halbwertzeit für PC nur drei Wochen betrage. Der Kläger habe zum Zeitpunkt der Messung seit längerer Zeit seine belasteten Praxisräume nicht mehr aufsuchen können, da er innerhalb kürzester Zeit außerstande gewesen sei, seine Arbeit zu versehen. Gehe man von einer dreiwöchigen Arbeitspause aus, läge der Belastungswert bereits doppelt so hoch. Dies bedeute, dass de facto eine außerordentliche Exposition vorgelegen habe, da der Kläger über viele Wochen nicht mehr in den belasteten Räumen tätig gewesen sei. Zu bemerken sei auch, dass gegenüber dem häufig vorkommenden Lösemittel Pulmol inzwischen eine inflammatorische Immunantwort bestehe. Hinsichtlich des Aufretens von Zytokinen sei zu vermerken, dass sie für die Entwicklung neurologischer Störungen von außerordentlicher Bedeutung seien. Ein weiteres entscheidendes Merkmal sei die Reduktion dopaminerger D 2-Rezeptoren der Basalganglien, die dem Hirnstamm zuzuordnen seien. Die Membranen dieser Rezeptoren könnten sowohl durch Formaldehyd als auch durch Pentachlorphenol bei chronischer Einwirkung leicht geschädigt werden, so dass ein sekundäres Parkinsonsyndrom die Folge sei. Ungenügend seien die in dem Gutachten verwendeten testpsychologischen Untersuchungen. Es werde deshalb beantragt, den Sachverständigen Prof.Dr.W. aufzufordern, eine ergänzende und erläuternde Stellungnahme zu seinem Gutachten unter Berücksichtigung der Ausführungen in dem angeführten Schriftsatz abzugeben.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.03.1999 und den Bescheid der Beklagten vom 06.09.1993 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.06.1995 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei ihm das Vorliegen einer Berufskrankheit nach Nr.1306 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung, hilfsweise das Bestehen einer Berufskrankheit im Sinne von § 551 Abs.2 RVO festzustellen und Verletztenrente nach einer MdE von 100 v.H. zu gewähren. (Schriftsatz vom 20.05.1999).

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.03.1999 zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben am 27.03.2002 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt.

Der Senat hat die Akten der Beklagten und des Sozialgerichts Augsburg, betreffend die Hauterkrankung und die sonstigen als Berufskrankheit geltend gemachten Erkrankungen des Klägers sowie den BK-Report BK 1317 des Hauptverbands der gewerblichen Berufsgenossenschaften, Stand 26.04.1999, beigezogen. Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß § 143 SGG zulässig. Sie ist sachlich jedoch nicht begründet.

Die Entscheidung, die nach Einverständniserklärungen der Beteiligten im schriftlichen Verfahren erfolgen konnte, richtet sich auch im Berufungsverfahren nach den bis 31.12.1996 geltenden Vorschriften der RVO, da der geltend gemachte Versicherungsfall vor dem 01.01.1996 eingetreten und über einen daraus resultierenden Leistungsanspruch vor dem 01.01.1997 zu entscheiden gewesen wäre (§§ 212, 214 Abs.3 SGB VII i.V.m. § 580 RVO).

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung, dass die von ihm geltend gemachte Allgemeinsymptomatik Folge einer Berufskrankheit im Sinne des § 551 Abs.1 RVO i.V.m. der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung und als solche zu entschädigen ist oder zumindest wie eine Berufskrankheit gemäß § 551 Abs.2 RVO zu entschädigen ist.

Gemäß § 551 Abs.1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch eine Berufskrankheit, d.h., eine Krankheit, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die der Kläger bei seiner beruflichen Tätigkeit erlitten hat. Es gilt das sogenannte Enumerations- oder Listenprinzip.

Nach § 551 Abs.1 Satz 3 RVO sind in der Liste der Berufskrankheiten nur solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind.

Im Einzelfall setzt die Anerkennung einer Berufskrankheit voraus, dass die beruflich bedingte schädigende Einwirkung wesentliche Bedingung für die Erkrankung des Versicherten ist, wobei für die Annahme der Kausalität zwischen beruflicher Belastung und Erkrankung genügt, dass sie hinreichend wahrscheinlich ist (BSGE 61, 127). Eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht dann, wenn deutlich überwiegende Gründe für die Annahme der Tatsache sprechen (BSGE 45, 285). Mit Ausnahme des Ursachenzusammenhangs bedürfen alle rechtserheblichen Tatsachen des vollen Beweises (Ricke in KassKomm, vor § 548 RVO, Rdnr.10 ff.).

Weder sind die Erkrankungen, die der Kläger als Berufskrankheit ansieht, in der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung angeführt, noch handelt es sich um Erkrankungen i.S. des § 551 Abs.2 RVO.

Es liegt keine Erkrankung durch Methylalkohol (Methanol) im Sinn der Nr.1306 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vor. Wie sich aus dem Merkblatt (herausgegeben vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung) über die Berufskrankheit 1306 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung ergibt, stellt Methanol ein Lösungsmittel dar. Wie das Merkblatt weiter zeigt, hatte der Verordnungsgeber bei Aufnahme der Erkrankung durch Methylalkohol in die Liste zur Berufskrankheitenverordnung die Absicht, Erkrankungen durch Methanol zu entschädigen, das in Dampfform über die Atmungsorgane oder in flüssiger Form über den Magen-Darm-Kanal, aber auch durch Hautresorption, z.B. bei Durchtränkung der Kleidung von außen, aufgenommen wurde. Methanol wird hauptsächlich verwendet als Lösungs- oder Verdünnungsmittel für Farben, Lacke, Polituren, Klebstoffe, Natur- und Kunstharze, zur Befeuchtung von Nitrozellulose, in Steifungs- und Fleckenreinigungsmitteln. Eine Gefahrenquelle ist in erster Linie bei ungenügender Belüftung und bei Arbeiten im Spritzverfahren gegeben. In der kosmetischen Industrie wird der Stoff, wie sich aus dem Berufskrankheitenreport zur Berufskrankheit Nr.1317 der Anlage zur BKVO aus dem Jahr 1999 ergibt, dagegen nur mit Einschränkungen zugelassen. Neurotoxische Wirkungen von Methanol sind nach dem Gutachten des Prof.Dr.F. nur im Rahmen von Kasuistiken nach schwerer Methanolvergiftung beschrieben. Überdies steht im Vordergrund der Effekte durch Methanol-Intoxikation, wie Prof.Dr.F. betont, nach wie vor die Opticusatrophie. Abgesehen davon, dass ein schädigender beruflicher Kontakt zu Methanol im Fall des Klägers nach den Auskünften des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten und der Firmen S. und P. nicht nachgewiesen ist, behauptet der Kläger auch keine derartige Einwirkung des Methanols. Vielmehr weist Dr.M. in der gutachtlichen Stellungnahme vom 21.07.1995 darauf hin, dass auch bei geringer Formaldehydbelastung eine erhöhte Methanolausscheidung entsteht, wie sie beim Kläger mit 4,1 mg/l festzustellen gewesen sei und will damit einen Aktivitätsverlust des Enzyms Aldehyddehydrogenase belegen. Hierfür schuldigt er aber offensichtlich ebenfalls die Einwirkung von Formaldehyd an. Weder hat der Gesetzgeber, wie sich aus den genannten Merkblättern ergibt, bei Aufnahme der Erkrankung durch Methanol in die Liste zur Berufskrankheitenverordnung eine Einwirkung von Methanol durch Metabolismus im Blick gehabt, noch ist, wie Bolt in der von der Beklagten beigezogenen Stellungnahme vom 20.01. 1994 ausführt, eine Methanolkonzentrationsbestimmung im Urin ein Parameter für Formaldehydbelastungen, so dass ein Kausalzusammenhang zwischen Methanol im Urin und Formaldehyd aus wissenschaftlicher Sicht nicht haltbar ist. Eine Erkrankung im Sinn der Nr.1306 der Anlage zur BKV kann demnach nicht angenommen werden.

Auch eine Polyneuropathie oder Encephalopathie durch sonstige organische Lösungsmittel oder deren Gemische im Sinn der Nr.1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung liegen beim Kläger nicht vor.

Zwar hatte der Kläger, wie sich aus den Stellungnahmen des Technischen Aufsichtsdienstes vom 18.10.1991, 06.02.1992 und 20.05.1992 in Verbindung mit den Auskünften der Firmen P. und S. vom 09.06.2000 und der Auskunft der Beklagten vom 21.02.2000 ergibt, durch Verwendung von Massagecremes, Umgang mit alkoholischen Arbeitsmitteln, doch fehlt es bereits am Nachweis eines Kontakts in schädigendem Umfang. Hierzu hat der Technische Aufsichtsbeamte Diplom-Ingenieur L. , dessen Stellungnahmen im Weg des Urkundenbeweises verwertet werden können, ausgeführt, dass über Menge und Einsatzgebiete von Phenoxyäthanol keine gesicherten Erkenntnisse vorliegen, dass allenfalls eine geringe Verbreitung in Zusammenhang mit der Ermittlung von ca. 90 verschiedenen Präparaten mit denen der Kläger in Berührung kam, vermutet werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass nach der Stellungnahme des Diplom-Ingenieur L. vom 20.05.1992 Phenoxyäthanol und Cetylstearylalkohol ubiquitär vorkommen. Diese Beurteilung wird durch die Auskunft der Firma P. vom 09.06.2000 bzgl. Phenoxyäthanol ausdrücklich bestätigt.

Darüber hinaus ergibt sich aber aus dem Gutachten des Sachverständigen Prof.Dr.W. , dass zum einen eine Polyneuropathie des Klägers überhaupt nicht vorliegt, zum anderen für die von dem Sachverständigen bejahte Encephalopathie nicht der Umgang mit Berufsstoffen wesentliche Bedingung ist sondern das dokumentierte Unfallereignis, das der Kläger am 20.08.1991 erlitten hat. Prof.Dr.W. führt aus, dass beim Kläger kein Anhalt für eine Polyneuropathie besteht. Die Vibration an den Füßen und die Muskeleigenreflexe waren erhalten und es zeigte sich kein Hinweis für eine spinale Ataxie. Zwar hat Prof.Dr.W. neurologische Störungen beim Kläger für vorliegend erachtet, doch hat er überzeugend dargelegt, dass diese nicht toxisch sondern traumatisch bedingt sind. Eine toxische Encephalopathie hat er ausdrücklich ausgeschlossen. Dagegen liegen beim Kläger nach einem Unfall vom 20.08.1991 posttraumatische Kopfschmerzen, Geruchsinnstörungen und anamnestisch leichtes organisches Psychosyndrom vor. Prof.Dr.W. führte dazu aus, dass es durch den Unfall zu einer frontalen Schädelfraktur, ausgedehnter bifrontaler Hirnsubstanzschädigung und verschiedenen Einblutungen im Sinn einer traumatischen Subarachnoidalblutung gekommen ist. Die dadurch entstandenen Hirnsubstanzdefekte, die zuletzt 1993 beschrieben wurden, sind rechtsbetont, was nach Ausführung des Sachverständigen Prof.Dr.W. mit dem Spectbefund übereinstimmt, der vom Kläger zu Unrecht mit der Einwirkung berufsbedingter Schadstoffe in Zusammenhang gebracht wird.

Die vom Kläger geltend gemachten Beschwerden, erkären sich durch die Unfallfolgen und können nicht auf den Umgang mit Berufsstoffen zurückgeführt werden. Dafür spricht neben der Art der erlittenen Verletzung, worauf auch Prof.Dr.W. hingewiesen hat, der Umstand, dass die Allgemeinsymptomatik erst lange nach Aufgabe der Tätigkeit als Masseur im Jahr 1990 in den Vordergrund gerückt wurde. Während der Kläger 1989 bei Prof.Dr. T. nach dessen Bericht vom 12.07.1991 noch nicht über Allgemeinbeschwerden geklagt, dagegen deutlich ein Begehren nach Anerkennung einer Berufsunfähigkeit artikuliert hat und 1991 bei Prof.Dr.F. die Allgemeinbeschwerden noch weitgehend in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Ausübung seiner 1990 aufgegebenen Tätigkeit gesehen hat, wird erst im Klageschriftsatz vom 27.06.1995, d.h., 4 1/2 Jahre nach Aufgabe der beruflichen Tätigkeit eine dramatische Verschlechterung in neurologischer Hinsicht als Folge der Berufstätigkeit geltend gemacht. Selbst Dr.M. berichtet in der Stellungnahme vom 21.07.1995 zum Krankheitsverlauf, dass der vom Kläger zusätzlich geltend gemachte Geschmacks- und Geruchsverlust "im weiteren Verlauf" d.h. im Zusammenhang des Textes, nach Einstellung der Arbeit aufgetreten ist.

Nach dem entsprechenden Aktenvermerk der Beklagten hat der Kläger auch erstmals in einem Telefongespräch vom 07.01.1992 den Verlust des Geschmacks- und Geruchssinns, also nach dem Unfall vom August 1991 geltend gemacht.

Wie sich aus dem Bericht über die zweiten Potsdamer Berufskrankheitentage bzw. aus dem BK-Report, BK 1317 ergibt, ist bei der leichten Form der Enzephalopathie, die in einem psychopathologisch unspezifischem Beschwerdebild mit teils vielfältigen Beschwerden besteht, von einer vollständigen Rückbildung innerhalb von Wochen und Monaten nach Expositionsende auszugehen. Eine Persistenz der Symptome nach mehr als zweijähriger Expositionskarenz spricht gegen einen Ursachenzusammenhang. Zwar ist, wie Triebig in dem genannten Report ausführt, für das mittelschwere Stadium mit schon deutlichen Befindlichkeitsstörungen, insbesondere leicht gradigen kognitiven Leistungsminderungen und/oder Antriebs- und Affektstörungen die Prognose uneinheitlich, doch gibt es keine plausiblen Gründe, eine länger anhaltende Progredienz anzunehmen. Eine solche spricht demnach ebenfalls gegen den Zusammenhang zwischen Leiden und beruflicher Exposition. Selbst wenn man deshalb beim Kläger Symptome mittleren Grades annehmen wollte, spricht der Umstand, dass sich die Erkrankung seit 1991 ausgeweitet hat, gegen den ursächlichen Zusammenhang mit seiner Arbeit als Masseur.

Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 28.12.2001 nun noch eine Erkrankung durch Pentachlorphenol (PCP) geltend macht, fehlt es, wie sich aus der Stellungnahme des Technischen Aufsichtsdienstes der Beklagten vom 18.10.1991, die im Weg des Urkundenbeweises verwertet wird, ergibt bereits am Nachweis einer gegenüber den übrigen Bevölkerungsgruppen erhöhten Belastung. Diplom-Ingenieur L. führt dazu aus, dass sich Pentachlorphenol in erster Linie in Holzschutzmitteln findet, dass die vom Kläger verwendeten Möbel nicht aus Holz bestanden und sich auch keine Holzeinbauten in der Praxis befanden, so dass es nach dem Augenschein sehr unwahrscheinlich ist, dass der Kläger beruflich in relevantem Umfang Kontakt mit Pentachlorphenol hatte.

Der Kläger führt seine Erkrankung unter Bezugnahme auf den Hautarzt Dr.M. in erster Linie auf die berufliche Einwirkung durch Formaldehyd zurück. Erkrankungen durch Formaldehyd sind aber vom Verordnungsgeber auch nicht in die neueste Berufskrankheitenverordnung vom 31.10.1997 als Listenstoff aufgenommen worden.

Aber auch eine Entschädigung nach § 551 Abs.2 RVO kommt nicht in Betracht.

Danach sollen die Träger der Unfallversicherung im Einzelfall eine Krankheit, auch wenn sie nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist, oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit entschädigen, sofern nach neuen Erkenntnissen die Voraussetzungen des Abs.1 erfüllt sind. Abs.2 der Bestimmung soll berücksichtigen, dass der Erlass einer Rechtsverordnung mit den fortschreitenden medizinischen Erkenntnissen über Zusammenhänge zwischen Arbeit und Erkrankung sowie den gefährdeten Gruppen nicht immer Schritt halten kann. Voraussetzung für die Anwendung dieser Bestimmung ist aber, dass der Verordnunggeber eine Bezeichnung als Berufskrankheit nach Abs.1 vornehmen durfte. Das heißt, die neuen Erkenntnisse, wonach die Erkrankung, durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmten Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grad als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, müssen medizinisch wissenschaftlich gesichert, mithin mit beachtlicher Mehrheit aufgrund von Forschungsergebnissen oder dergleichen anerkannt sein. Vereinzelte Meinungen reichen nicht aus. Abzustellen ist auf erfahrene Sachverständige zu den jeweiligen Krankheiten (vgl. Ricke in KassKomm, § 551 Abs.4 und 14). Neue, sich zur Verordnungsreife verdichtet habende medizinische Erkenntnisse, dass die Einwirkung von Formaldehyd bei der Tätigkeit als Masseur zu den vom Kläger geklagten Symptomen wie Schwindel, Übelkeit, Kopfschmerz, Konzentrationsstörungen und Perfusionsstörungen des Gehirns führen können, liegen nicht vor. Wie hierzu der Sachverständige Prof.Dr.F. ausführt, gab es lediglich Hinweise zu einem möglichen Zusammenhang zwischen neurologischen Störungen und der beruflichen Einwirkung von Formaldehyd. Diese von den Autoren Kilburn und anderen in den 80-er Jahren veröffentlichten Untersuchungsergebnissen sind in den darauf folgenden prospektiven Untersuchungen von den Autoren nicht mehr bestätigt worden. Bei in vier Fällen vermuteten neurotoxischen Störungen bei beruflich langjährig, d.h. zwischen 14 bis 30 Jahren gegenüber Formaldehyd beruflich zwischen 0,1 bis 5 ppm in der Raumluft Exponierten weisen die Autoren nach Ausführungen des Sachverständigen auf die geringe Aussagekraft dieser Untersuchung hin. Im Übrigen ist nach der herrschenden Meinung nur gesichert, dass durch Formaldehyd Reizerscheinungen der Schleimhäute und allergische Kontaktdermatitiden hervorgerufen werden können (vgl. Schönberger, Mehrtens, Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage, S.1027).

Auch Dr.M. behauptet neue Erkenntnisse im Sinne des § 551 Abs.2 RVO nicht. Soweit er darlegt, dass die Anwendung des § 551 Abs.2 RVO nicht voraussetze, dass es sich bei den neuen Erkenntnissen um die herrschenden medizinischen wissenschaftlichen Auffassungen handeln müsse, weil sonst Ersterkrankungen oder Erstbeschreibungen von Krankheitszusammenhängen niemals Anerkennung finden könnten und dass lediglich entscheidend sei, ob die Untersuchungen im Einzelfall korrekt durchgeführt worden seien und ob ihre Bewertung in sich schlüssig sei, verkennt er den bereits oben dargelegten Zweck der Bestimmung des § 551 Abs.2 RVO. Auch die in der Stellungnahme vom 25.01.1999 geäußerte Meinung, es sei gerade das Ziel von § 551 Abs.2 RVO, auch selten vorkommenden Formen der Überempfindlichkeit gerecht zu werden, verkennt Sinn und Zweck der Bestimmung, wonach nur solche Erkrankungen wie eine Berufskrankheit entschädigt werden dürfen, die nach gesicherten medizinischen Erkenntnissen die sonstigen Voraussetzungen für eine Berufskrankheit erfüllen. Dass eine Erkrankung mangels gefestigter Erkenntnisse noch nicht in die Berufskrankheitenverordnung aufgenommen werden kann, hindert die weitere medizinische Forschung und wissenschaftliche Auseinandersetzung entgegen der Meinung des Dr.M. nicht.

Die vom Kläger geltend gemachten gesundheitlichen Störungen können nach alldem nicht als Berufskrankheit oder wie eine Berufskrankheit entschädigt werden.

Der maßgebliche Sachverhalt ist nach Überzeugung des Senats durch die Gutachten des Prof.Dr.F. und Prof.Dr.W. geklärt.

Insbesondere in Anbetracht des Umstands, dass Formaldehyd kein Listenstoff ist, bestand auch kein Anlass, den Sachverständigen Prof.Dr.W. nochmals zu den Einwendungen des Klägers zu hören.

Der Senat konnte auch das Gutachten des Prof.Dr.F. verwerten, da die vom Kläger im Ablehnungsantrag gegen den Sachverständigen vorgebrachten Befangenheitsgründe nicht durchgreifen. Wie der 3. Senat des Bayerischen Landessozialgerichts in der Entscheidung vom 23.04.1997 bereits ausgeführt hat, muss für einen Ablehnungsantrag wegen Besorgnis der Befangenheit ein Grund vorliegen, der geeignet ist, das Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Sachverständigen zu rechtfertigen. Dabei ist von der Betrachtungsweise eines nüchtern denkenden Beteiligten auszugehen. Vorliegend sind aber keine Anhaltspunkte erkennbar, die Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Sachverständigen Prof.Dr.F. aufkommen lassen. Insbesondere eine Tätigkeit als Gutachter für Berufsgenossenschaften begründet keine Zweifel an der Objektivität und Unparteilichkeit, weil die von Sozialleistungsträgern im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten, die die Gerichte im Weg des Urkundenbeweises verwerten, keine Parteigutachten sind (vgl. LSG Baden Württemberg, Beschluss vom 24.07.1996 in Breithaupt 1997, S.373, Beschluss des LSG Rheinland-Pfalz vom 18.11.1985 in Breithaupt 1986, S.638). Zudem haben auch die Sozialleistungsträger den Auftrag, die Durchsetzung der Rechte der Bürger in einem rechtsstaatlichen geordneten Verfahren zu gewährleisten und selbst unter Mithilfe von ärztlichen Gutachtern den Sachverhalt objektiv zu ermitteln (§§ 16, 17 SGB X). Dabei haben sie von Amts wegen auch die für den Bürger günstigen Umstände zu berücksichtigen (§ 20 SGB X). Die Heranziehung unabhängiger Gutachter durch die Sozialleistungsträger ergeht deswegen nicht mit dem Ziel, mit Hilfe des Gutachtens, von dem sie sich ein bestimmtes Ergebnis erwarten, Ansprüche abzuwehren. Insoweit hat die Beklagte überzeugend im Schriftsatz vom 27.03.1997 im damaligen Beschwerdeverfahren darauf hingewiesen, dass, sofern Prof.Dr.F. als Direktor des Instituts und der Poliklinik für Arbeitsmedizin, Klinikum Innenstadt, München als Gutachter herangezogen wurde, dies im Einzelfall allein auf seine fachliche Kompetenz zurückzuführen war. Ebenso wenig bildet ein abgelehnter Befangenheitsantrag gegen einen Sachverständigen einen eigenen Ablehnungsgrund. Ein mißliebiger Sachverständiger bräuchte sonst nur abgelehnt zu werden und dürfte, ungeachtet des Ausgangs des Ablehnungsverfahrens, nicht mehr gehört werden.

Nach alldem kann die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs.2 Nrn.1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved